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Sächsische Volkszeitung : 17.01.1941
- Erscheinungsdatum
- 1941-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194101179
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19410117
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19410117
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1941
-
Monat
1941-01
- Tag 1941-01-17
-
Monat
1941-01
-
Jahr
1941
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 17.01.1941
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Werner Siemens Schluß. Siemens ging wie in allem, so auch in diesen Fragen in die Tiese des Problems. Er stellte konkret die wichtige Frage »ach der Aufgabe der großen Geschäftshäuser im neu- -cillici-en Staate. Die Entwicklung neuer Industriezweige, der Komps um den Weltmarkt macht grohe zentralisierte Geschäfts unternehmungen mit reichliclzer Kapitalansammlung unentbehr lich. Aktiengesellschaften mit anonymen Besitzern, die häufig wechfcln, erscheinen Siemens als ein« wenig ideale Wirtschafts form, zumal die Erzielung möglichst hoher Gewinne ihr eigent liches Anliegen ist. Wertvoller erscheint ihm die Wirtschaftsform de« auf lange Dauer berechneten Familienunternehmens, in dem sich die gesunde und notwendige Ansammlung von Kapital, Kennt nissen und Erfahrungen bildet und erhält. Ebenso wie die grotzen Handelshäuser des Mittelalters nicht nur, sa nicht einmal in erster Linie, Geldgeminnungsan- slolten waren, sondern „sich für berufen und verpflichtet hiel te». durch Aufsuchung »euer Vcrkchrsobjckte und neuer Han- -elsweg« ihren Mitbürgern und ihrem Staate zu dienen, und wie dies Pflichtgefühl sich als Familientradition durch viele vcncrationcn förtpflanztc", so sind nach der von hohem Ethos getragenen Auffassung des Wirtschafte- und Sozialpolitikers Siemens die groben Unternehmungen berufen, „ihre ganze Kraft dafür einzusetzen, daß die Industrie ihres Landes im grohcn Wettkampfe der zivilisierten Welt die leitende Spitze, »der wenigstens den ihr nach Natur und Lage ihres Landes zustehcnden Platz einnimmt." Das entspricht dem wirtschaft«- und sozialpolitische» Grundsatz Werner Siemens': Nur die Erhaltung und Fortent wicklung aller geistigen BolkskrSste und ihr zielbewutztes Zu sammenwirken gewährleistet die gesichert« Zukunft der Nation. Diese hohe Auffassung übertrug Werner Siemen« auf da von ihm in Zusammenarbeit mit seinen Brüdern gegründete Weltunternehmen. Der ganze Mitarbeiterstab — in welchem flck außer dem Mitbegründer Halske Techniker von Format wie William Meyer, Karl Frischen, Dr. Frölich und der fast als genial zu bezeichnende Konstrukteur von Hesner-Alteneck be fanden — ivar auf dieses Ideal ausgerichtet. Karl Frischen, ein gebürtiger Bremer, hatte sich be- «its 1849 als kaum zwanzigjähriger Techniker, beim Bau der Trlegraphenlinie Berlin—Köln über Hannover ausgezeichnet. In kluger Voraussicht hatte er sich seither ganz der Telegraphie gewidmet und ivar so zu einem der ersten Elektrotechniker ge worden. die eine sacl-gemätze Fachbidlung erhalten hatten. Die kluge Voraussicht ermöglichte ihm ein rasches Boran- tonnnen: schon 1851 wurde er als Telegrapheningenieur in den hannoverschen Staatsdienst berufen. Hier erfand er — glclch- zcitig und unabhängig von Siemens — die Differentlalschal- limg zum Gcgensprcclzeu mit Morseapparaten. Bon Frischen stammen auch die Blitzableiter zum Schutze von Freileitungen. 1888 finden wir den begabten und fleißigen Techniker als Obcriugenieur in der Telegraphenvermaltung des Nord deutschen Bundes. Siemens, der überall nach wertvollen Mit arbeitern — man möchte sagen — ..fahndete", trug Frischen, den er als einen „mit Leib und Seele schaffenden Techniker" »inschatzte, an, in die Firma Siemens n. Halske einzutreten. Reiche Arbeitsmöglichkeiten ergaben sich nun: Zunächst der von der Indo-Europäischen Telearaphenlini«, dann die Ober leitung der Werkstätten nnd die Bearbeitung neuer Zweige. Frischen war es. der auf eine Anregung Siemens' hin die Ausbildung eines Blochsystems zur Sicherung des Eisen bahnverkehrs im Zusammenhang mit dem Läutesignalwesen In die Hand nahm. Aber auch in der aufstrebenden Stark stromtechnik ivaren Frischens Einfälle, Anregungen und Aus arbeitungen bald unentbehrlich. Friedrich v. Hefner-Alt« neck, aus Aschaffenburg gebürtig, Sohn «ines Kunsthistorikers und Museumsdirektors, war ein geborener Künstler, dessen hohe (gaben der technischen Kestaltnngsfreude zugute kommen. Im Jahre 1867 versuchte er als Techniker bei Siemens u. Halske anzukommen, doch das gelana ihm zunächst nicht. Kurz entschlossen trat er als Wochenlöhner in die Werk statt ein. Er ahnte daß diese Firma seinen genialen Anlagen den nötigen Untergrund geben würde. Werner Siemens wurde bald auf den 22jähriaen Techniker aufmerksam und stellte ibn auf den richtigen Platz: Hefner-Alteneck wurde der große Konstrukteur des Unternehmens. Er sorgte dafür, dak neben dem Phnsiker und Mechaniker auch der technische Konstrukteur In der Firma die nötige Geltung erhielt Das war wichtig, weil die zweckdienliche bauliche Formgebung der Maschinen und Geräte immer bedeutungsvoller wurde. Hesner-Alteneck leitete die Entwurfabteilung. Zahlreiche Erfindungen, z. B der Trommelanker, die Difserentiallampe. dir Hefnerkerze, die Innenpolmaschine, gingen aus seinem Büro hervor. Manche geniale Idee W v. Siemens' erhielt durch die Bearbeitnna dieses Konstrukteurs erst ihre entschei dende brauchbare Gestalt. So umgab den Fürsten Im Reiche der Technik Werner v. Siemens ein wahrer „Hofstaat" von überraaenden Männern kur Technik, die ihr Leben einsetzten für das Werk Freilich erfuhr es Siemens Immer wieder, wie unendlich schwer es ist soläze hohe Gedankengänae bis ins einzelne auf andere zu übertragen und in allen Mitarbeitern das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu wecken. Als „Erzieher" seiner Milnrbeiler war er unablässig bemüht, das ihm vorschwebende Ideal zu verwirklichen. Die Kunst der Menschenbehandlung, die er im hohen Maße besaß, kam ihm hierbei vorzüglich zu statten. Uebcrall in seinem Leben bewundern wir seinen Blick für das psychologisch Richtige, — so zum Beispiel wenn er im Kriege gegen Dänemark die zögernden Bauern in Kiels Um arbung durch «Ine derbe Ansprache In plattdeutscher Sprache sür die Bildung eines Banernfreikorps gewinnt; oder wenn er dos nur wenig arbeitsfreudige Völkchen bei Kedabeg im Kaukasus dadurch zur Arbeit erzieht, daß er in ihnen kulturelle Bedürfnisse weckt, deren Befriedigung bloß durch dauernde Arbeitsleistung zu ermöalichen ist. Er gewöhnte die eingebo renen Arbeiter seines Hüttenwerkes im Kaukasus an Stein häuser, weckte namentlich in ihren Frauen den Geschmack zum Beispiel an Teppichen nnd Spiegeln, — kurz er erzog sie durch Knltnrbednrfnisse zur Arbeit. Der Psychologe Werner Siemens sagt darüber treffend: „Der bedürfnislose Mensck ist feder Kulturcntwicklung feind lich. Erst wenn Bedürfnisse in ihm erweckt sind und er an Arbeit für ihre Befriedigung gewöhnt ist, bildet er ein dank bares Objekt für soziale und religiöse Kulturbestrebunaen. Mit letzterem zu beginnen, wird Immer nur Scheinresul tate geben." Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, daß der geniale Mann nur an das Bedürfnis nach wirklichen Kul turgütern. nicht aber an „Kulturlaster" wie Trunksucht dachte. Diese hervorragende Kunst psychologisch richtiger Mcn- sönmbehandlung ivandt« Siemens glänzend an, um seine Mit arbeiter auf seine hohen Ziele auszurichten. Der mit dem Werke verbundene Arbeiter, der nicht nur arbeitet, um Meld zu verdienen, sondern um höchste Ideale weiß und für sie kämpft — ist für Siemens das Urbild echten Arbeitertums. Das wertvollste Erziehungsmittel hierzu war fein eigenes Vorbild. „Durst nach großen Reichtümern habe ich gar nicht. Für die Kinder sind sie sogar ein Unglück." „Mir ist es total gleichgültig, wer mein« Ideen patentiert bekommt." Von Geld gier und Ehrsucht war der Mann, der das geschrieben hat, völlig frei. „Mir würde das verdiente Meld wie glühendes Vsi, / Otto Eisen in der Hand br«nn«n, wenn ich treuen Gehilfen nicht den erwarteten Anteil gäbe". „Ich habe noch immer gefunden, daß es die größte Berschivendung ist, diejenigen, die an der Leitung von Geschäften beteiligt find, nicht am Resultat zu beteiligen. Eine einzige Dummheit weniger kann das schon wieder einbringenl" Das waren kein« leeren Wort«. Dahinter stand vielmehr die ganze, von hohen Ideal«« erfüllte Hlersönftchkeit Werner Siemens. Hatte er Grund, als „Erzieher" seiner Mitarbeiter gegen Mißstände einzuschreiten, etwa gegen ehrgeiziges Stre bertum einzelner oder gegen ein Gegenftreben verschiedener Mitarbeiter untereinander, so geschah es in wohlwollender Vor- n«hml)«it. Als guter Psychologe stellte er sich auf die Eigen art seines Mitmenschen ein. Nie kehrte er seinen Rang, sein Wissen oder das Vor gesetztenverhältnis heraus. Fast väterlich, nie von oben herab, erfolgt« die Zurechtweisung selbst in schwierigen Fällen. Un bedingte Sachlichkeit — das ist es. was Siemens vom echten Mitarbeiter fordert. Zur Sachlichkeit sucht er sie daher zu erziehen. Wer in sich selbst verkrampft ist, wem das eigene Ich mit seinem Bartels und Ruhm über alles geht, verliert sehr bald die Eigenschaften, ohne die kein gr"S?p Ä-"k gedeihen kann: Er verliert die Fähigkeit, die Ideen und "e stungen an derer anzuerkennen; er wird unfähig, tüchtige Schüler heran- zubilden; er verliert das Interesse für die wichtigen regel mäßigen Arbeiten, die immer zuerst berücksichtigt werden müs sen: er wird in seinem Verhalten zurückttoßend gegen Vorge setzte. Untergebene nnd Amtsgenossen. „Ein stets ängstliches Abwägen des Einzelverdienstes an einer Sache vergiftet das kollegiale Verhältnis im Inneren und wirkt nach mißen schäd lich .." Die Ickverkrampfung führt zur Verbitterung und schließ lich zur Leistnnasvermindernna. Der Psychologe nnd Erzieher Siemens weiß den einzig richtigen Ausiveg ans der Iclwer- krampfnng: die Selbstverleugnung, die er selbst in Holzem Make hatte anfbrinaen müssen Die Lebensaesckichte der vier Brüder Siemens ist für ftden, der sie auf sick wirken läßt, etwas Erstaunliches. Ans der großen Kinderlcizar einer nledersäckkilä>en Pächterfannlie gehen vier Söhne hervor, die jeder In seiner Art ein« Illu stration für die Wahrheit sind: Genie ist Mut und Tatkraft Nichts veranschaulicht den elnftaartlaen Aufstieg der Familie Siemens besser als die gewaltige Entwicklung der Siemens- ttnternekmunaen, die lo gut wie okne Reklame lediglich durch ihre lreispiellosen Leistungen zu führenden Westunternehmun gen geworden sind Es ist dafür fast von sinnbildlicher Bedeutung, daß die Mnnarclzen non drei Weltreichen je einen der Brüder in den erbkiclzen Adelstnnd erhoben: Werner wurde nom deutschen Kaller geadelt, Karl vom russischen Zaren. Wilhelm von der englischen Königin Viktoria — Auch unserer rasch dabin- eUenden, nichts Unveränderliches duldenden Zeit hat die Art. Gröke und Beko,,»,des Lebens und des Werkes dieser vier schöpferischen Menschen viel zu geben. Erfüllt sich darin doch «cht nordisch-niedersächsischer Lcistungswille. „Sein Möglich stes tun, um den Feind zu bekämpfen; seine Pflicht treu und gewissenhaft erfüllen, solange die Kraft aushält, und dis weitere Gott befohlen, das ist die richtigste und be ruhigendste Philosoph!«." Viele solcher Aussprüche ließen sich au- den Worte» Werner Siemens' zusommcnstellen! .Nichts gibt das Lene» ohne große Mühe den Sterblichen", dieser Satz des Römers Horaz ist ebenso wahr wie die Verheißung die Vergil oller zielbewußten, tatkräftigen Arbeit gibt: „Unermüdlicf>e Arbeit hat noch alles überwunden!" Alle menschliche Arbeit aber ist gekennzeichnet durch zivei Ding«, die nur der in die Tiese der Dafeinsrätscl schauend« Mensch sich stets vergegenwärtigt: Die durch die V-rgäuglich- keit des Menschen gegebene Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Zeit und die Berufung des Menschen zur höchsten iftergntwortung. „Erst aus der Erkenntnis des Todes", sagt ein neuzeitliclrer Denker, „stammt das, was wir Menlckeu im Unterschiede vom Tier« Weltanschauung nennen " Werner Siemens wußte um das letzte Problem der menschlichen Existenz. Angesichts des Todes geliebter Men schen, so seiner ersten Gattin, seiner Brüder Walter und Otto, seines Bruders Wilhelm, seines Arb.-itskameraden und Lebens freundes Halske, empfand er immer wieder die Mahnung des Memento mori. „Wir Brüder", schreibt Werner Siemens über den Tod Wilhelms, „und namentlich ich. sür den Wilhelm noch mehr als Bruder war, empfanden seinen unerwarteten Tod als «inen harten Schlag, den das bald darüber verflossene Jahr zehnt wohl mildern, aber nicht überwinden konnte." „Er ivar ja so halb mein Sohu den ick geleitet und unterrichtet und mit dem ich dann ein Memchenalter lang treu und brüderlich zusammen gearbeitet und g< strebt habe! Unsere Erfolge haben sich gegenseitig gestützt und -lehobeu, und ihr Gesamtcremicht hat uns Ansehen und Rubin gebrach!' Das ist nun unerwartet und plötzlich zerrissen." „So Kaan man am Ende- des sickeren Grabes balancieren, ohne es zu ahnen!" Diese Einblicke in d e Gründe der meuichlichen Existenz gaben seinem Denken die letzte Abgeklärtheit, Reife und Tiese. Das Geheimnis seines Lebenserfolges lag nicht nur in der Fähigkeit, „in kritischen Momenten schnell entschlossen zu sei» und ohne lange Uebrrlegung das Richtige zu tun", nickt nur in dem „mit Tatkraft gepaarten Fleiß", der in vielen Fällen, „unsere Schwächen überwindet oder doch weniger schädlich macht", auch nicht nur in dem .Bewußtsein, Nützliches /u schaf fen und zugl«!ch Tausenden von fleiß'ocn Arbeitern dadurch' Ihr Brot zu geben" Der Ouell seiner Kraft lag tiefer Das. was seinem Schissen letzten Grund „nd Inhalt nab, war das Wissen um ei'« k- tzte cn ia' V ra: !n or:ung des Men schen vor einem höchsten Richte" Dieses Wissen bond ihn in» Gewissen. Im Genüssen. Ziefer kickmstcu Tatsache nuftie» Leben«, die zngleick das dunkelste Geheimnis ist hatte er da« unmittelbare Bewußtsein der bestimmten Pflicht Werner Siennas dickte nicht anders als M v Ebner- Eichenbach in ihrem berühmten Aphorismus: Sei deine« Wissens Herr nnd deines Gewisse is Kueck*'" Erst von d'eser letzten Bindung ans verstehen wir es wirklich, wenn Werne« Siemens seine . vebeys'r'n-i-run z.'n" mit dem Bi^elwertc be ginnt nnd absch'Ießt: „Unser Leben mäbret siebenzig Jahr und wenn's hoch kommt, so sind'? achtzia Jahr, und wenn e<- kösi« sich gewesen, so ist es Nftiße «nd Arbeit gewesen " Die Entstehung des deutschen Reiches Di« Entstehung des deutschen Reiches..., das ist, auf die knappst« Formel gebracht, der wesentliche Inhalt des gewal tigen geschichtlichen Werdens, das das ganze S. und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts erfüllt und das vor rund 1899 Jahren zum Abschluß kam. Diesen Zeitabschnitt macht Gerd Tellenbach zum Thema seines im Verlag Georg D. W. Callwey in München erschienenen Buches „Die Entstehung des deutschen Reiä-es". Die Geschichte des 9. und 19. Jahrhunderts ist an sich oft dargestcllt. selten aber das formgebende Moment dieser Epoche, das Werden unserer deutschen staatlichen Existenz, so klar herausgearbeitet und gegen dir Füll« aller anderen vor handcnen geschichtlichen Möglichkeiten abgegrenzt worden. Denn dieses innere Gesetz der deutschen Etaatwerdung. das alle geschichtlichen Ereignisse und Gestalten des Zeitalters in seinen Dienst zwang, ivar ja denen am wenigsten bewußt, durch die es sich verwirklichte, den Königen, Herzögen und deutschen Stämmen. Erst der Nachfahr sicht staunend die Fülle der gro ßen Taten, der Kämpfe und Siege sich zu einem einheitlichen, sclzeinbor von der Geschichte selbst mit innerer Folgerichtigkeit erstrebten Ziele verdichten, und aus der Begegnung mit dieser großen, zum ewigen Bild erhöhten Vergangenheit schöpfen die Staaten inimer wieder die Kraft zur inneren Erneuerung. Das Zeitalter der Entstehung des deutschen Reiches wird begrenzt durch die beiden gewaltigen Kaisergestalten. Karl den Großen und Otto den Großen. Es formt sich durch die beiden einander widerstrebenden Tendenzen, der Einheit des Reiches und des Selbständigwerdrns der Stämme. Das karolingische Frankreich ruhte auf der Einheit, nicht eines Volkes, sondern der abendländischen Christenheit, verkörpert in der allgewal tigen Person des Kaisers. Im Zerbrechen dieser Einheit er starkten die Stämme, ihre Edelsten wurden zu polftisclnm Füh rern ihrer Völker, so sehr, daß bei der Königswahl Konrads 1 und Heinrichs I. das Stammesherzogtum das Erbe des Karo lingischen Teilreiän's nntrat. Als aber Otto der Große ouf dem Marmorthron Karls In Aachen Platz nahm, als er gleich Karl nach der Krone des römischen Reiches griff, da waren äußere Einheit und innere Vielgestaltigkeit eins geworden Das Reich Karls war erneuert und doch verwandelt. Aus dem über alle Stnmmesblndungen HInausgrcifendcn ilniversalreich. über das der Kaiser in unbeschränkter Machtfülle gebot, war das in Stämme gegliederte, von erblichen Herzögen geführte unteilbare Volksrsich, aus dem ostfränkisclzen das deutsche Reich geworden. Da dieses deutsche Reich nicht gegründet worden, sondern in langem Werdeprozeß entstanden ist. so ist es nicht möglich «in einzelnes Ereignis als seine Mcburtsstunde in Anspruch zu nehmen. Man hat versucht, die Schlacht von Fontenoy 811 In der Ludwigs des Fromme» ältester Sohn Lothar seinen beiden Brüdern erlab und damit die Einheit des Reiches zer brach. als das enlsäreidende Ereignis darzustcsscu. oder den aus ihr folgenden Teilungsvertrag von Verdun 848. die Wahl Konrads l 911 oder den endgültiaen Sieg Ottos des Großen über die Stammesberzöge 937-989 Aber alle diese Gescinch- nisse betreffen nicht den ganzen Werdeprozeß, sondern haben immer nur nach irgendeiner Seite hin etwas Entscheidendes beigetragen. Die Linie, die den ostfränkischen Reichstcil Lud wigs des Deutschen abgrenzte, war keineswegs nach völki schen. sondern nach rein dynastischen Gesichtspunkten gezogen, viel germanisch besiedeltes Gebiet mußte Ludwig an Lothar überlassen, wie auch andererseits germanische Stämme sür Lothar gegen Ludwig Stellung nahmen. Dennoch war es für die Entwicklung überaus folgenreich, daß hier zum erstenmal «in nur von Germanen bewohntes Teilreich entstand, und das die gemeinsame, von den Westfranke» bereits nicht mehr ver standene Sprache «In Band der Einheit schlang. Haften Im Karlsreich noch die Franken in Sitte und Recktswesen die aus gesprochene Vorherrsclmst gehabt, hatten sie fast ausschsießlich die Grafen und Paladin« gestellt, so sanken sie Im Ostfranken- reich allmählich von dieser Stellung des eigentlichen Staats ¬ volkes herab und di« anderen Stämme traten gleichberechtigt neben sie. Daß in: Ostfrankenreich trotz aller Veränderungen und Erschütterungen, denen es im Laufe der Zeit ausgesetzt war, dennoch ein neues Gemcinschaftsbewufttsein der germanischen Stämme herangcreift war, zeigte sich 911 beim Tode des letz ten altfränkischen Karolingers. Ludwig deni Kind. Noch karo lingischer Auffassung wäre der damalige König des Westsran- kenreichcs, Karl der Einfältige, der rechtmäßige Erbe gewesen. Aber nun „wollen die Deutschen keinem König mehr untertan sein, den sie als Franzosen empfinden. Sie massen für sich bleiben und nicht wieder in eine größere Einheit hineinae- zwungcn werden, die ihnen fremd geworden ist Damit hat das Ostreich aufgehärt, ein karolingisches Teilreich zu lei-- Es ist ein Staat für sich geworden." Mit der Wahl Konrads, des Herzogs der Franken, nun deutschen König war etwas grnndstürzend Neues geschallen, ein politisches Reiswerdcn der deutschen Stamme in den Ge stalten der sie führenden Herzöge, was aber aleick',eilig die Ge fahr einer weiteren Entwicklung auf dieser Linie, bis zur vollen staatlicizen Selbständigkeit der einzelnen Reicksalieder. in lick barg. Diese Entwicklung vollzog lick ia zur selben Zeit tatsächlich in Italien, und auch in Frankreich wurde sie durch ein schwaches Köniatum nur mühsam überdeckt. Dem von den deutschen Stammesherzögen gewählten König erwuchs datier di« Pflicht, im Namen des Reiches eine Vorherrschaft über die ihm Hisher Gleichgestellten zu begründen und zu bewahren. Konrad 1. Ist dieser Ausgabe nicht gewachsen gewesen Sie wurde erst von den Sachsenkönigen, non Heinrich I. und end gültig von seinem Sahn. Otto dem Groben gelöst. Don dies möglich wor. daß Otto das Reich vor der Sprengung durch die Stammesherzöge retten konnte, verdanken wir der noch nach über 189 Jahren zeuaungskraftigen Tradition Karls des Gro ßen. dessen Idee Otto bewußt ausrief, als er >>ck aus seinem Krönunasstuhl ui Aachen niederließ. Dennoch wurde dd-s^s Reich der Deutschen nie mehr wie das Karlsreich Besitz des Herrschers, es stand vielmehr selbständig neben, nein über -Inn, der Kaiser war fein von Gott berufener Führer und Schuber, der Wahrer des Rechtes und des Friedens Den Tragern der Geschichte noch verhüllt, aber historisch schon durckan--- wirk lich wächst „das Reich" zu der nb"rpersönlichen. unteilbaren, lebendigen und unneraleichlick verehrunaswürdigen Institution lieran. als das es heute In unserem Bewußtsein Raum acwan- neu hat. Der kleinste Aalender Wenn auch die heutige Kalcnderkunst auf bedeutender Höhe steht nnd die Kalender, die der deutsche Verlagsbnch- handel auch zu dieser Jahreswende wieder herausgebracht hat. von größter Mannigfaltigkeit und Schönheit sind, so haben unsere Voreltern doch ihre Nachfahren darin in ejner Hinsicht übertroffen: sic brachten so kleine Kalender heraus, daß sie zu den kleinsten Büchern überhaupt gehören. Eine solche winzig« Spielerei wird in einer Anzeige vom Jahre 1817 angekündigt, die im „Grundgcscheutcn Antiquarius" erschien. Die Leipziger Buchhandlung von Th. Seeger kündigte zum Preise von 34 Kreuzern einen „Almanach für das Jahr 1818" mit sechs Vig netten an. Von dem Büchlein heißt es: „Dieser außerordentlich kleine Almanach ist mit einer Stahlfeder auf Kreide gezeichnet und enthält außer den Namenstagen das Alter der größten und der bedeutendsten Regenten." Dann folgt die Angabe, daß der Almanach, in das heutigc Maß umgerechnet, 14:11 Milli meter groß ist und „ungeachtet auf eder Seite 16 Zeilen stehen, so ist die Schrift deutlich zu lesen. Ein allegorischer Umschlag und goldener Schnitt zieren das kleine Buch, welches als Bijou häufig in Gold gesaßt ist und bei Damen einer freundliche» Ausnahme sich zu erfreuen hat."
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