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VomxMas, 2l. Srptrmb« «« kll Gegründet 1SSH Axt^arntx«^! N> »m brrtte »n«d«k»« « Vg, »Mwirl« «o Ma. »rijenablchlag u. Natatt« nach Tarts. SamiUenaniriaen und Siellengesuche er- »rLdlgl« Drelse. Oil.-»e»»hr »0Pf,.— Nachdruck nur mit Quellenangabe Dresdner Nachrichten. Unverlangie Schriliftücke werden nichi ausdewadr« «MW»gr»«>r de« »gl«, twelmaNger Au fteilung manailich NM. ».w ielnlchlledllch »0 DI«, sllr rra,erio-n>, dnrch Paftbesug MN. ft.« etnIchUedllch d« DI«, «asta-biihr lohn« Do!l»usteNung«,ebühr) bei siebenmal »bchentlichem versand, «inselnummer l« DI«. Venck «.Verlag r Liepsch tdRetchardt, Vreeden-A. l, Marlen- straße Z8/-2. Fernruf 2Z2»I. Postscheckkonto lo6S Vrerde» Vie» Blatt enthält dl« amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Dresden und de» Schiebsamte« beim Vberverstchrrüngsamt Vrr»den Der Leipziger Brandstifterprozeß beginnt di BtdeuName Erkiiirum dks SemiMMeiilkN Leipzig, 21. Sept. Das Reichsgericht, in dem um 0 Uhr der von der ganzen Welt mit Spannung erwartete Reichs- tagSbrandstifterprozetz gegen van derLubbc u n d Genosse» eröffnet wird, bietet äusserlich kaum ein anderes Bild, als man es sonst bei groben politischen Prozessen zu sehen gewohnt war. Den ReichSgcrtchtSplah umsäumen seit den frtthen Morgenstunden schon kleinere Gruppen von Fußgängern, die offenbar darauf warten, die Zustihrung der Angeklagten zu sehen. Patrouillierende Posten der Schuh polizei sorge» siir die Aufrechterhaltung der Ordnung und verhindern sede gröbere Ansammlung. Der Einlab der mit Karten ausgestatteten Zuhörer und auch der Pressevertreter erfolgt erst 8,80 Uhr. ES hat sich aber bereits alles vor dem Reichsgericht ausgestellt, um keinen Augenblick zu ver säumen. Am Reichsgericht selbst «erde« die einzelne« Besucher strenger als je aus de« Besitz von Masse« durchsucht. Bei der Feststellung der Personalien wird ver- ständlicherweisc natiirlich der denkbar strengste Mab- stab angewandt. Auf den Emporen des VerhandlungS- saaleS stu^umfangrciche Maßnahmen fltr eine Tonfilm- aus nähme der Verhandlung getroffen worden. — Das Posta m t im Reichsgericht, von dem schon soviel mitgeteilt wurde, befindet sich in vollem Betrieb. Der Platz vor dem Reichsgericht zeigt durchaus das ge- wohnte alltägliche Bild. Bon Absperrungen ist im Gegen satz zu den groben politischen Prozessen der Vergangenheit überhaupt nichts zu merken. Es fehlt sowohl auf dem Platz selbst wie auch in den angrenzenden Strassen gänzlich au An sammlungen. Die Polizei tritt infolgedessen kaum stärker in Erscheinung als sonst. Vor dem Hauptportal des Reichs gerichts sind schon von 8 Uhr die ausschliesslich zum Photo- graphteren während des Prozesses zugclasscnen Presse- pH o t o g r a p h e n an der Arbeit. Gegen Ko Uhr beginnt die endlose Anfahrt der weit über 100 in- und aus ländischen Pressevertreter. Auch die ««fahrt der ««geklagte« vollzieht sich ohne berenAngeklagtcn im Saal umher. Vor dcnAngcklagten haben inzwischen die Verteidiger Platz genommen, das ständige Mit glied der Anwaltschaft beim Reichsgericht, Dr. Seuffert, vor dem Hauptangcklagtcn vau der Lubbc, Rechtsanwalt Dr. Sack vor Torgler und Dr. Teichert vor den Bul garen, die in der zweiten Reihe der Anklagebank unter gebracht sind. Tann betritt der ObcrrcichSanwalt Werner in weinrotcr Robe den Saal, dem in schwarzer Robe Ober- lanbgerichtSdirektor Parrtsius assistiert. Durch eine hinter dem Nichtertisch gelegene Tiir, auf die sofort alle Scheinwerfer gerichtet werden, betritt der Gerichtshof um N.ltt Uhr den Saal, an der Spitze ScnatSpräsident Dr. Büngcr, alle in der roten Robe mit den weihen Bäffchen der NcichSgcrichtsrichtcr. Prozessbcteiligtc und Publikum erheben sich von den Plätzen und begrüben bas Gericht mit dem dentschen Gru b. Senalspräsidenl Dr. Dünger eröffnet die Verhandlung und führt einleitend aus: Das ungeheure Auömab des Er eignisses, das den Hintergrund dieses Verfahrens bildet, hat dazu geführt, dass der Gegenstand der Untersuchung in der Presse aller Länder leidenschaftlich mit einer alle anderen Geschehnisse zeitweise überschattenden Eindringlichkeit be handelt morden ist. Man hat sich vielfach bemüht, das Er gebnis des noch schwebenden Verfahrens vorwegzunehmen. In ein solches Verfahren und am wenigsten mit einer vor- gcsabten Meinung cinzugreisen, ist bisher nie üblich ge wesen. Nicht ^inr in der deutschen, londern auch in der Presse anderer Länder. Das zur Entscheidung berufene Gericht kann dieser Streit der Meinungen nicht berühren. Das deutsche Gesetz will, dass der Gegenstand der Urteils findung die in der Anklage bezeichnete Tat sein mub- wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhanblung darstellt. Nur was i« diesem Saale zur Verhandlung kommt, nicht, was vo« unberufener Seite ausserhalb ge, schieht, hat für die beutsche Rechtsprechung Bedeut»««. DaS Bild der Verhandlung, fuhr der Senatspräsident fort, zeigt schon, dab die Oessentlichkcit, nicht nur Deutsch lands, ohne jede Beschränkung zugelasscn ist. Ich brauche hier nicht hervorzuheben, dass die Ver teidigung der Angeklagten, dem deutschen Recht ent sprechend, unbedingt fr et ist. Wenn Stimmen laut geworden sind, welche die Ablehnung der Zulassung ausländischer Verteidiger einer Kritik unter- ziehen, so mub ich darauf Hinweisen, bass nach dem deutschen Gesetz die Zulassung ausländischer Verteidiger nur eine Ausnahme darstellt und dass das beutsche Gericht keine Ver anlassung sah, «m Rahmen seiner unbeschränkten Er- messenssrciheit auch Gesuche zu genehmigen, die nach seiner Ucberzcugung nicht ausschliesslich den Interessen der An geklagten zu dienen bestimmt waren, sondern nicht frei waren von dem Gedanken der Aussaat und Förde rung von Mißtraue» gegen die souveräne deutsche Gerichtsbarkeit. / Das Gericht tritt in »le Verhan-lunp ein Der Präsident rnst die aus der Untersuchungshaft vor geführten Angeklagten auf, die nacheinander ausstehcn. Der Angeklagte Torgler verbeugt sich dabei vor dem Ge- richt. Weiter werden die Verteidiger und die beiden Dolmetscher für die holländische und bulgarische Sprache ausgerusen. Als Sachverständiger ist zunächst nur Geh. Mcdizinalrat Dr. Bonnhöfer anwesend. Der Präsident vereidigte dann die beiden Dolmetscher für die holländische und die bulgarische Sprache. Die Dol metscher stellen nach Befragen der Angeklagten fest, dab van der Lübbe wenig Deutsch versteht, Dimttroff und Popoff noch weniger und Tanesf überhaupt nichts. Vernehmung des Angeklagten van der Lubbe jedes ««ssehe». Dreimal fährt der GefangeuentranS, portwage», gefolgt vo« «i«em mit Schutzpolizei be, setzte« Uebersallwage« i« de« Hof. Die Einbringung der Angeklagten wird vom Kommandeur der Leipziger Schutzpolizei, Oberst Höscr, persönlich über wacht. Um Ko Uhr werden die Besucher in den Saal ge- lassen. Gegenüber de« Richtertisch find a« grosse« Tische« etwa 80 Pressevertreter ««tergebracht. Di« übrige« habe« ans »e« erste« beide« Zuschauerbänkeu Platz ge«o«me«. Gegenüber der Bank der Angeklagten sind die Sachverstän digen und ein Teil der eingeladenen NechtSgelehrten und sonstigen Gäste untergebracht. Auf der Seite der Regierungs- Vertreter hat auch -er RetchSjustizkommissar Dr. Frank Platz genommen. Dem Prozess wohnen ebenfalls Frau Torgler und «in Stiefbruder van der LubbeS, T. C. Peute, bet. Die Zuschauerplätze im Saal und auf der Empore sind im Nu besetzt, ebenfalls die Presseplätze. Beim Richtertisch, aber auch tu der gegenüberliegenden Zuschauerempore, sind Tele phon-, Ftlmapparate und mächtige Scheinwerfer eingebaut. Alle Tische sind mit grünem Tuch bespannt. Vor dem Platz des Vor- sitzenden» des Oberreichs anwaltes, der Angeklagten und der Verteidiger sind in stachen Kästen Mikrophone montiert. Die Gn-eNa-ten betreten -in Gaal Wenige Minuten vor 9 Uhr flammen die Scheinwerfer auf. Durch eine kleine Tür links neben dem huseisen- sörmigen Tisch des Gerichtes erscheinen die Angeklagten: zu nächst der Holländer van der L«bbe mit blauer va» der L«bbe in blauer Fessel« a« de« Hände«, -er in der ersten Reihe zu den Presseplätzen hin Platz nimmt. Rechts und links von ihm sitzen ein Polizei, und ein Justizwachtmeister, neben ihm sitzt Ernst Torgler, der ebenso wie die anderen Ange klagten nicht gefesselt ist und leinen Ztvtlanzng trägt. Ebenso sind die Bulgaren, der Schriftsteller Georgi Di- int troff, der Student Blagot Popoff und der Schuh macher Wasil Taneis in ihrer Ztvilkletdung er schienen. Während v. b. Lubbe vor sich htnstarrt, sehen die an- Nachdem die Dolmetscher den Angeklagten kurz den In halt der einleitenden Ansprache des Vorsitzenden übersetzt haben, wird der Erössnungsbeschluss verlesen. Danach werden sämtliche Angeklagten beschuldigt, burch ein und dieselbe sortgcsetzte Handlung zum Teil ge« mcinschastlich cs unternommen zu habe«, die Ver fassung des Deutschen Reiches gewaltsam z« Luder«. Es wird ihnen also Hochverrat vorgeworfeu. Die Reichstagsbrand st istnng ist nach dem Eröss- uungsbeschluss begangen worden in der Absicht, durch diesen Brand begünstigt, eine« Aufruhr zu unternehme». Ban der Lubbe wirb ausserdem vollendete und ver» suchte Brandstiftung des Wohlfahrtsamtes Berlin-Neukölln, ferner des Rathauses «nd deS Stadtschlosses vorgeworfeu. Auch diese Brandstiftun gen solle» in der Absicht begangen worden sei«, eine« Auf ruhr zu unternehmen. Die Straftaten falle« nicht «ur ««ter das Strafgesetz, sonder« für die Beurteilung der Angeklagten wird auch die Verordnung des Re t ch s. Präsidenten znm Schutze vo« Volk und Staat «nd das neue Gesetz über Verhängung «nd Vollzug der Todesstrafe heraugezoge«. Der Vorsitzende weist bann darauf hin, dab der An geklagte van der Lubbe, nachdem er baö Verteidigung S- Bltck in den Verhandlungosaal Im Hintergrund der Bichtertisch, Link» die Bänke der Angeklagte«» angebot des holländischen Rechtsanwaltes Pauwels er halten hatte, eine schriftliche Erklärung abgegeben hat, die folgendes besagte: „Ich wünsche keine« Verteidiger; ich will mir die Sache auch nicht noch einmal überlegen. Ich bleibe vielmehr endgültig dabei, dab ich keinen Verteidiger haben will." Senatspräsident Büngcr bittet, den Angeklagten van der Lubbc zu fragen, ob er diese Erklärung freiwillig ab gegeben hat. Van der Lubbe bejaht es. Rechtsanwalt Dr. Seuffert stellt fest, dab van der Lubbe dieselbe Erklärung am Montag erneut abgegeben hat, ebenso als Rechts anwalt Stomps mit einem Anträge an den Angeklagten herantrat. ScnatSpräsident Büngcr erklärt darauf: „Ach stelle gegenüber Nachrichten, dass diese Erklärung des An geklagten künstlich herbetgesührt worden sei, unter einem ge wissen Zwang, fest, dass nach den eigenen Erklärun gen des Angeklagten dies nicht der Fall ist, sondern bass es sich um eine freie Erklärung des Angeklag- tcn handelt, der gesagt hat, er wolle überhaupt nicht ver teidigt sein/ — Als dann zur Vernehmung des Angeklagten van der Lubbe über seine Personalien geschritten wir-, läßt dieser burch den Dolmetscher mitteilen, dab er auch ohne den Dol metscher mit dem Gericht selbst verkehren könne. Er macht einen völlig zerstörten, teilnahmslosen Eindruck. Er sitzt in sich zusammengcsunken auf dem Stuhl und starrt in die Luft. Bei seiner Aussage nimmt er unmittelbar vor dem Richtertisch Aufstellung und wird von dem Vorsitzenden befragt. Van der Lubbe gibt seine Antworten mit gan- leiser Stimme und ist auber am GerichtStisch kaum im Saale vernehmbar. Selbst der Oberreichsanwalt, der seinen Platz unmittelbar neben dem GerichtStisch hat, bittet den Angeklagten, lauter zu sprechen, da auch er ihn kaum ver- stehen könne. Aus der Vernehmung ergibt sich, dab der Vater des Angeklagten Kaufmann ist. Sine« Teil seiuer Jugend hat der Angeklagte i« einer Erziehungsanstalt verbracht. Er hat die Volksschule besucht und erklärt, dab er ein guter Schüler gewesen sei. Er erlernte das Maurcrhandwerk und ist auch als Maurer tätig ge wesen, ohne dab eS zu einem festen ArbettSverhältnts ge kommen wäre. Etwa im Jahre 1028 erlitt er einen Un- fall, bet dem ihm Kalk in die Augen spritzte. Seit dem Unfall bezog van der Lubbe eine Rente von sieben Gulden. Im Dezember 1018 ist er zum ersten Male in Deutsch land gewesen. Später ist er nach Holland zurückgckehrt un- hat auch einmal Frankreich besucht, wo er die Ab sicht hatte, im Jahre 1080 den Kanal zu durch schwimmen, weil damals ein Preis für das Durch schwimmen des Kanals ausgesetzt war. Wegen des über dem Kanal herrschenden Sturmes hat van der Lubbc sein Vor haben aber nicht ausgeführt. Im Frühjahr 1981 wollte er mit einem Freunde eine »rosse Fusswanderung durch Europa und auch burch Rußland unternehmen, die durch den Verkauf von Ansichtspostkarten finanziert werden sollte. Der Freund ist aber von seinem Vorhaben wieder zurückgetreten, so bass