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Sonnabend/Sonntag, 80/21. August 1938 Sächsisch« Volkszeitung Nummer 195, Selles Da starrt» Kaspar Echlsler wird« vor sich hin, doch dann Packt« ihn «in Heulen, «r warf sich wi«d«r aus das Bett und schluchzte zum Erbarmen in di« Kissen. Vitus ab«r» der glaubte, daß es gut sei, wenn d«r Later sich ausweine, ließ ihn allein und ging in seine Werkstatt. Tag um Tag schlich so dahin, Nacht um Nacht. Sooft die Totenglocke läutete, schnellte Kaspar Echlsler auf, drückte sich in die Eck«, wie zum Sprunge bereit, als kämen st« setzt au» den Tasten, holten ihn aus dem B«tt, schleppt«» ihn zum Gericht, steckten sein Häuschen in Brand. Vitus kam h«rllber, kniet« sich mitten in die Etub«, breitet« di« Arme aus und begann dem Vater zum Trost laut oorzubeten, begann auch das Lied zu fingen, das die Rochusbrüder nach' Ammergau gebrach» hallen, und erzählte dem Vater von from men und heiligen Dingen. Auch nahm er die Schrift, das heilige Buch, das Gott selbst den Menschen geschickt hatte, und setzte sich an den Tisch und la den» Vater daraus vor. So kam es an einem Tag. an dem dl« B-rzweislung den Vater wieder einmal anstel, datz er von Golt selbst kein Ver zeihen mehr erhosste und nur den ewigen Tod und die Hölle yor sich sah, da sagte Vitus zu dem kranken Vater wie zu einem hilflosen Kinde: »Siehst du, Vater, hier steht es beim Evangelisten Johannes, im dritten Kapitel, 14.—1ö. Vers: »Und wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also mutz der Menschensohn erhöhet werden, auf datz alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern gerettet werden. Also hat Gott die Welt geliebt, datz er seinen eingeborenen Sohn hingab, aus datz alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben." Vitus sprang aus, da er dies gesagt hatte. Eine Erregung halt« ihn so überwältigt, datz er ans Fenster ging und hinaussah auf die Gaste. Was sollte er noch tun? Was sollte er noch tun? Mit einem Male überkam es ihn. Er lief hinüber in di« Werkstätte. Kaspar Schisler hörte ein Poltern, und dann kam Vitus wieder herüber, kam rückwärts schreitend und schleppte etwas Schweres mtt den Armen, zog das Schwere, bas er auf de» Boden schleift«. Kaspar Schisler reckt« sich auf. Da sah er, das war ein Kreuz, «in gewaltiges Kreuz. Der Leib des Herrn lag daraus, roh aus dem Holz gehauen. Vitus bettele es nun, als sei es wahrhaftiger Leib und wahr* hastiges Leben, zart und behutsam auf den Boden der Stube, s, datz der Vater es sehen konnte vom Bett au». Er setzte sich zu ebener Erde und sagte dann: „Siehst du, Vater, da ist das Kreuz. Vor etlichen Wochen da Ist der Steinbacher gekommen zu mir mit einem sündhaften Willen und hat das Kreuz bestellt und hat mir gesagt, ich sollt ihm das Kreuz schnitzen für dreihundert Taler. Denn es hält ihm geträumt, wenn einer ein Kreuz ausrichtet, ein Kreuz in einem verpesteten Dorf, und alle Menschen schauten zu ihm aus sie würden gerettet. Und wie ich das Kreuz geschnitzt hab um der dreihundert Taler willen, da hat die Mutter gesagt, Vater, da hat die Mutter gesagt, das wär ein Spiel mit heiligen Dingen und Verrat an dem Herrn Jesu Thrift. Jetzt weitz ich's, Vater, die Mutter hat recht gehabt. Ich will das Kreuz zu End schnitzen, nicht um die dreihundert Taler, die will ich den Armen geben, — den ganz Armen, und ich will das Kreuz schnitzen, so gut ich kann — und ich will mich hineindenken in das Leiden und Sterben unseres Hetrn Jesu Thrift, »atz alle, die das Kreuz sehen, verwandelt roerden. Wie «in Gelübde will ich das Kreuz ausrichten und zur Sühne, Vater, daß du in die Ruhe kommst." E, war in Wahrheit, als kam schon die Ruhe über Kaspar Schisler, er legte sich aus sein Veit zurück, hin auf den Rücken, und schloß die Augen, wie wenn er schlief«. Vitus ging in dic Werkstatt, holte sein Werkzeug und 'n» gann neben dem Bett des Kranken leise und behutsam an dem Leib de, Herrn zu schnitzen. «„ ttitllch 'm I-<II-,oiiI<>^ I. «ilchleittn«, »»» L-» „S » » » « üb«, Ob «, o m m « r , , v»hn«n, »l, ,,vd<ramm<rg<>u« ««labd-lpUl' >,U Mttl« Jul» t« Ob«r«mm„g<», »l» t,f»l, *l,l<l» »U». Der Zweck ist errelchtf Kommerzienrats haben zum Ball gebeten. Noch ist nicht die Hälfte des Abends verstrichen, da wendet sich der Herr des Hauses an die ocrehrlichen Gäste: „Meine Damen und Herren", sagt er feierlich. „Sie brauchen nun nicht mehr weiterzutanzcn, meine Tochter hat sich soeben »rrlobtl" Wirbelsturm 6eckt Drams suk vor längerer Zelt lebt« in Phoenix im amerikanischen Staate Arizona der Gelehrt« Robert Napier «in fast vollkomme nes Einsiedlerleben. Gr verbracht« seine Tage in seinen Arbeits zimmern im Obergeschoß seines Hauses und sah sein« zweite Frau und die Kinder nur bet den Mahlzeiten. Sein „Museum" be« trat keine» Menschen Fuß. Sorgfältig schloß er die Türen ab, wenn er es verließ. Da deckte «in Wirbelsturm das Drama auf, das um seine erst« Ehe schwebte. Die erst« Frau Napier, jung, schön und reich, war nach plötzlicher Krankheit gestorben, und jedermann wunderte sich, daß der Gelehrte sich so rasch wieder verheiratet«, denn die erste Eh« war sehr glücklich gewesen. In der zweiten Ehe fand Napier dann zwar die Erfüllung seines höchsten Wunsches, näm lich Kinder, wurde zu gleicher Zeit aber der Sonderling, der sein eigenes Leben lebte. Acht Jahre war er nun schon mit der zweiten Frau verheiratet, und nun kam der Wirbelsturm. Der Sturm deckt« eines Nachts mehrere Gräber auf dem Friedhof der Stadt auf, untz bei den Aufräumungsarbelten fand k^benbürtiK... Auf einer der Redouten, die während der Karnevalszeit im Opernhause zu Berlin stattsanden, und die von Friedrich dem Großen in dessen jüngeren Jahren fast regelmäßig besucht wurden, siel dem König eine Maske in rotem Domino auf, die sich an der Tafel, wie es das Gesetz vorschrieb, nicht ent larvt hatte. Er beauftragte den wachthabenden Offizier vom Gardedukorps, sich zu erkundigen, wer der Fremde sei. „Mein Herr, wer sinO Sie?" fragte er die Maske. „Und Sie?" lautete die Gegenantwort. „Ich bin der wachthabende Leutnant von X." — „So bin ich mehr als Sie." Der Leutnant meldete diese Antwort dem König; der befahl nun den die Wache komman dierenden Rittmeister zu dem nämlichen Auftrag. Er erhielt die gleiche Antwort, besprach sich dann aber, bevor er zu dem König ging, mit dem Gouverneur. Der seinerseits fragte wie derum die Maske, wer sie denn sei. „Und Sie?" — „Ich bin der Gouverneur von Berlin." — „So bin ich mehr als Sie." Der Gouverneur erzählte den sonderbaren Fall dein Kron prinzen. „Nun", sagte dieser, „ich will sie examinieren!" Er stand von der Tafel auf und fragte: „Unbekannte Maske, wer sind Sie?" — „Und Sie?" — „Ich bin der Kronprinz von Preußen." — „So bin ich mehr als Em. Königlick)« Hoheit!" — Jetzt ging Friedrich selbst aus den Unbekannten zu. „Wer ist Er?" Die Maske erhob sich ehrerbietig und antwortete: „Ew. Majestät! Ich bin der Schützenkönig von Breslau." Perpetuum mobile — im Kolckos- rlors erlunäen „Du machst es falsch!" sagte der Bauer Grlbenko, als er sah, daß der Mcck)anikcr mühselig eine Dynamomaschine in Gang zu bringen versuchte. Er betrachtete sich die im Kino- vorsuhrungsraum ausgestellten Maschinen — denn um einen solchen handelte es sich — und verfiel dann in tiefsinniges Nach denken. Alsdann setzte er sich hin und arbeitete ein Projekt aus: An die Dynamo wird ein Elektromotor angeschaltet; jene liefert den Strom, der den Motor in Gang setzt, und dieser wiederum gibt der Dynamomaschine di« Energie — kurz, ein Perpetuum mobile. Ein großer Augenblick, in der Geschichte menschlicher Erfindungen war gekommen' Denn der Mechani ker sah sich das Projekt an und empfahl Grlbenko, es welter- zuleiten. Bald kam das Projekt in die Hauptverwaltung für Energiewirtschaft im Volkskommissariat der Schwerindustrie und ging hier seinen Weg. Heute wollen die einzelnen Leiter, und zwar der erste Ingenieur, der stellvertretende Direktor und der oberste Leiter, nichts davon misten, da man in der Oeffentlichkeit herzlich darüber lacht — aber Tatsache ist, daß es ihnen vorgelegen hat. Und nur. mell da etwas von einem Kino drin stand, hat es der erste Leiter — „zuständigkcltshal- ber" an die Leitung der Kinoindustrle „zur Stellungnahme" weitergeschickt. Aber, wie gesagt: Er will es gar nicht richtig gesehen haben.... 8onnenl!ckt lsrbt suck 6en Voßell Der schwedisck)« Ornithologe A. Adlersparre-Stockholm konnte an männlick)«» Granatastrildvögeln feststen««, daß im Verlause eines langen, lichtarmen nordischen Winters di« braune, durch Phaosmclanin bedingte Färbung des Rückens mehr und mehr verschnxmd, so daß schließlich dort nur noch das schwarze Pigment sEumclanin) mit dazwischenliegenden weißen, pigmentfreien Stellen vorhanden war. Mit dem Wachsen der Tageslängen nahmen die verfärbten Federn all mählich wieder ihre urspriinglick-e Farbe an, und im Sommer vollzog das Sonnenlicht die Umfärbung zur Naturfarbe. man in d«m zerdrochenen Sarg der ersten Frau de» Gelehrte« «in« Wachspnpp«. Darauf wurde Napier des Mordes angeklagt. Jetzt mußte er,, um sein Leben zu retten, sein Geheimnis vreisgeben. Er führt« die Kriminalbeamte« hinauf in sein Museum und stellte ihnen eine sehr bleiche und früh ergraute Dame vor, seine erst« Frau. Als die Ehegatten gemerkt hatten, daß ihnen Kinder, versagt sein würden, schlug die Frau vor, für die Welt zu sterben und Napier so Gelegenheit zu geben, sich mit einer zweiten Frau zu verheiraten. Sie selbst hielt sich, nachdem die Täuschung mit Hilfe des Arzte» gelungen war, in den oberen Räumen des Hauses auf und verließ diese» Geschoß während der ganzen acht Jahre nicht. Ihr Mann sorgte für ihre Ernährung und für di« völlige Geheimhaltung seiner doppelten Ehe. Selbstverständlich wußte auch die zweite Frau nichts von dem Geheimnis. Napier wurde wegen Bigamie zu sieben Jahren der Arzt, der di« Todesurkunde gefälscht hatte, zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Beide starben nach kurzer Zeit im Gefängnis. Die „wiederauserstandene" Frau Napier aber verließ die Stadt und überschrieb vorher den größten Teil ihres Vermögen» jener Frau, di« sie und ihr Mann so grausam getäuscht hatten. Oss sus — Oras! Der französische Chemiker Jean Giovanelli ist unlängst mit einem Verfahren hervorgetreten, das, sollte es sich lm grö ßeren Umfange anwenden lassen, vielleicht von einiger Bedeu tung sein würde. Es handelt sich nämlich um die Destillation einer bestimmten Grassorte, die es dem Forscher angeblich er möglicht, Gas als Trelbstofs zu gewinnen. Nach Ansicht des Er finders sollen sich die Kosten dieses aus Gras gewonnenen Treib stoffes nicht höher stellen als der Preis für cingefiihrtes Benzin, aber man geht wohl trotzdem nicht fehl iy der Annahme, daß eine umfastende Auswertung des Giovanclli-Verfahrens — etwa lm Ausmaß der deutschen Kohleverflüssigung — wenigstens in Europa kaum zu erwarten ist. Davon kält er mckts! Der Dichter Grabbe konnte keine Aerzte leiden. Er braucht» auch keinen, bis sich dennoch eine schwere Krankheit bet ihm bemerkbar machte. Dennoch wollte er von ärztlicher Behandlung nichts misten, aber seine verwandten überrumpelten ihn mit einem Arzt, der den Patienten gründlich untersuchte und ihm «ine geeignete Medizin verschrieb. Am nächsten Tage wiederholte der Doktor seinen Besuch, untersuchte den Kranken wiederum und stellte kopfschüttelnd fest, daß sich das Befinden noch gar nicht gebessert hatte. „Ja, sin» Sie denn meinem Rezepte nicht gefolgt?" fragte er den krank«. Dichter. „Keineswegs", lächelte der Patient trotzig, „dann hätte ich wohl das Genick gebrochen. Ich habe das Rezept nämlich zu>* Fenster hinausgeworfenl" Darüber lackt man Französischer Witz. Lehrer: „Kind, wenn du nur den hundertsten Teil von dem wüßtest, was ich weiß!" Schüler: „Herr Etudienrat, Eie sind aber auch schon dreißig Jahre in derselben Klassel" (L'Jllustration.) ee „Ist da« Pferd, das Sie mir da verkaufrn wollen, auch «ichst furchtsam?" „Ach wo. es schläft ganz allein im Stall ohne Licht!" (Le Rire.) „Haben Sie kein Bild von Ihren Zwtlling»söhn«n?" „Doch, dort auf dem Schreibtisch!" „Das ist ja nur einer!" »Her ander« sieht genau so aus l" (Matt»».) * „Aber Pierre! Bist du verrückt? Den Hühnern Kakao W die Schlisse! zu werfen!" ' ' »Aber gar nicht, Mama! Dann legen sie endlich Schokolade*» Sier!" (L'Jllustration.) „Mein arme» Kindl Wann hast du dich denn in den Fingest geschnitten?" „Nach dem Frühstück, Mama!" „Ich hab« dich ja gar nicht weinen hören!" »Ach, ich dachte, du feiest ausgegangen!" bedanken müssen, dann ist unsere Zunge ganz und gar ungelenk. Man fühlt dann, daß Worte nicht die letzten Mittel der Verständigung sind. Ein Händedruck, ein Blick in die Augen vermögen zur rechten Stunde mehr zu sagen als tausend Worte. Ist es nicht eine letzte Vollendung der Freundschaft, wenn man zusammen — schweigen kann? Ist es nicht die letzte auf Erden mögliche Stufe des Ineinanderausgehens der Liebenden, datz einer des anderen Gedanken kennt, ohne datz sie ein Wort zu wechseln brauchen? Heiliges Schweigen! Wie werden dem inneren Ohre die Stimmen vernehmbar, die der vom ewigen Geschwätz des glatten Lebens Betäubte gar nicht ver nehmen kann! Da redet die Natur zu ihm. er glaubt die Stimmen der Vögel zu verstehen, sa die Pflanzen und Steine, das Antlitz der Landschaft selbst scheint eine eigene Sprache zu sprechen. Die Wellen murmeln, der Wind stöhnt und ruft . . . Aus dem Innern aber klingt die Stimme des Blutes herauf, dessen Vulsscklag mit leisem Hall unablässig ruft, unablässig mahnt: „Nütze die Zeit! Noch ist es Zeit!" Tödliches Schwelgen „Reden ist Silber, Schwelgen ist Gold." Wenn die ses Sprichwort allgemein gültig wäre, dann mützten die Fische die goldigsten Gemüter haben; diese lieben Tiere schweigen fa immer. Aber obwohl er immer schweigt, ist der Menschenhai noch lange nicht sympathisch. Wenn man des Uebermatzes überflüssiger Reden unter den Menschen überdrüssig ist, darf man deshalb noch nicht glauben, das Schwelgen an sich sei ein abso luter, immer gültiger Wert. Auch Schweigen kann zu einem Laster werden. Wenn in einer Ehe Mann und Frau sich verzankt haben und tagelang, wochenlang an» einander vorveilaufen, ohne ein gutes Wort zu finden: das ist kein edles Schweigen. Wenn von zwei Männern, die einst Freunde waren, einer den andern so mißachten lernt, datz er ihn keines Wortes mehr für würdig hält: das ist unendlich traurig. Es gibt ein Schweigen aus Angst, ein Schweigen der Hoffnungslosigkeit, ein Schweigen der bösen Gedanken. In allen diesen Fällen ist Schweigen nicht „Gold", noch nicht einmal „Silber", sondern wert loser als Kieselsteine. Nur eins hat Goldeswert in sol chen stummen Bedrängnissen: das erlösende Wort. Das Wort entbehren kann keiner, der in der menschlichen Geineinschaft bleiben will. Selbst der Orden der Trappisten, der seine Mitglieder zum ewigen Schwei gen verpflichtet, mutz Sprecherlaubnis geben für gewisse Fälle, in denen die Existenz der klösterlichen Gemein schaft die Berührung mit der Außenwelt unerläßlich macht. Forscher, die auf langen Wanderungen durch Wüsten oder Urwälder wochenlang allein waren, berich ten uns von der beglückenden Erlösung, die das erste Gespräch nach solch wochenlangem Schweigen bedeutet. Wer sich in die Einsamkeit vergräbt und von dem ganzen Geschwätz der Menschen nichts mehr hören mag, wird die Erfahrung machen, daß ihn der Trieb zum Worte überlistet. Er fängt an mit seinem Hunde zu reden, mit der Katze oder einem Stubenvogel. Und wenn auch kein solch stummer Gesprächspartner vorhanden ist — dann führt man eben Selbstgespräche, schlimmsten falls ohne das selbst überhaupt zu merken . . . Gleichklang der Gegensätze Wie abgegriffene Münzen sind die Worte so vieler Gespräche: Was andere vrggten, wird flüchtig und lässig weitergegeben. Aber aus dem gleichen Metall der Sprache können Kunstwerke von höchster Vollendung geprägt werden. > „Ein kleines Lied! Wie geht es an, Datz man so lieb es haben kann? Was liegt darin? Erzähle! Es liegt darin ein wenig Klang, Ein wenig Wohllaut und Gesang Und eine ganze Seele." Beseelte Worte: o höchstes Glück der Erdenkinder! Ein Kunstwerk, das ein begnadeter Dichter in einer Stunde innerer Erhöhung schuf, mit dem eigenen Atem nach formen zu können! Wäre unser Leben nicht arm, wenn die Wortkunstwerke der Dichter nicht mit zwingender Rede zu uns sprächen? Gibt es nicht kleine Gedichte, ganz wenige Worte und Zeilen, die funkeln wie Edel steine? Goethes Nachtlieder, Liltencrons „Bitte an den Schlaf", Rilkes „Der Tod ist groß" und so manches andere kleine Kunstwerk — das sind unvergeßliche Freundesworte, die in dunklen Stunden gewaltig zu reden beginnen und uns im Leben festhalten, bis ein neuer Morgen seine Hellen Strahlen durch die sttüb gewordenen Fenster unserer Seele zwingt . . . Ja, einzelne Worte gibt es, die wie Denkmäler ein großes Erlebnis für immer dem Gedächtnis der Men schen bewahren. Das „Nenikekamen!" des Marathon läufers hallt als Siegesruf des ewigen Hellas über asia tischen Zwang durch die Jahrhunderte fort. Das „Tete» lestail"«des Herrn am Kreuz, dieses „Es ist vollbracht!" ist der Iubelruf des Christentums, das Tod und Sünde überwunden weiß. Zauber der Worte — Seligkeit des Schweigens! Wie heiß und kalt, wie stark uno sein, wie Mann und Frau sind auch Reden und Schweigen Gegensätze, die doch einander bedingen und in einem höheren Sinne eine fruchtbare Einheit bilden. Nicht ewiges Schweigen wollen wir noch ewiges Geschwätz, sondern den rechten Ausgleich zwischen beiden. Das ist die Harmonie, um die wir uns mühen sollen: der schwebende Gleichklang von sinnvollem Wort und sinnender Stille, zwischen Reden und Schweigen.