Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 29.06.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194006299
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19400629
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19400629
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-06
- Tag 1940-06-29
-
Monat
1940-06
-
Jahr
1940
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 29.06.1940
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
prsMLsthe Hsusfvau achtung, die man oft für -le Mllchzähne eines Heranwachsenden Erdenbürgers übrig hat. Diese ZA>ne muffen solange und io gut wie möglich erhalten bleiben — einmal wegen der Gesund heit des Kindes, dann aber auch wegen der kommenden Zahne. Sind die Mllchzähne zu früh gezogen worden, zu sehr oerkum- merl, dann bleibt für die kommenden Zahne kein Platz übrig. Sic wachsen krumm und verSndern u. U. das GesichtSbild Also auch den Säugling und das Kleinkind und den kleinen Mann bis zum Ausfall der Mllchzühne regelmätzig zum Zahnarzt bringen. Die späteren „Beißer" werden es uns danken. Wenn wir doch diese regelmäßigen Zahnarztbesuche nur späterhin weiter fortsetzen möchten! Aber wir sind ja oft genau so wie der kleine brüllend« Wllly und gehen nur hin, «nenn wir uns vor Zahnschmerzen biegen oder wenn der Zahnfleisch schwund unsere Zähne im Kiefer schon wackeln laßt. Mit dem Besuch beim Zahnarzt allein ist «s aber auch wieder nicht ge- tan Wie müssen darauf sehen, daß wir unsere Zähne in der Zwischenzeit selbst pflegen und schön sa»rber halten. Heute stel len sich die Zahnfachleute auf den Standpunkt, daß die kreis- förmige Bewegung mit der Zahnbürste am günstigsten ist, aber auch entsprecl-end lange fortgesetzt werden mutz. Mindestens zwei Minuten mutz man ununterbrochen die Zähne an der Vor derseite, an der Rückseite, oben und unten und auch auf den Schneideflächen bearbeiten, um den „Film" zu beseitigen, in dem sich nur zu leicht di« Bakterien «innisten. die dann die Ursachen des Uebels sind, das sich uns als Zahnschmerz dar bietet. Betrachtet man das Leben des Menschen, dann haben wir wirklich Zahnlorgcn vom ersten Tag ab Mr haben Mühe, sie zu bekommen und weinen, wir haben Sorge, sie zu behalten und leid-n Schmerzen. Und wir werden sie oft unter noch grö ßeren Schmerzen wieder los — aber alles nur. wenn wir uns nicht zweckentsnrechend um Ne kümmern. Darum als Gegen spiel zur Zabnsorge vom ersten Tag an — die Zahnfürsorge, die bei de-- Mutter zu beginnen hat, ehe das Kind zur Welt ge kommen ist. Zahnsorgrn vom ersten Tag ab «Sann soll das Kind zum ersten Mal« zum Zahnarzt geh««? — Geivissenhaste Vorsorg« „Unser kleiner Willy hat ja eine solche Angst vor dem Zahnarzt. Er wehrt sich mit Händen und Nützen dagegen Man sollte geradezu meinen, das Kind hätte Angst, ihm würde der Kopf abgeschn,tten!" „Wann sind Sie denn mit dem Kind zum erstenmal zum Zahnarzt gegangen?" „Nun — vor einem Jahr — als er plötzlich so große Zahnschmerzen hatte!" Der Vorname des kleinen Weltbürgers, der den Zahnarzt haßt, mag sich ändern, es mag auch ein Mädchen sein, das Oppo- sition zeigt, — aber das Resultat und der Verlauf sind iden- ttfch. Und die Ursache ist die gleiche. Man hätte zwischen Kind und Zahnarzt früher ein Vertrauensverhältnis Herstellen sollen. Bringt man das Kind zum erstenmal zu einer Kontroll-Unter suchung zum Zahnarzt, wenn an den Zähnen noch gar nichts ist, wenn also der „Onkel Doktor" nicht weh zu tun braucht dann werden die nächsten Besuche nicht mit solcher Angst ange treten. Abgesehen davon, daß der Zahnarzt me ernstlich wehe zu tun braucht, wenn Immer rechtzeitig eingeschritten wird - eben als Mutier nie vergessen, daß die Sorge für die Zahne des Kindes am ersten Tag oder noch genauer ge sagt — schon lange vor der Geburt beginnen. Die Mutter hat es ln der Hand, durch ihre Nahrungsauswahl vor der Geburt Ihres Kindes die Zahnkonsistenz zu beeinflussen. Milch, frische Früchte, Laubgemüse, Eier. Vollkornbrot sind Dinge, d,e sich hier gut auswirken. Unsinnig ist es, während der Schwanger- schäft keine Zahnreparaturen vornehmen zu lassen und viel leicht Monate mit Zahnschmerzen herumzulaufen. Sagt der Arzt nicht das Gegenteil, kann man ruhig die Zähne behandeln und die hohlen Zähne füllen lasten. Ganz falsch ist aber auf der anderen Seile auch die Ver- Nichts ist so zäh wie «in Kleinkind! Der vorstehende Ausspruch eines bekannten Kinderarztes wird zunächst einmal all denen unbegreiflich erscheinen, die an ihr eigenes Kleinkind dabei denken. Denn natürlich ist dieses so zart und empfindlich, daß man ihm am liebsten überhaupt nichts zutrauen mag. Aber der Kinderarzt hat recht. Nichts ist so zäh wie ein Kleinkind. Und der Säugling ist um so zäher und lebensfroher, se weniger «r in seinem Eigenleben gestört wird, se weniger auf seine scheinbare Schwäche Rücksicht ge nommen wird. Ein Kleinkind kann nahezu alles vertragen nur keinen Mangel an Wasser, hat schon der große Virchow ge- sagt, und wir heutigen müssen dem noch hinzufügen, daß er auch keinen Mangel an Luft verträgt, daß ihm warme Kleider, dicke Decken und allzu entgegenkommende Beschäftigung mit seinen Wünschen mehr schaden als alles andere. Wer seinen Säugling täglich auf den Balkon stellt, ihn dort sich selbst über- laßt und Immer nur mit einem kurzen Blick acht hat. daß er sich nicht aufdeckt und keinen Zug bekommt, kann sicher sein, daß er „sich machen wird". Und auch in bezug auf Gymnastik kann unser Säugling viel mehr vertragen als wir ihm zumuten. Ihn an Haiiden und Füßen in die Höhe heben, so daß er seinen kleinen Körper selbst abfangen muß. um nicht vollkommen senkrecht nach unten zu hängen, steht für viele geifährlich aus. hat aber für den Kleinen d,e gleiche gut« Wirkung, die für den Erivachsenen ein ordentliches Schwimmbad oder «in großer Spaziergang haben. Unter solcher Wartung wird der Säugling immer auch einen gesunden Appell» bezeigen und sicherlich so gut gedeihen, -aß er aus der vierfachen Nahrungsmenge, die er Im Verhältnis zum Erwachsenen aufnimmt, am Ende des ersten Jahres wenlastens das dr«ifach« seines Geburtsgewichte» ge macht hat. Eine Leistung, di« ihm im späteren Leben niemals wieder möglich sein wird. Vitamin L del pllzveralffunaen Zwei Kölner Aerzte vermochten, wie in der Deutschen Medizinisä>en Wochenschau mitgetellt wurde, bei einer Pilzver giftung mit erheblichen Hautblutungen durch Verabreichung von Vitamin E eine günstige Beeinflussung des Krankheits verlaufes zu erzielen. Diese günstige Wirkung wird um so ver ständlicher, wenn wir hören, daß bei Tiervergifiunqen die durch den Knollenblätterschwamm heworgerufenen Schädigun gen der feineren Haargefäß« der Haut gleichfalls durch Verab reichung von Vitamin E verhlndert werden konnten, wenn auch der Tod so vergifteter Tier« nicht zu verhüten war. Meine medizinische Rundschau Stärkungsmittel In einer Zeit wie der jetzigen, rst die Zahl derjenigen, die die Sprechstunde des Arztes aufsuchen, um sich ein Stärkungs mittel verschreiben zu lassen, außerordentlich groß. Viele Volks genossen meinen, -aß der Arzt rm Besitz mancher Geheimnisse fei, die es ermöglichen, trotz größter Anstrengungen im Beruf, Haushalt und dergl. jederzeit frisch, arbeitsfreudig und niemals müde zu sein Nun wem es darauf ankommt, einmal an einem Tage eine ganz besonders große Leistung ausführen zu können, einmal wirklich 24 Stunden zu arbeiten, ohne müde zu werden, dem kann der Arzt aus dem Schatz seiner Medikame-ie gewiß das eine oder andere zur Verfügung stellen. Aber auch diese können den Schlaf nicht überflüssig machen. Gerade der Arzt muß vielmehr immer wieder darauf Hinweisen, daß der Schlaf das beste Stärkungsmittel ist, denn nur er ist in der Lage, dl« verbrauchten Nerven- und Muskelkräfte wieder erneuern zu können. Was die Muskelkräfte anbetrtfft. so steht uns Übü- gens eine Möglichkeit durch die Einnahme des bekannten Traubenzuckers zur Verfügung, der unter den verschiedensten Namen angeboten wird. Da bei starker Muskelarbeit gerade der Besitz an traubenzuckerähnlichen Stoffen im Blut schnell herabgesetzt wird, sein Ersatz aus -en Zuckerspeichern des Kör pers, insbesondere der Leber, aber bei manchen Menschen nicht schnell genug vor sich geht, um Erschlaffungszustände zu über winden, kann dieser in der Tat über -en einen oder anderen momentanen Ermlldungszustand hinweghelfen. Die ansonsten oft gepriesenen Mittel zur Leistungssteigerung haben vielfach nur eine Wirkung durch die stets damit verbundene Selbstbe- einflussunq und können wirkliche Ermüdungszustände kaum überwinden. Vitamin E heilt Parad«ntose Neuere Erfahrungen mit der Wirkung des Vitamin C auf die Entzündung des Zahnfleisches, der Mundschleimhaut und die Paradentose genannte Erkrankung der Zähne lassen es wahrscheinlich sein, daß bei den erwähnten Krankheiten eine gewisse Verarmung des Körpers an diesem Vitamin zugrunde liegt. Schmerzhafte Entzündungen dieser Schleimhäute. Aphthen und Mundfäule sind neuerdings durch wenige Einspritzungen dieses Vitamins in die Blutbahn innerhalb weniger Tage ge« hellt worden. Aber auch die direkte Behandlung des Zahnflei sches mit einer Vitamin-Creme, die neuerdings In den Handel gekommen ist, hat sich als wirksam erwiesen. Bei der Anwen dung dieser Paste findet außerdem eine vorteilhafte Ergänzui« der täglichen Mundpflege dadurch statt daß man gehalten iss, diese Paste in das Zahnfleisch einwmassi-'ren, wobei allein di« Massage schon eine Erhöhung des Blutzuflusses bedingt, die sich außerordentlich vorteilhaft bemerkbar macht. Da das Vita min C von der Mundschleimhaut schnell ausgenommen wird, kann auf diese Art auch das Vitamin-D-llizit lm Blut bald be hoben werden. Kranke mit Zahnfleischblutungen hab-n dl« Wirkung der Vitamin-Creme häufig sehr wohltuend empfunden. Auch Essig ist gesund: Ohne den Wert der aus dem Auslande zu uns gelangen den Zitrone als Würzmittel und Vilaminspcnder anzweifeln zst wollen, ist es doch gerade jetzt besonders nöti», daraus hinzu weisen, daß auch der heimische Naturessig eine besonder« ge« sundheitssördernde Wirkung entfalten kann. Ja. es ist schon früher durch Prof. Bickel mit eingehenden Untersuchunqen nack- gewiesen worden, daß der Weinessig sogar einen stärkeren Reiz zur Magensaftabsonderung gibt als der Zitronensaft, und daß der Essig auch die Verbrennungsvorgänge in unserem Stof? wechsel mehr steigert, als der Zitronensaft. Umgekehrt müssen immer wieder die in Laienkreisen gelegentlich auftauchenden Behauptungen zerstreut werden, daß durch Estiggenuß ,ha» Blut zerstört werde". Insbesondere wurde nicht so selten eine Blutarmut auf Essiggenuß zuriickgeftthr» und dadurch die wahre Ursache solcher Bluterkrankunqen verkannt. Auch hier konnte Prof. Bickel den Nachweis führen, daß selbst bei einer zchn- wöchigen täglichen Darreichung größerer Essigmengen bei allen Versuchstieren kein« Minderung, sondern umgekehrt sogar eine Steigerung der Zahl der roten Blutkörperchen erzielt werden konnte. Es wäre also durchaus verfehlt in Deutschland den eigenen natürlichen Fruchtessig in der Küche vollkommen durch die Zitrone zu verdrängen. Geschichten vom Plauderei am Wochenende von Marabu. Darf ich vorstellen: Lumpt, ein langhaariger brauner Dackel von ungewöhnlichen Qualitäten. Alles ist lang an Lumpi: Die Haare, die Schnauze, der Schwanz. Nur nicht die Beine, die sieht man kaum. Menn Lumpi um eine Ecke schleicht, alaubt man, es komme da eine Boa constrictor in braun ge krochen. Lumpi ist unumschränkter Herrscher im Hause Lehmann — so nennen wir Lumpis Herrschaft, weil das ein häufiger Name ist und sie in Wirklichkeit ganz anders heißt. Respekt hat Lumpi nur vor dem Herrn des Hauses, aber der ist ja meist nicht zu Hause swie die meisten „Herren des Hauses"). Frau Lehmann aber und die Tochter Ilse vergöttern den guten Lumpt. Denn er ist ja gescheit, so gescheit! Ruh«plätzch«n «tn«s Genießer» Zum Beispiel soll Lumpi sich nach Tisch nicht aus das Sofa setzen, well da Herr Lehmann seinen Mittagsschlaf halten will. Auf demselben Sofa wie der Hund — das kommt für Herrn Lehmann nicht in Frage! So einer ist das also. Und Lumpi sitzt so gern auf dem Sofa! Aber oer schlaue Hund hat schon lange einen Ausweg gefunden. Kaum hat er in der Küche sein Mittagsmahl verspeist — schwups! — ist er schon in der guten Stube und auf dem Sofa. Das Speisezimmer, in dem die Familie Lei Tische sitzt, vermeidet er klüglich. Und nun horcht er sorgfältig aus jeden Tritt, denn am Klang der Schritte unterscheidet er die Haus genossen genau. Kommt Frau Lehmann, Ilse oder das Mädäien, dann bleibt Lumpi seelenruhig liegen. Kündigt de« Schritt aber den Herrn des Hauses an, dann ist Lumpi wie der Blitz vom Sofa herunter und in seinem Körbchen. Herr Lehmann aber wundert sich über das angewärmte Sofa. Am Vormittag freilich, wenn Herr Lehmann nicht zu Hause ist, braucht Lumpi seiner Freizügigkeit keine solchen Schranken aufzuerlegen. Da darf er auf dem Sofa liegen, auf dem Sessel in der Veranda und überall, wo er will. Am liebsten aber liegt er «n Ilses Bett, der alte Schwerenöter. Auch das darf er freilich nur, solange das Tochterzimmer noch nicht auf geräumt ist. Und eine Wolldecke für den Hund muß vorher Uber das Bett gelegt werden. Siehe da: Neulich kratzt es zum frühen Morgen an Ilses Tür. Sie mach» auf, und wer steht draußen: Natürlich Lumpt — der mit den Zähnen die Woll decke hält und hinter sich herschleiftl D«r verzaubert« Kalbsbraten Lumpt ist verfressen. Das «st nichts Besonderes er müßte tu sonst kein Dackel sein. Aber eine Spezialität ha er baut, leidenschaftlich gern frißt er Kalbsbraten, l^i^hl sich die Ge- lehrten einig sind tn der Ueberzeugung, daß Kalbsbraten kein ^"°Neullc^"nun 'hatte Herr Lehmann abends ZweiJreunde zu Gast. Dabei sollten zu einem Glase Wein ein paar belegte gescholten Lumpi Brote gegessen werden. Auf der mit vieler List bereiteten bun ten Platte lagen auch drei Scheiben Kalbsbraten. Frau Leh mann kannte Lumpis Vorlieb« für Kalbsbraten: also mahnte sie das Mädchen, abends ja nicht Lumpi ins Eßzimmer zu lassen. Das Mädchen paßte beim Decken des Tisches auch sorg fältig auf. Von Lumpi keine Spur. Während er sonst vor dem Abendbrot an der Tür des Eßzimmers Wache hielt, lieh er sich heute überhaupt nicht sehen. Er mußte noch draußen aus der Veranda sitzen. Als abends die Gäste gegangen waren, fragte Frau Leh mann den gestrengen Gemahl, wie sie zufrieden gewesen wären. — „O ja, es war alles sehr gut; vor allem die Fleischwurst!" — „Und hat euch der Kalbsbraten geschmeckt?" — „Kalbs braten? Es war -och gar kein Kalbsbraten da!" — „Aber gewiß doch! Drei Scheiben!" — „Da mußt du dich bestimmt irren!" — „Lumpi!" rief Frau Lehmann ahnungsvoll, „wo ist Lumpi?" Lumpi war verschwunden. Erst unter Zuhilfenahme von Taschenlampen entdeckte man Ihn: ganz hinten unter dem Büfett, ein anderer Hunde hätte da überhaupt nicht unterkrte« chen können. Offenbar hatte Lumpi den Kalbsbraten schon ge rochen, bevor im Speisezimmer gedeckt wurde, und sich in weiser Voraussicht unter dem Büfett versteckt. Nachdem da» Mädchen aus dem Zimmer heraus war, muß er dann den Diebstahl ausgeführt und den Kalbsbraten in seinem Versteck verzehrt haben, Die Wurstscheiben auf der kalten Platte scheint das durchtriebene Vieh etwas zurechtgerückt zu haben, so daß keine allzu ausfällige Lücke entstand. Wie Lumpi freilich die drei Scheiben von dem mit Geschirr besetzten Tisch herunter geholt hat, ohne etwas umzustoken, das wird für immer sein Geheimnis bleiben. Ilse nennt Lumpt seitdem den „Segelflte- ger", weil man meinen möchte, er müsse frei tn der Lust ge schwebt haben, um das fertigzubrtngen. Lumpl apportiert d«n Arzt Früher einmal war Lumpi bei schlechten Leuten, die ihn Übel behandelt haben. Diese Iugendeindrücke kann der Hund nicht vergessen. Zu jedem der ihm bekannten Hausgenossen ist er sehr freundlich, nach Fremden aber schnappt er. Man muß die Besucher vor ihm warnen; denn wer denkt auch gleich, daß er gebissen wird, wenn er «ine« hübschen Dackel einmal stret- cheln will? Diese Unart hätte neulich beinahe üble Folgen gehabt. Kommt da ein Freund des Hause» zu Besuch, den man seit Jahren nicht gesehen hat. Lumpi ist für ihn eine Neuheit. Der Mann hat «m Weltkrieg einen Arm verloren, ist aber mit der verbliebenen Hand sehr geschickt. „So ein hübscher Hundt" sogt er und will Lumpi streicheln. — „Nicht anfassen!" schreit >Frau Lehmann. Aber da ist es schon geschehen! Lumpi hat zugeschnappt und den Mann mitten durch diese einzige, unersetzlich« Hand gebissen. TumultI Die Wunde blutet heftlg. Man läuft nach Ver bandszeug. aber es dauert «ine Weile, bevor die Blutung zum Stillstand kommt. — „Die Bestie schlag ich toll" droht Herr Lehmann. Aber Lumpl ist während der allgemeinen Verwir rung durch die Verandatür ins Freie geflüchtet. „Der Mittelfinger läßt sich kaum noch bewegen", stellt der Besucher betrübt fest. „Ihr werdet das verstehen, ich muß sofort einen Arzt konsultieren." — „Ich begleite Dich, sagt Herr Lehmann, „der Doktor Müller wohnt ja nur «tn paar Häuser von hier." Sie ziehen sich die Mäntel an . . . ... da klingelt es, und draußen steht — Dr. Müller. „Sie kommen wie gerufen!" freut sich Lehmann. — „Habe ich mir doch gedacht, daß hier etwas los sein muh", sagt Dr. Müller. „Ihr Hund tat ja wie verrückt. Kommt durch den Garten gerannt, bellt vor der Haustür, bellt auf der Diele, tanzt um mich herum — bis ich mitgegangen bin!" „Es ist doch ein gescheites Vieh!" sagt Herr Lehmann anerkennend. Und wie auf ein Stichwort kommt in diesem Augenblick Lumpt hinter der Säule des Treppenhauses hervor und nähert sich schwänzelnd, als wäre nichts geschehen . . . . grüß mich nicht Unter den Llnd«n!" Am meisten hat Lumpi die Ilse in sein Herz geschlossen. Nicht nur, weil er früh auf ihrem Bett sitzen dars, sondern well sie ihm alle guten Bissen zusteckt und immer freundlich zu ihm ist. Die beiden passen recht gut zusammen, denn auch die Ilse hat es faustdick hinter den Ohren. Von der könnte ich Geschichten erzählen! Aber ich kann diskret sein — wenn mir das auch niemand zutraut . . . Nur dies eine sei berichtet, weil es vielleicht die stärkste Intelligenzprobe war, die Lumpi abgelegt hat: Geht da die Ilse eines Nachmittags im Großen Garten mit einem jungen Manne spazieren, der ihren Eltern tn keiner Welse voraestellt ist Arm in Arm und so . . . Doch das Schicksal schreitet schnell. Plötzlich sieht Ilse zu ihrem Entsetzen auf der anderen Seit« des Weges ihren Herrn Vater kommen, dem Lumpi im mun teren Trab vorauseilt. Ilse werden die Knie weich. Gleich wird ein Unglück pas sieren! Von dem alten Herrn allein wäre nichts zu befürchten, der würde sie nicht sehen, denn er ist wie gewöhnlich tief in Gedanken versunken. Aber Lumpt! Lumpi wird ihn sicher aufmerksam machen, wird sie mit lautem Gebell begrüßen, an ihr hochspringen . . . Dann ist der Skandal da. Und richtig: Lumpi stutzt auch schon, hebt den Kops . . . Entsetzen im Blick, mit verkrampfter Gebärde winkt ihm Ilse ab. Und Lumpi — Lumpi schaut sie noch einmal mit seinen Hellen Aeugleln an, richtet dann den Blick sachte zu Boden, läßt die Ohren herabfallen und schnürt gleichgültig vorbei, al» kenne er die Dame überhaupt nicht! „Soviel Anstand wie der Lumpt", pslegt Ilse zu sagen, wenn sie es seht hinterher erzählt, „soviel Anstand !>aben die meisten Menschen nicht." Und w«nn «r nicht gestorben ist .. . So könnte ich noch viele Geschichten vom gescheiten Lumpi erzählen. Aber es mag genügen . . . Denn wohl jeder Leser kennt so einen braunen oder schwarzen Lumpi, der in seinem Lebenskreise als echter Freudenbringer wirkt. Und dann weiß er selbst wohl so manche Geschichte, deren Held Lumpi heißen Könnte. Und wenn er nicht gestorben ist, dann leb« der lieb« Kerl heute noch.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)