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Sächsische Volkszeitung : 12.08.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193908126
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19390812
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19390812
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-08
- Tag 1939-08-12
-
Monat
1939-08
-
Jahr
1939
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 12.08.1939
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hi Inr Kchatten der ^ohen Tatra 5 1 ) e r ttei> bis 'll'ig lnen ends mit feinster ileberlequng ge- oben, und alles ist Fest und alles gebändigt: Raum, Lich^ m in vor des mit Die der und und >» z>« ie« )r- -r- >er ,cn rn, >en öS sUc ilt. t« iert na hen Ra- vH. um »ehr vH aen. uin -sitz- man sä Ke Don mit '1 Pfeiler nach Säulen, sondein beides, immer zwei schneeweitz und schlank nelnmeinander, ganz oben ansctzend, so das; dieses Barock schier etwas Gotisches erhalt, strebend leicht anmutig, hoch, wunderooll hoch. Jeder Schritt nach rechts, links, vorn. zu. rück eine Durchsicht, Ueberscheidung, Verschiebung. Fenster, Wölbungen, Bilder scheinen miteinander, ineinander zu spielen, das Licht spielt mit ... Hier scheint das Licht hincinzustiirzen, siegreich und gewaltig und doch bändigt, von beiden Seilen, von Farbe ... Frssellos ist alles, und Farbe, Formen, Linien." oder dem Saaletal verglichen werden — sprechen noch eindring lich von der einstigen Schönheit. In Preschow, dem Sih eine» ruthenischen Bischoss (uniert), und in Tyrnau, dem zeitweiligen Sitz des Primas von Ungarn während der Türkenkriege, gibt es zahlreiche gotische Baudenkmäler. Auch das alte Pretzburg nimmt daran teil. Immer wieder aber mutz vor allem das Innere der Kirchen und kleinen Kapellen betrachtet werden, wo die geschnitzten und steingcbildeten Altäre, die Madonnen bilder und die goldgeschmiedelen Ornamente die Bewunderung erregen Man trifft Kirä>en in der Slowakei, wo die Zahl der berühmten Schnitzaltäre auf IN bis 12 steigt, ost in den beschei densten Orlen. Jede Landschaft bietet hier neue Ueberraschun- gen. In dem erwähnte» Zipser Kapitel ist die älteste, aus dem Jahre 1317 stammende Freskenmalerei zu bewundern, und die Flügelaltäre in Leulschau, Bartseld und Kesmark bergen kost barste Bilder. Ais ob die Deutschen schon vor vielen Jahrhun derten in dem eigenartigen slowakischen Land ein besonderes Wahrzeichen gegen Osten hin hätten errichten wollen, er hebt sich, von ihren Händen erbaut, in Kaschau. also an der äutzersten Ostgrcnze gegen die Karpatho Ukraine hin. ein alles überragendes Symbol des abendländisch-christlichen Geistes, ein Symbol, das in unseren Tagen erst leine ganze Bedeutung er hält: die herrliche gotische Kathedrale, die an Schönheit alle anderen in der Slowakei übertrisst. Man kann den Reichtum der deutsch slowakisäpm Kunst nur verstehen, wenn man bedenkt, das; im Mittelalter in der Slowakei der deutsche Gold- und Silberbcrgbau in voller Blüte stand und die Deutschen in der Lage waren, grotze Beträge für die Kunst zu opfern. Auch die späteren Zeitalter der Renaissance und des Barocks haben noch bedeutende Werke hervorgebracht, auf kirchlichem und profanem Gebiet. Naä)gotische Bauten fin den sich wiederum überall im Lande. In Pretzburg entstanden vorab rein weltliche Bauten, die sich die reichen Magyaren er richten liehen. Sa erheben sich hier neben dem Dam von St. Martin, wo 1563 bis 1836 die ungarischen Könige gekrönt zu werden pflegten, und der alten Franziskaner-Kirche mit der Iohanncskapelle, die reich ausgeslalteten Barock- sund auch Rokoko-) Paläste des ungarischen Adels. Wenn auch in Pretz burg in der Nachkriegszeit manches bauliche Kunstwerk ganz oder zum Teil der modernen Entwicklung hat »»eichen müssen, so stellt doch die Altstadt — neben Kaschau shcute zu Ungarn gehörig) ist auch Pretzburg eine rein deutsche Kolonistenstadt, die noch im vorigen Jahrhundert eine deutsche Mehrheit hatte — ein städtisches Kleinod dar. Das ehemalige Königsschlotz, aus einem erhabenen Hügel erbaut, liegt zwar schon seit langem in Trümmern, aber die Ruinen beherrschen noch immer die Stadt und tragen den Ausdruck der früheren Grötze an sich Als infolge der osteuropäilä-en Kriege die Deutschen in der Slowakei ihre Verbindungen mit dem reichsdeulschen Mut terland verloren, und auch die Kunst ihre Höhepunkte über schritten hatte, blieb das Bcwutztsein von der künstlcrisä>en Sendung doch im Volke erhalten. Und zwar im einfachen Volk« weit mehr als im höher gebildeten. Dieses einfache Volk mar darauf bedacht, das Ucberkomniene zu pflegen und vor dem Verfall zu bewahre», und hat hierfür vieles geopfert. Während ein bcdeutender Teil der Intelligenz nach dem nahen Ungarn answanderte wo sie sich in den Städten niederlietz, wurde das Volk der eigentliche Bewahrer der schönsten Werke deutschen Geistes in der Slowakei. Einen gewissen Anteil halten an allen Kunstperioden auch die Slowaken. Auch diese erwiesen sich dort, wo sie aus gläubi- gem Geist heraus schufen, als die Schöpfer der besten Werke. Hierfür sind di« hölzernen, schönen slowakischen Kirchen, allem um die Stadt Rosenberg herum, die Wirkungsstätte Im vorigen Jahr verstorbenen Slowakenführcrs Hlinka, ihren prächtigen Innenmalcreien, vartressliche Zeugnisse' einfachere slowakische Volkskunst tritt uns in den Werken Keramik, der Holzschnitzerei und Glaskunst, der Wirkerei Stickerei, der Anfertigung der vielfältig bunten Trachten in der eigenartigen Bemalung der Hausgeräte und der Häuser entgegen, Die Slowaken lieben das Ornamentale, die Verzie rung, den Schmuck und die Buntheit der Farben Ohne Farben stellen sie nicht gern etwas her. Es mutz leuchten, freudig k»n»egt sein und das Herz erheben. Die Helle, meitze Farbe, die immer den Grundton unter allen Farben angibt, lätzt uns tos Edle und Erhabene ahnen, das auch In den einfache» Slowaken, wie in jenen kunstliebenden Deutschen nach Gestaltung sucht. A. führen sodann in den Chorumgang hinein und dieser wiederum öffnet sich mit drei Arkaden gegen den Chor, so datz ein stän diges Hinfluten zum Gnadenbild, ein Verweilen lind Vorüber gehen an ihm ermöglicht wird. Aber auch für die im Haupt raum Veriveilenden war ein ungehinderter Blick auf den Chor gegeben. Diese Kirche, vom 18. Jahrhundert als «in Meisteriverk ihrer Art empfunden, ist schon vom beginnenden IS. in ihrem Wert und ihrer Schönheit nicht mehr gesehen morden; zur Zeit der Säkularisation war sie zum Abbruch bestimmt und Hof- miller erzählt, datz sie nur durch einen Jäger gerettet worden sei, der sie liebte und den im Trauchgau jagenden König wie zufällig zu ihr hingeleitete; das Entzücken de-f Monarchen hab« sie dann vorm Abgerissenwerten bewahrt. So ist sie zwar stehen geblieben, aber es hat noch lange gedauert, bis sie dem Be- wutztsein der Deutschen wieder als lebendiger Besitz zurück gegeben wurde; vom Ausgang des Jahrhunderts an wurde sie zwar in Kunstgeschichten erwähnt, aber recht eigentlich „entdeckt" hat sie dann Josef Hofmiller. Die 1921 in den „Pilgerfahrten" erschienene Beschreibung der „Wies", aus der wir hier schon einige Formulierungen zitierten, ist einer der schönsten Auf sätze dieses überlegenen Essayisten überhaupt; sie ist dann noch über die „Entdeckung" der Wies hinaus, die man wohl als eine Kulturtat ersten Ranges ansprechen darf, ein Zeugnis jener tiefen Heimc-tverbundenheit, di« jede Zeile bei Hofmiller atmet. Danach mehrten sich dann die der Wies gewidmeten Betrachtun gen, die grötztenteils im Zusammenhang mit der barocken Bau geschichte Bayerns oder mit einer Darstellung der Zimmer- mannschen Tätigkeit im besonderen standen. Unsere durch Photographie uitd Film nicht nur technisch bereici>erte, sondern auch geistig angeregte Zeit brachte dann in der Darstcllungs- und Betrachtungsweise der Wies ein Novum: im Dezember 1936 brachte die Tobis einen von Dr. Carl Lamb gedrehten Kulturfilm heraus „Raum im kreisenden Licht", der in S. Lorenz in Nürnberg, in der Amalienburg im Nymphen burger Park und vor allem in der Wies das Wandern des Lichts im Raum exemplifizierte. Es wurden Ausnahmen gezeigt, die von Juni bis September 1936 zu den verschiedensten Tages zeiten in der Kirche gemacht worden waren und nun im filmi schen Ablauf, die dieser Raumschöpsung zutiefst innewohnende Bewegung, das stete Neu- und Anderswerden des Raumes im Licht, das Ineinander von plastisäien und malerischen Werten ausgezeichnet und eindrucksvoll anschaubar machten. Lamb hat nun diese Filmarbeit abermals zu einer statischen Form ver arbeitet: er hat im Rembrandt-Verlag, Berlin, ein ..Die Wies" betiteltes Buch crscl-einen lassen, das jenes Licht-Wandern m einzelnen photographischen Etappen festhält; darüber hinaus hat er die Entstehungsgeschichte der Wies, wie wir si« hier mictergcgeben haben, geschildert, ihren Wert, und Sinngehalt zu ergründen und das gemeinsame Werk der Brüder Zimmer mann zu würdigen unternommen. In dieser Gründlichkeit und Zusammenfassung stellt das Buch sicl)erlich eine wünschenswert« Ergänzung innerhalb der bisherigen Wies-Literatur dar; aber dennoch ergibt sich paradoxerweise, datz die Dynamik der Ber- anschaulichung des grotzen Bauwerkes nicht mit der Vervoll- kommnung der Wiedergabe-Techniken gewachsen ist. Der kleine Hofmillersche Essay „Die Wieskirche bei Steingaden" — es sind 16 Seiten —, der auch in einem kleinen Sonderdruck als Nr. 2 von „Des Bücherfreundes Fahrten ins Blaue" sBerlag Die Waage Karl H. Silemon, Berlin) vorliegt, leistet rein mit den Mitteln der Sprache, die eher den Geist aufschlietzt zum Schauen als die Augen, mehr, um dieses Lichtwundcr ehrfürch tig und lockend zugleich gegenwärtig zu machen: „Der erste Blick ins Inner«: — unbeschreiblich! Hell, ivie ein fürstlicher Saal, vor allem aber Raum! RcmM! Wie wenn der gewaltige Druck dP Innern die Wände auseinandertriebc! Wie wenn sich nach oben zu alles rundum schwänge! Immer und immer wieder zwingt es den Blick in die Höhe. Der Hauptraum blen dend weis;, oben mit Gold, eirund, der blaue Deckenhimmel getragen durch acht Säulen- oder Pseilerpaare — es sind weder In den letzten Iahr«n sind die Schönheiten der Hohen Tatra, des gewaltigen Bergmassivo, das im Norden der Slowa kei, gegen Polen zu, sich erhebt, den Reisenden der östlicl>en Län der mehr und mehr erschlossen worden. Die jteilen Gipfel und Firne, auf denen der Schnee niemals schmilzt, ragen aus den Tälern der Waag und des Dunajetz wie ewige Niesen gen Him mel, die Einsamneit der Bergwelt sucht ihresgleichen; und die „Gottesaugen", märä-enhafte Seen in anderthalbtausend Meter Höhe, Uber 166 an der Zahl, sind die Anziehungspunkte der Wanderer geworden. Hier am Futze der Hohen Tatra, nach Osten zu, liegt die deutsche Zips, der Ausgangspunkt der deutschen Siedlungen in der Slowakei, ein Fleckchen Erde, das an Natur schönheiten sich mit den Schönheiten aller Länder messen kann, und das zugleich der Mittelpunkt der uralten deutschen Kunst in der Slowakei ist. In diesem Land entstand — denn die Wun der der Natur regen den Menschen zum Schassen an — ein er habener Zusammenklang zwischen Menschenwerk und Gottes werk. Was die Natur an Herrlichem schuf, suchten die Menschen in künstlerischem Geiste nachzuahmen. Ihre Werke erlangten vor allein deshalb eine so bewundernswerte Höhe, weil die Künstler schlichte und tiefgläubige Menschen waren, die an Gott und an die ihrem Volke gegebenen Kräfte glaubten. Ihre lösten Werk« wurden die religiösen Kunstrverke. Von slowakisch-r Seite stellt sich dieser deutschen Kunst nur ein geringerer Teil zur Seite, weil das einfache slowakische Volk inchr die hand- werklicl)e Volkskunst liebt. Die allerältesten Kunstdenkmäler der Slowakei stammen aus der Zeit der ersten Burgen- und Kirchengründungen vor 1100 Jahren. An diesen Erstschöpfungen nahmen auch die Slo waken stärker teil, wenngleich säst alle Bauten teils den deut schen, teils auch den östlich byzantinischen Einslutz, infolge der beiderseitigen Christianisierungen, ausweisen. Zeugen dieser ältesten Zeit sind Teile der Burg von Neutra, der slowakischen Stadt, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts schon in der Ge schichte genannt wird und 103-1 Bischofssitz wurde, Teile der Kathedrale des berühmten Zipser Kapitels in der Zips, heute Spitzka kapitula genannt, das ebenfalls Bischofssitz ist, die Got teshäuser von Deakovec und Benjadik, und manche kleine Rundkapelle im weiten Land. Die erste und eigentliche Hoch blüte der Kunst aber bricht mit der Gotik in der Slowakei an, die eine wahre Fülle an Kunstwerken brachte. Diese Zeit fällt mit der regelrechten Einwanderung der Deutschen zusammen, die vorher nur in kleineren Gruppen gekommen waren, und die nun aus den verschiedensten deutschen Gauen stärker her- bciströmten und reichsdeutsche Künstler nach sich zogen. Es ent standen mehrere Kunstkreise, unter denen der schlesische und der bayrisch-fränkische vorherrschten. Eigene Schulen wurden errich tet. sowohl für die Bildhauerei und Malerei als auch für die Holzschnih- und Goldschmiedekunst, damit ein künstlicher Nach wuchs gesichert merde. Nicht nur in den Städten, sondern viel fach auch in tun kleinsten und entlegensten Dörfern hob ein eifriges Schaffen an, und man ging an den Bau von Kirchen, Kapellen, Burgen und Rathäusern, wobei die Innenräume ver- schivenderisch ausgestattet wurden. Damals entstand der Grotz- teil jener reichen Kunstdenkmäler, die erst in den letzten Jahre» in der Slowakei wieder entdeckt worden sind, und die wie ein Heiligtum von Deutschen und Slowaken durch all die Jahrhun derte hindurch bewahrt worden sind. Prachtvoll erlebt sich in Lcutschau sLevoca) in der Zips die aus dem 13, Jahrhundert stammende gotische St. Iakobskirä>e, die in ihrem Innern de» berühmten, über 20 Meter hohen Hauptaltar besitzt, der von keinem Altarwerk Europas übertroffen wird. Neun iveitere Hoszschützaltäre gruppieren sich um dieses Wunderwerk. In Kesmark, dem Hauptort der Zips, in fast 700 Meter Höhe, zu Fützen der Tatra, ragt die 600 Jahre alte gotiscl>e Kirche mit kestungsartigem Turm empor. In Donnersmark erregt eine In zwei Stochwerke» erbaute gotische Kapelle die Bewunderung der Fremden, und in Bartseld in den Ostbeskiden ist die aus dem 13. Jahrhundert stammende gotische Kirche ein Kleinod. Die früher ganz deutschen Städte Schemnitz, Kremnitz und Neusohl In der mittleren Slowakei zeigen gotische Kirchen, Schlösser «ich Burgen. Was den Ban von Burgen anbelangt, die sich als notwendig erwiesen gegenüber den Einfällen fremder Ostvlilker, di« mit der völkischen Unterwerfung auch den Glauben lredroh- tvn, so sind diese neben den Kirchen In ganz bedeutender Zahl In dsr Slowakei vorhanden, und nicht nur die iwch vollständig erhaltenen, sondern auch die vielen Burgruinen — das mittlere Waagtal kann in seinem Vuvgenreichtum mit dem Rheintal pnOTO evirkiklr Venn itzchmrchs Die Wies-Äirche bei Steingaden Photographie and Wort in der Aunstdavftellnng Auf einer einsamen Wiese des Lechraino, hingelagert vor den vom Hohen Traberg heruntersteigenden Wach, den in der Ferne die Zacken der Allgäuer Alpen überragen, liegt in an mutvoller Ruhe eine weitzleuchteiche Wallfahrtskirche, die „Wies", das reise Alterswerk des Dominikus Zimmermann. Nichts verrät dem zwischen Mooren von Unterammergau oder aus der von Steingaden heraussührenden Strotz« sich Nähernden und Schritt für Schritt in eine Atmosphäre unbeschreibbarer Abgeschiedenheit und Stille Vordringenden, datz er sich wenige Augenblicke später von einem der grötzten deutschen Bauwunder umsangen sehen wird; denn wiewohl die deutlich artikulierte plastische Gliederung dieses weitzen Gebiwes dem Kundigen an zeigt, datz er es nicht mit einem beliebigen dörflichen Machwerk, sondern mit einem durchgesormten Baukörper zu tun haben wird, vermag er dieser Hülle das Geheimnis, das sie so unaus- fällig uinschlietzt, nicht abzulesen. Zwei riesige, die Fassade bis zum Gesims hinauf verdeckende Eschen tun das Ihrig«, um dem Näherkommenden vie hier in der mit Säulen geschmückten und in leisem Schwung bewegten Stirnseite aufklingende Andeutung dessen, was ihn drinnen erwartet, bis zum Schlutz zu verhüllen; so trifft ihn, hat er einmal das Portal durchschritten, der nun vor ihm ausrauschcnde grotze Akkord barocker Baumusik unvor bereitet, und er ivürde davon nicdergeworsen, betäubt, ivenn ihn nicht die Leichtigkeit, die strahlende Anmut, in der dieser Klang schwebend gehalten wird, zugleich hinaufrisse in eine selige Vefreitheit, einen dankerfüllten Jubel. Und dies eben ist vie Wies: „ein Innenraum von mozartischer Vollkommenheit" sHofmiller), will sagen, eine unsagbar freie und vollkommene Verwirklichung einer der Mitte des 18. Jahrhunderts — und also genauer schon dem Rokoko und nicht mehr dem Barock — angehörenden Bauidee: Verschmelzung von Langhaus und Rund bau im Oval; rnd dies zwar genau errechnet und klar erfatzbar durchkonstruiert, aber dies nun nicht nüchtern herausgesagt, wiederum aber nicht blotz dekorativ umkleidet, sondern in einem Spielen und Schwebe», einem Schwingen, Sichverschieben und Ueberschneiden verwirklicht, einem Sich-Begegnen und Vor-ein- ander-Fliehen von Decke uird Brüstung, Pfeilern und Mauern, von Architektur und Malerei, datz dauernd Ruhe und Bewegung in einem da sind, die Ganzheit in der Vielfalt wiederholt und gesteigert wird, in einer Vielfalt, di« nicht nur schmückt, viel weniger noch verwirrt, sondern den Grundgedanken aufnimmt und ihn erläuternd durchtriigt bis in die zarteste Schwingung des kleinsten Stuckornamcnts hinein. Es gibt im Bereich des süddeutschen Barock wohl keinen Kirchenraum, dessen Heiter- neit, dessen kostbare Grazie vor allem so nah heranreichte an den Eindruck eines Intimen weltlichen Innenraumes, und der doch mit so entschiedener Sicherheit diesen Ueberschritt zu ver meiden iveitz. Seine — „mozartische" — Heiterkeit ist im Inner sten identisch mit einem inbrünstigen, christlichen Ernst, die Leich tigkeit, das freie Spiel der Formen ist gebunden durch den Zweck, dem sic dienen, nämlich der Anbetung. Die Wieskirche ist eine Wallfahrtskirche, sie umschlietzt als ihren Kern ein Gnadenbild, eine aus dem Beginn des 18. Jahr hunderts stammende primitive Darstellung des gegeitzelken Chri stus, von der ein Chronist sagt, cs scheint das Angesicht etwas absonderliches an sich zu haben; es zeiget sich ernsthast zu einem heiligen Schröcken, jedoch auch lieblich zu einem trost vollen Vertrauen, und schmerzlich zu einem hertzlicl)en Mitley den " Diese Geitzclungsdarstellung war ursprünglich, unter dem Steingadener Abt Hyazinth Gatzner, zur Karfreitagsprozession herumgetragen worden, später wurde dem Bild neben dem Hause eines Bauern eine kleine Feldkapelle erbaut, und schliehlich, „... da schon ein und andere Benachbarte grotze Andacht dahin tragten", diese Kapelle 1744 benediziert und durch einen Anbau aus Holz erweitert. Aber bald genügte auch dieser Anbau für die Wallsahrer nicht mehr, und schon der Abt Hyazinth muh es gewesen sein, der den Plan zu einem Kirchenbau satzte: in einem in Steingaden bewahrten Bildnis sieht man den Abt nut einem Kirchengrundritz in der Hand, der dem der später ausgesührten Wieskirche schon sehr ähnlich ist und ohne Zweifel schon von Dominikus Zimmermann selber stammt; so muh dieser also schon damals mit dem Bau beauftragt worden sein. Abt Hyazinth starb am 28. März 174S, der Ruhm, der eigentliche Bauherr der Wies zu sein, ist aus seinen Nachfolger, Abt Marianus II.. über- gegangen, freilich auch die schwere Aufgabe, das Geld für diesen Bau herbeizuschasfcn, der mit 8000 Gulden begonnen wurde, dessen Kosten sich aber schliehlich auf 170 000 Gulden beliefen und aus den Spenden der Wallsahrer allein nicht bestritten iverden konnten. Der Abt Marianus, den wir unter die wirklich grohen Bauherren des 18. Jahrhunderts rechnen dürfen, yat sich dieser einer Leidenschaft selbst zum Opfer bringen müssen: der Bau- chulden halber, die er seinem Kloster verursacht hatte, muhte er päter abdanken. So hat er aber nicht nur die Grundsteinlegung >es Baues, die 1746 stattfand, sondern auch noch die Uebersüh« rung des Gnadenbildes aus der alten Kapelle in den neuen Chor — 1749 — mitfeiern dürfen; ob er als zuständiger Abt bei der endgültigen Kirchweihe am 1. September 1754 noch mit zu gegen war. missen wir nicht. Einige Jahre dürfte noch die Ein richtung der Seitenaltäre und der Orgel beansprucht haben, von 1757 ab muh die Kirche mitsamt dem Gebäude für die Wall fahrtspriester, das dem Chor unmittelbar angegliedert ist, fertig gewesen sein. De»- diesen einzigartigen Bau im Laufe von knapp zwölf Jahren entwarf und ausführt«: „Dominikus Zimmermann, Bau meister v. Landsperg", wie er sich in der Inschrift unter der Orgelempore bezeichnete, hatte damals bereits in einigen bedeu tenden Raumschöpsungcn wie Günzburg uird Steinhaufen in Schwaben Zeugnis von seinem besonderen Können abgelegt, das sich auf der hohen Ebene seiner baubegabten Epoche wie seiner engeren baubegabten Heimat — Wessobrunn — hielt; der grohe Wurf war ihm noch nicht gelungen. Das aber sollte die Wies werden. Zimmermann war sechzig Jahre alt. als er zu diesem Werk berufen wurde; als er es vollendet hatte, baute er sich daneben ein kleines zweigeschössiges Häuschen — es steht heute noch, durch zivei schlanke Lärä^nbäume von der Kirche ge trennt — baute nichts anderes mehr, sondern lebte ruhevoll an gesichts einer Schöpfung, mit der er wohl zufrieden sein durste; er starb am 16. November 1766, mehr als 81 Jahre alt, und wurde auf dem Friedhof von Steingaden begraben. Acht Jahre vor ihm war in München sein Bruder Johann gestorben, dessen ungewöhnlicl)« Malcrl»egabung In den Frcskogemälden der Wies, die sowohl der VerdeutÜchung der architektonischen wie der theo logischen Absichten der Wallsahrtskträ-e diente, eine hohe Voll endung erreichte und mit dem Werk des Dominikus hier zu unteilbarer Einheit verschmolzen Ist. Die Raumaufgabe, die dem Baumeister mit dieser Kirche gestellt war, ergab sich aus ihrer Bestimmung als Wallfahrts kirche: sic hatte das Gnadenbild zu umschlietzen und den Weg zu ihm so hinzusühren, datz eine grotze Menschenmenge mühelos zu ihm hingelangen konnte. Dieser Hinführung dient die ge- samte Anlage, sie Ist Anlatz, Ziel und Thema der in der Kirche herrschenden Beivegung, von der wir schon anfangs sprachen. Das Gnadenbildnis befindet sich im schreinartigen Aufbau des unteren Choralaltars, zu dem einmal «'ne gerade Achse un- mittelbar vom Portal her hinleitet. Kanzel links und Abtsloqe rechts — jedes ein Wunderwerk für sich — rahmen und be- tonen diesen Mittelweg. Es führt aber ein zweiter und dritter Weg an den Selten zu diesem Zentrum hin, nämlich durch den Umgang hindurch, der von den fe viermal paarweise vor die Seltenwände gestellten und durch schwingende Bogen mit ihnen verbundenen Pfeilern geschaffen wird, so datz eine „ideale Innenwand' (Hofmiller) vor der Autzenwand entsteht; Türen
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