Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 18.09.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193909182
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19390918
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19390918
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-09
- Tag 1939-09-18
-
Monat
1939-09
-
Jahr
1939
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 18.09.1939
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Weltchronik Heinrichs von München / Lr-«' Im Jahre 1935 wurden am Südtiroler Platz in München zwei Wohnhäuser errichtet, deren Aussenseite mit Fresken aus der bayrisch-tirolerischen Geschichte geschmückt sind. Auf der einen Wand sehen wir Walther von der Vogelwcide, aus einer anderen Ludwig von Bauern und rechts neben ihm eine stehende Gestalt in einer Art mönchischen Gewandung, ein Buch und einen Federkiel in den Händen, über seinem Haupte den Tiroler Adler: Heinz Scntlinger. Die dazugehörige Inschrift lautet: „Heinz Scntlinger schrieb auf der Tiroler Burg Runkel- slein im Jahre 1391 seine Reimchronitz nach der Dichtung Hein richs von München". Die auf dem Bilde dargestellte Reimchronik Heinrichs von München, eine der berühmtesten und wichtigsten Weltchronikcn des Mittelalters, wäre in der Zeit vor dem Anschluss Oester reichs beinahe in die Hände ausländischer Käufer gelangt, weil das Stift Kremsmünster gezwungen war, sie zu verkaufen. Durch das tatkräftige Eingreifen des Führers Adolf Hitler, der persönlich einen namhaften Betrag zur Verfügung stellte, blieb die kostbare, ausgezeichnet erhaltene Handschrift mit ihren höchst wertvollen, einzigartigen Handzeichnungen der deutschen Nation erhalten. Das Kulturdokument wurde am 8. Januar 1936 In Gegenwart des Führers und der Vertreter vieler 41c- hörden der Bayrischen Staatsbibliothek übergaben. Ein wich tiges Dokument deutscher Geschichte ist dadurch der näheren Erforschung erschlossen worden. Die Weltchroniken, «Denso wie die Landes- und Lokal chroniken des Mittelalters werfen l-ellcs Licht auf das Wissens bedürfnis und die Bildung des deutsche» Menschen im Mittel- alter. Darüber hinaus sind sie Denkmäler des mittelalterlichen Zeitgeschmacks, Zeugen deutschen mittelalterlichen Denkens nnd wertvolle Quellen historischer wie auch sprachgeschichtlickzcr For schung. Ursprünglich waren die Chroniken lateinisch, später In der Landessprache verfatzt. Die Chroniken waren zunächst gereimt. Sie bilden eine Ucbergangsgattung zwischen Aben- tcuergedicht und geschichtlicher Erzählung. Je mehr sich die Geschichtsschreibung der Darstellung wirklicher Begebenheiten nähert, desto mehr strebt sie danach, aus der Versform zur Prosa überzugehen. Mir unterscheiden demzufolge Reimchro niken nnd Prosachroniken. Eine grotze Anzahl von Rcimchroniken und „Historien bibeln" ist erhallen. Das zeiat, wie grotz das Bedürfnis nach geschichtlicher Belehrung im Mittelalter in den Kreisen des Adels und des wohlhabenden Bürgertums gewesen sein mutz. Da die Bücher handschriftlich aus Pergament vervielfältigt wur den, war der Preis beträchtlich. Die Chroniken behandelten in unterhaltender und belehrender Form, wenn auch meist mit geringer dichterischer oder stilistischer Knust die verschiedensten geschichtliche» Stosse, z. B. die Weltgeschichte oder wc»igstcns Episoden der Weltgeschichte. So gab es Chroniken einzelner Länder, wie z. N. Gottfried Hagens „Kölnische Chronik". Es gab Chroniken von Klöstern wie von Gemeinschaften lz. B. „Dcutschordens-Chronik") und von geschichtlichen Vorgängen und Episoden, wie z. B. der Eroberung Preutzcns (Livlän discher Rcimchronik) und des dritten Kreuzzuges. — Besonders beliebt aber waren die „W cltchronike n", in denen die Ge schichte der Menschheit von der Schöpfung etwa bis zur jeweili gen Gegenwart darzustellen versucht wurde. Rudolf von Em4 fgestorben um 125«), ein churrätischer Schweizer, Lehnsmann des Grafen von Montfort, versuchte, eine solche umfassende Darstellung zu geben. Epische Kunstfertigkeit. Gelehrsamkeit, sittlicher Ernst. Sinn für geschichtliche Wirklichkeit kamen ihm zustatten. Vollenden konnte er sein Werk nicht. Er gelangte nur bis König Salomo. — Die K a i s e r ch r o n i k, die viel leicht in Regensburg vom bayrischen „Pfaffen Konrad", dem Dichter des Rolandliedes, versaht wurde, gibt eine ziemlich ver worrene Liste der Kaiser. Sie wurde ausgiebig benutzt von dem Wiener Jansen Enikcl, der um 1286 eine Weltchronik und auch ein „Fürstenbuch von Oesterreich" schrieb. Das Mittelalter dachte ganzheitlich. Es fotzte die Weltgeschichte von der Weltschöpsung bis zum Weltgericht als Einheit und stellte den gesamte» Geschichtsverlauf unter die Idee des Gottes st aatcs. Daker kam cs den Chronisten nicht so sehr darauf an. etwa „historisch" im Sinne Rankes zu erforschen und zu schildern, „wie es eigentlich gewesen", ohne zu richten und zu lehren, — sondern sie wollten unter halte» und belehren. Um zu unterhalte», bäte» sie mehr Geschichte» als Geschichte; ihre Darstellung wimmelt vo» Sa gen. Legende». Anekdoten. Fabeln, Märchen. Ovid gilt oft als urknndlichc Geschichtsguclle. In der „Kaiserchronik" lesen wir übrigens eine der ältesten Fassungen des Faust-Stosses, nämlich die Legende vom Zauberer Simeon und der schönen Helena. — Der Wille zur Belehrung entsprang der im Volke tief ver ankerten christlichen Welt- und Lebensanschauung: Die Welt geschichte wurde gedeutet als die „Geschichte der Taten Gottes". Die Geschichte des Menschengeschlechtes ist zugleich die Geschichte der Offenbarungen Gottes. Es ist mehr als sinnbildlich, datz die Weltchronik eines Rudolf vo» Ems mit den Worten „Richter Gott", die Thüringer Weltchrniik mit „Christ Her re" beginnt. Nach uraltem Herkommen wurde in die An fangsworte der Urkunden und anderen Schriften (val. Bullen, Enzykliken) geradezu ein ganzes Programm stichwortartig hineingelcgt. Aus der grotze» Zahl der Weltchroniken ragt besonders eine hervor, die bisher von der Forschung ein wenig stief mütterlich behandelt worden ist. die aber doch in mehr als einer Hinsicht wertvoll und wichtig ist: die Weltchronik Heinrichs vo» München (in der Runkelsteincr Handschrift des Heinz Scntlinger). Dieses Werk nmsatzt rund 166 666 Verszcilen, entspricht also an Umfang etwa dem Achtfachen der ge samten FaustdIchtuna Goethes. clnscklictzlich Zueignung, Vorspiel. Prolog. Der Umfang hat manchen Forscher abac- schreckt, sich eingehend mit der Handschrift zu heschäftiaen, ob wohl sie sehr gut erhalten und verhältnismätzig leicht lesbar Ist. — Es ist daher um so anerkennenswerter datz ein innacr deutscher Gelehrter, Dr. Paul Gichtel, sich der Aufgabe unterzogen hat, die ganze beinahe „sagenumwobene" Welt chronik Heinrichs von 'München Vers für Vers durchzu- ackern. Paul Gichtel Ist darüber hinaus — so unwahrschein lich es zunächst klingen mag - der He r k u n f t e i » e s j e d e n der hunderttausend Verse durch ständiges Vcrglcicknn der Runkelsteiner Handschrift mit etwa 25 anderen mittel alterlichen Chroniken nachgcgangen. Er hat also das ganze Gewebe der Weltckronik in einzelne Fäden anfaetrennt. Die Fruckt seines ungeheuren Fleltzes legt Paul Gichtel in einem stattlicken Buche „Die Weltckronik Heinrichs von München In der Runkelsteincr Handschrift des Heinz Scnt- linacr" (ä21 S. Schriftenreihe zur Bayrischen Landcsgeschichte. München C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung) vor. Wir werfen Dank der Forschung Pont Gicktels einen BUck in die Werkstatt eines mittelalterlicken Chronisten. Da lebte vor nnnmchr etwa 660 Jahren, nm 1325. also zur Rcgicrungs- zelt Ludwigs des Bayern und Friedrichs des Schönen. — wahr scheinlich In Alen —, ein Schriftsteller mit dem Taufnamen Heinrich, der zur Unterscheidung von anderen Personen gleichen Namens, den Znsatznamen „von München" trägt. Oftmals wiesen zu senen Zeiten Personen, die „in der Fremde" lebten, durch solcl-en Zusatz auf Ihre Herkunft dzw. Heimat hin. Sieht man aber näher zu, so nennt er sich eigentlich Heinrich „von Bayern" oder „von Bayernland"; „Ich von pairn Hainrich von Muentchen auz der werden (werten) stat". Die Bayern hatten ebenso wie die Schwaben eine besondere Vorliebe für Chroniken: Eine grotze Anzahl Chroniken lätzt sich in ihrer Heimat lokalisieren. Heinrich von München stand wahrschein lich in enger Beziehung zu dem „Wiener Literatur kreise". Ucber Heinrich vo» München ist sonst so gut wie nichts bekannt. Man kann daher nur mittelbar, über die Weltchronik, Schlüsse ans seine Person ziehen: Nach allem war er ein ge reifter, ernster, etwas nüchterner gelehrter Schriftsteller, der rohen Spützen abhold mar. Seine dichterische Kraft war nicht grotz, die Phantasie weder schöpferisch noch beschwingt. Nir gends ist er in seiner Arbeit ganz selbständig. Aber er war für die damaligen Zeiten ungemein belesen, kannte mindestens 17 deutsche Reimchronikcn, 2 deutsche Prosachroniken und 5 lateinische Geschichts- bzw. Legendengucllen, besatz ein glän zendes Gedächtnis, beherrschte die lateinische Sprache gut, war überaus fleissig und gewissenhaft. Jedenfalls mar Heinrich von München grotz als „K o m p i l a t o r". Paul Gichtel, der sämt- lickzc Fäden der Weltchronik entmlrrt hat. um zu dem Kern zu geiangen, zeigt klar, datz der Chronist ein hunstvolles Mo saik geschaffen hat. Heinrich von München übernimmt seine Vorlagen, z. B. die Weltchronik Rudolfs von Ems. die „Thü- ringisck»c Weltckronik", ganz oder in der Ausmahl teils wörtlich, teils mit stilistischer Umformung oder durch sonstige Ausbeu tung. Aber die Art, wie der Chronist die in seine „Scknvell- handschrift" übernommenen Stücke zusammensügt, so datz sic schlietzlich ein einheitliches Mosaik Werk bilden, ist erstaunlich. Das wird so reckst deutlich aus den beiden graphischen Dar stellungen. nämlich der „Kompilation der Passion" und der „Kompilation der ganzen Weltckronik". die Paul Gichtel in dankenswerter Weise beifüat. Wir sehen anschaulich, wie Hein rich von München seine vorliegenden Quellen in für ihn brauch bare Bestandteile zerlegt hat und wie er diese Stücke hernach wieder zusammensüate. Aus groben, kleinen nnd kleinsten Bausteinen erwuchs sei» Werk. „Co slosz aus Rinnsalen nnd Strömen in der ersten Hälfte des 11 Jahrhunderts das Merk zusammen", kann man mit Paul Gichtel sagen. Die Welt geschichte von der Wcltsckövfung an wurde ganzheitlich, unter gleichbleibenden arotzen Gesichtspunkten, satt ohne irgendwelche ncnnensivcrte Widersprüche bis zum Tode Kaiser Friedrichs II. In diesem aewaltioen literarischen Mosaik-Werke „zu- sammengcstellt". Man kann Paul Gichtel nur beipslichten: Heinrich non München beherrschte die Fertigkeit einer „auszer- ordentlick geschickten Kompilation", die „mit manchmal aerade- zu verblüffender Kunst die Vorlagen ineinanderwob". Mit Ur teilen wie „wüstes Sammelwerk" (Schönbach) oder „Mirrarbeit" (Matzmann) wird man der Absicht des Chroniken nicht gereckt. Immer setzte Heinrich von München die Mosaiksteine „sehr überlegend und prüfend nach eigenem Urteil nnd Plan" zn- samm"n. Trotz der Menge der benutzten Quellen — trotz der Ueberfütte des Stosses., in welchem es wimmelt an geschicht lichen Nomen und Ereignissen. Fabeln. Anekdoten. Legenden. Sagen. Märchen. Abschweifungen — verliert der Chronist nie mals den Ucberblick! Der Aufbau dieser Weltckronik folgt einem lm Mittel alter beliebten Grundgedanken: Entsprechend den sechs Echöp- fungstagen läuft die Weltgeschichte in sechs „aetates" Zeit alter» oder „Welten" von je ungefähr tausend Jahren ab. Der Chronist letzt am Ende einer jeden Weltzeit dadurch einen Markstein, datz er einen Rückblick auf diese und eine Vorschau auf die folgende gibt. Adam — Noah — 'Moses — David — Babylonisches Exil — Christus — leiten je eines dieser Zeitalter ein; das letzte, mit Christus beginnende, wird erst mit dein Weltenhe abgeschlossen. Daneben spielt die Ein teilung der Weltgeschichte In vier „Weltreiche" eine ge wichtige Roste: Das erste Weltreich umfatzt das Reich der Ba bylonier. Assyrer nnd Perser; das zweite das Reich der Grie chen (Alexander des Grotze»); das dritte das Römische Im- Das Reich des Unsichtbaren, wie es der Wissenschaftler ver steht, und in das einzudringcn er heute erfolgreich bemüht ist. wird heute von „Lebewesen" dargestellt, deren Grötze kleiner als 1 Tausendttelmillimclcr ist. sich also zu dem eben mit blo- tzem Auge noch sichtbaren Millimeter verhält wie die Länge unserer Hand zu einem hundert Meter hohen Kirchturm. Und doch sind jene „Virus" genannten Lebcivescn in der Lage, den sich ihnen gegenüber wie der Himalaja ausnehmenden Mensch mit Leichtigkeit aus dem leixndiacn in den leblosen Zustand hinüber zu befördern. Stellen diese Virusartcn. deren kleinster, der Erreger der Maul- und Klaucnscuckze der Rinder, etwa noch fünfmal grotzcr als das grösste Moleküi eines chemisch reinen Stosses, nämlich das Eiiveitzmolekül ist. doch die Erreger einer Reihe von Krankheiten dar, die wie die Pocken, Flecksicber und Gelbfieber ehemals ganze Landstriche entvölkert haben. Ihre Grötze ist im obigen freilich noch immer ein Gewaltiges Z» grotz angegeben worden, der Erreger der Maul- und Klaucnseuck^, den freilich aus guten Gründen bisher noch keiner gesehen hat. ist nämlich nur etwa 16 Millionstel Millimeter grotz, was, unse ren obigen Vergleich sortsiihrcnd, etwa dem Verhältnis unseres Klcinfingcrgliedes zum Kircksturm entspricht. Die Beschäftigung mit dem Virusproblcm hat übrigens schon 1802 ihren Ausgangspunkt in der Entdeckung der Mo saikkrankheil des Tabaks genommen; von der Ivanoviki lest- stcllcn konnte, datz sie durch filtrierten, also von allen „körper- lickzen" Bestandteilen gereinigten Pretzsasi der erkrankten Blät ter aus andere Pflanzen übertragbar sei Man konnte den Pretzsasi soaar durch Tonkerzen hindurchlauscn lassen, ohne ihm seine Anstcckungssö.Istgkeil zu nehmen. Diese Beobachtung wurde im gleichen Jahre durch d'c Entdeckung gestützt, die Löis- ler nnd Frosch bei der Maul nnd Klauenseuche machten, als sie unter Robert Kochs Leitung deren Erreger aussinden wollten. Auch hier war dieser aber so klein, datz man ihn mit den bett» Mikroskopen nicht sehen konnte, also wie man sich ausgedrückt hat. ultra-mikroskopisch ist. Als die Wissenschaft aber erst ein mal die Existenz dieser auch dem/bewaffneten Auge unsichtbaren Lelwwesen geahnt hatte, wuick.-» ihre Angriffe gegen sie immer häufiger, so datz es ihr schlietzlich nicht nur gelang, davon bis Henle etwa 200 verschiedene Arten zn entdecken, sondern sie mit dem Ultraviolett Mikroskop mck der Mikrophotographie eben bemerkbar zu machen Die eigentliche Grötze dieser Bira hat man genau errechnen können. Es er-rab sich, datz sie, n»enn man sich ein rotes Blutkör,»erchkn des Mensckn-n von 7 Tausendstel Mistiiveter Durchmesser so grotz wie ein Markstück denk«, etwa dem Kops einer Stecknadel nnd die bisher kleinsten ihrer Spitze entspreche». Von ihnen bis zu den Molekülen, den Grund« perlum; das vierte — seit Karl dem Grotzen — das Heilige Römische Reich deutscher Nation. — Die ganze Weltgeschichte ist Geschichte des Heilsplans und der Osfenbarungen Gottes. Beides ist nicht zu trennen: So wird die alttestamentliche Ge schichte schon durch das Eingreifen assyrischer und babylonischer Könige von einem Hauch von Weltgeschichte gestreift; anderer seits wird unter dem Titel des Makkabäcrbnches ein ausführ liches (wenn auch legendäres) Leben Alexanders des Grotzen «ingeschoben. lieber die geschichtsphilosophische Schau der Weltchronik Heinrichs von München hätten wir vo» Paul Gichtel gern noch viel mehr erfahren. Datz die Universalgeschichte als Heilsgeschichte, die Weltgeschichte als identisch mit der Erlösung des Menschengeschlechts, aufgefatzt wird, erfuhren wir. Die Weltgeschichte wird christologisch, s o t e r i o l o g i s ch ge deutet. Teilt Heinrich von München im übrigen die Grundaedan- ken der stausisck)cn Rcichsmetaphysik? Der Rcilzc der Päpste entspricht die Reihe der Kaiser. Karl der Grotze ist der 81. Kaiser, Papst Leo III. der 106. Papst. Kaiser u n d Päpste erscheinen gleichberechtigt als „Stellvertreter Gottes". KaiscrkapUel und Papstkapitcl lösen einander ab. Es ist nun auffastend, datz die Papste dabei stets nach dem Kaiser einge ordnet werden. Die Päpste werden bis Karl d. Gr. unter der Negier ungs zeit der jeweiligen Kaiser ein gereiht! In der Zeit nach Karl d. Gr. fällt es aus, datz Heinrich von München dunklen Legenden aus der Pavttgcsckstckste, z. B. der „Päpstin Johanna" und dem ..Teufelspapst" Gerber« Syl vester breiten Roum gewährt. Wie denkt Heinrich von Mün chen über das Verhältnis und die Verbindung von Kirche und Reich? Wie wertet er die ideelle Einheit und die tatsächliche Spannung der beiden Gewalten? — Und weiter: Wenn schon ein bayrischer vokalpatriotismus bei ihm nicht fettzustellen ist. können wir vielleicht aus seiner Weltckronik aus ein deut sches Nationalbewusstsein (wie z. B bei Walther v d Vogel weide) schlietzen? Wie denkt Heinrich von München über den tragische» Wandel, d. h. die Vergänalichkeit aller Dinae. wie über die menschliche Hinfälliokcit. wie über die Entwicklung oder Zukunft des Menschengeschlechts? Wie denkt er über die Sendung des Nationalstaates innerhalb des Universolreickes? — Wir werfen nur einiae von den vielen Fraoen aus übe»- die mir von Paul Gichtel. als dem betten Kenner der Welt chronik. noch manchs zu kören hoffen, w Beste freilich wäre es. wenn unter feiner Redaktion in absehbarer Zeit eine kri tische Textausgabe der Wellchronik Heinrichs von München im Druck erscheinen könnte! Noch ein Wort über den Schreiber Heinz Scntlinger aus München, der „dilz puoch geschritten und vol Pracht... und ein tail gedichtet". Er ist. wie Paul Gichtel nachweist, nicht persongleich mit Heinrich von München, sondern ein zwei ter Münchener Schriftsteller und Schreiber und nekört einer alten Münchner Patrizicrsamilie an. Im Juni 139 t hat er die Abschrift bei seinem Herrn Niklas dem Vintler ans dem Rnnkek- stein an der Etsch bei Bozen vollendet. Zweifellos stammen von ihm manckze Textänderungen. Welchen Anteil «äeinz Sent- llnger an der Weltchronik hat. erfahren wir von Pau! Gichtel nicht. Aber er hat diese Frage ihrer Lösung nähergebracht. — Die Arbeit Paul Michtels verdient höchstes Lob: sw itt ein Musterbeispiel deutschen Gclehrtenfleitzes und vorbildlicher „Treue im Kleinen" Etwa 25 Cbroniken nnd rund 2nu wissen- sckzaftliche Bücher mutzten durchforscht werden, um zu einem ge sicherten Ergebnis zu gelangen. Der geisiwe Ertrag ist weit über das Thema hinaus bedeutend: Wir bücken tie! in die Ar beitsweise der gelehrten Scbrislsteller des Mittelalters. nnd wir empfinden eine ungeheure Ehrfurcht vor den Chronisten, die sich mühten, die uncrmetzliche Masse geschichtlicher Perlönlickkeiten nnd Ereignisse in die Ordnuugswelk des menschliche» Geistes zu zwingen und ewige Gesetze zu sehen in dem scheinbar sinn losen und zufälligen Gewoge der Zeiten lind weiter lernen «vir die Bücher kennen, welche die Laienbildung und damit das Denken und geistige Antlitz des ausgehenden Mittelalters for men halsen. Wir erleben ein Stück mittelalterlicher deutscher Kultur! Literatur: Die Weltckronik H einrichs von München in der Runkelsteincr Handschrift des Heinz Sent- linger von Paul Gichtel. (Schriftenreihe zur bäurischen Landesgeschichte. Heransacaeben von der Kommission lür bayrische Lnndesgeschichte bei der Banrisck'n ^emie der Ais» senschaften Bd. 28. 121 S„ München C. H. Beck.) elemcnten dex Clzcmikcr, aus denen alles andere in unserer Welt ausgebaut ist, ist nur noch ein ganz kleiner Scheut, wobei jedoch festgestellt werden mntz. datz man die Mo'eküle bisher und weiterhin zur anorganischen, also leblosen Welt zu rechnen hat, während die nur wenig grotz,reu Virnserreger bereits e n Eigenleben besitzen. Man vermag Virus nickst nur wie eben er wähnt. in besonderen Pretzsailcn und Wnndsckreten zu stol.e rcn, sondern unter bestimmten Bedingungen sogar zn zückten. Aus begreislick)cn Gründen hat man bisher lediglich Krono- machendc Virnserreger entdeckt, deren Krankheiten wie Pok« kcn, Maul- und Klauenseuche, die Papageienkrankheu. In fluenza, Gelbfieber, Masern, möglicherweise der Schauloch und die spinale Kinderlähmung, also die Folgen einer Inieklion jener auch heute noch unsichtbaren Lebewesen sind, dock siebt künftig zu erwarten, datz man schlietzlich auch solcke V rnsarten auffinden wird, ans die der Name Virus t Giitt nutzt zu» treffend ist. Die 2tz.'kämpsung einer Virus Krankheit ist im übrigen autzerordcntlich schwierig; denn je kleiner und unkomplizierter ein Lebeivcscn ist. desto iveniger ist es empfindlich Virus kann cintrocknen, erfrieren, ja selbst mit Blausäure vergüte« wer den. ohne an Inscktionskrait einzubützen Doch vertragen ne ebensowenig wie andere Lebewesen das Kacken und chemische Farbstoffe wie das gell'.' Acridin, die man zn ihrer ^-kämpsung entwickelt hat. Die Natur hat ihren grötzcren Organismen Schuhmechanisinen in die Hande gegeben, die wir als Imuni« tätsrcaktion bezeichnet lmben und beispielsweise bei der Schutz- impfung gegen Pocken und die Maul- und Klauenseuckx- un« dienstbar machen. In der Blutbahn wird das Virus nämlich mil besonderen vom Körper erst gebildeten Eiiveitzkörpern umkleb det, die seine Giftigkeit aufheben und es zugrunde .zehen lassen, eine Leistung, die so fabelhaft ist. datz derjenige, in dessen Kör« «vr sie unbemerkt vorzzcht, wahrhaftig nur zu statinen vernn'chie. in wie wunderbarer Weise sein Blut aus Feinde reagiert, die sell>er unsichtbar, aus unsichtbare Weise bekämpft imrden müssen. E F. V k lorocionl Unsichtbare Heinde des Lebens was ist „Virus"? — Vas kleinste Lebewes-n — Wunder im Vlut
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)