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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.01.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192401198
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19240119
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19240119
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-01
- Tag 1924-01-19
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Monat
1924-01
-
Jahr
1924
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Dom Tage vte Aebruar.Mtete Der Rat der Stadt Leipzig hat in seiner Sitzung am ffrritaa folgenden Beschluß gefaßt: Die gesetzliche Miete, die bisher jährlich 17,4 Pro- zent der ffriedensmlete betrug, mußte Infolge Er. Höhung der Betriebe- und Berwaltungskosten mit Wirkung vom 1. Februar 1924 ab auf jährlich 18H Prozent der Friedensmiete erhöht werden. Hirrvon entfallen auf: 1. -oste« für verwalt«»-, gt»se* «fw. r,8 Prozent 2. Betriebvkoste» 7^ » 3. Laufeude Iustavdjetzu»g«koste« « , 4. Groß, I»sta»dsetzimg»kostr» 8 , «... zusammen alsa 18,6 Prozent der Friedenrmiete. Da« st»d str den Monat 1^5 Prozent der Frie- deuomtet«. Dies« vom Rate festgesetzten Satze sind noch nicht endgültig, denn sie können noch im Ve- schwerdeverfahren durch die Kreis- hauptmannschaft abgeändert werden. Der Arbelksmarkk in Leipzig Der Arbeitsmarkt in Leipzig bot in der zweiten Januarwoche das Bild einer verhältnismäßig regen Permittlungstatigkeit. Recht lebhaft war wieder der Bedarf an Arbeitskräften in der Textilindustrie und im Süßwarengewerbe. Auch in der Metallindu strie, in der chemischen Industrie, im graphische» Ge werbe, in der Papierindustrie, in der Kartonnagen- industrie, im Sattler- und Lederwarengewerbe, im Fleischergewettie und in der Tabakindustrie mach ten sich mehr oder weniger Anzeichen einer Besserung der Arbeitsmarktloge geltend. In den Bekleidungs gewerbe» wurden Schneider und Kürschner gesucht. Au» der Gruppe der kaufmännischen Angestellten wurden vor allem Stenotypistinnen verlangt. Un gelernte Arbeiter konnten zum Teil al» Aushilfen vermittelt werden. Wenig verändert war die Lage für Gastwirtsangcstcllte, für Musiker und Bühnen angehörige, ungünst g für Bäcker, Buchbinder und Bauarbeiter. Die Zahl der Erwerbslosen im Baugewerbe hat infolge Stillegung von Bauten wie der eine Erhöhung erfahren; als erwerbslos fest gestellt wurden 1979 Maurer, 826 Zimmerer und 1033 Maler. Außerdem waren 1180 Frostausfttzer vorhanden. — Un'erstützt wurden in Leipzig in der zweiten Januarwoche Ä174 Dollerwerbslose und 18 602 Kurzarbeiter, in der Vorwoche 37810 Doll- e werbslose und 17 203 Kur'a«-beiter. An Unter stützungen wurden 209 298 Billionen Mark gezahlt gegenüber 180 646 in der Vorwoche. Protest der Gastwirte gegen die erdrückenden Steuern Die Arbeitsgemeinschaft der Gastwirte Leipzig. Stadt und -Land hielt Donnerstag nachmittag in den „Drei Lilien' eine große Protestversamm- lung ab, die sich mit den hohen Abgaben beschäftigte, die auf dem Gastwirtsgewerbe ruhen. Nach ein leitenden Degrüßungsworten des Vorsitzenden F-ancke hielt'Redakteur Wagner ein ausführ liches Referat über die steuerlichen Lasten. Nach kurzer Debatte wurde nachstehende Entschließung einstimmig angenommen. „Soweit t» den Hotel«, Gaal- und Gastwirtschaften genaue Bücher geführt werde», macht e« sich überall be merkbar, dass stch di« wirtschaftlichen Verhältnisse in diesen Bei riebe» zu eine« schweren, erschütternde« Ringe« um die nackte «zifte«, herauäbUde«. Schon seit Jahren ist »et allen struergeschlichen Massnahmen von de« Organisationen de» GastwtrtSgewerbe» auf diese drohende Gefahr, die fehl zur Tatsache »erden wird, htngcwtese» worden. Leider war aber immer et» be klagenswerter MangelauSachverstäudnigder behördlichen Stellen vorhanden, s» wir» de». »al» von der Berfannnlu«, der Bereinigten Gast»irre do« Letpzt, Stadt «nd Land die Jorderuu« ausgestellt, »ei «eich, Slaot «nd Gemeinde» alle» ,, »ers»chen, damit dal» «ine »efsere «tnstchl «inlrtl« und et« «ushe»nng »er »eher- »ergun»»-, Lnft»arl«tl»- »n» Getränte- steuer erfolgt, wetstr »et diesen B«h»rd«n dies« Einsicht nicht einlehrt, dann ist da» Gastwirt», gewer», retlnngäl»» de» Untergang prei»gege»r«. Mit seiner verntchmug aber wer den Tausende »o» ««gestellten uud Ar- »etter« samt ihren Jamlllen ihr Unterkomme« verliere«. Brr Vorstand der «rdeitsgeiueinschast wir» »eaustragt, diese Entschliessung an die Sptqenver- bknde wetterzulrtten, damit von diesen Stellen mit dem nSttgen Nachdruck del den massgebenden Behörden die tatsächlichen Verhältnisse im Hotel-, Saal- und Gast.. wirtSgrwerbe vorgetragen werden und um Abstellung der erdrückende« Sondrrsteuern nach- gesucht wird." 75jähriges Jubiläum der städtischen Speiseanstalten Die wertvolle und unermüdliche Tätigkeit, die die städtischen Speiseanstalten nun ununterbrochen selt 1840 geleistet haben, wurde durch eine schlichte, stil volle Veranstaltung im Stadtverordnetensaale des Neuen Rathauses am Donnerstag gefeiert. Unter den Anwesenden sah man den Recchsgerichtsprusi- denten Dr. Simon», Amtshauptmann Rys sei Bürgermeister Roth, Vertreter der an der Grün dung de» Unternehmen» beteiligten Leipziger Familien u. a. Nach der Begrüßung und einem einleitenden, von Frl. Mantel sehr herzlich zitiertem Gedicht, sprach Stad trat Mantel, in besten Händen die Lei tung der Anstalten liegt, über das Wollen der Organisation, über das, was die Gründer und ihre Nachfolger beseelt hat und ihnen auch heute noch vor schwebt. Er behandelte also die theoretische Seire, aber mit so viel innerem Anteil, daß vran immer den Mut und Idealismus durchspürte, der hier auch in der Praxis herrscht. Versöhnung der Klassen, Hilfe zu spenden, ohne den Stolz der Bedachten zu verletzen und die Alltagssorgen zu erleichtern, sind die vornehmen Ziele. Wirtschaftsleiter Petzold gab dann Ausfüh rungen über die geleistete Arbeit, also über die praktische Seite. Al» Aufgabe ist gestellt: gute, kräftige Speisen zum Selbstkostenpreise abzugcben. Schwierigkeiten ergeben sich hier, weil gleichzeitig große Mengen zubereitet werden, die auch schmackhaft sein mästen. Erst jetzt kehrt man langsam von der fleischlosen Kriegslast zur gemischten Kost zurück. An interessanten Zahlen zeigte er das Wachsen der An stalten. Von 1849—1871 existierte nur 1 Speise- anstatt. Bis 1913 wurden sie auf 8 gesteigert und erreichten im Kriege gar die stattliche Anzahl von 18. Die Höchstziffer der in einem Jahre ausgegebenen Mahlzeiten beträgt 8 149 000. Leider haben die An stalten der Verhältnisse wegen auf gegenwärtig 8 reduziert werden müssen. Schließlich sprach Schuldirektor Teupfer über die Zukunft. Vor allem ist erwünscht, di« Speise- anstalten zu noch freundlicheren Gaststätten gestalten zu können. Heute sind sie im Häusermeer verborgen. Aber mit Recht betonte er, daß äußerer Schmuck und innere Behaglichkeit in engster Beziehung stehen. Don allen Gratulanten können nur einige hervor- gehoben werden. Bürgermeister Roth überbrachte den Dank der Stadtverwaltung für die selbstlose Tätigkeit der Mitarbeiter, di« ihre Posten fast aste ehrenamtlich versehen. Reichsgerichtspräsident Dr. Simon« ergriff da» Wort für die erkrankte Frau Mendessohn Bartholdy im Namen der Winterhilfe, die ähnliche Ziele wie die Speiseanstalten verfolgt. Als Ausdruck Vieser Gc- meinsamkeit überreichte er einen Schea von 1000 Goldmark. Auch die Kreishauptmannschaft über- sandte 100 Goldmark und Fabrikbesitzer Schütte- Felsche spendete einen Betrag und widmete Vas Bild seines Großvater», der die Organisation mitgegründer hat. Schließlich brachte auch der studentische Mittags- tisch durch Frau Geheimrat Förster seine Glück wünsche und seinen Dank, denn nur durch die Mit hilfe der Speiseanstalten ist die Gründung der wc-llss LQulemic» ermöglicht worden, die heute bei nahe der Hauvttrcger der studentischen Selbstv«r- sorgung geworden ist. v. Sanatorium Don Seftasr Jeden Morgen gegen halb neun, wenn die Gong- schlüge verklungen waren, erbebte der Boden vom Getrampel der Kolosse, die unter Führung de» drei Zentner schweren Bollkop mit Geschnaus und Trompetentönen in den Saal einzogen und mit wuchtigem Gepolter ihre vorschriftsmäßigen Plätze an der südlichen Tafel einnahmen. Während die Kolosse noch beschäftigt waren, ihre Pustmajchinen auf normal zu regulieren, öffneten sich die Flügeltüren abermals und ließen den Zug der Aetherischen herein, die, unter Gezirv und von Lawendrlgeruch umweht, zur nördlichen Tafel schwebten, um die sie sich wie ein Hauch auf spinnen dünne Stühlchen nkederließen. Die südlich placierten Kolosse hatten jeder ein Täßchen und ein Tellerchen vor sich stehen, auf welche sie mit wehmütigem Blicke niedersahen. Bor jedem der nördlich vibrierenden Aetherischen dagegen erhob sich auk der weißbetuchten Platte eine Sammlung weitbauchiaer Napfe, Gläser und Terrinen, welchen allen sie Blick« bitterer Resignation widmeten. Beide Parteien schienen einander unter dem Druck eine» unbekannten Gesetze» zu meiden. Nur al« die Diener mit den stattlich bebauten PrLsentierbrettern hsreinwatschelten und — zu gleicher Jett an beiden Tafeln — hier dünnen Teeaufguß und magere Srahamschnittrn, dort Katarakte von Mehlbrei, dicker Schokolade und Butterbroten au,teil en, erhob sich wie auf Kommando aus beiden Lagern ein Stöhnen in di« Lust und schwelte, während da» Früh- stück seinen Anfang nahm, atmosphärisch zwitterhaft im wetten Raum. An der Tafel der Aetherischen präsidierte — ebenso wie der gewaltige Bollkop auf- der südlichen Seite durch schweigende Anerkennung der besonderen Erlesenheit von alle« Lleichgearteten auserwählt — di« scheinbar aus Mondstrahlen konstruierte Dame Sinzewe-in. Gleich Bollkop -en Ehrenplatz ihrer Tafel ge nießend, beugte sie stch im nämlichen Augenblick da der Koloß seine Grahamschnitte seufzend in» »«- tiißchen senkte, mit de« Gesicht gegen ihn vor, «nd indem ihr« Hand den Löffel automatisch ft, den Brei napf gleiten ließ, wobei ihr Mündchen ft» Seufzen di« Fon» «i»eo quetschten Herzen, produzierte. sahen sich beide wie verlöschende Gladiatoren mit einem ersterbenden Ausdruck in den Augen. Nicht viel hätte nach diesem jeden Morgen wieder kehrenden Vorgänge bitterer Seclenaufwühlung ge fehlt, und ein Schrei des Aufruhrs wäre gleich einem Blitz aus der Wolke de» aufgestauten Unmutes ge- zückt — aber auch diesmal erschien zur rechten Ze t, und also von Gott gesandt, die geheimrätlrche Autorität im Saale und erweckte mit 'einem einzigen Blick durch dicke Brillengläser über beide Taseu, hin in den Kerzen der gepeinigten Kolosse und Aethergestalten Gefühle unaussprechlicher Verehrung. Der mächtige Bollkop wie dir schwebende Sinzewei« erhoben sich im Namen ihrer Leidens genossen und verbeugten sich tief, was die Autorität mit wohlwollendem Schulterklopfen zur Kenntnis nahm, worauf sie sich mit unbeschreiblicher Würde auf den zwischen den Parteien in olympischer Er- hohuny angebrachten Deobachtungspostcn niederließ und dir Morgenzeitung entfaltete, in der sich, wie jedermann wußte, ein kleines Loch befand, durch das der Beherrscher der Mageren und Fetten mit Basiliskenblick Kontrolle übte. Niemand wagte von nun an mehr, auch nur in Gedanken eine Diatumgehung zu erwägen. Schweigend muffelten die Kolosse, jedes Krümchen zwischen den Fingern wendend, an ihren Graham- schnitten, die. von dünnem Tee umplatschert, unter dumpfen Gekoller der Eingeweide in den Abgründen ihrer ungeheuren Magen verschollen; schweigend auch, doch mit Blicken, die zum Schöpfer kreischten, füllten die Aetherischen mit zähem Brei und glitschigem Vamps bis zum Bersten ihre fadendunnen Schläuche an. Als es vorüber war, erhoben sich alle, und nach dem sie sich einer wie die andere vor der thronenden Autorität, die in Erwartung dieser Zeremonie nun- mehr die Zeitnng sinken ließ, in Ehrfurcht verneigt hatten, entfernten sich die Kolonnen in umgekehrter Ordnung au» dem Saale in« Freie, wo man bald danach die Fetten unter unendlichem Geächz und strömend von Schweiß, mit der Gewichtsabnahme tabell« in b«r Hand, nach Vorschrift über den Kiesweg rollen und di« Aetherischen sich mit Gejammer aus Pritschen werfe» und die Dewichtszunahmeta-ell« studieren sah. Die Autorität verharrt« noch einen Moment auf ihrer einsamen Höh«; sie hatte einen verdächtigen Zug «n den Mund, und e« schien, ak, ob sie «dm Lust «- Radio in Mitteldeutschland Schneller als irgendeine andere Industrie, schneller auch al» die Kinematographie, deren rasenden Auf schwung in wenig Idhren man anstaunte, hat sich da» „Radio* in Deutschland entwickelt. Innerhalb eine» halben Jahre», und dazu in sorgenvollster Zeit. Heute spricht alle Welt vom „Radio". E« existieren schon eine Fülle von Fachzeitschriften, ein ganze» Arsenal einschlägiger Literatur, und fast in jeder größeren Stadt Bereinigungen von Leuten, die sich Nir das „Radio" interessieren und mit Antennen und Apparaten experimentieren. Auch in Leipzig hat das -Radio" bereit» festen Fuß gefaßt. Es gibt in unserer Stadt eine Radio- Vereinigung, die eine sehr stattliche Anzahl von Mit gliedern aufweist und deren Vorstand prominente Persönlichkeiten der Universität und ihres physi kalischen Institutes angehören. Leipzig hat eme Sendestation bekommen, und es ist geplant, all da« Bedeutungsvolle, was sich in Leipzig er- eignet, in den Aether hineinzusprechen, damit e» in London, Paris, Prag und vor allem im ganzen Reich vernommen werden kann: Gewanohauakonzerte, Messe nachrich- ten, wirtschafttlich bedeutende Er- eignisse usw. Für die große Kaufmann«stadt Leipzig, die durch ihre Messe ein Zentrum des Handels und der Wirtschaft in Deutschland geworden ist, ist eine solch« Sendestation natürlich von immenser I Wichtigkeit, und di« Bestrebungen, die Sendestation möglichst bald fertigzustellen, sind natürlich sehr zu begrüßen. Im großen Publikum herrscht über das Wesen de» „Radio" und über die Verwendung der Abhör. apparate noch ziemliche Unklarheit. Vielfach glaubt man, daß es notwendig sei, die Errichtung der Leipziger Sendestation abzurrarten, um in den vollen Genuß des Apparate» zu kommen. Da» ist nicht der Fall. Mit einem nach den letzten Vorschriften der Post konstruierten Apparat muß man in Leipzig all- von den Berliner Sendestationen gegebenen Konzerte und Berichte und auch englische und böhmisch« Konzerte hören können. Die Poft- Verwaltung hatte bisher die Konstruktion der Abhör- apparate von sehr strenaen Vorschriften abhängig gemacht, die insbesondere die Reichweite der Apparate stark einengte. Diese Bestimmungen, die sich insbesondere auf die Konstruktion der Rück - koppelung bezogen, sind jetzt schon wesentlich gemildert worden. Der sich also einen guten Apparat kaufen will, wird auch jetzt schon an ihm Der- qnllgen haben. Er wird mit ihm Berliner Dräger und Londoner Konzerte hären können, ohne daß er sich dabei in einen Gegensatz zu den Vorschriften der Behörde setzt. Auch Über die Bedingungen, die die Postbehörde an die Benutzung von Radioapparaten knüpft, herrscht noch Unklarheit. Die Dost verlangt lediglich, daß jede drahtlose Station, oie in einem Hause oder in einer Wohnung aufgestellt wird, also auch jede Einrichtung zum Abhören der Funkkonzcrte ihr angezeigt wird. Also jeder, der sich einen Radioapparat kauft, muß vorher bei der Postver- wallung eine Erlaubnisurkund« zur Anlage einer Radiostation erwerben, die für ein Jahr gilt und 25 Goldmark kostet. Mit dieser Urkunde kann er in ein einschläg'ges Geschäft gehen und sick eine Anlage kaufen und kann nach Herzenslust abhören. Lediglich das Selbstkonstruieren von Appa- raten und das Experimentieren mit ihnen »st von einer besonderen Postlizenz abhängig, die nur an solche Personen gegeben wird, die sich al» Fäch le u t e auf dem Gebiete der Elektrotechnik aus- weisen können. Es gibt nun viele Leute, die glauben in Berlin einen besseren Apparat al» in Leipzig kauftn zu können und zu diesem Zweck nach der Rcichshaupt- stadt fahren. Es ist aber gar nick>t sicher, ob sie mit diesen in Berlin gekauften Apparaten das erre.chen, was sie mit einem in Leipzig erprobten und »gekauften Apparat erreichen können. Für da» erfolgreiche Abhören des Deutschen Rundfunks und der Veranstaltungen ausländischer Sendestationen ist die geographische Lage der Stadt, in der di« Abhör st ation ein- gerichtet wird, und die geologische« Der- hältnisse im Umkreis von großer Bedeu- tung. Namentlich Wälder, Flußläufe, erzhaltig« Gebirgsformationen beeinflussen den Verlauf der SendewtUeii außerordentlich. E» ist deshalb vi«i zweckmäßiger, wenn der Leipziger und die Hörer d» Leipziger Lender« sich ihren Radioapparat in Leipzig kaufen und ihn vor dem Kauf genau er probe«. Wem, e» auch noch ein« Weile dauern wird, bi» die Leipziger Sendestation steht, so kann man dock, heute schon annähernd sagen, wie weit ihre Reich- weite gehen wird. Da die Sender im allgemeinen auf eine Reichweite von ISO Kilometer Luftlinie im Umkreis eingestellt sind, dürften die Leipziger Kon zerte im Norden bi» Stendal, Rathenow, Berlin, im Osten bisKottbus, Sprem- berg, Bautzen; im Süden bi» in die Tschechoslowakei hinein. Letschen, Saaz, Karlsbad und Eger; im Westen endlich bi» Schmalkalden, Eisenach und Go »lar ans- genommen werden können. E» ist natürlich ein zauberhafter, faszinierender Eindruck für jeden, zum erstenmal ein Konzert zu hören, da» irgendwo in der weiten Welt gegeben wird. Aber vran darf stch nicht über die Schwie rigkeiten täuschen, mit denen di« junge Ra dio-Industrie heute noch zu kämpfen Hot. Nicht immer klappt der Empfang. Wohnt im nähe ren Umkreise der Abhörstation zum Beispiel jemand, der sich mit Experimenten aus radiotechnischem Gebiet« beschäftigt, so kann es einem passieren, daß man mitten in den, schönen Aetherkonzert durch ein abschsulirlrev überlautes Krei schen und Klopfen oder durch Geräusche, die dem Heu len eine« livbeskranken Katers verteufelt ähnlich sind, gestört wird. Da« sind Sendegeräusche, die der Experimentator mit seinem Apparat verursacht. Desgleichen kann e» einem passieren, daß man statt in ein Konzert mitten in ein Morscgespräch hineinkommt und nur die knallenden Kurz- Langgeräusche de» Telegraphenapparats hört. Kennt man zufällig da« Morsealphabet, so wird man auf dies« Weise erfahren können, daß Herr Schulze in Leipzig Herrn Miller in Hamburg dringend bittet, ihm sofort einen Waggon Heringe zu senden. Man ist dann nämlich in den drahtlosen Dienst der Reichspost, der mit seinen alles durchschlagenden gedämpften Wellen arbeitet, hineingekommen. Di« Beseitigung all dieser mißlichen Begleitum stände wird noch abhängig sein von der Schaffung besonderer Abkommen. Insbesondere wird, wenn -die Leipziger Sendestation einmal steht, -wischen ihr und der Telegraphenbehorde eine Vereinbarung getroffen werden, nach der die drahtlose Telegraphie gleichfalls mit ungedämpften Wellen arbeitet, damit sie den Gebedienst der Sendestationen nicht beeinflußt. Ls ist zu hoffen, daß diese Verein barungen recht bald getroffen werden, denn das Interesse am „Radio", ebenso wie die Vervollkomm nung der Industrie schreitet mit Riesenschritten vor wärt«. Z r Gtädttsche Getränkefteuer. Ta« Presseamt der «ad» Leipzig schreibt un«: ES wird darauf hingcwiefen. datz an<h alle von auswärts eingefübrlen Ge tränke. wie Wein, wetnShnliw« und weinhaltige Ge tränke, Schaumwein. Nrucheläaumwetn und «cbaum- Wetnähnltche Getränke. Gier und Trtnkbranntwetn« zur städtischen Getränkesieuer ,u versteuern sind. Privat personen Haden von der Einführung stcuerdarrr G^ tränke, für die die städtische Getränkesieuer noch nicht entrichtet worden ist. innerhalb z Tagen nach Empfang dem Stadlstruerami schriftlich oder mündlich Mitteilung ,u macken und die Versteuerung zu bewirken Steuer- pflichtige, die gewerbsmäßig im Stadtgebiet steuerbare Getränke verkausen. Haven di« von auswärts etngeführten Getränk« in dir von ihnen zu führenden Listen rinzutragen und den verbrauch allmonatlich ,u versteuern, wenn ge nicht vorztehen, die rtngeflibrten Getränke ebenfalls binnen 3 Tagen nach Empsang zu versteuern. Da umfangreich« und scharfe Kontrollen hinsichtlich der Einführung steuerbarer Geiränke statt finden, so wird empfohlen, zur Vermeidung der in Zu- wtderhandlungSfällen eintretrndcn hohen Hinterziehungs strafen di« vorstehenden Vorschriften genau zu beichten. Zahlstelle Nir di« Getränkcsteuer ist die Hevesttlle L. Siadrsteueramt, RathauSring S, l, Zimmer IS. Auskunft wird daselbst Zimmer 4S erteilt. Verhaftung eine« Mörder». Der au» Plauen gebürtige Chemiker Max H a g e r, der am 2. Januar nuf einer Landstraße in der Nähe von Kof eine Frau mit einem Stocke von hinten niedergeschlagen und ihr einen Betrag von 22 Mark raubte, ist in Kan,bürg ermittelt und festgenommcn worden. Hager ist ge ständig. wandle, die Maske abzunehmen. Aber schon erhob sie sich wieder, ernst und groß, und sagte mit einem Blick durch« Fenster auf den soeben galant an die Sinzewe nsche Matratzengruft heranwalzenden Dulder Bollkop: „Wie dem auch sei — die Zeit ist ernstl" Hakenkreuzler und Hinkemann Von unserem Dresdner Korrespondenten., Ueber den arrangierten Skandal, den faschistische Radaubrüder bei der Erstaufführung von Ernst Toller« „Htnkemann" im Dresdner Staatstheater veranstaltet haben, berichteien wir schon kurz in einem Teil der gestrigen Auflage. Hier folgen noch di« grotesken Einzelheiten: Mehrere Platzreihen waren von Geheimorgani- sationen aufgekauft worden. Auf den Plätzen saßen junge Leut«, denen man es ansah, daß sie zum ersten Male in ihrem Leben im Theater waren und wohl zum erstenmal ein literarisches Werk gelesen hatten. Das Buch war in Dresden schon drei Tage vor- her ausverkauft. Man hatte es an die junien Leute als Regieexemplar mit Randbe merkungen und mit Stichworten versehen ver teilt. Es muß gesagt werden, daß die Regie im Zu- schauerraum vorzüglich klappte. Die jungen Leute sangen, brüllten, pfiffen, wurden verprügelt, ver prügelten einander, Polizei drang in den Zuschauer raum ein — e« war ein beispielloses Schauspiel. Bet jeder Stell«, selbst lwi den harmlosesten, wurde gk« pfiffen und gebrüllt. Einen Wutausbruch de» faschi- stisckrn Mobs entfesselte insbesondere di« Stelle im zweiten Akt in der Schenke, da der betrunken« Ver führer von Hinkemanns Frau diesem im Rausch alle» gesteht und noch hinzufügt: „er werde sie noch auf den Strich schicken". Von da ab war von einer regelmäßigen Fortfüh rung der Vorstellung kein« Rede mehr. Das Theater wurde verdunke t und wieder erhellt, Polizei drang wieder in den Zuschauerraum und «ntstrntt stch wie der, ohrenbetäubende» Gebrüll, G«pfiff und Blasen auf Trompeten erfüllte de» Rau». Man sang „Deutschland, Deutschland über all«,*, „Di« Dacht am Ry «in" . . . In diesem Tumult versucht: der Splelletter Paul Diel« Ruh« zu schaffen. Gs gk lang ihm nicht. Er morde aus dem Publikum mit < -'M m GM » besonnener Elemente, auf die jungen Leute einzu wirken, wurden mit Faustschlcigen und den gemein' sten Schimpfworten beantwortet. Der Darsteller der Hauptrolle, Schauspieler Bruno Deearli, trat vor die Szene und sprach bittend mit aufgehobenen Hän den: „Welche Beweggründe auch Ihr Handeln veran lassen möchte, ich bitte Sie, haben Sie Achtung vor der Arbeit der Künstler!" Es half nichts. Drc be zahlte Horde von Hakenkreuzlcrn sang und brüllte weiter. Von einer ehrlichen Entrüstung kann um so weniger die Rede sein, als die Regie ganz ausge zeichnet klappt« und auf das Zeichen des Arran geurs sofort der Sturm von Beschimpfungen los- brach. Es war ein« Kraftprobe des geistigen Faschis- mus in Dresden. Man machte ein Theaterstück, da» in anderen Städten anstandslos, allerdings ohne be- scnders großen Erfolg gespielt worden wär, zu einer politischen Angelegenheit. Die Polizei nahm eine Reihe von Verhaftungen vor. Die Intendanz der Staatstheater war schon vormittags von dem Plane der Hakenkreuzler, die Vorstellung zu stören, in Kenntnis gesetzt worden. Sie erklärt« jedoch, gegen derartige Dinge machtlos zu sein. Sie hatte auch keine besonderen Vorkehrungen getroffen. Erst während des Spieles war eine Anzahl von Polizisten in das Theater ge rufen worden. Nach dem Schluß des Theaters sah man die umliegenden Wein- und Bicrestaurants von betrunkenen faschistischen Jünglingen überfüllt, die noch immer Lieder sangen, Passanten belästigten und teilweise von der Polizei verhaftet wurden. * Die deutschnationale Fraktion hat im sächsischen Landtag eine Anfrage ringe- bracht, in der di« Dichtung Ernst Toller« „Der Hinke mann" al, größte Kulturschandc und Len den-stück schlimmster Art bezeichnet und die Re gierung aufgefordert wird, die Aufführung des Stück« sofort zu verbieten. — Daß sich die deutsch national« Fraktion auf die Seite der bösartigsten Radaubrüder stellt, ist eine .Kulturschande", die sie mit sich selber abzumachen hat. Daß sie aber dem .Hinkemann" al» T«nd«n,stück schlimmster Sorte be zeichnet, ist «iu« furchtbar, Dummheit, denn Toller« Dichtung wurde bekanntlich von überzeugten Sozial- demokraten uach der Leipziger Urausführung al« Verrat am Sozialimnu« und Ueberaana zur bürsser- Nch«n Resignation scharf verurtE
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