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Sächsische Volkszeitung : 03.10.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193910030
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19391003
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19391003
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-10
- Tag 1939-10-03
-
Monat
1939-10
-
Jahr
1939
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 03.10.1939
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Das Feldherrn-Ideal iin Urteil der Zeiten Nachdem der Feldzug in Polen In iveniger als einem Mo nat siegreich beendet und damit eine in der Kriegsgeschichte einzigartige Leistung von der deutschen Armee vollbracht wor den ist, hat nun auch das deutsche Volk die Namen der Heer führer kennen gelernt und die Gesichter der Männer gesehen, deren vorbildliches strategisches Zusammenwirken diese Lei stung ermöglicht hat. Wir wissen längst, datz die Feldhcrrnkunst von allen Fachwissenschaften vielleicht die am wenigsten ein seitige ist, dass beim bedeutenden Feldherrn unendlich mannig- socke Kräfte des Geistes und Charakters, Leibes und der Seele vereinigt sein müssen. Napoleon hat die Forderungen, die an den genialen Feldherrn gestellt werden, einmal in die schwung vollen Sätze zusaminengesatzt: „Achilles war der Sohn einer Göttin und eines Sterblichen. Das ist das Sinnbild des kriege rischen Genies: es wurzelt im Ivdisäxm, aber das göttliä>e Teil ist sein eigentliches Kennzeichen." Aehnlich hochgespannt ist das Feldherrn-Ideal der Antike, das auch in Mittelalter und Re naissance noch fortgewirkt hat, und wenn wir unser heutiges Idealbild des Feldherr» zu umschreiben versuchen, so entdecken wir, datz es in erstaunlicher Weise mit den antiken Vorstellun- gen übereinstimmt. Schon der ausgezeichnete Biograph Moltkes, Max, Jähns, hat darauf hiugewlesen, datz Moltkes tstersönlich- kcit. für uns der Inbegriff aller Feldherrntuqendcn, Zug um Zug der Schilderung des Feldherrn entspricht, die der oströmische Kaiser Leo Vl„ der in der Geschichte bald der „Philosoph", bald der „Taktiker" heitzt, entworfen hat. In seinen „Summarisclpm Auseinandersetzungen der Kriegskunst", die dir ganze lieber- liefernng der Antike zulammenfatzt, verlangt Kaiser Leo fol gendes vom grotzen Fedlherrn: „Der Stratege soll gesund, einfach. In allen Genüssen mä- hig, ehrlich, vorsichtig und klug sein. Er soll mit hol>er Bildung und vo.rnchmcr Denkweise vollkommene Uneigennützigkeit, menschensreundlicl-cn Sinn und Grossmut verbinden. Er soll es verstehen, aus dem Stegreif treffend und genau zu sprechen, und soll womöglich auch von guter Herkunft sein. Falls die Umstände ihn nicht drängen, fasse er seine Entschlüsse nur nach reiflichster und sorgsamster Erwägung. Hat er al>er einen Entschluss gesatzt, so sichre er ihn auch schnell und entschieden aus." Der letzte Satz entspricht Moltkes Wahlspruch: „Erst wägen, dann wagen." Und die Erläuterung, die Kaiser Leo diesem Satz gibt, erinnert noch unmittelbarer an die Losung unseres grotzen Strategen. „Bei der Erwägung eines Entwurfes", sagt nämlich der Kaiser, „behandelt eure eigenen Gedanken mit Mitztrauen. doch hobt ihr euch einmal entschlossen, so schwankt und zaudert nicht, weil euch etwa nachträglich noch dies oder das bedenklich scheint. Allzu ängstliche Klugheit ist sämdliche Schwäche. Frömmig keit und Charakterstärke sind nach dem Urteil dieses byzantinischen Herrschers die Hauptmächte, mit denen sich der Feldherr verbünden mutz. Und auch das ist ganz im Sinne Molt- Lieb' üben hat viel Müh': wir sollen nicht allein Nur lieben, sondern selbst, wie Gott die Liebe sei». sAngclus Silcsius.) Die Kulturgeschichte berichtet von vielen schöpferischen Menschen — Dichtern, Tonmeistern, Malern, Bildhauern, Ar chitekten, Gelehrten, Erfindern, Entdeckern — und es mag vielleicht hier und da die Frage gestellt werden, welches grotze schöpferische Werk „an sich" das grötzte sei, etwa eine Dichtung, ein Musikstück, Gemälde, Standbild, Bauiverk, eine wissen schaftliche Neuerung, eine Erfindung oder Entdeckung. Schlegel meint in seinen „Fragmenten": „Sollte die Poesie nicht unter anderem deswegen die höchste und würdigste aller Künste sein, weil nur In ihr Dramen möglich seien?" Mancher Gelehrte meint, die Wissenschaft sei wertvoller als die Kunst: manci>er Künstler wird genau das Gegenteil für richtig halten. In Wirklichkeit ist die Frage mützig. Es gibt eben man cherlei Gaben, aber es ist nur ein Geist. Der Geist gewinnt Gestalt in mancherlei Erscheinungen, bald in einer mathema tischen Formel, bald in einem Wandgemälde. Grötzenvcrgleiche sind höchstens innerhalb der gleichen Gattung möglich, so wenn man etwa sagt, Goethes Faust sei „grötzer" als Grillparzers Ahnfrau, Mona Lisa „grötzer" als ein hübsches Landschastsbild einer neuzeltlicl-en Kunstausstellung. Die göttliche Vorsehung beruft schöpferische Menschen je nach ihren zugewicsenen Gaben und Aufgaben, die einen als Künstler, die andern als Forfä>er, wieder andere als Erfinder oder Entdecker. Es könnten sich nicht alle schöpferischen Menschen aus dem gleichen Gebiete be tätigen: vielmehr soll sich jeder vornehmen, nach seinen Kräften das Beste aus seinem Gebiete zu schassen. Doch wenn wir die Kulturgeschichte lesen, so scheint es ost, als ob eine Gattung schöpferischer Menschen vollständig ver gessen wäre. Nur selten werden die Helden und Heldin nen der Liebe erwähnt. Ihre Werke werden fast als etwas Selbstverständliches vorausgesetzt. Und doch liehen sie ihrem Weltränge nach hoch über allem, was menschlicher Meist über haupt ersinnen und erfä-afsen kann, denn die Liebe ist die grötzte unter allen Geistesgabcn. Schöpferisches Menschentum als aufonfernde Liebe, — da für gibt cs kaum ein überzeugenderes Beispiel aus der neueren Zeit als das Leben und Werk der grotzen Menschenfreundin Elsa Brandström. Um die Bedeutung ihres Werkes zu würdigen, vergeaen- wörtiacn wir uns die Lage der Kriegsgefangenen in Rutzlaud und Sibirien In der Zeit von 181-1 bis 1320. Die Haager Kon vention über die Behandlung der Kriegsgefangenen setzte unter nndcrem gnsdrücklich fest: „Die Gefangenen sollen mit Mensch lichkeit behandelt werden. Alles, was ihnen persönlich gehört, verbleibt ihr Eigentum mit Ausnahme von Waffen. Pferden und Schriftstücken militärischen Inhalts." „Die Regierung, in deren Gewalt sich die Kricgsgesgngenen befinden, hgt sür ihren Unterhnlt zu sorgen." — Nach dieser Konvention hoben sich die Deutschen gewisscnbnft gerichtet: Ritterlichkeit und Menschenfreundlichkeit gegenüber dem wehrlosen, gesonnenen G-"mer war dem Deutschen Ehrensache und selbstverständliche Pflicht. Anders war es im zaristischen Rutzlund. Die Eigenart des weiten Landes, durch Presschetze hervorgerufener Hotz ge gen olles Deutsche, Mongel on geeigneter Organisation, dazu eine ans Unglaubliche grenzende Unwissenheit um die Not und Bedürfnisse der Kriegsgefangenen führten zu dem Elend der russisönm Kriensgesanaenschaft, das nachgerade sprichwörtlich geworden Ist. Durch Not und Entbehrungen sind damals etwa Mgggg Kriegsgefangene aus der Armee der Deutschen und Ihrer Verbündeten zugrunde gegangen, und weitere Hnnderttaukende sind körperlich und seelisch zerbrochen aus der Gefangenschaft zuriickaekehrt. Mit Vorliebe brachten während des Krieges die Zeitungen des zaristischen Rutzlands erlogene Berichte über angebliche un erhörte Leiden und Grausamkeiten, denen die russischen Kriegs gefangenen In Deutschland ausgesetzt sein sollten. Diese Grcucl- nachrtchten verfehlten Ihre Wirkung nicht. Aber ihnen wider- Kes, der mit dem berühmten Wort: „Kriegführen ist keine Wis senschaft, sondern eine Kunst" sagen wollte, datz cs «ine Sacl>e der inneren Seelenkrast und des Willens sei. Und Moltkes Frömmigkeit entspricht der Rat Leos, der Feldherr möge auf die Hilfe Gottes vertrauen: „Vergebens wendet ein Steuer mann, wie gelehrt er auch sei, alle Mittel seiner Kunst an, wenn der Wind ihm durci-aus entgegensteht. Ist ihm aber auch nur ein Hauch günstig, so wird er ihn dankbar und klug benutzen und seines Schiffes Last mit ruhiger Sicherheit fördern." Das Idealbild Kaiser Leos vom Strategen beruht auf den Gedanken und Forderungen, die griechisclze Philosophen schon viel früher ausgestellt hatten. Sokrates hat sich in seinen Ge sprächen viel mit der Feldherrnkunst beschäftigt. Es genüge nicht, so setzt er seinem Schüler Dionysodoros auseinander, die Lehren der Taktik zu kennen, sondern ein Feldherr müsse in noch tausend anderen Dingen beschlagen sein. Als der „Hirte der Völker", wie ihn Homer nennt, „müsse er ebensogut für das geistige wie das leiblich Wohl seiner Soldaten sorgen und nicht minder von der Philosophie wie von der Hanshaltungskunst etwas verstehen." Auch Xenophon weist in seiner Kyropädic aus die Mannigfaltigkeit der Kriegsivissenschaften hin. von denen die Anordnung zum Gefecht nur «in geringer Teil sei. In An lehnung an diese altgriechischen Forderungen bezeichnet Cicero in seiner Rede über den Oberbefehl des Ponwejus als die Haupteigenschgsten des grotzen Feldherr» Kenntnis des Kriegs wesens, Tüchtigkeit. Ansel>«n und Glück, als seine besonderen Tugenden Fleitz in der Leitung, Tapferkeit in der Gefahr. Zähig keit im Handeln, Schnelligkeit im Entschliess» und Ueberlegung im Vorausseben, als seiue sittlichen Vorzüge Reinheit, Mätzig- keit, Treu«, Klugheit und Menschlichkeit. Das auf dieser antiken Weltanschauung anfgebaute Ideal Kaiser Leos hat seine Gültigkeit behalten. Auch Macchiavellis Forderungen, die in vielem modern sind und vom Feldherrn be sondere Kenntnis der Landeskunde und Statistik verlangen, futzen im Wesentlichen daraus. Und die Grundlinie» dieses Ideals ziehen sich durch alle späteren Schilderungen, durch die des Grasen Wilhelm Ludwig von Nassau so gut wie durch die Friedrichs des Grotzen. Inner« Seelengrötze verbunden mit äutzerer Kralt macht den grotzen Feldherr» zum bewuuderte» Vorbild der edelsten Männlichkeit, und deshalb nierden wir noch heute in das begeisterte Lob cinstimmen. das die Renais sance dem genialen Feldl-errn zollte und das Leonarda Bruni in die Worte gesatzt hat: „Der grötzte Philosoph weicht dem gro tzen Feldl>errn. Im Ernste darf man Plato nicht mit Alexander, Aristoteles nicht mit Cäsar vergleichen. Denn auf der Umsicht und Tatkraft eines guten Feldherrn berul)«n Heil und Erret tung des Staates. Leben und Freiheit, alles Teuerste und Höchjte, lätzt sich nur mit den Waffen behaupten!" C. K. spracl-en die fortgesetzt aus Deutschland eintresscndcn Briese der russisci-en Kriegsgefangenen selbst. Wahrheitsgetreu schilderten die Gefangenen nämlich, datz cs ihnen den Umständen nach recht gut ginge und datz die Verpflegung ausrcicl>end. die Be handlung durchaus menschenfreundlich wäre. Die leitenden Kreise waren über diese unerwartete Gegenpropaganda aus den eigene» Reihen höchst beunruhigt und verärgert. Es war un erwünscht. datz das Leben in der dcutsä)«n Gefangenschaft in zu günstiger Beleuchtung gezeigt wurde. Bald hagelte es Ver fügungen wie diese: „Der Höchstkommandicrcnde befiehlt, aus der cintrefsenden Korrespondenz alle Briefe zurückzuhalten, namentlich die aus dem Auslände cintrcsfendcn, da sie Nach richten darüber enthalten, datz cs den Soldaten in der Kriegs gefangenschaft gut geht. Solche Nachrichten wirken auf unsere Soldaten verführerisch." Dadurch war der Grcuelhche Tor und Tür geöffnet. Der von unverantwortlichen Hetzern in Szene gesetzte wüste Deutschenprogrom vom 8. bis 11. Juni 1815 in Moskau steigerte den Hatz gegen die Deutschen und die mit ihnen Verbündeten zur Siedehitze. Während des Weltkrieges gerieten in russische Kriegs gefangenschaft: 167 082 Reichsdcutscl)« 21011-16 Oestcrreicher und Ungarn 50 858 Türken 200 Vulgaren 2 322 378 Kriegsgefangene aus den gemeinsam mit Deutsch land kämpfenden Heeren. — Je weiter sich die Gefangenen von der Kriegsfront befanden, desto rücksichtsloser war ihre Behand lung. Ost wurden sie von den sic bewachenden Kosaken wie Hcrdenvieh mit der Peitsche vorangetricbcn. Schlechtes Wasser, verdorbene Speisen führte» zu Massenerkrankungc». Verbände der Leichtverwundeten wurden nicht oder viel zu selten er neuert: Blutvergiftungen waren dann eine häufige Folge. Aerzt- liche Pflege war kaum vorhanden; und wo es solche gab, war „Die Natur hat die ernste weihe empfangen.. Im Herbste überkommt uns Menschen oftmals ein gehei mes Schauern. Noch sind da Tage, tiefblau und besonnt, aber sie sind nicht mehr durchglüht von der Sütze des Sommers, und die Erwartungsseligkeit des Frühlings ist aus ihnen ge wichen. Aus dem uiedersiukenden Laub, von den ziehenden Wolken am Himmel und den fliegenden Fäden des Altweiber sommers nm Wege kommt es auf uns zu wie leise Wehmut, wie ein schmerzlicher Mollklang und lätzt unsere Seelen er schauern' Herbst. Das ist die Zeit, in der wir uns der Natur ganz tief verbunden wissen, in der uns im Beispiel des Herbstes Ewigkeit und Jenseits mit ernsten Augen ansehen. Noch glänzt es von den Zweiacn bunt und farbenstark, aber — und uns fröstelt — bald ist diese Pracht unter der Decke des wcitzen Todes begraben. Dem Menschen, zumal, wenn er selber im Herbste seines Lebens steht, kommen dann wobl Gedanken, wie sie Goethe fühlte, als er in das Fenster des Häuschens ans dem Kickelhah» die Worte ritzte: „Warle nur, balde..." Das ist die Stunde des lächelnden Verzichtens, die aber auch von der Stimmung gualvolleu Abschicdnchmcns erfüllt sein kann, jener Stimmung, die aus dem zerrissenen Geiste des kranken Hölderlin sprach, damals, als er aus einen Fetzen Papier die unendlich traurigen Verse schrieb: „April und Mai und Junius sind ferne. Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne." In den Worten vieler unserer grotzen Dichter zittert eine ge heime Klage, wenn sie vom Herbste sprechen. Nikolaus Lenau: „Der Hezbst durchweht mich trennungsschaurig. Mein Herz dem Tod entgegenträumt." sie nicht sachkundig genug. In den Zwischenlagern auf dem Wege zum endgültigen Gefangenenlager waren gesunde und kranke Gefangene durcheinander untergebracht, oft kamen sie mit Ukrainern, Polen und anderen, von den Zarislcn nach Osten getriebenen Flüchtlingen und Geiseln zusammen. Wochenlang mutzten sie bis zu den Stationen wandern, von wo aus der Bahntransport begann. 32 bis -15 Mann waren in einem einzigen Viehwagen zusammengepfercht. Mancher Gefangenen transport hatte einen Weg von etwa 8300 Kilometer zurück zulegen. „So lernten die Gefangenen einsehen, was Kriegs- gefangenscl)aft in Rutzland bedeutet", schreibt Elsa Brandström darüber. — Das verzweifelte „Gefühi", gefangen zu sein — eine Nummer, ein unfreier Mann, der nichts bedeutet, keine Pflichten, aber auch keine Rechte hat, der tatenlos abseits steht, während sein ganzes Volk kämpft", überkam jeden einzelnen. Unbarmherzigkeilen, sinnlose Schikane und Quälereien kamen nicht selten vor. Tie Pflege der Verwundeten und Kran ken lag völlig im argen. Die russischen Aerztc waren nur un zulänglich ausgebildet; oft mutzten sie eine Operation unter brechen, weil sie sich erst durch Nachschlagcn ip Fachbüchern unterrichten mutzten, wie Nerven und Adern eigentlich ver laufen. Desinfektion gab cs kaum: Ein Tnphuskrauker wurde ohne weiteres in ein Bett gelegt, in dem kurz zuvor ein Schar lachkranker gelegen hatte. Tas war nicht immer böser Wille, sondern meist Unkenntnis oder Mangel au geeianeter Organisa tion und in den meiste» Fällen rohe Gleichgültigkeit — Tie Räume waren überbelegt: nutzer kahlen Holzpritschen wurde den Gefangenen nichts geliefert. Viele mutzten jahrelnna auf den nackten Holzpritschen schlafen und hatten nicht einmal Män tel zum Zudecken. Es fehlte an allein, selbst an Brennstoff und Kochtöpfen. Unzählige Gefangene waren schliesslich nur noch in Lumpen gekleidet, denn aus den Transporten war ihnen so gut wie alles aeslohlcn worden: — und das mitten im sibi rischen Winter. Das Ungeziefer nahm so übcrband. datz es sür die Soldaten zur unerträglichen Oual wurde Waschvorrichtun- gen gab cs im allgemeinen nicht, die Wasserversorgung mar mangelhaft. Zu den trübsten Kapiteln aber gehörte» die will kürliche» Bestrafungen. Die Arrestlakale waren vielfach dunkle, ungeheizte Löcher: — um eines Missverständnisses willen mutzte manchmal eine Baracke von mehrere» Kundert Mann durch die Peitschen der Kosaken Spietzrnten lause». Doch, so schwer das äutzere Elend der Gefanaenen war, weit schlimmer noch mar der seelische Druck, die Niederacschla- gcnheit und Hosfnnngslasiakeit der Mcfangenschajt. Mochte es zunächst gelingen, den seelischen Zu'tand zu überwinden, weil man sich auf eine kurze Dauer d--s Krieges e'.ngestellt hatte. — allmählich wuchs die seelische Not ins ungeheure, denn der Krieg dauerte lnnae, und die Gesanaensckast mancher Soldaten nahm erst nach sechs Jahren ein Ende. G au in arau, inhalts los, sinnios verrannen allzu langsam die düstren Tage. Eine Fran — Elsa Brandström, aeboren am 26. März 1888 zu St. Petersburg — machte die Not der Krieas- gefangenen in Rutzland und Sibirien zu ihrer eigenen Not. Obwohl sie bei Kriegsausbruch eben erst 26 Jahre zählte, auch noch nicht über grössere Erfahrung in der caritativen Tätigkeit verfügte, arbeitete sie teils privat teils als Dele gierte des schwedischen Roten Kreuzes van 1811 bis 1320 mit solcher Aufopferung sür das Wohl der Krieasgesangenen. datz man sie mit Recht als den „Engel von Sibirien" bezeichnet hat. — Bereits mehrfach haben wir daraus hingewiesen, datz der schöpferische Mensch ahnend empfindet und hervorbringt, war den Menschen einer bestimmten Zeit kehlt. Elsa Brand ström empfand die ungeheure körperliche, seelische und acistiae Not der Kriegsgefangenen in Rutzland und Sibirien, sie litt darunter und hatte nur den einen Gedanken diese nnaebeure Not zu lindern. Zunächst stellte sie sich dem schwedischen Raten Kreuz zur Verfügung, doch bald erkannte sie, datz bei aller Notwendigkeit der Arbeit im kleinen Autzergewölmliches ge schehen müsse, um durchgreifende Linderung des Krieasaefan- genenelends zu erzielen. In ihrem Buche „Unter den Kriegsaefanaenrn in Rutzland und Sibirien 181-1—1820" erzählt Elsa Brandström so gut wie nichts über ihre grotze segensreiche Liebestat. vielmehr aibt sie nur einen sachkundigen Bericht über die Lage der Gefangenen und Uber das Hilfswerk des fchwedischen Raten Kreuzes Doch wie qrotz ihr schöpferisches Werk ist. zeiat die Tatsache, datz ihre Wirksamkeit sie in alle grotzen Sammelpunkte sür die Kriegs gefangenen in Rutzland und Sibirien führte, von St. Peters burg bis Kiew, bis Omsk, Turkestan und Wladiwostok, mit etwa 700 000 Kriegsgefangenen in Lagern, Lazaretten und Ar beitsplätzen hat sie persönlich Verbindungen ausgenommen und ihnen geholfen, soweit das nur möglich war. Unendliche Mühe und Tatkraft mutzten eingesetzt werden, um weuiastens einige Erfolge zu erreichen. Um die dafür nötige» Geldsummen aus- zubringcn, mutzte Elsa Brandström sich mit Aufrufen an alle Menschenfreunde der Welt wenden. Tie Ausrufe waren nicht vergeblich. Namhafte Geldbeträge gingen ein und konnten ihrer Bestimmung zugefiihrt werden. lFortsetzung folgt) Lin Fest des hl. Franz Am -1. Oktober wird in Assisi das Fest des hl. Franz al» Schutzpatron Jtalieizg gefeiert werden. Es iverden eine Reihe von Kundgebungen veranstaltet, an denen die hohe Geistlich keit aus vielen italienischen Städten teilnimmt: auch sind zahl reiche Pilgerfahrten aus allen Provinzen des Landes ange kündigt, so datz die Feier eine hohe nationale Bedeutung er hält. In der Basilika des hl. Franz wird am dritten Sonntag des Oktober eine von allen Gemeinden Italiens gestiftete Votiv lampe aufgestellt werden. Der deutsche Peter Schlemihl. unser Adalbert von Chamisso, sieht mit den gleichen, trüben Augen aus das herbstliche Land: „Niedrig schleicht blatz hin die entnervte Sonne, Herbstlich goldgelb särbt sich das Laub, cs trauert Rings das Feld schon nackt, und die Nebel ziehen lieber die Stoppeln..." Noch anderes erwacht im Herbste in uns: ein verspäteter Sonnenhungcr. Nun, da die langen Abende kommen, fühlen wir alle den Segen der Sonne, wie ziehen noch einmal hinaus, um die letzten Lcbcnsstrahlcn in uns aufzunehmen. Da drautzen aber latzt uns der herbstlichen Wehmut mit dem starken und fröhlichen Wissen um die Wiederkehr des Frühlings begegnen! Dem Herbst folgt der Winter, aber der Winter wird vom Frühling abgelöst werden, und einmal wird die schöne Welt wieder auf der Höhe des Sommers stehen! Tausendfache Frucht trug der Boden der Heimaterde, und nun will er ruhen. Unter dem toten Laube aber keimt schon still das neue Leben, und cs regt sich tief unter dem erstarrten Acker. Segnend sollen mir im Herbste über das weite Land blicken, denn gleicht es nicht einem glücklichen Greis, der sich an der Schwelle der Ewigkeit noch einmal uriwendet und lächelnd zurückschaut? Das Land hat uns Früchte und Brot in reicher Fülle gegeben und köstlicher Wein wurde Heuer, siehe, nun aber will cs ruhen. Mir wissen um die müde Stimmung im Herbste, aber wir wallen sie überwind-m. wollen im Ver gehen das neue Werden sehen und mit Theodor Körner sagen! „Die Natur hat die ernste Weihe empfangen. Da gilt nicht mehr das eitle Prangen; Gediegener Wert und stiller Schein Tritt mit befci)eidener Klarheit herein." Karl Robert Popp. Das Werk Elsa Brandstroins
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