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Nummer 197—38. Iahrg achMe Voltssettuns L«j4«>«t - «al «rchrnlllch. Manatll»«« v«,iig,pi«I, durch Trüger «In,chl. I» Pfg, ->«. M Pfg. lrügrrlohn 170; durch dl« Poft 1.70 «Injchllebllch Postllb«rw«ijungsg«bll-k, »uzllgllch SS Pfg. Post-Brstellgrld. TInzel-Nr. 10 Pfg, Sonnabrnd. und FestIag«N,. » Pfg. «bb-strllungtn mülfen fpLtrsten, «In, woch« v«r Ablauf d«, L«zugsj«lt fchrlftllch b«Im v«rlag «Ingegang«, f«I«. Unf«r« rrLg« dlrf« kl« Abbestellung«» «»Igegtnn«-««». Berlagoort Dresden. Anjelgenprelf«: dl« lfpalllg« 8 mm dielt« 3«N« I Pfg.; für FamMenan^lgen d Pfg Fll« Platzwllnfch« lbnn«» wl« l«tn« <b«wtlh, KP«». Echrlftl-ttim,: Dr«»«,.«^ Polkrftrad« 17, Sernnrf «Ml ». voll D<lchrft»st«ll«, Druck und vrrlag: T«r»a»l, Buchdruck««! und v«Nag Itz. und «. Winkl. P«l1«rst,afD 17, F«k»r»f BOI», Pastfch«ckr Xr. WS, Bant: Ktadtbanj D«««d«, Vlr. «7S7 Mittwoch, den 2S. Angust 1930 8« Fall« van hbh«r«r Trioalt, Verbot, «lntrelend« Betrieb» PSrunge« hat d«r Be»Ieh«r otxr Werbungttelb-ind« kl« Ansprüche, fall, dl« g«ltung t» beschrSnlte« Umfang«, «r- fpület »der nicht «rfcheint. tkrfIItu«,,art Ist D««»d«» Sie VeWrzmg der Wejimächte W an Beschwichtigungsversuche der Oessentlichkeit Pari», 23. August. Die Pariser Presse hat heute das Aussehen von Plakaten. Der „Deutsch-russische Pakt" — wie man hier in Paris sagt — beherrscht völlig das Bild der Morgenblätter am Mittwoch. Seitenlange Kommentare, mehr oder weniger kritische Stel lungnahmen und Leitartikel wechseln ab mit Photos des Neichsauhcnmintstcrs, Molotows und Stalins, in Kartenskizzen verdeutlichen einige Blätter ihren Lesern das geographische, po litische und diplomatisch« Problem Mittel- und Osteuropas. Trotz der offensichtlich ausgegebenen Parole „Fassung bewah ren" gelingt es der Pariser Presse nicht, ihre Uebcrraschung, Empörung, Enttäuschung, ihren Zweifel und ihre Besorgnisse wegen des deulsch-sowjstrussischen Paktes und seine noch nicht abzuseheude Auswirkung zu verhehlen. Die Blätter machen alle Anstrengungen, die französische Oessentlichkeit nach der ersten Uebcrraschung und Bestürzung zu beschwichtigen, und fordern, datz Kaltblütigkeit mehr denn se notwendig sei. Allgemein betonen die Blätter, die Lage sei weiterhin ernst. Die Leitartikel der heutigen Morgenpresse bringen zum Ausdruck«, datz man sich in England noch immer nicht von der Bestürzung, die der geplante dcutsch-sowjctrussische Nicht angriffspakt dort verursacht hat, erholt hat. Die Blätter geben sich Mühe, ihren Lesern Mut zuzusprechen, wobei sie versuchen, die Bedeutung des Paktes zu schmälern. England werde, so schreiben die Zeitungen, fest zu seiner Garantie an Polen stehen. » Sie polnWe presse heute -an« im Zeichen des Aichtangriffspaktes Warschau, 23. August. Das Bild der polnischen Presse ist gegenüber dem Vortag völlig verändert. Die meisten Blätter behandeln in mehreren Artikeln die durch den in Aussicht stehenden deutsch-sowjetrus sischen Pakt geschaffene Lage. Die ausländisck-en Meldungen Breslau, 23. August. Die Verhaftungen und Uebersälle auf Reichsangchörige in Polen nehmen ständig zu. So sind in Pom- merellcn allein in den letzten Tagen neun Reichsangehörige ver haftet worden. In der Nacht voin 18. zum 18. August sand ein Uebcrfall auf die Besitzung des Neichsangchörigen Damerau bei Stras burg statt, wobei der Zaun zerstört und das Haus beschädigt wurde. Am 20. August wurde dann der Sohn Damerons von zwei Palen, die mit Pistolen und Schlagringen bewassnet waren, überfallen und schner misshandelt. Am 21. August wurde ein Relchsangehöriger aus dem Kreise Zempelburg — dessen Name aus verständlichen Gründen nicht genannt werden kann — von einem polnischen Rittmeister mit der Reitpeitsck)« mitzhandelt, «veil er auf Fragen des polni- schen Offiziers in polnischer Sprache nicht antworten konnte. Am 10. August wurde ein Ueberfall auf das Gehöft des Volksdeutschen Gnllnick in Ploivenz ausgeführt, wobei sämtliche Eck)eiben eingeschlagen wurden. Wenige Tage vorher wurde das Gehöft des Volksdeutschen Richard Stachel in Ostrowite über fallen, wobei ebenfalls sämtlick)« Fensterscheiben eingeschlagen wurden. Stachel wurde von den eindringenden Polen Unmensch- lich behandelt Dem Volksdeutschen Gastwirt Geppelt in Trszcyn bei Vromberg wurde die Konzession zum Ausschank alkoholischer Getränke entzogen. G. betreibt die Wirtschaft seit 35 Jahren und steht im Alter von 81 Jahren. Am Sonnabend, dem 10. 8., wurden im Anschlutz an Haus suchungen die Ortsgruppenleiter der Iungdeutschen Partei, Wäl ler, Draheim und Gorzela, in Vandsburg verhaftet. Die Massenverhaftungen unter den Ukrainern Ostgaliziens, besonders in der Näh« der rumänischen Grenze bei Kolomea, Berlin, 2». August. Der Relchsminister de» Auswärtigen von Ribben trop verließ am Dienstagabend gegen 21 Uhr mit dem llon- dor-Flugzeug „Grenzmark" di« Reichshauptstadt, um sich nach Moskau zu begeben. In seiner Begleitung befinden sich Unterstaatssekretär Gauh, oer Chef des Protokolls Gesandter von Doern- berg, Gesandter Schmidt, die Vortragenden Legations räte Schnurre und Hencke, sowie die Mitglieder des per sönlichen Stabes. Neichsminister von Ribbentrop traf am Dienstag gegen 23.30 Uhr auf dem Flugplatz Königsberg ein. Der Reichs minister begab sich anschlietzend in das Park-Hotel. sind ebenfalls völlig darauf eingestellt. Um so belustigender ist es, in einem polnischen Kommentar zu lesen, datz die Ribben trop-Reise in der internationalen Oessentlichkeit „keinen Ein druck" Hervorrufe, und datz das „deutsch-sowjetrussisck>e Feuer werk" eine für die Welt „gleichgültige Erscheinung" sei. Dieser „gleichgültigen Erscheinung" widmet die „Gazeta Polska" im merhin zwei lange Artikel und vier Seiten Politik auf Kosten anderer Sparten. * Sensation auch in der Türkei Istanbul, 23. August. In der letzten Zeit hat keine Nach richt in den politischen Kreisen der Türkei eine derart sensa tionelle Wirkung hervorgerufen, wie die von der Reise des Neichsautzenministers von Ribbentrop nach Moskau. Diese bildet den ausschlietzlichen Gesprächsstoff der diplomatischen und politischen Kreise. Rumänien über den Pakt Verlin-Mskau Fast unglaublich ist der Eindruck, den der deutsch-sowjet russische Nichtangriffspakt in Rumänien gemacht bat. Einst weilen hat man die Sprache verloren. Amtliche Stellen weigern sich, Erklärungen abzugeben, da die Folgen dieses Ereignisses unübersehbar seien. Die Presse bringt Riesenschlagzeilen, und die Menschen verschlinge«« die Auslandsnachrichten. Auf alle«« Lippen schwebt die Frage: Was geschieht jetzt mit Polen? Ii« Gesprächen weist mm« immer wieder darauf hin, datz Rumänien iin deutsch-polnischen Konsillit eine korrekte Haltung einge nommen habe und nicht als Bundesgenosse Polens zu betrachten sei. Diese Stellungnalune beweist, wie froh man ob seiner „Neutralitätspolitik" ist. Die In allorjüngster Zeit erfolgte Schwenkung zu den West Mächten möchte man jetzt gern ungeschehen machen. Grotz ist der Katzenjammer bei den rumänischen Anhänger«« der Einkreisunosnolitik. Sie sehen ihre Felle davonschwiminen und wissen sich keine«« Rat. werden fortgesetzt. Das Kreisgericht Czortkoiv verurteilte acht Ukrainer wegen Zugehörigkeit zur „Nationalsozialistisckx'N Ukrainischen Organisation" zu je 3^ Jahre«« Zuchthaus. Das Kreisgericht Brzezany, ebenfalls Ostgalizicn. bestrafte einen Ukrainer «vegen angcblickrer Propaganda für die nationa- listisckre ukrainisck>e Organisation unter den in der polnisck)en Armee dienenden Ukrainer zu fünf Jahren Zuchthaus. Volksdeutsche Hamilie von Aufständischen niedergemehelt Neue Vlutopfer polnischen Wahnsinns. Stettin, 23. August. Wie d«r nach Polen entsandte Sonder berichterstatter des Stettiner Generalanzeigers aus Vromberg melt'et, ereignete sich in der Nähe von Labischin im Netzrgebict eine neue Wahnsinnstat polnischer Aufständischer. In der Nacht zum 22. August verübte cine Gruppe schwerbewaffneter Polen einen zweifellos vorlierciteten Uel«erfall auf das einsam gelegen« Anwesen des Volksdeutschen Christian Malzcck, der den polni schen Chauvinisten als deutschbewutzter Mann bekannt und ver hasst mar. Kurz nach 22 Uhr wurde Malzcck durch laute Geräusche vor den« Hause aufmerksam gemacht und ging vor die Tür, um festzu st eilen, was los «var. Im gleick«en Augenblick« krachte«« mehrere Schüsse, die deir -Volksdeutschen niederstrockten. Wie ein« wild«! Horde stürmten die Banditen dann in das Haus, wo sie die Frau Malzceks und den 15jährigen Sohn antrafen. Auch der Sohl« erhielt zwei tödlickp! Schälle und brach zusam men. Die Mutter, die sich auf den am Boden Liegenden «varf, wurde von der entmenschten Horde mit einer Mistgabel so schwer verletzt, datz sie ebenfalls starb. Der Reichsautzenminister hat mit den« vom Flugkapitän des Führers, SS-Oberführer Baur, gesteuerten Sonderflugzeug Königsberg um 7.10 Uhr zum Weiterflug nach Moskau verlassen. Reichsautzenminister von Ribbentrop wird In dem schönen Empire-Palais der ehemaligen österreichischen Gesandt schaft Wohnung nehmen. Dort «verden Ihm zehn repräsenta tive Räumlichkeiten und ein Empfangssaal zur Verfügung stehen. Die Begleitung des Aussenministers, die mit dein tcch- nisck)«n Personal 32 Personen umfatzt, wird in anderen Mos kauer Gebäuden und in der deutschen Botschaft einguartiert. Der Zufall hat es gefügt, datz sich gerade In der Nachbarschaft der ehemaligen österreichischen Gesandtschaft jenes Gästehaus befindet, das die Soivjctregierung den Mitgliedern der engllfch- franzöfischen Militärmission zur Verfügung stellte. Oie Wendung Uebereinstimmend ist aus allen Hauptstädten ge meldet morden, die Nachricht, datz zwischen Deutsch land und Sowjetrußland ein Nichtangriffs pakt abgeschlossen wird, habe wie eine Bombe ein geschlagen. Insbesondere in London und Paris. Also in den Hauptstädten der westlichen Demokratien, in denen nach der Ausstellung des verhängnisvollen Blankoschecks für Polen die Auffassung sich breitgemacht hatte, Soivjetrußland «verde bereit sein, von sich aus diesen Blankoscheck einlösen, d. h. ausgerechnet für die hochkapitalistischen Demokratien unbegrenzte Opfer zu bringen. Geivisse Politiker in den Demokratien täten wirklich gut daran, nicht nur die Landkarte von Europa zu überprüfen, sondern sich auch einmal «in« die Geschichte der großen Reiche Mittel- und Osteuropas zu kümmern. Was heute von den Polen unter reichlicher Ausnutzung der durch den Blankoscheck gewährten Narrenfreiheit als polnischer Lebensraum bezeichnet wird, das «var zum größten Teil bis vor zwanzig Jahren ein Teilgebiet Rußlands. Deutschland und Rußland habe«« seit über hundertsiinfzig Iabren im sogenannten polnischen Raum eine gemeinsame Grenze: im baltischen Raum ist sie sogar viele Jahrhunderte alt. Was beide Länder gemeinsam können, was sie vor stellen, wenn sie sich gegenseitig ergänzen, hat sich nicht nur in den Kriegen gegen Napoleon l. gezeigt, sondern in der ganzen Folge des 10. Jahrhunderts. Daß es gegen Ausgang dieses Jahrhunderts zu einer Wandlung Kain, daß das zaristische Rußland mit der demokra tischen Plutokratie Frankreich ein Bündnis abschloß,» das «var sowohl für Rußland «nie für Deutschland der Beginn einer für beide Länder verhängnisvollen Ent wicklung. Fürst Bismarck war als Diplomat und Politiker in der Tradition eines guten nachbarlichen Verhältnisses zu Rußland ausgewachsen, hatte um sie zeitlebens dieser Tradition treu geblieben, hatte um sie gekämpft und gebangt, selbst noch zu einer Zeit, da er entamtet und entmachtet «var. Der Alpdruck der Koa litionen, die Gefahr, daß das nach Revanche lüsterne Frankreich der Dritten Republik imstande sein «verde, das deutsche Kaiserreich einzukreisen, diese Gefahr hatte Bismarck noch in seiner Sterbestunde riesengroß vor sich gesehen. Es ist verbürgt, daß er ausrief, den Draht nach Petersburg nicht abreißen zu lassen, wie er auch warnend darauf hinwies, die polnische Sache nicht zu vergessen. Bismarck war viel zu sehr Preuße des 19. Jahrhunderts, um nicht zu sehen, daß gewisse Teile der polnischen Bevölkerung in den preußischen Ost provinzen, insbesondere die sogenannte Intelligenz, dar auf spekulierten, es könne einmal zu einer Dissonanz zwischen Deutschland und Rußland kommen. Das war für diese polnische Intelligenz, die allein der Träger des polnischen Nationalismus «vor. die Voraussetzung für eine Neugründung Polens. Daß ein Bündnis zwi schen Frankreich und Rußland zustande kam. «var nicht nur ermöglicht durch schwere Fehler der nachbismarckri- schen Diplomatie, sie wurde auch gefördert dadurch, daß es die französische Republik sich etwas kosten ließ, ein flußreiche Leute nm Zarenhof zu gewinnen. Das russische Volk selbst hatte niemals rechtes Verständnis für die Allianz mit Frankreich, denn es war ebenso wie ein Teil der hohen Beamtenschaft und des Militärs In der Tradition ausgewachsen, die auf den Schlachtfeldern der Napoleonischen Kriege entstanden war. Wie hatte sich diese Tradition bewährt! Bor allem wirtschaftlich: denn es ist nun einmal von der Natur so gegeben, daß Rußland alles das hervorbringt, was In Deutschland fehlt. So war es früher, so ist es auch heute noch. Denn der unermeßliche Raum, der Sowfetrußland heißt, birgt auf und in der Erde alle Rohstoffe und Lebensmittel, die ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland für seine Entwicklung braucht. Umgekehrt bringt das durchindustrialisierte Deutschland olles hervor, was für eine Volkswirtschaft notwendig ist, durch die die sowjetrussische sich zu einem starken und mächtigen Bau erbeben kann. Der Warenaustausch zwischen Deutschland und Sowfetrußland wird sich in Zukunft nach anderen Grundsätzen und Regeln entwickeln wie während der Nachkriegszeit, in der auf deutscher Seite keine Organisation vorhanden war. um diesen Warenaustausch fruchtbar und ergiebig zu gestal ten. Es wurden gewiß große Warenmengen umgesetzt, aber es war auf beiden Seiten nicht das Gefühl vor handen, wir können uns wirklich gegenseitig sehr gut ergänzen und deshalb sehr nützlich sein. Das hat sich nun gewendet, so daß es nicht ein sogenannter Zufall ist, wenn das Handels- und Wirtschaftsabkommen dem ttebersälle, Verhaftungen, Mißhandlungen Reichsdeutsche mit Schlaarlnaen und Reitpeitsche mißhandelt Ribbentrop aus dem Klug nach Moskau