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Sächsische Volkszeitung : 29.06.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194006299
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19400629
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19400629
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-06
- Tag 1940-06-29
-
Monat
1940-06
-
Jahr
1940
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 29.06.1940
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Davon sind Geschichte das Nebeneinander hat empfinden müssen. Dr. Gerhard Desczyk. Die katholischen Deutschen aus dein Balkan Das hervorstechendste Merkmal aller deutschen Sprach- Inseln auf dem Balkan ist die Abhängigkeit des Volkstums von den Grundlagen der Religion. Wo immer die Elemente des Glaubens am reinsten sich erhalten haben, da war auch dem deutschen Menschen die Möglichkeit geboten, die Wurzeln seines Volkstums vor dem Dahinsterben zu bewahren. Die innere seelische Haltung, die aus dem Glauben kommt, mit ihren sittlichen Verpflichtungen, hat auf dem Balkan deshalb eine so hohe Bedeutung gewonnen, weil hier eine Vielheit von frem den Völkern, Sprachen, Sitten und Einflüssen sich auftut, in nerhalb deren die Deutschen sich zu behaupten hatten. In der Slowakei und in Ungarn, als den beiden Uebergangsländern zum Balkan, stellen sich die Verhältnisse folgendermatzen dar: In der Slowakei gibt es 150 000 Deutsch«, von denen fast 120 000 katholisch sind. Die deutschen Siedlungs gebiete liegen nördlich in der städtereichen Zips, wo zum grötz- ten Teil die Reformation Eingang gefunden hat und nur ein kleiner Teil katholisch bljeb, bis zum vorigen Jahr fast ganz ohne Führung und in tiefer Armut, dann in der berühmten, abgelegenen Deutschproben-Kremnther Gegend in der Mitte des Landes, wo der katholische Glaube und das Deutschtum unter Führung elnlger Priester, bei aller geistigen und religiösen Not, sich am stärksten erhielt; und endlich im Süden in und um Pretzburg an der Donau, wo infolge des städtischen Einflusses bis zum Vorjahr jede Laien- und Priestersiihrung fehlte. Ge genwärtig ist alles noch in einer Umgruppierung begriffen. Es gab nach dem Weltkrieg nur drei höher« deutsche Schulen, auf denen eine schwach« Intelligenz herangebildet wurde, aber für diejenigen, die Priester werden wollten, gab es überhaupt keine humanistischen Gymnasien und Priesterseminare. Sie muhten nach Böhmen gehen. Letzte Stützen des gesährdeten Glaubens und Volkstums waren die wenigen Priester, die we nigen katholischen Schulen und das christliche Leben in den gläubig gebliebene» Familien, aus denen einige Laienführer hervorgingen. In Ungarn leben über 000 000 Deutsche. 600 000 Katholiken Sie bewohnen die Gebiete westlich von Budapest, am österreichischen Burgenland entlang, in der Schwäbischen Türkei zwischen Drau und Donau und In der ungarischen Batschka. Autzerdem sind sie ln einzelnen Städten, besonders in Budapest, zu finden. Die Deutschen Ungarns sind lang« Zeit von der antiktrchlichen, liberalen Welle über schwemmt worden, und die städtische Intelligenz mit grotzen Volksteilen entfremdete sich dem Glauben und dem Deutschtum. Der Elnfluh der Städte reichte auch hier weit auf das Land hinaus, so datz überall schwer« Verluste entstanden. In Buda pest, das 1880 noch 43 Prozent Deutsche zählte, leben heute nur noch 8,6 Prozent. Seit dem Eucharistischen Weltkongretz 1038 hat eine teilweise religiöse Erneuerung in einigen Schichten stattgefunden, denn die Katholiken Ungarns — nicht nur dir Deutschen, sondern auch die Ungarn selbst — bedursten eines spürbaren Anstotzes, einer gläubigen Vertiefung u. einer echten geistigen Aufklärung. Auch unter den Deutschen Ungarns regen sich hoffnungsvolle Kräfte. Die im vorigen Jahr zu Ungarn gekommene Karpatkoukraine zählt ihrerseits etwa 16000 Deutsche. Sie sind alle katholisch und ln ihrer Abge schlossenheit nach dem Weltkrieg zum arötzten Teil vor der geistigen Zersetzung bewahrt geblieben. Auch hier gab lund gibt es noch) Gebiete ohne geistliche Führung, völlig verlassen, von tiefsten religiösen «nd sittlichen Gefahren bedroht, während anderseits eine kleine Schar von Geistlichen (4—5) die Herde betreut, denen sich ein paar Missionare und Laien anschlie'tzen, Dorfälteste, die die Gemeinde zu „Latengottesdiensten" zusam menrufen. Urchristentum ist In der Karpathonkraine heute noch zu finden, ln den einsamsten Waldwinkeln In Jugoslawien leben etwa 700000 Deutsche, von denen 600 000 katholisch sind. Ihre Lage ähnelte nach dem Weltkrieg ganz und gar der Lage der Deutschen in der Slo wakei. Die meisten, innerlich zwar noch am Glauben »nd am Brauch der Vater hangend, standen einsam da. ohne Führung, ohne Rat. Tausende gingen jährlich inmitten des östlichen Schismas, da ja in Jugoslawien die Hauptmassen orthodox sind, verloren. Die im abgeschlossenen slovenischen Teil svor allem in der „Gotischer") wohnenden haben sich unter einiger Füh rung am besten gehalten. In der Woiwodina. in der Batschka und Im Banat hat man schon früh seit dem Weltkrieg versucht, durch Bildung von deutschbewutzten Organisationen das Volks tum zu erneuern; aber es zeigte sich hier wie später auch ander wärts, datz diese Bestrebungen nur dort von nachhaltiger Wirkung waren, wo gleichzeitig die seelische Erneuerung vom Religiösen her vor sich ging. 1936 hatte der Vatikan bei der damaligen Vorbereitung des später leider nicht zustandegekom- menen Konkordats mit Jugoslawien ausdrücklich der deutschen Minderheit das Recht aus den Gebrauch der deutschen Mutter sprache Im ganzen kirchlichen und religiösen Bereich zugesichert. Gegenwärtig ist auch hier Neue» im Werden, und Ansätze zum Bessern sind zu verzeichnen. An» der Vatikanstadt Rom, im Juni 1940. Pius Xll. hat den Nuntius in Por tugal, Tttularerzbischof Elrlact, zu seinem Sonderbotschafter für die demnächsttge Jahrhundertfeier der Gründung und Unab hängigkeitserklärung Portugals ernannt und ihm drei Prälaten zur Ausführung dieses Auftrages zugetcilt, unter denen sich auch der geistliche Konsultor der portugiesischen Gesandtschaft beim Vatikan befindet. Anlätzlich des kürzlichen Namensfestes des Kardinalstaats sekretärs Aloysius Maglione hat der Papst seinem nächsten Mitarbeiter ein wertvolles Miniaturbild der Gottesmutter in kunstvollem Rahmen geschenkt. Am Feste des hl. Johannes des Täufers, des Protektors des souv. Malteserordens, fand ln der römischen Kirche des Ordens auf dem Aventin eine von dem Grotzprlor der Mal teser, dem Kardinaldekan Granito dl Belmonte, im Beiseln des Fürsten und Grotzmeisters Ludovieo Ehigt Albani della Rovere gelesene Messe statt. Unter den Anwesenden bemerkte man den italienischen Botschafter beim Hl. Stuhl Attolico, den spanischen Botschafter bei der Kurie Visconte de Aanguas A Messia, Prälat Prinz Georg von Ba»»ern, den Kommandanten der päpstlichen Nobelgards Prinz Francesco Ebigi. den erb lichen päpstlichen Thronasststenten Fürst Domenco Orsini n. a. Der Ordensrat des Hohen Meistertums war vollzählig erichie- nen, darunter auch der Vertreter des Grotzpriorats von Böhmen und Oesterreich Graf Ferdinand v. Thun und Hohenstein. Von der deutschen Zunge der Malteser war auch Prinz August o. Sayn-Wittgensteln-Sayn mit Gemahlin zugegen. Stattlich war die Zahl der anwesenden Offizier« der Italienischen ^hrmacht, mit der der Malteserritterorden durch sein« mustergültig« Or ganisation der Verwundeten- und Krank«npfleg« eng verbun den ist. In Rumänien gibt es heute 600 000 deutscl)« Katho liken unter insgesamt 800 000 Deutschen. Mehrere rumänisch« Diözesen haben eine überwiegende deutsche katholische Bevöl kerung. Den grötzten Prozentsatz weist die Diözese Temesvar im rumänischen Banat aus. und Temesvar selbst besitzt eln« Reihe von katholischen Lehranstalten, in denen ein tüchtiger, deutschbewuhter Klerus heranwächst. Auf einem katholischen deutschen Gymnasium (mit Lehrerbildungsanstalt) können deutsche Kinder für alle Berufe vorgebildet werden. In ver schiedenen Gegenden des Banats, wo ein reiä-er Bauernstand emporgewachsen war, hatte unter Einflutz der verfeinerten Stadtsitten die Seuche der Kinderlosigkeit erschreckend Platz gegriffen, so datz ganz« Bauernhöfe schlietziich leer standen und keine Erben mehr da waren. Niemand wurde dieser Seuche Herr; erst die priesterliche Seelsorge gewinnt hier langsam wie der neuen Boden. In dem rumänischen Gebiet von Sathmar sind alle Deutschen katholisch. Die frühere Madjarisierung hat fast die ganze Seelsorge vernichtet, und viele verlangen heute nach Priestern. Unter den meist protestantischen Siebenbürger Deutschen leben auch 25 000 Katholiken Ganz führerlos, nahm ihre Zahl nach dem Weltkrieg ständig ab, und nur in Hermann stadt wurde eine Seelsorge eingerichtet. Dann gibt es noch 30 000 in Altrumänien verstreute Deutsche und 10 000 in der Dobrudscha am Schwarzen Meer. Zu vier Fünftel katholsiH ind sie in der Erzdiözese Bukarest zusammengefatzt. deren bk- «höfliche Behörde für einen besseren deutsclien Prielternockmuch» orgt. Die deutsche Sprachinsel in der Dobrudscha zcia« uns vielleicht das schönste Bild des religiösen und völkischen Leben» in Rumänien. Diese Deutschen sind erst im vorig»» Jahrhun dert von Rutzland hierher eingewandert. In inniger Verbin dung mit der Natur, der sie die Erträgnisse hart abringen mutz ten. blieben sie gesund an Leib und Seele und dadurch aufge schlossen für das Religiöse. sUcberall in der Welt ist die hart«, geordnete Arbeit in der Natur die beste Begleiterin des Meu chen. um ihn nicht nur dem Leibe nach gesund zu erhalten, andern ihn auch vor der geistigen und sittlichen Entartung, vor >em Erschlaffen im Denken und in der Sitte zu bewahren.) Rciigion ist für diese Menschen eine selbstverständliche Ange legenheit des gesunden und normalen Menschen Sie haben in den letzten 25 Jahren auch ihre Bolkszahl verdoppelt, weil sie den Naturgesetzen treu blieben und nicht der Weichlichkeit ver fielen. —^Die Zahl der deutschen Bischöfe in Rumänien stieg nach dem Weltkrieg auf drei. Es ivaren dies Bischof Pacha von Temesvar. Bischof Fiedler von Sathmar-Grotzwardcin und der erst 1936 bestellte Wcihbischof Vorbuchner von Karlsburg in Siebenbürgen. Bischof Fiedler trat lm voriaen Jahr, an geblich aus Gesundheitsrücksichten. Im Alter von 68 Jahren von seinem Bischofsamt zurück, worauf Rom den Bisä-af Aaron Märton von Siebenhürgen mit der vorlänfiaen Leituna d«» Sathmar-Grotzwardeiner Bistums betraute Das gesamte Deutschtum auf dem Balkan, einschliehlich die Slowakei und Ungarn, zählt zur Stunde rund 2'/« Millio nen. Davon sind fast 1'/« Millionen Katholiken A. Erlöser an und verehrt dieselbe Gottesmutter, dteselben Engel und Heiligen Gottes. Eine Divergenz in der theologischen Denk weise und Sprache kann dieser inneren Glaub en sein- Helt keinen Abbruch tun." In einem anderen Aussatz« des gleich«» Heftes, da« vi»1 Material zur Kenntnis der Ostkirche beibringt, wird ein Wort des Prinzen Max von Sachsen zitiert: „Nichts ist mehr katholisch und urkatholisch als die orientalischen Liturgien, welche so recht aus den» Herzen der Kirche hcrvorgcivachsen sind." Diesen Satz findet man bestätigt, wenn man das von Paulus Matzerath herausgegebene Büchlein „Die Toten feiern der Byzantinischen Kirche^ (Bering Ferdinand Schöningh, Paderborn) aufschlägt Es ist das erstemal, datz deutschen Lesern die Totenfeiern der Ostkirche in der Uebersetzung aus dem griechischen Urtext davgeboten werden. Ebenfalls Einblicke in die Welt des christlichen Ostens geben will das Bändchen „Ein Leib / Ein Gei st", das bet der Regensbergschen Verlagsbuchhandlung in Münster soeben erschienen ist. Auf drei Wegen wird hier dem Leser das Wesen der Ostkirche erschlossen: vom Domna, von der Liturgie und von der religiösen Kunst her. Besondere Beachtung verdienen die tiefschürfenden Darlegungen über Wcsensmerkmale der Ikonenmalerei, die Reinhold von Walter in diesem Stande gibt. Iwan Kologriwof, vielen unserer Leser aus seinen Vor trägen in sächsischen Städten bekannt, zeichnet in einem histo rischen Uebcrbltck das Schicksal der russischen Kirche von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Alle die genannten Arbeiten sind Beiträge zu eiuem Pro blem, das für die europäische Kultur von höchster Bedeutring ist. Das voretnst nicht Immer freundliche Gespräch zwischen den Konfessionen Ist heute getragen vom Geiste -es Verstehen wollens und des Strebens nach fruchtbarer Zusammenarbeit. Einander kennen und verstehen aber bedeutet den wichtigsten Schritt auf das Ziel eines Ausgleichs historisch bedingter Gegensätze zu. An dieser Wiederherstellung der christlichen Einheit ist kein Volk stärker interessiert als das deutsche, das gar oft in seiner der Konfessionen als schmerzlich Bin die christliche Einheit Neue Beiträge zum Gespräch z«ischen -en Rsnfesfisnen Innere Glaubenseinheft In gleich vornehmer Weise, wie die Darlegungen Professor Urbachs sich mühen, Hindernisse auf dem Wege einer erhofften künftigen Einigung zwischen evangelischer und Katholischer Kon fession aus dem Wege zu räumen, dienen andere Aussätze des gleichen Halbjahresdandes der Verständigung zwischen Vst- und Westkirche. Der 500. Jahrestag der Union von Florenz, den wir schon früher in diesen Spalten gewürdigt haben, wird von Fürst Nikolaus Massalsky in seiner historischen Bedeutung aufgezeigt. Er bezeichnet jene Union als „einen Wegweiser, der die Richtung angibt, in welcher die fortschreitende Entwickelung einmal zu dem erhofften Ergebnis gelangen muh." In diesem Sinne unternimmt es Friedrich Heiler, die Frage zu beant worten: „Was lehrt das Konzil von Florenz für die christliche Einigungsarbeit?" Er schildert, die Einigung, die man in dem strittigen dogmatischen Hauptpunkt in Florenz erzielte — die Worte „gut ex patre siiiogue procedit" im Tredo. Nach ortho doxer Fassung hettzt jene Stelle „dla tou hyiou", also nicht „der vom Vater und dem Sohne ausgeht", sondern nur ,der vom Sohne ausgeht". Das Konzil von Florenz gelangte zu der Feststellung, ,datz zwei verschiedene theologische Formen als gleichberechtigte Ausdrucksformen eines und desselben Glau- vensmysteriums nebeneinander stehen können. Es zwang die orthodoxen Christen nicht dazu, ihrem Credo im liturgischen Gebrauch den abendländischen Zusatz beizufügen, sondern lieh ihnen die alte, ursprüngliche Form ihres Symbolumo". Heiler betrachtet dann die weiteren Streitfragen zwischen Ost- und Westkirche: die Lehre vom Fegefeuer, die Frage des päpstlichen Primats u. a. Er kommt zu dem Schlutz: „Die Kirche des Ostens lebt aus derselben Glaubenssubstanz wie die Kirche des Westens, sie nährt sich von denselben Mysterien, sie empfängt Kraft von dem gleichen Altar, sie betet denselben Herrn und Datz die von Christus gestiftete Kirche trotz aller Spaltung kn Konfessionen eine Einheit bleibt — diese Ueberzeugung ist zu allen Zeiten trotz der mitunter heftigen Meinungsverschieden heiten unter den Christen nie ganz verlorengegangen. Seit Spaltungen in dieser einen Kirche aufgetreten sind, hat es nicht an Bemühungen gefehlt, die Gegensätze wieder auszugleichen und die ursprüngliche Einheit wiederherzustellen. Die Mahnung des Apostels zur Einheit des Geistes hat immer aufs neue Christen begeistert, sich um die Erneuerung dieser Einheit zu mühen: „Bestrebt euch, die Einheit des Geistes zu beivahren durch das Band des Friedens. Ein Leib und ein Geist, wie ihr berufen seid zu einer Hoffnung eures Berufes. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allem" (Cph. 4, 3—6). Wenn diese Bemühungen vorerst nur zu vorübergehenden Erfolgen geführt haben, so iag das keineswegs daran, datz etwa die Gegensätze in Lehrmeinungen, die voreinst Anlatz zur Kir chenspaltung gegeben hatten, sich als unüberwindlich erwiesen hätten. Im Gegenteil, jene Gegensätze sind nicht selten nur noch historisch begreiflich und durch die tatsächliche Entwickelung im Wesen ausgeglichen. Hemmend aber wirkt die Tradition jahr hundertelanger Trennung, die Hypothek aufgespeicherten Grolls aus früheren Auseinandersetzungen und vor allem: der Man gel an Kenntnis über das wahre Wesen der anderen Kon fession. Das Kennenlernen ist der erste Schritt zum Verstehen. So bedeutet es eine wichtige Vorarbeit nn Geiste des Willens zur Einheit der Kirche Christi, wenn Männer von umfassendem Wissen das Wesen der christlichen Konfessionen so darstellen, datz es von Angehörigen aller Kon fessionen verstanden werden kann. Eine solche Betrachtung zeigt mit voller Klarheit, wie grotz die formalen und historisch bedingten, wie gering aber die wesentlichen, in der Lehre b«grtindeten Unterschiede sind. Gegensätze, die nur noch historisch sind Die von Friedrich Heiler herausgegebene Zeitschrift „Eine heilige Kirche" (Verlag Ernst Reinhardt, Mün chen) breitet in ihrem zweiten Halbjahresband für 1939 ein reiches Material aus, das dem angedeuteten Zwecke dienen kann. Als besonders interessantes Beispiel dasür, wie das Gespräch zwischen den Konfessionen wirklich klärend und frucht bringend geführt werden kann, heben wir aus der grotzen Reihe der Aussätze dieses Heftes einen von Professor Otto Urbach heraus. Urbach setzt beim Kernpunkt der Gegensätze in der Lehrmeinung zwischen protestantischer und katholischer Konfession an: bei der Lehre von der Rechtfertigung. „Der articulus stantis et cadentis eeclesiae (Kommentar zum Galaterbriefe, Luther, 1635): .. . . datz Gott allein lediglich aus Gnade durch Christus die Sünder rechtfertigt', ist von den Kirchen der Reformation selten genug rein vertreten worden. Die Hauptunterscheidungslehre, um derentwillen man sich von der römisch-katholischen Kirche äutzerlich getrennt hatte un innerlich getrennt glaubte, wurde jahrhundertelang zwar gegen den Katholizismus betont, aber innerhalb der evangelischen Kirche selbst nicht ernst genommen." Urbach zeigt das in einer historischen Betrachtung und in einer Nebenelnanderstellung der modernen dialektischen, der liberalen und der von den Deutschen Christen vorgetragenen Lehrmeinungen im prote stantischen Lager. Nach diesem indirekten Beweise tritt er den direkten Beweis an: in thesenhafter Wiedergabe der Recht fertigungslehre zeigt er, datz die katholische Lehre der Auf fassung des gläubigen evangelischen Christen Punkt für Punkt entspricht. Wir heben aus diesen fesselnden Darlegungen eine entscheidende Stelle heraus: „Die katholische Kirche lehrt übereinstimmend mit dem integralen evangelischen Christentum: .Der Mensch kann ohne Gnade nicht zum Glauben gelangen'. Der Glaube ist ein Ge schenk Gottes. Neben den Ruf: .Bekehrt euch zu mir, und ich werde mich zu euch bekehren' stellt daher das Tridentinum die Voraussetzung: .Bekehre Du uns, o Herr, zu Dir, und wir werden bekehrt werden!' Die nächsten Worte des Tridentinums zergen das noch klarer: ,So bekennen wir, datz uns Gottes Gnade zuvorkomme!' .Wenn jemand sagt, der Mensch könne ohne zuvorkommende Eingebung -es Heiligen Geistes und ohne dessen Hilfe glauben, hoffen, lieben und blitzen, der sei aus geschlossen.' Klarer kann es auch ein evangelischer Theologe nicht sagen. D?r Glaube ist Werk des Heiligen Geistes. Daher lehrt das Tridentinum entschieden: Der Glaube ist initlum sakutis, fundamentum et radix omnis lustificationis (Anfang des Heils, Grund und Wurzel aller Rechtfertigung) . . . Schon auf evangelischer Seite wird der Begriff Glaube bald als Bekenntnisglaube, bald als reines Vertrauen, bald als Werk des Heiligen Geistes verwendet. Nur im letzten Sinne kann von einer .Rechtfertigung durch den Glauben' geredet werden, dann aber auch vom Katholiken! Wir dringen aus letzte Klar heit und halten uns zugleich an die integral-evangelische Lehre, die vom Tridentinum festgelegt ist: ,DIe Wirkursache der Recht fertigung ist -er barmherzige Gott, der umsonst (ohne mensch- lisches Verdienst) die Sünde vergibt und (den Menschen) heiligt'." Die Bedeutung der guten Werke wird In diesem Zusam menhang in einer für Protestanten wie Katholiken gleich befrie digenden Weise klar: „Die Rechtfertigung besteht nicht nur in der Vergebung der Sünden, sondern auch in einer wahrhaft inneren Erneuerung und Heiligung. Der Wille des Gerecht fertigten ist nicht aufgehoben, sondern bleibt erhalten: Er ist vorausgesetzt, geläutert, erhoben und -- wenigstens in seiner Bestimmung — vollendet. Dazu bedarf der Gerechtfertigte nach wie vor der immerwährenden Gnade. Diese Kraft, die Christus in den Gerechtfertigten einströmen läht, geht allen guten Wer ken voran, erfüllt sie, begleitet sie, folgt ihnen nach . . . Dem Glauben entspricht das Leben. Paulus mahn« die Korinther, .nicht vergeblich Gottes Gnade zu empfangen', Petru» mahnt zum .Wachsen in der Gnade', Johannes fordert: ,Wer gerecht ist, übe weiter Gerechtigkeit, und wer heilig ist. heilige sich weiter', denn Christus spricht: .Stehe, ich komme schnell und mein Lohn mit mir.' — Dem Gerechtfertigten ist ein Talent anvertraut, mit dem er arbeiten soll, kann und darf; Ihm ist ein Grundstück gegeben, auf dem er bauen und pflanzen soll, kann und darf. Man kann also von .guten Werken' reden, die der Gerechtfertigte mit der Gnade verrichtet. Christus spricht in diesem Sinne vom .Gericht nach den Werken' und vom reichlichen, grotzen, hundertfältigen Lohn." Urbach führt eine Reihe von Beweisen dafür auf. datz diese Lehre tatsächlich der Lehrpraxis der protestantischen Reli gionsgemeinschaften entspricht und schlietzt: „Die von uns skiz zierte Rechtfertigungslehre wird — obwohl sie ganz und gar, rein und unverfälscht katholisch ist — genau so von allen chrlstusgläublgen evangelischen Professoren, Pfarrern und Leh rern verkündet und von allen christusgläubigen Evangelischen der Landeskirchen, Gemeinschaften und Freikirchen geglaubt." Die schwerwiegende, des Nachdenkens und der Nachprü fung werte Schlußfolgerung, die Urbach aus seinen Darlegun gen zieht, lautet: „In den Zentralfragen sind — das vermag wirkliche Erfahrung, nicht nur die wissenschaftliche Unter suchung zu bezeugen! — heute Katholizismus und christusgläu- vlger Protestantismus einigt ... Die frommen Christen aller Konfessionen ersehnen Einigung. Die frommen evangelischen Christen würden aufhören, um Unterscheidungslehren zu stret- ten, wenn sie nur wüßten, daß ihr Glaube auch der Glaube der katholischen Brüder ist."
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