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Sächsische Volkszeitung
- Erscheinungsdatum
- 1940-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194003054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19400305
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19400305
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-03
- Tag 1940-03-05
-
Monat
1940-03
-
Jahr
1940
- Titel
- Sächsische Volkszeitung
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Dirnstag. ». MRvz1d4v Nummer 88, Seite I wer Vie ««HeFah«« a«f St. Heter? Rom, Anfang März 1S40 Fausto Ntavigtto ist der Netteste der „Sampietrim", jener unermüdlichen Klemen Schar, die in der Vattkanischerr Basililm sämtliche Arbeiten und Funktionen zu erledigen hat, die «es die bauliche Erhaltung und Bewahrung des grössten Domes der Ehristenheit hinzielen. Diese Gruppe von ungefähr SO Menschen aller Altersstufen, die auch tn ihren ergrauten Mitgliedern noch »ine bewundernswerte Kraft und Gewandtheit verrät, kann sich Nicht ttber die Eintönigkeit ihrer Arbeit beklagen, sind doch die Sampietrini heute Fremdenführer, morgen richten sie di« Sta tuen und Mosaiken, in deren vertrauter Nähe sie aufgeivachsen sind, wieder her, und übermorgen schwingen sie sich auf schwan kenden Gerüsten von Rippe zu Rippe der gewaltigen Kuppel des Michelangelo oder sind in lebensgefährlichen Stellungen an der hochragenden Fassade zu sehen, um die Lampen zur festlichen Beleuchtung des Domes anzubringen. Trotz seiner 78 Jahre zeigt der Dekan der Sampietrini gerade für diese schwierigsten Auf gaben, denen selbst ein junger Mensch erst nach langer Uebung gewachsen ist, eine besondere Vorliebe, und er weist gern« aus die gymnastischen Anforderungen seines Berufes hin, wenn von feiner kaum gebeugten, weder vertrockneten, noch zur Fülle neigenden Gestatt die Rede geht. Noch bei der Heiligsprechung de» seligen Don Bosco am Ostertag des Jahres 1038 Netz er es sich nicht nehmen, an der Fassade des Peterdomes «ine Reihe von Lichtern zu entzünden. Man übertreibt nicht, wenn man diesen Greis, der ein ganzes langes Menschenleben hindurch nur die Arbeit gekannt hat, noch heute jugendlich beschwingt nennen würde. Nur in einer Hinsicht, die er aber nicht wahrl>äken will, haben die Jahre ihm ihren Stempel aufgedrückt, denn Faustino, wie er im Schatten der Kuppel genannt wird, ist fast taub. Die ses Gebrechen haben die Glocken von St. Peter auf dem Gewis sen, denn bevor sie ein elektrisch betriebenes Läutewerk erhiel ten, war Fausti Maviglio Jahre hindurch Glöckner des Domes, und es ist kein Wunder, datz seine Ohren der wunderbaren Klangfülle der erzenen Stimmen, die eine ganze Stadt erschüt tern können, aus die Dauer nicht standgehalten haben. Selbst für einen Sampietrini. der sein Amt gerne auf Kin der und Kindeskinder forterdt, ist es nichts kleines, wie Faustino aus 70 Jahre der Arbeit in der Vatikanischen Basilika zurück- schmien zu können. Sein Primat, dessen er sich mit Stolz bewusst ist, wird noch um so beispielloser durch seine absolute Treue und Pünktlichkeit, ist doch noch heute der Greis der Erste bei der Arbeit und der Letzte, der am Abend sein Werkzeug aus der Hand legt. Befragt man ihn über sein Leben, so erhält man gleichzeitig ein Stück Geschichte von St Peter zur Antivort, denn enger als er, der mit 8 Fahren in die Reihe der Sampie trini ausgenommen wurde, ist keiner mit der Batikanisären Ba- siilika verwachsen, von der er jeden Winkel kennt und jede Stufe auswendig weiss. Der Fremde, der die ärarakteristisäre Greisengestalt kennen lernen möchte, braucht sich nur der ersten Loggia der Kuppel zuzuwenden, wo Maviglio seit 10 Fahre» den Besuchern die vielfarbige Sckrönheit der Mosaiken nnd das lau nige Spiel des Eä>os erklärt, das die silbernen Papstposaunen an diesem Punkt des Geivölbes ivccken. Wie stark und ungetrübt das Erinnerungsvermögen des Sompietrino noch l>eute ist, geht mis einer geschichtlich bedeut samen Episode hervor, die er vor nunmehr 70 Fahren erlebte, war er es doch, der als Achtjähriger seinen iveit älteren Kame raden die neisse Fahne zuwies, die vom Kreuz der Basilika flatternd, die Uebergabe des Kirä-enstaates an die italienischen Truppen versinnblldete. Fn der Erzählung Faustiuos lautet das Begebnis ungefähr so' „An jenem Morgen des 20. September 1870 ivaren wir seit sehr früher Stunde in der Basilika in Er wartung der kommenden Ereignisse versammelt und lauschten angstvoll dem Kanonendonner, der nickt nur von der Porta Pia, sondern auck von mehreren anderen Punkten der Stadt her zu hören ivar. Plötzlich Kani der Befehl vom Staatssekretariat, ans dem Kreuz der Kuppel die weisse Fakne zu hissen. Eine weisse Fahne jedoch besahen wir nicht. Obschon ich kleiner als alle mrderen war fragte ich. ob es nicht genügen würde, einen der Vorhänge zu nehmen, die das Sonnenlicht non den h 'lru, Fen stern der Basilika fernhalten sollten. Die Fdec fand Billigung, und so klett-rte ich eiligst hinauf, nahm das Tuch herunter und gab es an Pietro, den Grossvater von Eacetto weiter, der cs seinerseits am Kreuz der Kuppel befestigte." Das Erstaunen des Alten Ist gross, wenn man eine Frage nach Eacetto laut werden lässt, der acwöhnlich in der dritten Loo-tta zu sinden ist und eigentlich Giovanni beisst. Im Kreis der Sampiet'-inl ledock nur Eacetto gerufen wird, weil sie dielen Namen kür seine breite, mehr als 2 Zentner wiegende Gestalt weit zutrcssender sinden als den des hl. Täufers und Vorläufers des Erlösers. sDr. Frhr. Raitz v. Frenh.j Sippen- und ltrkundenzentrale in Krakau. Fm Nahmen der inneren Vermattung beim Nencralgouverneur für die be setzten polnischen Gebiete in Krakau ist nunmehr, ungegliedert der Abteilung Bevölkerungswesen und Fürsorge, ein Amt für Sippen- und Urkundenwesen errichtet worden. Die tägli che Illusion / L«.ML In einem Absehen Märchen wird uns von einer Wunder- drille erzählt. Eine arm« alte Frau Mariana, die in einer unscheinbaren und kleinen Hütte de« «rmenvtertels wohnte, belaß diese Wunderbrtlle, durch di« ihr die Welt wie ein Pa radies erschien. Tagmis taget», im Winter wie im Sommer, trug diese Frau dasselbe abgeschabte Kleid. Aber wenn die Leute sie bedauerten, sagte sie: „Was wollt ihr denn? Mein Kleid ist doch schön und fein. Nicht mit dem Prachtgewande einer Königin möchte ich tauschen I" Morgens ass sie meistens nichts als eine dünne Mehlsuppe, mittags nur Kartoffeln, doch wenn ihr jemand etwas Gebäck oder ein Stückchen Fleisch an bot, so lehnte sie es dankend ab, denn sie versicherte aufrichtig, ihre Mehlsuppe sei bester als Kakao und das Kartoffelgericht schmackhafter und nahrhafter als ein Brathuhn. Fa, wenn sie im Winter manchmal kein Geld hatte, um sich Brennholz zu kaufen, blieb sie doch frohen Mutes: Durch die Drille sah sie im Ofen ein lustiges Feuerä>en flackern, und sie fühlte sich behaglich dabei. Selbst die schönsten Geschenke wies sie zurück: „Ich brauche wirklich nichts, ihr guten Leute; ich bin so reich wie der Sultan. Behaltet nur eure Sachen, ihr habt sie nötiger als ich!" Wie schön wäre es. wenn wir im Daseinskämpfe eine solche Wunderbrille besäßen! Leider aber tragen wir meistens eine Teufelsbrtlle: sie verwandelt sogar ein Paradies in ein Elendsquartier, nimmt uns jede Freude, verleidet uns köstliche Speisen, behagliche Räume nnd fröhliche Geselligkeit; sie lässt uns alles Gegenwärtige und Zukünftige Grau in Grau sehen. Diese Brille des Schwarzsehers, Miesmachers, Nörglers, Pessi misten taugt wirklich nichts. Da lob ich mir die Wunderbrille des Frohhosfnungsmenschen, Immerfrohen, Optimisten, wie sie äusser Frau Mariana gewiss auch Hans Im Glück nnd Johann der muntere Seifensieder trugen. — Wilhelm Raabe hat uns das Geheimnis der Lebenozusriedenhcit verraten. Er lehrt uns das Gebet: Herr, gib uns täglich unsere IllusionI Er hat durchaus recht: Die schönste Umgebung nützt uns nichts, wenn wir sie griesgrämlich anschauen; die ärmste Umgebung aber verwandelt sich in eine Welt der Hoffnungen, wenn wir «ns ihr mit Rosenlaune nahen. Um Im Lebenskämpfe und im grauen Alltag zu bestehen, brauchen wir so nötig wie das tägliche Brot auch die tägliche Illusion. Wir können nicht auf sie verzichten. Wenn wir morgens aufstehen, sollte uns bereits unsere hoffnungsfreudige, frohgestimmte, heitere Illusion leiten und begleiten. Es ist zu viel Pessimismus und Griesgram in uns, deshalb versagen wir Im Leben so oft. Mit einem Eiszapfen kann niemand ein Feuer anzünden; mit Schwarzseherei und Missstimmung nie mand ein segensreiches Werk tun. Stehen wir „mit dem linken Fuss zuerst" auf, wie das Sprichwort sagt, d. h. sind wir schlecht gelaunt, so ist damit schon im unguten Sinne über den wei teren Tagcsverlauf entschieden: Es geht uns alles verkehrt. Weil aber alles verkehrt geht, ärgern wir uns noch mehr nnd weitere Fehlschläge stellen sich ein. Der Missmut nimmt noch ärgere Formen an, und wir versinken tiefer in Peck. Dor „Teufelskreis" lässt uns schliesslich nicht mehr los. — Wie an ¬ ders, wenn uns die Frohlaune schon in der Morgenfrühe um fängt! — Die Einstimmung des Tages ist also entscheidend. Ruhige Sammlung der Seele und des Geistes sollte daher am Anfang jedes Tageslaufes stehen. Alles Bedeutende wächst nur In der Tiefe einer stillen und gesammelten Seele. Ist das nicht eine der Segnungen einer innigen Morgcnandacht? Ein Mor- genlted, eine Tageslosung, ein schönes Gedicht oder Bild, selbst eine grünende, blühende Pflanze, die mir still betrachten, kann zur „lebensphilosophischen" Einstimmung des Tages dienen. Die ausmunternde, antreibende Illusion ist nicht etwa nur eine Sackte der sanguinischen, cholerischen, phleomatischcn oder melancholischen Veranlagung. Diese Anlage mag mitspielen, ist aber nicht das Entscheidende. Niemandem wird die glückliche Illusion geschenkt ohne fein Zutun. Das eingangs erwähnte Märchen betont ausdrücklich: „Tu musst die Wunderbrille jeden Morgen und jeden Abend eine halbe Stunde lang selber putzen, sonst wird sie trübe." Als der Sultan, dem Frau Mariana die Wunderbrtlle geschenkt hatte, anfing, die Gläser von seinem Kammerdiener putzen zu lassen, verlor sie bald ihre Kraft. Rur wenn wir morgens und abends und möglichst auch zur Mittagshöhe des Tages Lichtgedanken um uns sammeln, wenn wir die Minutenferien des Alltags für geistige nnd seelische Wer den engen Zusntmnenhnng zwischen Zähnen und Körper kennt, weist, wie wichtig die Zahnpflege für die Gesundheit ist. cttl.olrooottv Höhenwanderungen ausniitzen, wird Licht um uns sein. Diese Arbeit kann uns niemand abnchmcn. Sie allein bereitet den Boden für die tägliche Illusion, die Wilhelm Raabe zu den be gehrenswerten Gütern rechnet. Wir müssen alles Hasten und Sorgen in das innere Heiligtum tragen, jeden Tag etwas Ewiges etnsammeln. Einen Tag aber in der Woche sollten wir zur rechten Scelcnseier gestalten, um so Kraft durch Freude. Lelstungswillcn aus Feier, Lebens- und Tatbejahung aus gesammelter Stille zu gewinnen. An diesem Tage sollten wir uns in Ehrfurcht und Stille auf die unser Leben tragen den und leitenden ewigen Mächte besinnen. Vielleicht glüht uns dann doch — auch in ernster Zeit und in trüben Stunden — die Erkenntnis auf, die Jean Paul in die Frage hüllt: „Mensch! hinter dir findest du in deinem Leben lauter Vorsehung; warum nicht vor dir? Kann denn von deiner Vergangenheit die Zukunst «Karten?" Durchschlagender Beweis Pmil von Gynkai, Prosessor der Literaturgeschichte und Vorsitzender der ungarischen Akademie, ivar ein erklärter Geg irr der neuen Literatur ruck geriet daher im Seminar mit einem Studenten, der ihr feuriger Anhänger war, in einen heftigen Streit. Der alte Herr war noch sehr erregt, als er fortging, und so kam es, dass er nicht acht gab, als er die Treppe erreichte, so dass er hinunterstürzte, und sich den Arm brach. Als er später den Studenten auf der Strasse traf, stellte er sich, als ob er im mer noch sehr entrüstet wäre: „Wie können Sie mir noch vor die Augen treten?" „Warum nicht, Exzellenz", fragte der Student ganz unschuldig. „Wollen Sie leugnen, dass sie es mir wünschten, ich sollte mir den Ann brecl)en? Nur deshalb habe ich ihn gebro- ck>en." „Wie sollte ich denn .... das ist doch unmöglich . . .", stammelte der Student verlegen. „Ach was. unmöglich — das müssen Äe mir erst beweisen." „VH, das kann Ich, wenn Exzel lenz es wünschen. Wenn ich damals Exzellenz überhaupt etwas gewünscht l)ätte, wäre es keinesfalls der Ann gewesen, der ge brochen wäre." „Bravo", ries Gynlai, der Spass verstand, „Sie sind wenigstens ausrichtig." Inksns-qusnt Ehemann: „Du scheinst doch nicht den Mut zu haben, zu deiner Uebcrzengung zu stehen." Frau: „Da möchte ich aber gern wissen, wie du zu diesem Schlüsse kommst?" Ehemann: „Du sagst, es Halle gar keinen Zweck, mit mir zu reden, und dann beweist du mir das drei Stunden lang." Dazu muh man Philosoph sein Mr wundern uns heute scl>on, wenn ein Mensch es nach «In oder zwei Witwenschaften doch noch einmal wagt, sich in den (gestand zu stürzen. Rekorde auf diesem Gebiet werden in der Regel aus Amerika berichtet. Aber Europa hat wohl den wirk lichen NekoodträMr getragen. Freilich ist er schon rund 1'>00 Jahre tot. Doch ist seine Ehegeschichte immerhin interessant ge- m»g, um erzählt zu werden. Dieser Mann hiess Hieronymus. Er heiratete im Alter von SS Fahren, und nachdem er als Philoioph einen grossen Ruf er rungen hatte, «ine Witwe mit dem Namen Barisa. Doch nun kommt das Seltsame an der Geschichte. Barisa war feine 20. Gattin. Denn alle Frauen waren ihm weggcstorbcn. Ursache un bekannt. Aber er war auch Varikös 20. Gatte Tenn sie war von dem gleichen Geschick heimgesucht morden wie Hieronymus. Um nach diesen Erfahrungen noch einmal zu heiraten, muss man auf feiten des Mannes wirklich Philosoph sein, während Barisa froh sein konnte, noch einmal unter die Haube zu kommen. Vas Herz und der Mein Von Gottfried Keller wissen wir, dass er den Wein liebte. Als er eines Tages in einer Züricher Kneipe fass, wurde er plötzlich von Sclpnerzcn befallen. Er wandle sich an einen Arzt. Der untersuchte Ihn, meinte aber dann: „Ich kann heule nicht einwandfrei feststellen, wieweit Ihr Herz aniegrifsen ist. Es dürfte auf übermässigen Weingcnuss zurückzuführen sein." Da fiel der Dichter ein: „Macht nichts, lieber Doktor! Dann komme ich ein anderes Mal wieder, wenn Cie nüchtern sind . . ." lRachdrnö vcidvico ) 80. Fortsetzung. Etwas von dem Hauptgebäude entfernt stand ein zweites kleinere» Paus, zu dem sich das ein - Zimmer, das einst Fritz Stolte errichtet hatte, entwickelt hatte und in ihm wohnten Georg Göbel und die zu einer frischen, drallen Bauersfrau gewordene Guste mit den vier kleinen Kindern, zwei Mädels und zwei Lungen, die ihnen der Klapperstorch Inzwischen durch den Schorn- stein geworfen hatte. Peter Munk mit seinen sechsunbvierzlg Jahren war ein stattlicher, sich seines Werte» bewusster Monn geworden, dessen volles, etwas ergrautes Haar «in energisches und zufriedenes Gesicht umrahmte, und Frau Anna stand stattlich und kraftvoll an seiner Seite. Während in ihres Manne» Gesicht kaum noch «ine Spur von den Kummerzligen der Schmerzenszeit zu sinden war, hatte Ihr Gesicht noch immer etwas Ernstes und leicht Strenges. Im Hof hinter dem Herrenhaus spielte ein neunjähriger Ernst mit der siebenjährigen Frieda und dem fünfjährigen Kätchen. Sie hatten es besser, al» damals das Peterle, denn sie dursten richtige, frohe Kinder fein, und mit ihnen wuchsen der bem Ernst gleichaltrige Otto Göbel und dessen drei kleine Schwestern heran. Dafür wär wieder ein junges Mädchen im Haufe. Berta Frommhold, «in« junge Lehrerin, die aus der alten Heimat ge kommen, und di« nun dafür sorgen sollte, bass die Kinder mehr lernten al» nur lesen und schreiben. Wenn Peter Munk nun über die weite Farm ritt, war fein ältester Sohn ihm zur Seite. Ein prächtiger junger Mann von siebzehn Jahren war er geworben. Mel Schulbildung hatte er nicht, denn dazu war in den Jahren seine» Wachstums kttn« Gelegenheit gewesen, aber er hatte den festen, gesunden Körper Klve» Pater» a;erbt. nur dass er höher aewockken war als dieser «nb dazu auch dessen klaren Blick und den Kellen Kopf hatte. Schon seit fast einem Lahr hatte der Vater ihm einen Teil des Neulandes übergeben und freute sich daran, wie fleissig und geschickt der Junge dort zu schaffen begann. De» Abends fass in der grossen Halle des Hauses, die sich an den Eingang schloss,, ein froher Kreis an der langen Tafel. An der Breitseite führte in alipatriarchalischer Art Vater Munk den Vorsitz und schnitt die grossen Fleischslücke jedem zu. Neben ihm Frau Anna, und bann kamen sie auf beiden Seiten wie die Orgelpfeifen. Der junge Peter, der sich als erwachsener Mann fühlte, und bem gestattet war, auch während des Essens ein Wort zu sprechen, der elfjährige Gerhard, seingliedriger als sein Bruder, aber auch von kräftigem Bauernstamm, und neben ihnen Ernst, Frieda und Kätchen, während an der anderen Tischseite das Ehepaar Göbel mit seinen Kindern fass, und das Lehrsräuleln an der unteren Querscite den Beschluss machte. Vierzehn hungrige Mäuler waren cs, die täglich aus den vollen Schüsseln gespeis. werden mussten, und Vater Munk sah oft mit zufriedenem Lächeln über alle diese jungen Gesichter, in denen nichts lag als froher Iugendsinn, und die zu ernähren ihm leicht wurde. Wie ein böser Traum aus vergangenen Tagen war der Ausstand der Hereros vergessen, und nur bisweilen sprach man davon, wie die letzten Neste dieses tapferen Volkes draussen in der Wüste zu Grunde gegangen. Es kam ein Tag, an dem der zu einem tüchtigen Inspektor gewordene Georg Göbel wieder einmal allein in der Farm wirt- schäften musste. Das Ehepaar Munk und ihr ältester Sohn waren nach Karibik geritten. Diesem einst so kleinen Karibib, da» in zehn herrlichen Friedensjahren und unter der zielbewussten Leitung der beutschen Regierung zu einer hübschen, in Grün ge betteten Stadt geworden war mit Kirchen und Schulen und schönen Gebäuden. In dem gleichfalls wesentlich aurgebauten Hotel, das Fritz Stolt« schon vor fünf Jahren dem alten Gräbert, der in den Diamantfeldern In der Nambiwüste sein Schäfchen In» Trockene gebracht und als wohlhabender Mann in die alte Heimat zurück gekehrt war, abgekauft hatte, war grosser Betrieb. Es waren wieder einmal alle die Farmer der Umgegend zusammengekommen, um so eine Art grossen Familienlag abzu halten, und diesmal batte da» eine ganz besonder« Bedeutung. Der Peter Munk, der Otto Kottermann, der 'ivnyeim yuimann, der Karl Merk und der Gustav Gräbert waren nun alle fünf siebzehn Jahre alt geworden, und jetzt sollten sie aus ein paar Jahre miteinander nach Boppard am deutschen Rhein gehen, wo die Merks längst ein eigenes Haus hatten, das dazu bestimmt war, immer süns junge Männer aus Südwest aufzunchmen, damit sie selbst die Altheimat kennen lernten. Es gab weder Radio noch Kino in sener Zeit, und wenn ihnen auch die Väter von Deutschland erzählten, sie sollten mit eigenen Augen sehen und sollten die Liebe zu ihrem deutschen Vaterlande dann wieder mit hinauslragen in das neue Deutsch land, das, jung wie sie selbst, in Afrika kräftig emporwucks. Eg waren kernige, stolze Bauernworte, die den jungen Reisenden mit auf den Weg gegeben wurden, und viele Grüsse an die Lieben daheim, die sie aussuchen sollten. Freilich, es gab auch manche Trane an diesem Tage, und das waren nicht immer nur heimlich vergossene Mutlerträncn. Als Vater Munk, dem es in dem Saale zu heiss geworden, einmal in den Garten hinaustrat, als es bereits dunkel geworden, da sah er wahrhaftig den Peter, sein Peterle, in dem er noch immer den halbwüchsigen Jungen sah, unter den Büschen sieben, und das fünfzehnjährige Siesel Koltermann, eine dralle, frische Bauerndirne, war bei ihm und presste sich weinend an seine Brust. Der Junge aber gebrauchte seine roten Lippen äugen- scheinlich ausnahmsweise nicht zum Essen! „I, du verfluchter Bengel", dachte Peter Munk und wollte bas zärtliche Stelldichein unterbrechen. Dann blieb er stehen. Hatte er es vielleicht anders gemacht, als er siebzehn Jahre alt war? Gefährlich war die Sache nicht, denn In drei Tagen schwamm der Peter aus hoher See, und bis dahin wollte er schon auf passen. Schlecht war der Geschmack des Jungen auch nickt, denn da» Liesel war «in stattliches Ding, kam aus guter Schule, wurde ganz gewiss «ine gute Bäuerin, und Geld hatten die Keltcrmanns auch. Ausserdem war e» vielleicht ganz gut, wenn der Bengel etwa« Liebes in Erinnerung milnahm, das Ihn davor bewahrte, sich drüben vielleicht zu verplämpern. So stand der alte Peter ganz ruhig, und es zuckte leise um sein« Mundwinkel. Mar das nicht gerade so, als seien dreissig Jahre weggewischt, und «r sähe sich selbst da unter bem Busch stehen und verstohlen sein Annett küssen? Fortsetzung folgt.)
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