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Sächsische Volkszeitung : 02.10.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193910025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19391002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19391002
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-10
- Tag 1939-10-02
-
Monat
1939-10
-
Jahr
1939
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 02.10.1939
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Va« rvav w«--ig4N mit seinen* „U y"! U-Boot gegen die „Grand Fleet" Sch utz Veei englisch» Avenzee nn einem Tag! — Vie letzte Zechet Nm ein Haav -em Tode «ntvonnen wiscl;en die beiden Zer« Ain nächsten Tag aber hätte Weddigen beinahe das Geschick getroffen, das dann im nächsten Frühjahr seinem jungen Leben und seinen Heldentaten wirklich ein Ende setzt«. Fast hätte ein Ranimstoh „U 9" vernichtet. Er hatte vier Zerstörer gesichtet und berichtet über dieses Zusammentreffen selbst: „Die Schutzgelrgenheit schien gün tig. In dem Bestreben, sie voll auszunuhen, setzte sich „U 9" zwifcl)en die beiden Zer« slerer des linken Flügels. Es sollten m t einer Salve — reiner Bug, reiner Heckschutz — zivei Boote zugleich angegriffen wer den. Die See mar spiegelglatt. Um 2.24 Uhr wurde „U 9" beim Pugangrisf aus das FUHrerboot im Schutz gesehen. Der Zer störer war nur noch 350 Meter ab. Er drehte mit Hartruder und Höchstgeschwindigkeit aus „U 9" zu und wich so dem Tor- ,»edo aus. Der Heckschutz mutzte ausfallen, da „U 9" mit allen Mitteln tief tauchen mutzte, um nicht überrannt zu werden. Kaum mar das Sehrohr eingefahren und das Boot aus 13 Bieter Tiefe gekommen, als auch schon der Zerstörer über „U 9" hin- wegbranste mit einem Geräusch, wie wenn das ganze Anker geschirr aus das Boot geworfen würde. Der Sog machte sich nicht bemerkbar, weil „U 9" mit äutzerster Kraft lies und dadurch eine grosse Stabilität erlangt hatte. Mehrfaches lautes Schrau- dengeräusch liess auf ein wildes Durcheinandersahren der Zer. störer schlietzen, was die erste Umschau durch das Sehrohr be stätigt«. Erst nach drei Stunden waren die Zerstörer abge- schüttelt. . Wieder war der Jubel in Deutschland gross und gross auch die Ehrungen, die Weddigen und seinen Leuten zuteil wurden. Der Asinmanbant von „U d" erhielt -en „pouv le Mvvite" Wieder mar auch in England der Schrecken gross. Denn diesmal war Weddigen unmittelbar vor dem Hauptstützpunkt der Flotte erschienen. Es folgte eine Zeit wohlverdienter Ruhe und Mutze für Weddigcn, in der er das kurze Glück seiner jungen Ehe genotz. Aber ba.b rief ihn der Dienst wieder. Er bekam ein grötze- res, modernes Boot „U 29". Mit ihm ging es am 10. März 1915 von Ostende aus aus die letzte Fahrt, von der nicht einer von „U AI" zurückkchrcn sollte. Inzwischen hatte sich das Bild des Seekrieges gewaltig ge ändert. Die deutschen U-Boote machten jetzt auch Jagd aus feind liche Handelsdampfer. Am 11., 12. und 13. März 1915 versenkte Weddigcn die „Indian City", mit einer Baumwolladung nach L« Havre unterwegs, die „Headland" mit Südfrüchten für Bri stol, die „Andalusian", ausgehend von Liverpool, die „Adcnwen" und den französisch» Dampfer „Auguste Conseil". Durch die Kapitäne dieser versenkten Schisse erfuhr England und die Welt, datz Otto Weddigcn jetzt eine andere Nummer hatte. Vev gefährlichste §«in- hietz nun „U 2Y" Von da ab wurde es still um den Seehelden. Ostern kam. Er kehrte nicht zurück. Die junge Frau bangte um ihn, bald oangle ganz Deutschland um ihn. Am 20 März meldeten englische Blätter: „Tl)e Admiralin; have good reason to believe that Ihe Ger man submarine „U 29" Has becn sunk with all Hands . . ." s„Die Admiralität nimmt zuversichtlich an, datz das deutsch U-Boot „U 29" mit der ganzen Besatzung gesunken ist"). Weddigcn tot? Alle tot? Man konnte, wollte cs nicht glauben. Der dentsck;« Admiralstab schwieg, wartete, hoffte. Ganz Deutschland klammerte sich an winzige Möglichkeiten und Hoff nungen. Vielleicht doch nicht!! Aber eine nach der anderen verblasste. Am 7. April mutzte sich der stellvertretend« Chef des deut schen Admiralstabes entschlichen, nun doch die bittere Meldung herauszugeben, die lautete: ,.S. M. Unterseeboot „U 29" ist von seiner letzten Unter nehmung bisher nicht zurüclM'kehrt. Nach einer, von der briti schen Admiralität ausgehenden Nachricht vom 26. März soll das Doot mit seiner ganzen Besatzung untcrgegangen sein. Es mutz danach als verloren betrachtet werden." Deutschland trauerte. Und um die Moral der deutschen Marine angeblich zu untergraben, hüllte England sich in un- dnrchringlicheg Schwelgen über das End« Otto Weddigcns. Kein Wunder, datz man England in erregtesten Worten seiger und gemeiner Hinterlist zieh. Man ahnte, weil man an ein Unterliegen Weddigcns nicht glauben wollte, die späteren als neutrale Schisse getarnten cnglisä;en U-Boot-Jallen voraus. Wie -as Gn-e wirklich war Heute ist auch dieser Schleier gelüstet, und man weih, wie Weddigen und die Seinen kämpfend starben. Er stand in seinen letzten Augenblicken an dem Ziel, das alle U-Boot-Kommandanten sich erträumten, manchem verhäng ¬ nisvoll geworden war und kebner erreicht hatte: mit dem Klei« nen U-Boot zum Angriff auf Grohkainpfschiffe zu kommen. Am Morgen des 18. März hatte di« englische Schlachtslot,« N"> de» Kreuzergeschwadern eine strategische Uebung durch- geführt. Am Mittag gluckte es Weddigcn, was allen enteren versagt blieb: die „Grotze Flotte", noch dazu ohne U-Boot-Siche rung, in erreichbarer Nähe zu fichten und zum Angriff zu kommen. " " Aber man hatte den gefährlichen Feind entdeckt! Mittags, um 1.18 Uhr, meldete Vizeadmiral Burney, der Cl;ef des 1. Schlachtgeschwadcrs, von der Spih der linken Flügel kolonne, datz von seinem Flaggschiff „Marlborough" ein U-Boot gesichtet worden sei. Ein von diesem gefeuerter Torpedo sei eben hinter dem Heck von „Neptune", dem dritten Schiss der Kolonne, vorbeigelausen, und offenbar sei der Feind lm Begriff «inen zweiten Schutz zu feuern. Mit einer Wendung zugleich drehten alle Schiffe der Flotte sofort 12 Strich nach Steuerbord von dem U-Boot ab und gingen auf 17 SeeEilen. Nur «in be reits entlassenes Schlachtgeschwader behielt einen fast entgegen gesetzten Kurs bei, der es direkt aus das U-Boot zusühren mutz!«. Hans Thoma Unter unseren grotzen deutschen Malern ist Hans Thoma einer der deutschesten. Darum widerfuhr ihm auch das sehr deutsche Schicksal, datz er jahrzehntelang von der Kunstkritik und der intellektuell bürgerlichen Schicht, die zuerst mit seinen Bildern in Berührung kam, nicht verstanden, ja, mit bitterem Hohn und Spott abgclehnt wurde, bis allmählich sein Werk doch in die Tiefen des deutschen Volkes drang und dort immer innigere Liebe und Bewunderung fand, so datz er aus der Hohe seines Lebens Ruhm und Ehren in Fülle gewann, mehr als ihm selber erwünscht war. Denn für den schöpserischc« und unendlich fruchtbaren Künstler bedeutete es im wesentlichen eine Belastung, als er Akademicproscssor und Museumsdirektor in Karlsruhe und Geheimrat und Exzellenz wurde. Mit ruhiger Gelassenheit und Selbstsicherheit ist er durch Anfeindung und Lobpreisung seinen eigenen Weg gegangen, und in einer Zeit, in der die Kunst sich fast völlig dem Volke cntsreuldet httc. ist er so etwas wie ein getreuer Eckchard gewesen, der die Kunst wieder auf ihren, ursprünglichen und ewigen Heimat boden zurücksührte. Ein Schwarzwälder Bauernbub ist Hans Thoma gewesen, bevor er der grotze Maler und weltberühmte Meister wurde. Etwas von echter guter Bauernkunst leuchtet auch noch durch seine reisen Arbeiten: die gesunde Freude an der reinen und starken Farbe, der naive Ausdruck eines frohen Behagens an den Dingen des Lebens und der Erde, «ine unbewusste Schwere des Empfindens. Für den jungen Kunstschiilcr Thoma wurde Meister Albrecht Dürer der grötztc Lehrer, vor dessen Werken er ergriffen stand. Dürers treueste Naturverchrung, seine andächtig seine Zeichnung lebt in Thomas nackten Ge stalten, in seinen ornamentalen „Federspielen" sort. Aber auch Altdorsers liebliche Waidesstimmungcn, des älteren Holbeins derb ausdrucksvolle Heiligenfiguren, Cranachs lustig liebe Mär- chenphantasien finden in Thomas Bildern ihre nahen Ver wandten. denn sie entstammen dem gleichen, in ihnen schassen den Polksgcist. Ebenso kann man in Thoma auch den Voll ender der Romantiker sehen, der Schwind und Ludwig Richter, doch aus einer malerisch höheren Stufe, weniger literarisch, mehr ursprünglich gestaltend. Thomas Iugcndbilder sind von einem innigen Realismus erfüllt, von hingebcndcr Liebe an das Kleine und Kleinste. Die weite Landschaft zerfiel ihm in unzählige Stückchen, jedes ein in sich geschlossenes Stillebcn. An einem Weidenbusch über einem braunen Bach konnte er wochenlang arbeiten, bis jeder Grashalm zwischen den Steinen am Ufer genau zu sehen war. Diese hingcbende Naturwahrheit sand dann auch durch seine Pariser Reise 1868 die Bestätigung in der Kunst Courbcts, den Thoma als germanischen Künstler empfand. Noch stärker hat etwas später in München Leibl aus ihn gewirkt. AiH hier fühlte er sein eigenes Streben bestärkt, das er in seinen frühe sten grotzen Porträts ausgedriickt. Aber bald genügte es Thoma nicht, ein guter Abschilderer der Natur zu sein. Es gibt Leute, die nur den jungen Thoma gellen lassen, den unbeirrbaren Realisten, und cs gibt andcre, dic sich für den Symbolisten begeistern und eine wundersame Weltanschauung in ihm ausspüren. Sie alle haben den Ur sprung der Lcbensguclle nicht gesunden, aus der Thomas gan zes Schassen genährt und befruchtet ist: seine deutsche Seele mit ihrer Sinncnsrcudigkcit und zugleich ihrer Mystik, das gleiche, was Jakob Böhme dazu sührte, Golt in einem sonn- MMj!Wjj!jWj!!jjj!!jWMj!!»!WWW!UWVWWWWW»!N!!j!jW!jW!j!j!j!!j!Wjj!j!Dj>jW!j!WW!^ Die Aathe-vale im Urwal- Tief In der weglosen Wildnis des Motto Grosso, der säst unerforschten tropisch» Weite von Brasilien, liegt eine in Trüm mer gesunkene Kathedrale. Dic Inkas bauten sie für die Iesu- itenpalres, und die Kathedrale wurde mit den Erzeugnissen eines unglaublich reiche» Landes Hcschmückt, wo Gold, Edelsteine und seltene Hölzer in Mengen vorhanden waren. Das war im Jahre 1548. Als am Ende des 18. Jahrhunderts die Jesuiten ver trieben wurden, ging dic von ihnen dort geschaffene Zivilisation zugrunde und ihre reichen Städte sanken in Trümmer. Lr inusz ewig auf -em Wasser leben Die Welt fragt sich, wann der Ire Frank Kelly endlich einmal seinen Futz wird aus festen Boden setzen können. Vor dreitzig Jahren wurde Kelly als ganz junger Bursch« wegen eines schweren Raubiibersalls in Amerika zn lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Man begnadigte ihn nach mehr als zwei Jahrzehnten. Aber zur Bedingung wurde gemacht, datz Kelly auf dem schnellsten Wege »ach Hausc zuriickkchre. Aber die Polizei in Irland wollte nichts von seiner Landung wissen. Genau so ging es ihm in England und in Frankreich. Er juhv also nach Amerika zurück, wo man ihm genau so dic Er laubnis zum Landen verweigerte wie in Kanada. Verzweifelt setzte sich Kelly äuf einen griechischen Dampfer und Netz sich ein wenig in der Welt Herumsahren. Doch weder eine süd amerikanische Republik noch irgendein indischer Staat wollte etwas von der Ausbootung des amerikanischen Räubers wissen. Er wurde notgedrungen zum Seemann, mutzte aber immer Verpflichtungen annehme», dic einander direkt berührten, so datz man ihn von einem Schiss zum andern mit einem Boot hinüberrudern konnte. Iedcnsalls hat Kelly in den ganzen Jahren, die er sich nun aus den Meeren herumlreib», keinen festen Boden mehr unter die Fütze bekommen. Wenn er sich nickt auf einer einsamen Insel ausletzen lätzt, — wird er wohl ewig in der Art eines „Fliegenden Holländers" ruhelos durch die Leere dieser Welt reisen müssen. Der kürzeste Frie-ensvertrag In unseren Tagen sind Pakte und vor allem Friedens verträge eine lange Sache, die meist von diesen Fachleuten entwickelt wird und sich zum Schluh in Form eines Buches darstellt. So ist auch der leidige und inzwischen zerrissene Ver sailler Vertrag ein ganzer Band geworden. Doch cs gibt einen Friedensvcrtrag aus verhältistsmätzig junger Zeit, der nur eine Länge von einem einzigen Sah hat. Er wurde am 3. März 1886 zwischen Bulgarien und Serbien unterzeichnet. Vorher heilte man sich recht heftig mit wechselndem Erfolg herum geschlagen. Das Ende vom Lied war, datz die europäischen Grotzmächte sich nicht länger von den Wirren im Balkan beunruhigen lassen wallten. Sie sprachen ein Machtwort und verlangten sofortigen Fricdensschlutz. An sich wäre cs nun üblich gewesen, datz einige Kommissionen zusammcngetrcten wären, um den Friedensvertragsbestiminungen das nötige Kleidchen zu geben. Aber diesmal war man knapp und klar und versiigtc in dem Fricdensvertrag. der nur aus einem Satz bestand: „Artikel 1 — einziger Artikel —: Zwischen Ser bien und Bulgarien wird der Friedenszustand wiedcrhcrgcstclit!" Schlutz — das ivar alles, das ivar der ganze Vertrag. Noch bevor ein Signal es warnen konnte, sichtete der Wachosfizier des Spitzenschisses der Backbordkoloune, der „Dreadnought", das U-Boot, das zickzacklausend südlich» Kurs steuerte. — Sosort schätz die „Dreadnought" init äutzerster Krast in das Kielwasser des U-Bootes «in, mH das zweite Schiss, die „Temcraire" folgte Ein« atemlose Jagd begann. Bei dem U-Boot schien di« Tlesensteu«rung zu versagen, so datz cs der „Dreadnought" ge lang, mit einem Rammstotz üher es hinivegzusahren. Für eine Minute reckte sich der Bug des U-Bootes hinter dem Heck des Linienschiffes hoch aus dem Wasser, gerade »och lange genug, datz die Engländer die Nummer „U 29" ablcsen konnten. Nun mutzten sie, welchen gefährlichen Feind sie erwischt hatten. Langsam sank das U-Boo! über das Heck, um nicht mehr aufzutaucl;en. Nur vcl, Luftblasen und einig« Wrackleile kamen an die Oberfläche, als der kleine Kreuzer „Vlonche" die Untergangs stelle absuchte. Otto Wedüigen und die Seinen hatten ihr Leben gelosten für das Vaterland, mitten in dem Augenblick, als sie unerschrok- ken und todesmutig, ein kleines Häuslein in einem schmalen Boot, ansetzten, den Kamps mit den Giganten des stolzen Eng lands auszunchmen. Dreieinhalb Jahre noch schien Offiziere und Mannschaften unserer Marine Tag und Nacht ihr Leben ein, und von vielen Heldentaten berichtet die Geschichte. Keiner aber von ihnen wohnt big heute so im Herzen aller Deutschen wie Otto Wed digcn mit seinem „U 9". Zu seinen, sOO. Geburtstag / am 2. Oktober beglänzten Zinnteller zu schauen. Aus der Hingebung an» Kleine, die ihn zum grotzen Maler gemacht hat, wuchs er empor zur Verehrung des Grotzen und Ewigen. Dabei hat ihm nächst seinem eigenen Trieb und Sehnen der Miillerssohn van Rijn geholfen, Rembrandt, dessen begeisterter Verehrer Thoma ist. Aus seiner deutschen Seele heraus verlangte es Thoma auch nach den grotzen Formen und der sonnigen Heiterkeit des Südens. 1874 kam er zum erstenmal nach Italien und schlotz sich hier den „Deutsch-Römern" an, Böckiin, Mar-'-es, Hildebrandt. Die Formen, die er bei ihnen fand, durchdrang er indessen sogleich mit den, Wesen seiner ureigensten Phan tasie. Die Gestalten der antiken Mythologie und der römischen Landschaft wurden sür ihn zu Stimmungen und Figuren des deutschen Märchens. Das Bauerntum, das sich in ihm so ur tümlich regte, ivaltet hier mit all den uubcivutzten Schätzen des alten Volkstums, und wenn Goethe von Hebel gesagt hat, datz er die Natur „verbauert" habe, so gilt dies auch von Thoma, aber freilich in jenem höheren Sinne, in dem der Bauer als der „ivahre Mensch" erscheint. Thoma hat in einem seiner schlicht ergreifenden Selbstbekenntnisse, in denen er seine Altersweisheit gesammelt, von den Bauern seiner Heimat er zählt, datz sie sich an die ältesten Rütselsragen des Lebens heranwagen und mit ihrer Weisheit nicht hinter de» aller gescheitesten Denkern zurückstehc» — „denn sie wissen eigent lich grade so wenig wie sie auch". Mit solcher genialen Bauernnaivität hat er die Welt des Uebersinnlichen dargestcllt, besonders in seine» religiöse» Bil dern. die ihren Gipfel in den, Zyklus christlicher Ge schichten in dem Kapellenraum der Karlsruher Kunslhnlle erreichen. Es ist der alte gute Gott, der „leise »ach seiner Weise" durch Thomas Wald wandert, der, wie der Meister einmal gesagt, „vom Himmel aus den Tannenwäldern lächelt uird es gern sieht, wenn seine Kinder fröhlich sind." Dic innige Gottessehnsucht des Deutschen hat in Thoma ureigene Gestalt gewonnen, denn er ist „inwendig voller Figur", wie es Dürer vom Künstler verlangt, und so ist denn sein Werk zu einem unerschöpflichen Bilderbuch des deutsche» Wesens geworden, das er uns, als er im patriachalischen Aller von 85 Jahren starb, in seinen mehr als tausend Gemälden, in seinen min destens ehensoviel Aquarellen, Radierungen. Lithographien, Holzschnitten und Handzeichnunge» hinterlassen hat. Christliches und Weltliches, Antike und Mythologie, alles ward in Thomas Phantasie zum deutschen Gebet, zum deut- chen Märchen. Sein Christus ist ein guter und weiser Men- chenfreund voll schlichter Einfachheit, wahrend der ihn ver- uchende Satan mit der weit ausladenden Gebärde eines roma- nischn Komödianten austritt. Gott selbst erscheint diesem Sprötzling eines uralten Bauerngeschlechts als der getreue Sä mann, der mit freiem Schwünge den Samen auswirst zu tau- sendsntiger Frucht, während der Teufel als nächtig finsterer Unhold mit gebücktem Schieichen Unkraut unter den Weizen streut. Die Gestalten der Antike sind ebenso deutsch auiaefatzt. Saturn, den kleine Büblein am Barl zupfe» und kitzel», ist ein bärtiger Alter wie Christophorus: die Meermänne" haben alle jenen traurig klagenden Blick des Recks, der über seine Unseligkeit weint und erlöst werden möchte. Luna und Endy- mion heben sich vom Hintergrund lichlstrahlendcr Mondwolken ab wie ein Paar aus dem Volkslied. Parsisal und Siegsried sind gute deutsche Bauernjungen, die ausziehen wie Hans im Glück. Der heilige Georg und die anderen „Hüter des Tais" sind solche schwerfälligen „tumben" Gotlesstrcilcr, wie wir sie aus der Legende kennen. So verschmelzen Wirklichkeit und Vision zur Einheit in dein Wunderland, in dem Hans Thoma den Zauberstab schwingt. Der deutsche Michel wohnt und herrscht hier in seiner gutmütigen Krast. aber er hat keine Zipfelmütze auf und keinen Schlafrock an. sondern gepanzert ist er von Kopf bis zu Futz, von Adlersiügeln umrauscht, mit Waage und blitzendem Schwert in Händen. Es ist der Erz engel Michael, der sein deutsches Volk beschirmt. Dieser Glaube an deutsches Wesen, deutsche Krast und deutsche Zukunst — das ist das teuerste Vermächtnis, das wir Meister Thoma und seinem Werk verdanken. Seltsame Folgen einer Operation Vor einigen Monaten erlitt der 30jährigc Mario Lugo au» der italienischen Stadt Tcschiera einen Autounfall, bei dem er schwer« Kopfverletzungen davontrug. Im Hospital der Stadt Verona nahm Professor Austoni, einer der bekanntesten Chirur gen Italiens, «ine Operation an dem Verunglückten vor, die trotz grotzcr Schwierigkeiten glücklich verlief. Als Lugo nach geraumer Zeit wieder In der Lage war. zu sprechen, siel cs asten, die sich mit ihm unterhielten, aus. datz er nun nicht mehr in seinem gewohnten veronesischcn Dialekt sprach, sonder» im reinsten Toskanisch. Diese Erscheinung ist zunächst völlig unerklärlich, da der Patient nachgewicsenermatzcn niemals in seinem Leben in Toskana ivar. Zuerst hielt man diese sprachliche Verwand lung für einen Scherz; nun hat aber eine genaue Kontrolle sei tens der Aerzte ergeben, datz Lugo jetzt nur noch diese ihm früher völlig unbekannte Mundart seiner Muttersprache be herrscht und sich gar nicht mehr anders ausdriicken kann, wäh rend ihm der gewohnte vcroncsische Dialekt völlig entlasten ist»
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