Volltext Seite (XML)
12 KORINTHISCHE ORDNUNG. VOM TEMPEL DER VESTA ZU TIVOLI. TAFEL XXVZZ. Auf dem schroffen Felsrande des tiefen Kessels, in welchen sich der Anio, jetzt Teverino, hinab stürzt, erblickt man Ueberreste dieses zierlichen Tempels, so malerisch in ihrer schönen Umgehung stehend, wie keine andere Ruine. Er war ein runder Peripteros mit 18 Säulen, wovon noch 10 mit dem darauf ruhenden Hauptgesims und Deckenwerk erhallen sind; auch ein Theil der Cellenmauer mit der Thür und einem der Fenster hat sich erhalten. Särumtliche Architekturiheile bestehen aus Travertin, und waren ehedem mit einem feinen Stuckmarmor überzogen. Das Mauerwerk der Cella besteht aus Geröll von vulkanischem Tuff mit ungleichem Netzwerk überzogen, worauf ebenfalls noch eine Spur von Stuckauftrag zu bemerken ist, in welchem t^uaderfugen eingerissen sind. Vermittelst eines Theils des Grundrisses, der auf unserer Tafel unterhalb angegeben ist, wird sich das Ganze, welches auf einem runden Unterbau steht, leicht herstellen lassen. Von der Decke der Cella ist nichts mehr vorhanden, Thür und Fenster derselben wurden bereits von Normand auf PI. LX. gegeben. Der Unterbau, die Säule, das Gebälk und das Deckenwerk sind dagegen auf unse rer Tafel in allen Einzelnheiten genau dargestellt worden. Von den Stufen, welche von der Erde auf den Unterbau oder das Podium unter das Pcristyl führten, hat sich nichts erhalten; sie waren wahrscheinlich hei den Säulen, zunächst vor der Thür, angebracht. Die Säulen stehn mit ihren Achsen nicht lothrecht, sondern alle so gegen die Achse der Cella ge neigt, dafs die innerste Linie am verjüngten Säulenstamme beinah eine verlicale Richtung erhält, wo durch das Ganze eine pyramidale Gestalt annimmt und mehr Stabilität gewinnt. Zu diesem Behufe t ist das dünne Plättchen (Scamellum) unter der Basis, und dann auch dasjenige über dem Capital ein klein Wenig keilförmig gearbeitet, womit die geneigte Stellung der Säule und die Ausgleichung eines horizontalen Auflagers für das Hauptgesims bewirkt wird, ein Umstand, den auch schon Vitruv er wähnt hat. Die Verzierung des Capitäls ist von ganz eigenthümlicher Art, in der sich auch einige Beispiele zu Pompeji erhalten haben. Die kräftigen Eckschnörkel unter dem starken Ahacus sind wie Widder hörner gestaltet. Die Lotusblunie dazwischen ist geöffnet, von bedeutender Gröfse und Wirkung. Die beiden Blätterreihen untei'halb zeigen einen von dem meist gebräuchlichen Akanthus sehr ab weichenden Charakter; sie sind dem Krauskohl ähnlich, mit umgebogenem Rande. Dergleichen ge r kräuseltes Blätterwerk fanden wir auch an einigen andern römischen und pompejanischen Capitälen. An denselben Beispielen auch den breiten Zwischenraum zwischen den Canälen und den obern Be grenzungsgliedern des Säulenstammes. Unsere Tafel giebt von diesem interessanten Capitäl eine An sicht übers Eck und eine von der Front, dazwischen einen Durchschnitt durchs Mittel der letzteren; ferner einen Grundrifs durch die Hörner und einen am Ursprung der Blätter genommen, mit allen weiter oben erscheinenden Theilen. Die Basis der Säulen hat keine Plinthe, sie konnte bei der Kreisstellung derselben füglich fortgelassen werden. Der Mangel einer verhältnifsmäfsigen Einziehung zwischen den beiden Pfuhlen dieser sonst einer attischen nachgebildeten Basis, giebt ihr aber ein nicht empfehlenswerthes gedrücktes Ansehn. Der Anfang der Canäle an der Basis ist von sonderbarer und gleichfalls nicht nachahmungswürdiger Anordnung. Der Architrav und Fries bestehn aus einem Stück, je von einer Säule bis zur andern reichend, dessen untere Breite etwas geringer ist als die obere Säulendicke. Die Sculptur auf dem Fries ist festlich geschmückt, von kräftiger Wirkung; wir finden hier statt der bei den Piümern so häufig