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Der Sowjet zum IriedeN bereit Berlin, 20. Februar. (DrahLberichk.) Slaakssekrekür von Kükzlmann re-las »m Verlaufe seiner heutigen Rede im Reichstage nachstehenden Tunkspruch der bolschewistischen Regierung in Petersburg an die deutsche Regierung: Der Nat der Volkskommissare sieht sich veranlagt, in Anbetracht der geschaffenen Lage sein Einverständnis zu erklären, den Frieden unter den Bedingungen zu unterZeichnen. welche von den Delegationen des Vierbundes in Brest-Likowsk gestellt wurden. (Hört! Hört! auf allen Seiten des Hauses.) Der Rat der Volkskommissare erklärt, daß d e Antwort aus d-e von der deutschen Regierung gestellten näheren Bedingungen unverzüglich gegeben werde. (Hört! HZri! Lebhafte Bewegung im ganzen Hause.) Der Staatssekretär bemerkte hierzu, er möchte trohdem davor warnen, zu glauben, daß wir den Frieden mit Rußland nun schon in der Tasche hätten. Der Frieden mit Rußland sei erst da, wenn die Tiute unter dem Vertrage trocken sei. * MS der Staatssekretär Dr- von Kühlmann gestern am Schlüsse seiner Rede im Hauptausschusse das Wort auäsprach: «Der Friede mit der Ukraine ist die Vorstufe des FriedeirS mit ganz Rußland,' da werden unter den Hörern ebenso wie nachher unter den Lesern mehr Zweifler als Gläubige gewesen sein, und mindestens durste man fragen, wie lang« mau sich würde mlt der Vorstufe begnügen müssen. Aber der Staatssekretär hat Glück gehabt, und dazu können wir uns alle beglückwünschen. ES gibt also doch noch frohe Ueberraschungen! Oder sollte, am Ende, auch dieses Mal . . .? Russische Funksprüche haben sa in diesen Zeitläuften einigermaßen an Kredit verloren. Immerhin, die Sache ist zwar höchUch überraschend, aber keineswegs unwahr scheinlich. Wenn sich die Nachricht bewahrheitet, so hat wohl nie mals eine verhältnismäßig harmlose und an den Ereignissen die ses Krieges gemessen verschwindende militärische Operation einen solchen politischen Erfolg gehabt wie unser bisher kampfloser Vor marsch auf Dünaburg und Luck. Der Eindruck des Eindruckes, Len dieses Vorrücken in Rußland hervorgerufen hat, genügte offenbar, um den Rat der Volkskommissare zu einer Kundgebung zu veranlassen, di« man am besten als de- und wehmütig wird be zeichnen können. Man glaubt beim Lesen Knie schlottern zu sehen. Es liegt unS im allgemeinen nicht, einen Unterlegenen zu höhnen, aber diese Blamage hätten sich Trotzki und seine Gesellen wirklich ersparen können, sie haben sie mutwillig heraufbeschworen. Hetzt hat wohl die Angst um die Stellung der Negierung dem eigenen Lande gegenüber den Ausschlag gegeben. Daß vom 18. Februar ab die Tage der Bolschewiklreglerung gezählt waren, wenn sie aus ihrem Wege verharrte, konnte ja niemanden ent gehen. Allein, wenn sich diese Leute auch nicht als Staatsmänner und nicht einmal als kluge Politiker gezeigt haben, so hat man ihnen doch Schlauheit nocy in keinem Zeitpunkt ihres Auftretens ab streiten können. So haben sie denn auch dieses Mal zu vermeiden gewußt, daß erst größere Kampfhandlungen sich ereigneten, daß weitere Strecken bisher russischen Gebietes be'eht wurden, und daß die Friedensbedingungen der Mittelmächte etwa neue Grundlagen und damit «inen neuen Inhalt gewannen. Der Hinweis aus dl« bisherige» Bedingungen der Mittelmächte, der in d«m Funk sprach enthalten ist, spricht in dieser Beziehung ziemlich deutlich. LS ist anzunchmen, daß die Schlauen sich in dieser Berechnung nicht getäuscht haben. Der neue Kampf galt ja nicht dem russischen Volke, sondern hatte nur das Ziel, eine verhanülungsbereite Re gierung in Rußland zu schaffen; und daß wir bereit waren und sind, mlt dem russischen Volke jederzeit Frieden zu schließen, sobald eS eine verhandlungsfähige Regierung aufweist, daran ist in den letzten Tagen in der deutschen Presse und auch von der deutschen Regie rung kein Zweifel gelassen worden. Vielleicht ist eS also Trotzki noch einmal gelungen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Jeden falls hat er den Kops noch nicht verloren, sondern die Einsicht und die Energie besessen, daS Steuer unverzüglich herumzuwerfen, so bald zweifelsfrei klar war, daß der bisherige Kurs falsch ge wesen war. Spaltung im Sowjet? Basel, 20. Februar. (Eigener Drahtbericht.) Me „Daily Mail' berichtet aus Petersburg: Das russische Staats gebiet ist erucut als im KrieaSzafiaade besiudlich erklärt wor den. Ein« erheblich« Minderheit der Petersburger Sowie!« ist auch jetzt noch für di« Wiederaufnahme von Be sprechungen mit den Mittelmächten. Basel, 20. Februar. (Eigener Drahtberlcht.) Hava« berichtet avS Petersburg: Kryleako stellt iu eine« Aufruf fest, daß die russische Arme« die Klasse« 1900 bis 1907 bereits entlasten habe. Die fotgcvden Klasse» sollen «nllcsten werde«, sobald die TrauSrortmUtel die« gestatten werden. Krylenko ersucht« die Soldaten, da« Kriegs- material in Sicherheit za bringen und, sofern st« die Kraft daz, besitzen, in die Reihe« der rote« Arbeiter-««bBaaera- ormee sich einreihen ia l"ssen. Die Wendung betr. d:r Sicher- st llu g d SK iegSn ale l<s rllhrt d - r, weil ch Ue 5«» e«Z ge eigt hät'e, die Waffe« und AaSrSftu-gSgegenstSnb« sowie die KricgSoorrLle zu verkaufe». Der finnische Freiheitskamps Stockholm, 20. Februar. (Eigener Drahtbericht.) Laut „Stockholmer Telegraph' meldet das finnisch« Hauptquartier, daß bis jetzt 2700 russische Bolschewlstentrvppen von de« fia- nischea Trnvpe« als Gesänge«« etngebracht worbe« Pad. Ei» Armeebefehl des General« Mannerheim spricht von einer bevor, stehend«« grasten Hilt« für da« KLmpscnde finnisch« Heer zur Befreiung des finnischen Boden« von den rassischen Horde«. Petersburg, 10. Februar. (P. T.-A.) 3« einer am 17. Febr. sta tgetunde en Besprechung de« ameriimalsch-a Bolschaf er« FraaciS all Mitgli der« dersinnländlschea revolutionär « Regieranq, dem Bo kr'kzirm ssar !ür auswärtige Anaelcgcnhellen «ad dm Kommissar fllr Le':enkm ttelveisorgung versprach FranttS den Vertreter« der revolutio- nä en finnländischen Regierung sein« Hilfe be» der schl«a»ige» Versorgung Finnland« mit amerikanisch«« Getreide und son stig a Erzeugnissen. Stockholm, 19. Februar. (Drahtberlcht.) Nach einer Mel dung der P. T.-A. dauern die Kämpfe bet TavaSguS und bei Lharvlala an. In der Nähe von TavaSguS ist eine Schlacht entbrannt. Charvlala ist in der Hand der Roten Garde. Die Garde hat in dreitägigen erbitterten Kämpfen Ende Januar TavaSguS zu nehmen und vorzorücken versucht, ohne baß ihr dies gelungen wäre. TavaSguS ist durch Artilleriefeuer gänzlich zer- stört. Da; Miaktt Am«« Wie«, 20. Februar. (Eigener Drahtbericht.) Di« RelcbSpost' meldet: Di« Gerächt« über die Abdankung de« KöaigSF«rdlaandvoaRamL»ie« prg-afle« sein«« Brader«, be« Prlazea Karl voa Hohenzolter«, ««tbehre», wt« heroorgehobe» «trb, feder Sr»»blat«. Lebee dte Sielt»«,- nahm« de« neuen Kabinetts AoareScn ist mltzateUea, daß diese der Entente gegenüber aoch nicht geklärt ist. Wien, 20. Februar. (Eigener Drahtbericht.) Die „Wiener Allgemeine Ztg.' meldet auS Bukarest: General Ava- reScu weilte mit Erlaubnis de« deu scheu HeereLkommando« ln Ba- karest, um mit den sich ln den besetztem Gebieten aHhalteadea Poll- tikern in Fühlang za treten. Der deutsche Heeresbericht ; Amlllch. Großes Aaapkqaartter, 20. Februar. Weftttcker Brieqsickauvlatz An verschiedenen Stellen der Fronk Artillerie- und Minen- werferkampf. Größere ErkungSoorslöhe, die der Engländer westlich von Houthem, der Franzose bei Inviacoart und nördlich von Reims unternahm, wurde» abgewiesen. Oe «sicher nrie-sichauolair Beiderseits der Bah» Riga-Petersburg wurdeu die 20 Kilometer vor ouserer bisherige» Front liegenden russische» Elellungea überschritten. Schwacher Widerstand de« Feindes bei 3 azeen nördlich der Bahn wurde schnell gebrochen. lieber Düaaburg hinaus stießen ousere Divisionen in uordöfillcher und östlicher Richtung vor. Zwischen Düna- burg und Luzk träte» sie in breUen Abschnitte» den Vor marsch an. Die über Luzk hinao« vorgedrungeneu Divisionen mar schieren ans Rowao. 2500 Gefangene, mehrer« hundert Geschütz« und groß« Mengen an rollendem Material sielen in nnsere Hand. Don den anderen Kriegsschauplätzen mchlS Reue«. Der Erst« Generalqnorttermelfier. Ludendorff. (W.T.-B.) 15 seiaMe Fahrzeuge in Mittelmeer »erstatt «b. Berlin, 19. Februar. (Amtlich.) 3m mittleren Telle de« MllkelmeereS versenkten nnsere U-Boot« fünf Dampfer und zehn Segler, wodnrch hauptsächlich der Trantporlverkehr nach 3kaNen geschädigt ward«. Bier der vernichteten Dampfer, von denen einer tla- lienlscher Rationalität war, wurden an« stark gesicherten Ge- leitzügen heran «geschossen. Unter den Seglern befanden sich die italienischen Fahrzeuge „Efterel*, .3da', „Latertna", yf 1", „Laforo', „Paolo Mertqa', „Elsa', „Rda* and .Fanny' mit Ladunq: Fässer, Kob!«, bzw. Grodenholz. — Eine U-Bookfall« in Gestalt einer Zmeimafischonert ward« dnrch zwei Arttllerletreffer eine« U Bootes schwer beschädigt. Der ** AhmkaMab- der Marder Das Cholmer Land Dos Cholmer Land bildete gestern den Mittelpunkt der Er örterungen im Hauplausichusfe und glcichzciiig im ösierreichisHen Abgeoronelenhoufe. Die Aussprache drehte sich vor nehmlich um diesen Punkt deä ukrainischen FriedenüvertrugrS. Der nnlionall'.berale Redner, Dr. Strcsemann, verlangte nähere Auskünfte über die Bevölkeruvgszusammcnsetzung des Lhomrer Gebietes — eine ausschlaggebende Frage natürlich. Wir geben deshalb im folgenden einem ausgezeichneten Kenner Rußlands daS Wort, der während des Krieges seit langer Zeit als deutscher Be amter in dem besetzten Gebiet de- OsienS lebt. Er schreibt unS: Das Cholmer Land ist seit Jahrhunderten strittiges Grenz gebiet zwischen polnischer und kleinrussischer Bevölkerung. Die nationalen Kämpfe wurden verschärft und kompliziert durch die konfessionellen Gegensätze. Das Vordringen der römischen Kirche im südwestlichen Rußland im 14., 15. und lv. Jahrhundert erreichte seinen Höhepunkt in der Brester Union von 1598, die eine Vereinigung der katholischen und der orthodoxen sgriechischcn) Kirche bezweckte, aber, wie die weiteren derartigen Unionen, nur teilweise erreichte. Alsbald danach drang die Orthodoxie wieder von Osten her vor. Während des 19. Jahr hunderts unternahm Rußland mehrere scharfe Vorstöße zur Aus rottung des Uniatentums, vor allem nach Len polnischen Aufständen von 1830 31 und 1803. Mit biut.gem Zwang würbe dos unierte Bekenntnis nahezu gänzlich unterdrückt, nachdem 1873 ein UkaS d.e Einführung des orthodoxen Ritus in den unierten Kirchen angcordnet hatte Trotzdem hielt eln kleiner Teil offen, ein größerer heimlich an dem alten Bekenntnis fest, und als daS Edtkf der Glaubensfreiheit vom 30. April 1005 die freie Wahl deS Bekenntnisses gestattete, traten im Cholmer Gebiet 110000 Untaten zum Katholizismus über, um sich von dec Hert- schafk deS Petersburger Cynods zu befreien. Die russische Gegenrevolution arbeitete ober unter ziel bewußter Leitung Stolypins mit einer im ganzen geglückten Spekulation auf einen großrussischen Rationalismus, der sich alsbald in russisikaiorischen Gesetzen gegenüber den Rand völkern auswirkte. Zu diesen Gesehen gehörte, soweit sie Polen betrafen, die Einführung der — auf russische Majoritäten ge- stützten — Eemstwos im „Weskgebiet' (l.taulsch-polnische Gou vernements), die Verstaatlichung der Warschau—Wiener Bahn und zuletzt, 1912, die Bildung deS Gouvernements Lholm, dos aus Teilen der Gouvernements Sjedlez und Lublin zusammen gesetzt und von den 10 .Welchseigouvernementä' obgelrennt wurde. Auf polnischer Seite löste dieser Schritt der russischen Re gierung, dem übrigens die Duma zustimmte, die größte Empörung aus. Diese kurz angedeuteke Vorgeschichte des Cholmer Gebietes macht es verständlich, warum alle Polen die Ileberlassung des Cholmer Landes an die Ukraine als einen sie aufs schwerste treffen den Schlag empfinden, und es erheben sich die Fragen, ob diese Grenzfestsehung des Brester Vertrages eine Notwendigkeit war und welche politische Folgen die Rückwirkung auf die Polen mit sich bringt. Wir unterlassen dabei den Versuch, die nationale Zugehörig keit des Cholmer Landes zu entscheiden. Beide Parteien bringen hierzu zahlreiche Statistiken der Nationalitäten und der Kon fessionen, die aber insgesamt nur das eine beweisen, daß es s >.» hier tatsächlich um ein Gebiet gemischter Bevölkerung mit sehr starken Minderheiten handelt, das keine der beiden Par teien — wie eS polnische und ukrainische Naktonalislen tun — ohne weiteres tn Anspruch nehmen kann. Don Wien auS wird, teilweise offiziös, zunächst damit operiert, daß die Ueberlassung deS Cholmer Landes eine couäitio siue qua uoo für die Ukraine war. (Auch Herr von Kühlmann hat dleS Argument gestern gebraucht. Die Schriftlkg.) Indessen, das Land, daS wenige Tage nach dem Friedensschluh die Hilfe der Zentralmächte gegen die Bolschewik! anrufen muh, dürfte schwer lich, soweit es eine sozialistische Negierung besitzt, sich einem Arrangement ernstlich w.dersetzt haben, das dem Cholmer Land Sei bst bestlmmungs recht verlieh, wenn es auch natürlich gegen eine glatte Ueberlassung der Gebiete an Polen sich aufs äußerste gesträubt hätte. (Statt dessen ist eine gemischte Kom mission zur Feststellung der Grenze eingesetzt worden. Die Schriftlkg.) Ferner wird, ebenfalls von Wien auS, mit einigermaßen naiver Ueberraschung behauptet, man habe den Polen nie Versprechungen gemacht. Nun ist wohl richtig, daß die Grenzsragen des neuen polnischen Reiches von den Zentral mächten wenigstens öffentlich nie berührt wurden. Die Polen hatten aber wohl noch der feierlichen und wiederholten Anerken nung ihrer neuen Staatlichkeit einen moralischen Anspruch darauf, bei der Festsetzung ihrer Grenzen wenigstens gehört zu werden. Uebrigens hotte die österreichische OkkupationSver- waltung in Lublin bereits 1916 die russische Abtrennung deS Gouvernement« Lholm demonstrativ rückgängig gemacht. Da man nan nach der Haltung CzerninS, HerklingS and KühlmannS nicht annehmen kann, daß sie einer Aus übung det von ihnen anerkannten Selbstbestimmungs rechts tm Wege gestanden hätten, da eS ferner unwahrschein lich ist, daß unsere Diplomaten die Bedeutung der Chos- mer Frage übersehen hätten, bleiben eigentlich nur noch zwei polltisme Motto« zur Erklärung der Haltung der Zentralmächte übrig: Man wollte Polen strafen oder man wollte einen dauern den nkrainlsch-polnilchen Gegensatz schaffen. DaS erste erscheint als eine unglückliche Politik »d iraio, das zweite wenig den modernen politischen Grundsätzen angepaßt, die tn Wien and Bersin mehr al« einmal verkündet wurden. Rack alledem erscheint die Notwendigkeit der Ueberlassung