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Bilder des Todes Anfang November, im Herbsten der Natur, fallen Sterbe- gedankcn uns in die Seele. Alles entlaubt sich vor unseren Gedanke», so wie vor unseren Blicken sich die Bäume ent lauben. Und aus den Bildern der Mensci>en werden Gerippe, wie sie auf den Holzschnitten des jüngeren Hans Holbein uns enlgcgcntreten. Wir blättern dieses kostbare Buch der „Bilder des Todes" wieder einmal durch. Es fügt sich in unsere Stim mung. Friede und Entsetzen wechseln aus den Gesichtern derer, die der Tod holt. Am besten geht es dem „Altweyb", das von «Inen, musizierenden und einem tanzenden Gerippe mit Gloria und Alleluja fortgcführt wird, am zerbrochenen Stundenglas vorüber. Im Umblättcrn bannt unsere Aufmerksamkeit das Bild vom „Rychman". Seltsam! Hier holt der Tod nicht etwa den Reichen, der Im sicher vergitterten Gewölbe bei seinen Truhen am Geldzählcn ist; er holt sich vielmehr das Geld des Reichen, nimmt es dem entsetzten Geizhals unterm Zählen fort. Wir blättern zurück und bemerken, was wir bisher über- lehen haben. In viele» Bildern holt der Tod nicht den Men schen, sondern dessen Eigen. So holt er dem „Kenser" die Krone vom Haupte und nimmt dem „Künig" die Schüssel aus der Hand, die eben erst gefüllt wird. Dem „Cardinal" nimmt der Tod den breitkrempigen Hut, das Zeichen seiner Würde, ab und dem Richter den Stab, das Zeichen seiner Macht. Er greift dem „Hertzog" nach dem Hermelin und der „Creffin" nach dem Halsschmuck. Dem „Gross!' hat der Tod das Wapvcn abgenommen, die Insel des „Aptes" hat er sich selbst aufgesetzt und schultert auch dessen Pastorale. Dem Ackermann treibt er sein Psluggespann davon. Und wenn er „Apt" und „Aptitzin", „Edelman", „Kauffman" und „Krämer" am Kleide zerrt, ist es, als wollte er ihnen das Kleid cntrcitzen, nicht so sehr: sie selbst mitnehmcn. Entlauben will der Tod und alles nehmen. Darum ist er auch freundlich den Entlaubten gegenüber: den Pfarrhcrrn be gleitet er aut seinem Gang zu den Sterbenden als williger Mesner und sagt ihm nicht erst, datz es auch sein letzter Gang ist. Friedlich führt er den „Altman" ab und fröhlich «das „Altwcnb". Auch den noch nicht Belaubten gegenüber ist er keine unangenehme Erscheinung. Und er scheint ein Herz zu haben: er wendet sich ab, wenn er „Iungkint" sortsiihren mutz, weil er das Schreckensantlitz von Mutter und Bruder nicht sehen will. D«c Tod hat nicht euch geholt, ihr gewaltsam Entlaubten, Echlummerer unter den Grabhügeln. Er hat euch nur all das Eure genommen. Darum hat er euch so weh getan. Er hat euch aber ausziehen müssen, wie man die Mandel aus dem Kern schälen mutz, damit sie Same werde. Ist der Bäume herbstliches Entlaubtwerdcn das Ende oder der Anfang? Ist es das Ende einer Fruchtzeit? Oder ist das Blättcrfallen der Anbeginn des Werdens, das zur neuen Frucht des nächsten Jahres strebt? Wir wissen es nicht. Eines aber wisse» wir: datz so ein Blätterfallen, so ein Sterben nur als ein Anbeginn tieferen Sinn hat. Die Wahrl>eit jedoch ist noch nie sinnlos gewesen. „Wenn das Samenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bringt es keine Frucht." Könnten wir, „Altman" und „Altweyb", wie ihr Entlaubte werden, die den Tod zum Freund haben, weil sie reif geworden zur Aussaat, weil sie selbst schon „losgeschält" sind! Aber man mutz nicht big zum Zerbrechen des Stundenglases wandern, um losgeschält zu sein. Am Lager Sterbender hat der Pfarrherr es gelernt und „Sternsecher" und „Prcdtcant" lernten es durch ihre Wissenschaft. Noch einmal blättern wir die Bilder durch. Ost ist es nicht, datz der Tod sein Geschäft musizierend ausübt. Am lautesten musiziert er noch, wo er Liebende abholt. Dennoch ist er mit einem Instrument aus dem Paradies gekommen. Und er hat sichtlich selber mehr Freude, wenn er jubilierend seines Amtes walten kann, wenn er nicht viel erst entlauben mutz, sondern an Mc»scl>en gerät, die das Sinnvolle Ihres Le bens und auch ihres Sterbens erkennen: und das Sinnvolle Ihres Lebens gerade ans dem Sinnvollen ihres Sterbens. ..Schatten sind des Lebens Güter, Schatten seiner Freuden Schar. Schatten Worte, Wünsche, Taten, Die Gedgnkcn nur sind wahr Und die Liebe, die du fühlest. Und das Gute, das du tust: Und kein Wachen, als Im Schlafe, Wenn du einst Im Grabe ruhst." Retter!" — Friedrich des G rotzen: „Hier seine Asche, überall sein Ruhm!" — Maria The re sie ns: „Sie brachte ihrem Volke Segen und ging getrost voll Zuversicht dein Tod als Freund entgegen. Ein Weltcrobcrcr kann dies nicht!" Die Anerkennung grotzer Künstler äutzert sich in folgen« den Inschriften: Rassaels: „Solange er lebte, bangte die Mutter Natur, von ihm besiegt zu werden; mitzusterben als er starb." — Albrecht Dürers: „Was sterblich war von Albrecht Dürer, ruht unter diesem Stein." Ioh, Seb. Bachs: „Er erhob die Kunst des Spieles durch Lehre und Ausübung vom Vbllendeten." — Schuberts: „Der Tod be grub hier einen reichen Schatz, aber noch grötzere Hoijnungen." — Heinrich von Kleists: „Er lebte, sang und starb in harter, schwerer Zeit! Er suchte hier den Tod und sand Unsterblichkeit!" Des Lustspicldichtcrs Gay: „Die Welt ist nur ein Gaukelspiel. Jetzt seh' ich's, da der Vorhang siel!" Aus den Grabstein der Dichterin Luise Hensel »witzelte man den Beginn des von ihr gedichteten ..Nachtgebets": „Müde bin ich, geh' zur Ruh', Schliche beide Akuglein zu . . ." Im Stuttgarter Prag Friedhos ist das Grab des Grasen Zep pelin mit der Inschrift: „Dein Glaube hat dir gehoijen!" Grabschrist Vourda laues: „Er war der Prediger der Könige und der König der Prediger!" — Der Fon lange (Geliebten Ludwigs XIV.): Wie klein ist doch die Entfernung zwischen irdischer Liebe und Grötze und dem Schrecken des Grabes!" — Der Tragödie des Findlings Kaspar Hauser entsprechend, wurden folgende Worte auj seinen schlichte,, Grab stein im Friedhos zu Ansbach geschrieben: „Hier ruht Kaspar Mauser, ein Rätsel seiner Zeit, unbekannter Geburt, geheimnis vollen Todes. 1833." Eine», reichen Mann, der wegen seines Geizes allgemein vcrhatzt war und Silvesterabend vor lik> Jahren in Reim» starb, setzte man einen Grabstein (zu deutsch) mit den Worten: „Hier ruht, der einst so reich wie geizig war. Kein Arzt könnt' ihn von seiner Krankheit heilen. Er starb am letzten Tag in, Jahr Aus Furcht, Ncujahrsgeschenke zu verteilen." Denkwürdige Grabinschriften / Aus dem Friedhos zu Gries lTiroi) findet sich ein Erz relief. darauf zwei Kinder, das Grab der Muller suchend. Ei» Engel lehrt sie, nach oben deutend: Die Grabinschrift ist das letzte was dem Menschen von Angehörigen und Freunden gegeben wird. Oft ist sie ein Aus druck der Liebe, ein verspäteter Ausdruck der Anerkennung, die das Leben oder das Schicksal dem Lebende» versagt hat. Selbstgewählte Grabinschriften drücke» vielfach die ganze Bitterkeit derjenigen aus, die ihr Leben einem undankbaren Volke oder einer grotzen Idee zum Opfer gebracht haben. So. wenn auf dem Grabmal des Scipio in Sinnessa zu lescn ist: „Auch meine Gebeine sollst du nicht haben, undankbares Vater land!" — Oder wenn sich Dante den weltberühmt gewor denen Vers — gleich reich an vielsagender Kürze wie an Weh mut und verhaltener Liebe zur Heimat — aufs Grab schrei ben Uetz: „Ich, Dante, ruhe hier, vcrstotzen Vom Vaterland, im Grabcsschrein; Für den Florenz, dem er entsprossen, An Mutterliebe war so klein." Für den Astronomen Kepler ist das Sterben nur ei» Vordringen in neue Wissensbezirke, daher verlangte er aus seinem Grab die Worte: „Ich habe den Himmel gemessen, jetzt mctz Ich den Schatten der Erde." — Der fromme Dichter Klop- stock bestimmte für sein Grab die Inschrift: „Saat von Gott gesät, am Tage der Garben zu reisen." — Fritz Reuters selbstverfatzte Inschrist auf seinem Grab in Eisenach lautet: „Der Anfang, das Ende, o Herr, sie sind Dein. Die Spanne dazwischen, das Leben, war mein, lind irrt ich im Dunkeln und sand mich nicht aus, Bei Dir, Herr, ist Klarheit, und Licht ist Dein Haus." Als B e n j a m I n Franklin noch zu Philadelphia der Buch- druckerknmst ergeben ivar, vcrfatzte er auf sich selbst eine Grab inschrift, die man in seinem Nachlatz fand. Sie lautete: „Hier ruht der Leib Benjamin Franklins, wie der Einband eines alten Buches, dem man Inhalt, Schrist und Vergoldung raubte — liegt hier, eine Speise für Würmer. Dennoch wird des Buches Inhalt nicht verloren sein; denn es wird (so glaubt er) noch einmal erscheinen in einer neuen und schöneren Ausgabe, vermehrt und verbessert vom Verfasser." Auf dem schönen Sarkophag des „frommen Schwcpper- mann in der Stiftskirche zu Kastl bei Amberg sindct sich fol gende Inschrift: „Hie leit Begraben Herr Seyfried Schwcppermann. All sein Thun war wohlgethann, ein Ritter keck und fest, Der. zu Siinderstorf im Stritt thatt das best. Er ist nun tod, dem Gott gcnod. obijit 1337. Jedem ein Ey, dem frommen Schwcppermann Zwey." Dem Nachruhm dienen die Inschriften aus den Grab steinen folgender Fürsten: Gustav Adolfs (aus dem Sicin bei Lützen): „Für's Edle glühte sreudig sein Wille, er starb als „Ihr irrt, liebe Kinder, hier wohnt die Mutter nicht. Wie schlöss' ein Grab so eng und klein Die Liebe einer Mutter ein!" Aus einem Grab zu Augsburg: „Wenn du gestorben bist, wer denkt noch deiner? Im ersten Jahr vielleicht ein Heer. In 50 Jahren kaum noch einer, In 10t) Jahren keiner mehr!" Aönige -er Verschönerungskunst Berühmte Friseure und ihre Abenteuer / Lin Tatsachenbericht von I. Mayne 4. Karl Nestle — Joses Mayer: SO Jahre Dauerwellen Der Barbierlchrling Karl Nestle aus Fahrnau im Schwarz- wald ist eines Tages spurlos verschwunden. Er wollte nicht mehr den Bauern der Umgebung die Schropsköpse ansetzen, sei nem Meister beim Zahnziehen Helsen, die abgeschnittencn Haare in einer Ecke znsammcnkchren und dazu noch die Vackpfeisen der Gehilfen einstecken. Bald daraus taucht an den Fremdenverkehrsorten der Schweiz ein fixer intelligenter Junge aus, der sich nun aller dings — die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts näl)ern sich ihrem Ende — nicht mehr Karl, sondern „Charles" nennt. .Auch in Frankreich und Italien, wohin er sich später wendet, kann Nestle seinen guten deutsä)en Namen nicht recht ge brauchen. Dev Natuv abgclauscht Die vor 18 Jahren erfundenen Ondulationswellen des französijci-en Perschönerungskünstlers Francois Marcel sind gerade auf ihrem überwältigendem Sicgcszug rund um den Erdball begriffen Nestle erkennt jedoch schon zu dieser Zeit, datz Brennschere und Kamm allein niemals haltbare Dauerwellen erzeugen. Er zerbricht sich den Kops darüber, mit welchen Metho- ten diesem Uebel abzuhelsen sei. Eines Ta« es erinnert er sich an seine beiden Schwestern, von denen die eine ganz glatte Haare, die andere aber eine üppige Lockenpracht zur Scl-ari trägt. Letz ter« zeigt bei Niederschlägen eine ganz andere Form als bei trockener Witterung, was Nestle auf den Gedanken bringt, ein fach die Natur nachzuahmcn, um aus diese Weis« eine haltbar« Damenfrisur zu erzielen. Tage- und nächtelang sitzt Nestle vor seinen Perücken, bis er es endlich wagen kann, seine Idee zu verwirklichen „Willst du eine wellige Dauersrisur haben", sragt er eine Kollegin, „die unbedingt monatelang vorhält?" „Das ist nur ein schöner Traum", lautet die Antwort. „Kein Friseur hat es bisher serliggebracht, Dauerivellen zu Ic«zen, die nicht beim Waschen. Schlafen oder den» nächsten Re« gengutz srüher oder später zerstört werden." Trotzdem kann ich eine solche Friiur Herstellen und wette sogar meinen ganzen Wachenlohn, datz es mir gelingt" Nestle benetzt nun die Haare der Kollegin mit einer Spc- zialslüssigkei!, deren Zusammenietzung sein lgehcimnis ist. Dann werden sie strnss auf Melallstübc auigcwickclt und diese mit glühend gemachten Zangen langsam erhitzt. Es dauert aus diese - Weise naturgemütz noch sehr lange, bis sich die Warnte den Haaren in'tleilt und die Fiiiisiakeil allmählich zu verdampfen ansängt. Als jedoch Nestle die Metallsläbe schUetzlich wieder aus den Haarrollen herauszieht, behalten diese die ersehnte Locken sonn. Die künstliclie Beschleunigung eines einsaäzcn Naturvor- gangcs, wie ihn das Natzwcrden von Blumen oder Frauenhaaren bei Niederschlägen und die daraussolgende Trocknung durch di« Sonnenstrahlen darstcllen, hat zur Geburt der Dauerwellen geführt. Doch in Karlsruhe und Berlin, wo der deutsche 'Verschöne- rungskünstier seine Erfindung nutzbringend zu verwerten sucht, vermag er sich damit zunächst nicht durchzusetzen. Es geht ihm ähnlich wie Francois Marcel, der mit seiner „Pudelsrisur" gleich falls bei den eigenen Landsleuten lange Zeit keinen Anklang sand. Nestle fährt nun nach London und eröf'net dort einen eigenen Frisiersalon, in dem er seine Dauerwellen propagiert. Und die Kühlen, zurückhaltenden Engländerinnen sind davon so begeistert, datz sie für die neue Haartracht jeden Preis be zahlen. Auch in Newyork, wo der deutsciw Figaro sich später nie- derlätzt, weitz man seine Dienste mit Gold ausznwieoen. Aus dem Umivege stirer England und Amerika kommen dann die Dauerwellen auch nach Deutschland, werden als evoche- Freun-schaftttche Vegrützung in Fretzburg Stabschef Lutze wurde anlätzlich seines mehrtägigen Besuchs in der Slowakei auch vom slowa kischen Staatspräsidenten Dr. Tiso herzlich empfangen. Von links: Dr. Tiso, Stabsches Lutze, Minister Durcansky und der deutsche Gesandte in Pretzburg. sEchcrl Bilderdienst. M.) machende „ausländische" Erfindung gebührend bestaunt und sin« den schlietzüch Eingang in alle Bevölkerungsschichten. Zwei Verschörrerungskünstlev finden sich Zur selben Zeit, da Nestle seine Spiraimicklung ersindel, besähistigt sich der Friseurge'yilsc Joses 'Mayer aus dem Banat mit der Konstruktion eines Dauerwellen-Apparates, der di« umständliche und zeitraubende Haarbehandlung mit glühenden Zangen übe'rslüssig macht. Auch Mai-er hat irercits saft ganz Europa durchwandert und in Ungarn. Oesterreich und an der sranzösischen Riviera wertvolle Berusseindrücke gesammelt. Ein glückliel)er Zufall führt ihn im Jahre 1000 mit Karl Nestle zusammen. Gemeinsam stellen die beiden den elektrischen Strom in den Dienst ihrer Ide«. Er verringert nicht nur die ursprüngliche ..Sitzzeit" von fünf Stunden aus zweieinhalb bis drei Stunden, sondern verbilligt auch di« ganze Prozedur in un geahntem Matze. Während früher sür eine Dancrwellen-Bchand- lung bis zu 250 RM. verlangt und bezahlt wurden, ist sie I)«ut« schon für 8 bis 8 RM. zu haben. Noch ist es nicht so weit. Wie Karl Nestle mutz auch Joses Mayer die Welt erst von der Brauchbarkeit rind Güte seiner Er findung überzeugen. Unter 45> Teilnehmern kann er an einem Internationalen Friseur-Wettbeivcrb in Nizza als einziger Ausländer mit seinem Daucrivellen-Apparat die golden« Me daille erringen. Dieser ist im Prinzip bereits so konstruiert wie die komplizierten Apparate, die heute fast in jedem Friseur« gescitäft zu sinden sind, danach tverden die Haare zunächst sorg fältig gewaschen, dann getrocknet und strähnemveise abgeklam mert. Hieraus werden sie mit einer Spezialslüssigkcit angesench- tet und in Leinenläppchen und Staniol elngewickelt. Darüber kommen dann nochmals Halteklammern. Erst jetzt tritt der mit IS bis 32 Heizklammern ausgcstattete Dauenvellen Apparat