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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.02.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192302021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230202
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-02
- Tag 1923-02-02
-
Monat
1923-02
-
Jahr
1923
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?sgesberi<Lt vle Katastrophe auf der Heinitzgrube Bisher 116 Tote geborgen Zu dem grotzen Grubenunglück auf der Helnitz - grübe wir- weiter berichtet, -aß bis Donneretcg vormittag S Uhr von den ReklungSkolonnen 116 Tote geborgen worden sind. 57 Bergleute werden noch vermißt, aber ihr Schicksal kann man nichts sag:n, und man hofft, -ab wenigstens noch einige von ihnen am Leben erhalten wenden können. Sie bef nden sich in dem -icht bei der Unfallstelle gelegenen Felde, -aS noch voü GaS ist. Die Rettungsarbeiten wurden -le ganze Nacht fortgesetzt, ohne daß eS bisher gelang, an die Anfall- . stelle heranzukommen. Bis zur Mltternochtsstunde waren alle Schwierigkeiten behoben, so daß dann die NettungSkolonnen nach alten R chtungen hlnauS- gesandt wenden konnten. Dabei wurde auch ft st» gestellt, dah die Gefahr beseitigt »st, da die Explosion keinen Brand verursacht hat. Bor dem Grudenhof und um den KnappschaftS- platz, sowie vor den Toren deS Krüppelheimes und den städtischen Krankenhäusern spielen sich Herz, zerreibende Szenen ah. Die Frauen rufen nach chrrn Gatten, die Kinder nach ihren Vätern. In zahlreichen Familien ist große Not elngetreten, da mehrfach sechs und mehr unversorgte Kinder Len To- ihres Vak.rS beweinen. . Der Februar - Papierpreis von 1170 Mark se Kilogramm muß als absurd hoch bezeichnet werden. Dah die Zeilungen später 90 Mark je Kilogramm rückvergütet bekommen sollen, kann ihre übermäßige Belastung nicht wesentlich mindern. Besonders jene Blätter, deren Textteil nicht nur einen Aufputz der Jnseralensetten, sondern den Hauptbestandteil bildet, werden neuerlich aufs härteste betroffen. Die Negierung scheint gegenüber den Zellstoff- Fabrikanten wieder nicht kräftig genug eingeschritten zu sein; sie wird wohl durch die Erwägung gebremst, dah ein billigerer Popierpreis auch den links- und rechtsradikalen Hetzblättern in Berlin samt deren vorsichtigeren Ablegern in der Provinz zugute kämen. Diese Argumentation ist unseres Erachtens ganz unrichtig; letzten Endes gehen solche Skandal blätter in ruhigeren Zeiten ohnedies zugrunde. * Mangel «n Elnkommensteuermarken. Nach einer Mitteilung des Reichsministers der Finanzen sind seit Mitte Dezember 1922 Einkommensteuer marken zu 1000 und 2000 «ZL, seit 9. Januar 1922 solä>e zu 3000, 4000 und 5000 an die Postanstalten versandt worden. Der Druck von Marken zu 6000, 7000, 8000, 9000, 10 000 und 20 000 -st ist ln Vor bereitung. Der Mangel an Steuermarken wird hiernach in allernächster Zeit vollständig behoben sein. Eine Verlängerung der für die Ablieferung der Steuermarkenblätter nebst Steuerbuch für 1922 festgesetzten Frist darf vom Finanzamt nur aus be sonderen Gründen bewilligt werden, und zwar ledig lich solchen Arbeitgebern, die die Steuermarken- blätter ihrer Arbeitnehmer gesammelt abliefern. * Keine studenlischen Feste. Zn Andetrajcht der schweren sozialen und nationalen Not des Vater landes sicht der Hochscholrir.g deutscher Art Leipzig auf dem Standpunkt, daß alle studentischen Ver bände und Korporationen vorläufig von Festlich keiten aller Art Abstand nehmen sollten. Sachsen und das Derwisch« Volksopser. Die Skaatskanzlei teilt mit: Von der Bildung eines be- sonderen sächsischen LandesausschusicS für, das l Deutsche VotkkSopfer hat die sächsische Regierung ! vorläufig Abstand genommen. Es wird daher er- I sucht, die im Freistaale Sachsen von den Sammel- stellen eingenommenen Beträge dem RrlchSbank- gtrokonlo d«S Deutschen NotopserS zu überweisen. Die Spenden »erden von einem Verlrauensaus- schuß verwaltet und verwendet, -er unter dem Vor sitze des Reichskanzlers zusammentkltl. Einbrecher auS der Leipziger Umgebung gefaßt. In dem 23 3ahre alten Fleischer Hermann Trzmtel auS DreSLen und -em 24 Jahr« allen Arbeiter Karl Schn«id«r von hier sind jetzt von -er Kriminalpolizei jene Täter festgenommen wor den, die -le Einbrüche am 12. Januar in daS Herrenhaus zu Güldengossa und am 2S. Ja nuar in die Kirchen zu Störmthal und Tanz- b e r g - Magdeborn verübt haben. Die silbernen Kttchengeräte hatten sie zerstört und dem 18jährigen Handlungsgehilfen Schm et her aus Berlin über geben. Dessen Großabnehmer ln Berlin ist eben falls ermittelt. Den Tätern der übrigen Einbrüche in Schlösser und Landsitz« der Umgebung von Leipzig ist man auf -er Spur. Nauchwaeendiedstahl aut der Bahn. Vor einigen Tagen wurde festgeflellt, daß ein fertig beladener Eisenbahn-Güterwagen geöffnet worben war, nn- dah sich im Wagen «ine erbrochene Kiste befand, aus der Rauchwaren Im Werte von über S Millionen Mark gestohlen waren. Der Dieb wurde in einem bei der Bahn bcschüfllgken Heiz wärter ermittelt und festgenommen. Ein Teil -er Felle, die bereits in andere Hände gelangt waren, konnte dem Eigentümer zurückgegeben werden. WSchentliche Festsetzung des GoldfranKsn-wertes Um -en dauernden Valutaschwaakungen besser «wachsen zu lein, war auf dem letzten Welkpost- kongreß in Madrid eine Internatlona'e, stabil« Werkeinbelt in Güstalt d«S Goldfranken ge- schaffen worden, nach -er seit dem vorigen Jahr alle Postgebühren berechnet werden, -le Valuta schwankungen unterliegen. Bisher wurde der Um- rechnungskurs für diesen Goldsranken. Len Kurs schwankungen der deutschen M-ark entsprechend, von Fall zu Fall festgesetzt. In Zukunft wird der deutsche Gegenwert für den Eoldfranken. w e die Reichszentrale für deutsche VerkehrSwerbung mitteilt, jede Woche neu festgesetzt und tritt jedesmal Montag in Kraft. Nach dem Doldfrankrn oder seinem Gegen wert werden berechnet: die Gebühren für Auslanls- pakete. ausländische Zeitungen. Wertangabe nach dem Ausland, die internationalen Antwortscheine, Auslands-Telegramme and -Ferngespräche. Massenverglftung in Freienwalde In Bad Freienwalde a« der Oder find am Dienstag bei etwa 200 Einwohnern Vergift angs- erkrankungea noch dem Genuß von Pferdefleisch ein getreten. Eine Fra« Jaquin and der 65 Jahre alt« Rentenbezieher Koch sowie drei Kinder Pad bereits gestorben. Eine eingehend« Untersuchung ist vom Freienwalder Magistrat mit Hilfe der Berliner Kriminalpolizei und mehrerer Sachverständiger aus Berlin eingeleitet worden. Soweit sich bisher die Angeles«rchei-k aufklären ließ, haben di« erkrankten Freienwalder Einwohner bei dem Roßschlächter Josef Reszuleit zu Beginn dieser Woche kleinere Mengen des sogenannten Hackepeter gekauft und gegessen. Der Schlächter hatte seine Kunden, wie immer, darauf aufmerksam gemacht, daß es sich um Pferdefleisch handelte, ^.elch nach dem Genuß erkrankten 50 Personen in ihren Wohnungen. LS stellte sich Brechreiz und F^ebrr ein. Alle Aerzte aus Freienwalde wurden hinzu- gezogen. Inzwischen kamen von weiteren hundert Frauen und Männern Meldungen, daß sie gleichfalls unter denselben Erscheinungen einige Stunden nach dem Genuß des Hackepeters schwer erkrankt leien. In Freienwald« verbreitete sich das Gerücht, daß der Schlächter zwei milzkranke Pferde kurz vor ihrem Eingehen von einem Tierarzt durch Spritzen bis zum Abschlachten lebensfähig gemacht und mit Umgehung -er Vorschriften des Sblacktbofes Bad Freienwalde die Tiere heimlich getötet und ihr ssl - zu Hackepeter verarbeitet hätte. Reszu'eit bestreitet diese Beschuldigung auf das entschiedenste. Strengere Aeberwachung -er Viehmärkie. Die PretSprSfangSstell, hat auS Anlaß -er Preis steigerungen ln der letzten Zeit «nd besonders am N. Januar auf -em hiesigen Schlacht- und Vieh markte Maßnahmen ergriffen, damit ähnlichen Vor gängen nach Möglichkeit vorgebeugt wird. Der Vieh, markt wird in Zukunft von einem stärkeren Aufge bot -er WohlfahrtSpolizel strenger überwacht «rr- den, und alle Fälle, in Lenen Kettenhandel und Preis- tteiberei oder auch nur der Verdacht hierzu vorllegt, werden unnachsichtlich der Staatsanwaltschaft zur Be. strofung überwiesen werden. Dazu wird sofort di« Einziehung der BlehhandelSeriaud- niS beantragt werden. Da nur «in« Regelung im ganzen Reich Abhilfe schaffen kann, wtrd sich - e PrelSprüsungSstelle mit -«n ander«« sächsischen Großstädten ln Verbindung sehen, um entsprechende -Nahnahmen za beantrag««. Roch «1« Opfer bei d«m Unglück in, Berliner Mosse-Haut. Der bei dem Deckenetnsturz tm Masse- HauS ln erlin schwer verletzte Buchhalter Thomas ist seinem Verletzungen erlegen. Es sind insgesamt 14 Tote bei dieser Katastrcwhe zu beklagen. Den übrigen Verletzten gehr es den Umständen ent sprechen- bester. Das städtische Beschaffungsamt 2e größer eine Gemeinde, desto größer sind die Ausgaben, -i« an sie herantreten. Das gilt auch hinstchii.ch der Beschaffung deS eigenen Bedarfs der Gemeinde. Nach zwei Rich tungen erwachsen ihr La Aufgaben. Einesteils wir st« sich möglichst unabhängig stellen müssen, um alle Betriebsstockungen zu vermeiden (wir brauchen z. B. nur an unsere technischen Merke zu denken), andernteils muß die Gemeinde im Interest« der All gemeinheit so rationell wie möglich wirtschaften, um alle vermeidbaren Ausgaben zu ersparen. Daß es sich bei einer Stadt wie Leipzig um ge waltige Mengen e genen Bedarfs handelt, braucht nicht erst «csaqt zu werden. Als di« Stadl noch klein war und 50 000 oder 100 000 Einwohner zählte und noch keine 1000 Beamte vorhanden waren, da verschlug es nichts, wenn jede Abteilung ihre Be- dürsnlssr sich nach eigenem Gutdünken besorgte. In einer Staöt aber, die in absehbarer Zeit K Millio nen Einwohner haben wird und über 4000 Beamte aufweist, da drängen die Dinge selbst zur Zcntral'- sakion, wenn ein Aeberblick erl'a'ken bleiben und unnötigen Ausgaben gesteuert werden soll. So ist denn aus kleinen Anfängen heraus in un serer Stadt ein städtisches Beschaffungsamt entstanden, dessen AusgabenkreiS sich Immer mehr erweliert hat. Denn es galt schließlich nicht mehr, für den sehr umfangreichen Schreibbedarf zu sorgen (der den ersten Anstoß zur Einrichtung einer zen tralisierten Bewirtschaftung gegeben hoben mochte), sondern nach und nach hat das Beschaffungsamt die Sorge für die Bedürfnisse aller städtischen Ver waltungszweige übernommen. Dazu traten andere Aufgaben sozialer Natur, namentlich im Für sorge. und im Schulwesen. Sie haben, wenn die Stadt ilren Verpflichtungen gerecht war- den will, eine Ausdehnung angenommen, an die früher niemand gedacht hak. Erinnert sei nur an die Versorgung aller Bedürftigen (und ihr Kreis ist setzt ehr groß geworden!) mit Kleidung und Schubwerk soweit das überhaupt möglich ist), ferner an die Ver- orgung der Kinder unbemittelter Eltern mit Heften und u. a. m. Aeber die Notwendigkeit des Beschaffungsamtes zu streiten, ist heute überflüssig geworden. Se'bst die einst enragierten Bekömpfrr einer solchen Ein richtung sehen «in, daß ohne eine solche Stelle die Sko.dk kaum bestehen könnte, vor allem aber Millionen mehr ousreben müßte. Aber wie daS Beschaffungsamt arrs der Not herausgebvren wurde, so befindet es> sich heute noch in nur notdürftigen Räumen, in denen den erweiterten Ansprüchen nur s«hr schwer Rechnung getragen werden kann. Be- triebserschwerend wirkt namentlich bi« Unter bringung der Einrichtungen und Läger in drei aus einanderliegenden GeLüuben, Im Neuen Rathaus, In der Wächterstraße und im Leihhaus. Das bedingt für die Verwaltung mancherlei Zeitverlust. Ein Besuch des Beschaffungsamtes dürft« aber auch jedem von der vorhandenen Raumnot über zeugen, weniger In den Werkstätten, als Im Waren lager. Von den Werkstätten befinden fick im Neuen Rathaus (im Erdgeschoß an der Bnrg- straße) die Buchbinderei, die Sbetndruckerei, die Buchdruckerei und ein Srtz«''Zlmmer. Es kann sich kirr natürlich nicht um groß» Fabrik<äir handeln, denn der gesamte technische Betrieb soll nur den eigenen Bedarf decken. Die vorhandenen Maschi-reN sind all« neuzeitlich. Zn der Buchdruckerel sind vier Tiegeldruckpressen in Tätigkeit für den Druck von Formularen, St euerzett ein, Gasrechnungen und an deren Dingen mehr. Die Buchbinderei ist dauernd stark in Anspruch genommen. Daß sich der technische Betrieb für die Stadt lohnt, ist zweifellos. Dos Warenlager Ist ln einem adaeschlosteirrn engen Gangraum uMergevruchl, der hinter den Werkstätten liegt. Dieser Raum ist, so kann man sagen, gestopft voll. Haus- und Küchengeräte, Haus- ^«inigungsmittel (alle Sorten Besen, Selsen und Schmierseifen ln Kisten und Fässern), Darkenwerk- zeuge, Holz, sowe Werkzeuge für Werkunterricht und Papparbeiten, Sägen, große Mengen von Pappen, Druck- und Schreibpapieren, Schutdedalfs- artikel, und endlich auch physikalische Instrumente, sowie Ehemikalien für unsere Krankenhäuser, das alles und noch vieles andere mehr erblickt man an den Wänden oder es Ist in Regalen und auf dem Fußboden aufgestaprlt. Ein Paradies für jede Haus frau! 2lber dt« Stadt sorgt nur für sich selbst und ihr« Pflegebefohlenen; dem privaten Gewerbe und Handel wirb keine Konkurrenz bereitet. In zw:I mitt Inander verbundenen Hofgebäuden in der Wächter st raße (gegenüber dem Polizei- aMie) ist -le Abt'.Ilung für Bekleidungs gegenstände. Zm Erdgeschosse Schuhwaren, in den beiden Obergeschossen Männer- und Frauen kleidung, Tertilwaren, Konfektion, Meterwaren (Stoffe), Wäsche und NadelarbeiksmcUerlal, haupt sächlich für den Antcrrichk in den Volksschulen. Cs Ist selbstverständlich, daß es sich bei allen Artikeln nur um Ware für den Hausbedarf handelt, und sie kommen hauptsächlich denen zugute, deren Be kleidung vom Fürsorgeamte beschafft werden muß, und deren Miltel nie ausreichen würden, wich nur annähernd die heutigen Preise zu zahlen. Eine Geldnntersiützunq ist hier nicht am Platze; sie würde verpuffen, wahrend Schvhc und Kleider einen dauernden Besitz darstellen. Endlich ist noch, wie schrn erwähnt, eine dritte Abteilung vorhanden, im Leihhause, die hauptsächlich Steingut un eins große Zahl von Kücheneinrichtungsgegenständen aufweist. Nur in ganz knaopen Ilmriffen haben wtr ist vorstehendem ein Bild von -er Wirksamkeit des städtischen Beschaffungsamtes geben können. Sie kann in seder Hinsicht vorteilhaft genannt wrrtrn, nickt zuletzt für die Stadt selbst. Das. was durch rechtzeiligs Einkäufe gewonnen, geht bei -en jetzigen sprunahasten Preissteigerungen ln die Millionen. Ist erst der für das Beschaffungsamt bestimmte Neubau an der Nonnenmühlgasse ^ertiggestellt (und Ke Stadtverordneten haben den Wunsch ous- grsprochen, daß es baldigst geschehen möge), so wird sich der Bc rieb noch viel einheitlicher gestuften lassen, als es letzt der Fall ist. Erwähnt lei schließ lich noch, dah das Beschaffungsamt mit 420 vor wiegend Leipziger Firmen in Verbindung steht. Die Kalkulation erfolgt nach streng kauf männischen Grundsätzen, und die Leitung befindet sich in bewährten Händen. Das ist ausdrücklich auch in den Krei'en unterer Stadtverordneten ane"kannk worden. Es dü-'Ke eine andere Verwal'unas- stelle geben, die so nutzbringend für unsere Sto^t ist! IE kllt-Leipziger Karneval Ausstellung im Stadtgeschichtliche» Museum. Während sich im deutschen Süden und in den Rheinlanden die Fastnochtslustbarkeiten seit alten Zeiten als volktstümliches Fest erhalten h/.n, sind sie in Mittet- und Norddeutfchland längst entwurzelt und, wo man sie überhaupt noch findet, nur mehr oder m.nder gewaltsam und künstlich am Leben er- halten oder neu importiert. Nicht die ganze Be völkerung hält hier ihr Fastnachtsfest; meistens sind es nur die Künstler und unter ihnen wieder die färben- und figurenfrohen Malersleuke, die einen Atelier-Mummenschanz zum Karneoalsfefi mit Um zügen und allerlei Posten anschwellen lasten. Süd deutsche Elemente geben -adel wohl, ihrer heimischen Tradition folgend, oft die Anregung. Auch der Leipziger Karneval in den Jahren seit 1867 ging vom Künsilerverein und -em damit eng verwandten .Klapperkasten' aus. Im Stadtgeschichtlichen Museum hat jetzt Direktor Dr. Friedrich Schulze aus dem reichen Material über diese Feste eine kleine Auswahl zu sammengestellt, die von dem Charakter der Veran staltungen eine sehr gute Anschauung gibt. Gleich der Festzua d«S ersten Karnevals vom 4. März 1867 ist in verschiedenen Bildern namhafter Zeijchner fest gehalten. Gs war ein pomphafter Zug ganz im Stil der süddeutschen Fastnachtszage mit phantastischen Aufbauten auf vielspännigen Wagen. Eine Llpsta thronte über ihren Dienern Merkur und anderen, Vater Rhein fehlte so wenig wie Gott Bacchus. Der beliebt« Komiker Engelhardt hatte ein« Parodie .Die Afrikanärrin' verfaßt, «n- «ine FastnachtS- zeitung erschien, in Anlehnung an den Namen .Klapperkasten', unter dem Titel .Der Klappera- datsch', in der Aufmachung des bekannte« Witz blattes. Seit dem nächsten Jahr gab man bereits «in großes Album mit lithographischer W e-ergab« der Festzugsgruppen heraus. Anter anderen lustigen Typen fährt da ausch ein .Spritzenwagen für brennende Fragen'. Besonders tätig für diese Publikationen war der geschickte Zeichner Gustav Sundblad, «In Süddeutscher, der natürlich im Fastnachtstreiben nie anders als Schundblatt hieß. Er schuf die teilweise glänzenden karikaturistischen Blätter -er Vereinigung .Die Zwanglosen'. Ein mal parodiert er z. D. -MakartS Sieben Tod sünden'. Im Mittelpunkt steht bei all diesen Ver anstaltungen das Theater und seine Leute. Gott schall, Laube, Förster, die chorakeristlsche zwicker geschmückte Nase Lindaus sind lelcht zu erkennen. Das Blatt für 1871 zeigt Laubes Sturz vom Pla fond des Neuen Theaters durch die berüchtigten Risse, seitwärts in der Direktionsloge machte -er neue Bewerber Friedrich Haase als Häschen Männ chen. Auf einem anderen Blakt ragt Förster als Siegfried, während Angelo Neumann ihm alsWa'd- vögelein das Wort .Garderobemarke' inS Ohr singl — Anspielungen auf aktuelle Theaterfragen, wie sie sich auf fast ollen Blättern wlederflnden. Auch aufs politische Gebiet begab man sich ge legentlich. So ließen dle Zwanglosen eln Karten spiel Herstellen, daS neben dem lokalgelch chtllch de- kannten .Seelerernst' Bismarck, Liebknecht, den französischen Kriegs-Minister u. a. in drastischen Bll- dern zeigt. In den achtziger Jahren artete das Karnevals vergnügen in gemeingefährlichen Klimbin aus und fand ein rühmloses Ende. Wer sich für Leipz gs Geschichte und überhaupt für daS gesellschaftliche Treiben jener Jahre interessiert, der wird die im Museum ansgelegten Blätter, Broschüren, Embleme, Orden usw. mit Vergnügen stob eren. Manicher alte Leipziger mag da die eine und andere oekannte .Größe' jener Tage wiedererkennen. Derschöxriurg. Dieser Tage würbe in -er Wie ner Gesellschaft der Aerzte an einem Mädchen mit «maeborrner Anterkiefennißdildirng — der Anter- Kiefer war olmonn vergrößert und vorgeschoben -- eln schöner OperuttonSerfolg demonstriert DaS Mäd chen war, wie man auS Photographie und Röntgen aufnahme entnehmen konnte, durch diese angeborene Mißbildung entstellt. Durch «inen p'astisch-kosmett- schen Eingriff gelang eS. dieses für di« Trägerin so unliebsame Spiel der Rat« zu korrigieren. Durch Ablösung deS Zahnträgerfortsatzes (Alveokrfortsatzes) mit samt den Zähnen durch mehrfach« Anbohrung im Unterkiefer und Durchiägvng an diesen Stellen wurde der vorgeschoben« Unterkiefer durch Brech«n in den vovgezeichnetrn Stellen zurückge-rängt und da-durch eine normale Kteferfiellrmg erzielt. Nun hätte aber dir gleichzeitig bestehende Vergrößerung der Zunge -en Operationserfolg stören können. Es mußte daher auch ein keilförmiges Stück der Zunge ausgeschnitten werden, mn -les« entsprechend zu ver kleinern. Das ?ALdch«n zeigt nunmehr einen kos metisch und funktionell einwandfreien Ki«s«r und eine normale Mundbilbung und ist durch dl« Opera- tion von der Entstellung beireit. Von welch sozialer Bedeutung solche chirurgische Erfolge gerade für Frauen sind, erfaßt je^er, der an den Konkurrenz kampf der Flau im Leben und an die Hindernisse, dle eine Gesichtsentstellung für eine Verehelichung bilden, denkt. Abenteuerliches Verlöbnis. Line junge Eng länderin namens Margot Andrivws hatte sich auf brieflichen Wege mit einem Telegraphisten, der aas -er Insel St. Vincent am Kap der guten Hoffnung wohnt, verlobt. Kürzlich traf sie in St. Vkncertt ein, um sich mit dem Bräutigam, den sie noch nicht ge sehen hatte, trauen zu lassen. Sie nahm aber davon Abstand, da ihr der Mann nicht aeslel, und sie be schloß, die Rückreise annutreten. Nun leben aas -er Insel aber etwa 150 ledige Engländer, die di« gün stige Gelegenheit, zu einer Frau zu kommen, nicht unbenutzt vorübergehen lassen wollten. Ihrer Aeber- rodungSkunst gelang eS schließlich auch, di« junge Dame -aza zu bestimmen, ihr« Heimreise von dem Schtcksakspruch des bekonnlen Wettspiels .Kopf oder Schrift' aohängig zu machen. DaS besteht, wie man weiß, darin, -atz man «in« Münz« wie einen Kreisel dreht. Je nach -em diese beim Fallen Kopf oder Schrift zeigt, Hot man gewonnen oder verloren. Frl. AndriewS nahm dle ihr überreichte Müntz«, »Märte, -ak sie auf Kopf wette, an- -atz sie, wenn die Münze Schrift zeige, sich für besiegt erklären unid noch ihrer Wahl einen der ISO Kandidaten mit ihrer Hand be glücken wolle. Sie verlor die Wett« und hat jetzt den Mann, der khr omker -en ISO Hagestolzen am besten gefiel, geheiratet. Ihr Exbräatigam ließ es sich nicht nehmen, ihr bei -er Trauung als Zeag« zu dienen. Historische Nüsse So mancher der Küss«, von Lenen in der Geschichte erzählt win^ hat Einfluß auf den Laus der Ereignisse gehabt. Ms Kardinal Johann von Lothringen der Herzogin von Savoyen vorgestellt wurde, reichte sie ihm dle Hand zum Kuß. Der geistliche Herr sah indes darin eine Beleidigung und rief aus: .Ich will nicht so behandelt wenden. Wenn ich die Königin, meine Herrscherin, um rrmen und küssen darf, warum soll ich dann nicht Euch umarmen und Küsten, di« nur Her zogin ist?' Und hie stolze portugiesische Prinzessin mußte sich darein ergeben, daß er sie umarmte uni viermal hintereinander küßte. Volkälre wurde bei einer Theatervorstellung von der jungen, schönen Gräfin von Villars ö-ffentllch um armt und geküßt; das Parterre, das vor Begeiste rung über den großen Dichter toll war, hakte sie durch seine Rufe kazu gezwungen. Die reizende Herzogin von Devonshire gab einem einfachen Schlächter namens Steel einen 'Kuß, am sein« Stimme für ihren Kandidaten bei einer Par- larnevtswaht zu erhallen. Eine andere schöne schottische Dame, die Herzogin von Gordon, rekrutierte ein ganzes Regiment auf diese Art. Sie legte einen Schilling, den sogenann ten Werbepsenirig, besten Annahme den Eintritt Ins Heer bedeutete, zwischen Ihre Lippen und lub jeden Mann, der die körperlichen Eigenschaften für einen guten Soldaten hatte, ein, vvrzutreten, das Geldstück mik den Lippen von seinem Platz zu nehmen und so gleichzeitig in das berühmte 22. Regiment einzutreten. Daniel O'Lonnell sagte einmal, als er Stimmen für seine Parteigenossen warb: .Der Mann, ber gegen sie stimmt, wird niemals von einer Frau geküßt weri-en.' Ob diese Drohung non ernst gemeint war oder nicht — jedenfalls erfocht LVTonnell etnen glänzenden Sieg. Ger Maler Gilbert Stuart traf etneS Tages ln Boston eine Dome, die zu ihm sagte: .Ich habe neu lich Ihr SeibstbStdnis gesehen^ Mr. Stuart, und ich habe eS geküßt, roell «S Ihnen so glich.' .So, hat das BilbntS wiodergrcküßt?' fragte -er Mcüer. .Nein,' antwortete -te Dame. .Dann ist «S mir gar nicht iktmstch!' erwiderte lachen- -er Maler.
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