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Sächsische Volkszeitung : 27.11.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193911272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19391127
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19391127
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-11
- Tag 1939-11-27
-
Monat
1939-11
-
Jahr
1939
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 27.11.1939
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Montag, 27. November 1939 Sächsische Volkszeitung Nummer 279, Seite 8 l0NL« von s^e-ri5»L»^ 1 Al Oer Gerir Engi Lchilftleltun,: Dr»«d«i^ S<lchlftsft«ll», Druck « vrrlag lh. in» S. P-stlchrck: «r. U«, nachweisen lassen. Und es ist vielfach das Nicht erinnrrn-Könncn lediglich als Verlust der Sphäre zu betrachten. Diese Sphäre, oder wie man auch sagen kann, diesen bei allen wichtigen Erinnerungen bedeutenden Blick aus die Uhr, den Einschnitt der Zeit stellt aber das Taschentuch dar, das den Gedanken, den man dabei dachte, mit einem äußeren Geschehen verknüpii und ihn so erst erinncrungssähig macht. Die gleiche Bedeutung hat überdies auch die- Kastanie, die manche Menschen vom Wege auflescn, um sich eines besonders wichtigen Gedanken» späterhin erinnern zu können. Das KUrzllck mit dem sich die auch nach genaue Versuch der Ver Engländern veri Englands Schuld britische Regiere August ein nie! erst durch die e blickt werden ka uns für k. Die Lüge des Der Fiihrei schaster in Berli der auf die Noti ridor alsbald ge nochmals in grc England cnthiel am Abend der b ihm als Antmor ein Memorandu An diesem Men sie möge in dir rung eintreten. ! „Seiner M tive Zu siche erhalten, daß d stimmen " Im b „wenn solche B wurden, der W> digung zwischen Aus dem gicrung indes Verhandlungen nicht interessier britischer Seite Während näml! August behaupt Han- zu haben gar nicht verha Tage den britist dafür sorgen, < zu direkten Ur Vermittlung gc Bereitschaft dei langen mit De Weis« bedeuten derungen anzur Seite geschehen Zusage von sei an den beiden Aus Grui stellen, das; dic lische Regier»» schast der pol» der Hand, eine Der Anoten im Schnupftuch Der Knoten im Schnupftuch ist unter den Menschen, die an Vergcfstichkeit leiden, ein Hilfsmittel, dessen sie sich immer wieder gern bedienen werden. Denn so eigenartig es ist, wenn man den Knoten findet, erinnert man sich mit hundertprozen tiger Sicherheit auch all jener Umstände, unter denen man ihn geknüpft hat und damit zugleich auch derjenigen Dinge, deren man sich hierdurch erinnern wollte. Der Knoten im Schnupf tuch ist somit eine alltägliche Uebung. Und er ist zugleich ein Interessantes wissenschaftliches Problem, denn er lässt uns. rich tig betrachtet, einen tiefen Blick in die Geheimnisse der mensch lichen Erinnerung und des Vergessens tun. Wenn man nämlich jemanden fragt: „Was haben Sie gestern nachmittag um 20 Minuten nach 6 getan?", so wird man in den meisten Zöllen keine direkte und sofortige Antwort erhalten. Vielmehr wird der Gefragte versuchen, sich zunächst einmal aller Umstände -es vergangenen Nachmittags zu er- 11. Fortsetzung. Nach kaum zwei Stunden Schlaf schrickt Ernst Ullmer wieder auf, starrt verwundert umher, und als er gewahr wird, daß er sich in dem Ablöserzimmer befindet und sich außerdem mit einem Blick auf die Uhr überzeugt, daß es erst auf zwölf geht, dreht er sich auf die andere Seite und versucht weiterzuschlafen. Schlafen und vergessen — wenn es auch nur für Stunden sein könnte — was er in den letzten Tagen erlebt hat — so denkt er. Doch der Schlaf flieht Ernst Ulmer. Er wirst sich in den Kissen hin und her, schlicht krampfhaft die Augen, zwingt sich, seine erregten Gedanken, die voller Sorge und Erbitterung sind, auszuschalten — aber es ist alles umsonst. „Na, ist sie wieder da?" Mit dieser Frage begrüßte Georg Schönselder am Abend seine Frau, als er von der Arbeit heimkehrte. „Nein, sie ist nicht gekommen", entgegnete diese ernst, „ich habe vergebens gewartet. „Donnerwetter, sie wird doch keine Dummheiten gemacht haben!" „Möglich ist es schon, Georg, sie ist ja in entsetzlicher Ver fassung." „Du hättest sie eben nicht allein fortgehen lassen sollen." Eine Welle hingen sie ihren Gedanken nach. Schließlich meinte Schönselder: „Sie wird sich nichts angetan haben, dazu hängt sie ja zu sehr an den Kindern." „Aber wo mag sie nur sein?" „Ob man einmal bei Lütgen ansragt?" „Wenn sie heute nacht noch nicht da ist, müssen wir es tun." Es läutete an der Korridortür. Hastig erhebt sich Frau Else und sagt: „Das lst sie! — Endlich!" Doch schon nach wenigen Sekunden kehrt sie enttäuscht zurück. „Es war nur die Zeitung", erklärt sie und aibt diele ihrem Sporen, un- wie der Sturmwind stob er mit seiner Schwadron davon. Als die Neiße, an deren User Wartha liegt, durch die Bäum-: schimmerte, lies; Rittmeister von Zieserwitz Halt machen. Vorsichtig ritt er an -en Fluß un- blickte zum Slädlcl)en hin- über. Dicht am Walde gelegen, bot es mit seiner prächtigen, hoch aufragcnden Barockkirche, den Wallsahrtska;>elleu und den altertümlichen Häusern einen reizenden Anblick. Eine Brücke führte zur Stadt, die von preusstsci-en Posten bewacht wurde. Der Offizier wendete sein Pserü und befahl seinen Husaren, ihm zu folgen. Ein Stück ritten sie an der Neiße entlang, dann trieb Zieserwitz sein Pferd in den Fluß, den hinter ihm die ganze Schwadron durchquerte. Drüben ging cs im Galopp der Stadt zu. Die Hufe -er Pferde klapzrern aut -em Pflaster. War- thacr Bürger, die sich auf der Straße befinden, springen er schrocken zur Seite. Hier un- da taucht eine preußiscl)e Uniform auf. Rittmeister von Zieserwitz, dessen Herz vor Aufregung klopft, blickt sich nach allen Seiten um. Sollte der König dock noch nicht eingetroffen sein oder Wartha wieder verlassen haben? In -er kleinen Stadt ist nichts von ihm zu erblicken. Aber die Befestigungen würden ja wohl auch an der Paßstraße sein. Schon treten die Häuser zurück und der Blick öffnet sich ins Freie. Plötzlich reißt Rittmeister von Zieserwitz sein Pferd zu rück. daß es sich aufbäumt: Ein paar Schritte von ihm entfernt steht eine Reihe preußischer Soldaten, und in ihrer Nähe hält eine Gruppe berittener Osfistere. Das müssen sie sein: „Drauf un- -ran!" schreit Zieserwitz, und die Husar:» stürmen vorwärts. Aber -ie Preußen haben -ie Oeltcrreicher schon bemerkt. Mit Blitzesschnelle bilden die Grenadiere zwei Glieder, eins kniet, das andere steht. Un- währen- die einen schießen, laden -ie anderen. Ein Kugelregen schlägt -en Oester- reichern entgegen und reißt Lücken in ihren bichtgeballten Hau fen. Nun kommen ihnen auch Reiter mit geschwunaenem Säbel entgegen. Bald entwickelt sich ein heftiges Nahgefecht Zieserwitz kämpft mit einem hochgewachsenen Offizier von: Regiment Gens-armes. Ein Säbelhieb lähmt ihm den rechten Arm. Und wie er den Säbel in -ie linke Hand nehmen will, er blickt er in dem Getümmel einen zierliclwn jungen Offizier mit scharfgeschnittenem, ernsten Gesicht Kühl und überlegen sehen Ihn zrvei große blau« Augen an: König Friedrich II. Da trifft Zieserwitz ein fürchterlicher Hieb über den Schädel, die Unifor men verschwimmen vor seinen Augen un- er gleitet aus dem Sattel. Als -ie Husaren ihren Rittmeister z» Boden sinken sahen, wurden sie kopflos, machten Kehrt und suchten ihr Heil in der Flucht. Unterwegs trafen sie auf -en Oberst, der einsah, -aß der Anschlag gescheitert war. In großer Niedergeschlagenheit kehr ten die vesterreick)er In ihr Lager zurück. — ltzeneral Lentnlus, der -en Preußenkönig nicht fangen konnte, wurde nwnlge Wackum später von ihm In -er Scklacht bei Mollmitz geschlagen, wo Lentnlus den rechten Flügel -er österreichischen Reiterei befehligt«. Die grösste Enttäuschung wurde ihm jedoch zuteil, als sein Sohn Robert Scipio von Lcn- tuliis in preußische Dienste trat. Dieser Lentnlus würd' ein tüchtiger preußischer General, auf den Fridcricus große Stücke hielt. Egchünt NonatWn vezuzvut, i to Pfg. Irckgeilohn l 7P PMd«nvet1una«g,bllh,, rmpl-Ni. lo Vts , So, dbbestkllunzen müll«» f»S vgugqelt schrlstll- S«!m ritzer dürfe, dl« Aufgesprungene Lippen Zu Behandlung aufgesprungener Lippen ist als Mittel -er Wahl -er feste Verschluß des Mundes bei jedem Aufent halt im Freien zu empfehlen. Denn dadurch packt man das Ucbel an der Wurzel und behütet -ie empfindsame Schleim haut der Lippen vor jeder weiteren Verwundung, die durch die Befeuchtung derselben mit der Zunge eintreten muß. Wenn aufgesprungene Lippen aber einmal vorhanden sind, kann man sie am beste» mit verdünnter Arnikatinktur behandeln, keines falls aber, wie es vielfach verbreitet ist, Creme oder Salbe verwenden. Durch diese wird -ie Heilkraft -er Schleimhaut vielmehr lediglich »och weiter geschädigt, werden durch feste Fette aller Art doch -ie Poren -er Schleimhaut verschlossen und diese von -er Luit abgeschlossen. Als einfaches Hausmittel kann man auch das Einreibcn mit Glycerin empfehlen, nachdem man die Lippen zuvor mit warmem Wasser abgewaschen hat. Es empfiehlt sich, bei dieser Gelegenheit daraus hinzu weisen, -aß, iver empfindliche Haut hat, sein Gesicht überhaupt nicht mit Seife waschen soll. Der geringe Schmutzbelag, der bei normaler Beschäftigung im Haushalt oder auf dem Büro am Abend die Haut bedeckt, wir- vielmehr am besten mit lau warmem Wasser beseitigt, -em man eine Kleinigkeit Borax zugesetzt hat. Die für -ie Nacht so außerordentlich wichtige Reinigung -er empfindlichen Haut von den Produkten der Talgdrüsen wird auf diese Weise am beste» ermöglicht, damit aber die Voraussetzung für eine schöne straffgespannte reine Gesichtshaul geschaffen. WoM die Ai Dänemark Kopenhagen, Minister hat > läufiges Au- Waren erlassen. Aus Meykjc t u n g s k o st e n dauernd an st ei Butter um 25 r Benzin und Treii Berlin. 2« macht gibt bekann Im Westei Spähtrupp- und ii Die Luftw aus Ausklärungsto Deutsche Vizeadmiral Mari tischen Gewässer d aufgeklärt. Hierb, britischen H nach kurzem trotz sofort einse der Besatzung de. diesen Worten zusammenzuckt; aber sie tut, als bemerke sie gar nicht. „Es wäre nett, wenn Sie uns die Freude machten, mit zu esien. Soviel ich mich erinnern kann, hatten Sie früher Kalbshaxe und Knödel eine besondere Vorliebe." Und nun verstehen es die beiden Frauen, Ullmer so einzu kreisen, daß er mit ihnen zusammenbleibt, sich mit ihnen im Wohnzimmer zusammensetzt und sich von ihnen bedienen läßt. Sie wetteifern beide darin, es ihm so behaglich wie möglich zu machen. Unwillkürlich irrt Ernst Ullmers Blick zu Agnes Winter, und er denkt daran, daß er einmal vor vielen Jahren mit dem Ge danken gespielt hat, diese Frau zu heiraten. Doch damals traf er Jenny, und die gefiel ihm aus den ersten Blick so gut, daß er nicht mehr an eine Verbindung mit Agnes Winter dachte. Aber nun, da er von Jenny so bitter enttäuscht worden war, sagte er sich, daß er vielleicht klüger getan hätte, die gleichaltrige Frau zu heiraten. — wxrtgkt di Karl Köhler To„ Derlin-Echmargendorf. Machdr»6 verdotem) Traubenzucker gegen Muskel rheuma Zu den eindrucksvollsten Schnellheilunqcn, die den Acrzten durch die Anwendung von Injektionen fSprihen) möglich ge worden sind, sind unter anderem diejenigen zu rechnen, die durch die Injektion hochprozentiger Traubenzuckerlösung in rheumatisch infizierte Muskeln erzielt werden können. Musket- rheumalismus ist unter Menschen die den Unbilden winter lichen naßkalten Wetters ausgesetzt sind, zahlreich vertreten, sie büßen durch die dauernden Muskclschmerzen, die vor allem bei jeglicher Bewegung äußerst heftig in Erscheinung treten, ihre ganze Arbeitslust und Lebensfreude, häufig sogar ihre Arbeitsfähigkeit ein. Um so eindrucksvoller ist es. wenn diese, wie man bei Acrzten, die diese Methode anwenden, häufig beobachten kann, gebückt und vorsichtig in die Sprechstunde schleichen, um nach der einmaligen Traubenzucker-Einspritzung in den rheumatischen Muskel als völlig gesunde, fröhliche und bewegunassrcudige Menschen wieder nach Hause zu gehen. Die bei diesen Muskclschmerzen häufig fühlbaren Muskelknoten werden durch die in der Tranbenzuckcrlösung dem Muskel zugeführten Nahrungss'.ofse säst schlagartig beseitigt und jede Schmerzempfindung wird dadurch aufgehoben. Innern, bis er endlich wenigstens eine Erinnerung gefunden hat, bei der -ie Zeit eine wichtige Rülle spielte und er etwa zufällig auf die Uhr gesehen hat. Von da aus wird er dann durch die Erinnerung des Ortes, an dem er sich aufgehaltcn hat. die Erinnerung des Wetters oder der Menschen, die er bemerkte, zunächst einmal die „Sphäre" -es vergangenen Abends rekonstruieren, denn erst aus dieser heraus wird er exakte Erinnerungen reproduzieren können. Psychologische Untersuchungen haben diese Tatsache, daß unsere Erinnerung an die Wiederherstellung der „Sphäre" geknüpft ist, eindeutig Manne, schönselder faßt danach. Gewohnheitsgemäß sucht er nach der Nomanseite, gibt diese seiner Frau und verliest sich j» den politischen Teil. Es wird wieder still zwischen ihnen. Doch schon nach kurzer Zeit wirst Schönfelder die Zeitung hin und wettert: „Nun wird unser friedliches Leben durch die duuune Ge schichte mit Jenny auch noch gestört! Wäre sie lieber sonstwo hingegangen, aber nicht gerade zu uns! Nun möchten wir die ganze Sache mit ausbaden! Dabei habe ich Gott gedankt, daß wir endlich aus den schlimmsten Sorgen heraus waren. Nun sollen wir andern ihre mittragen!" Beschwichtigend hebt Frau Else die Hände und erklärt: „Ein bißchen Dank sind wir ja Jenny schließlich schuldig, wir haben in den letzten Jahren manches Gute von ihr gehabt." Ehe Schönfelder etwas erwidern kann, ertönt abermals die Flurglocke. Wieder eilt Frau Else voller Erwartung hinaus. Auch Schönfelder lauscht gespannt und atmet, erleichtert auf, als er die Worte seiner Frau vernimmt. „Gott sei Dank, daß du da bist, Jenny!" Als Schönfelder die beiden Frauen in die Küche kommen sieht, fügt er dem Ausruf seiner Frau hinzu: „Du hast uns ja einen schönen Schreck eingejagt, Jenny Wir haben uns die schlimmsten Sorgen um dich gemacht!" Else nimmt der Schwester Mantel und Hut ab. Jenny sink: erschöpft auf einen Stuhl. 0»^besorgt wechseln der Mann und die Frau Blicke mitein. Ein Gedrücktsein liegt plötzlich über den drei Menschen. Frau Schönfelder ist an den Herd getreten, nimmt dort die Kaffeekanne zur Hand, süllt eine Taste mit Kaffee und bringt sie der Schwester. , „Hier, Jenny, trink einmal! Du siehst ja entsetzlich aus! Wo bist du denn die ganze Zeit gewesen?" „Ich war in Moritzburg." „Und hast nach den Kindern gesucht?" „Ja!" „Nun? — wie war es?" „Ich habe die Kinder nicht gesehen." „Dann hat sie Ernst also nicht zu feiner Tante gebracht? forscht Frau Else weiter. „Doch! Wenigstens erzählte mir einq Nachbarin der Tante Löber, daß diese drei Kinder zu Besuch habe und mit diesen nach Coswig gegangen sei, um dort verschiedene Besorgungen zu er- ledigen." „Na, das ist ein Glück!" fiel Schönselder erregt ein. „Er wäre ja Heller Wahnsinn gewesen, eine Begegnung mit den Kin dern zu erzwingen! Du würdest die Kleinen nur in einen seelischen Zwiespalt reißen! Was sollen sie denn von dem Vater denken, der ihnen gestern gesagt hat, daß die Mutter krank ist, wenn du heute plötzlich vor ihnen stehst?" „Ja, ja, du hast recht, Georg, sehr recht! Ich habe mir das natürlich, als ich in Moritzburg vor verschlossener Tür stand, auch alles gesagt. Aber heute vormittag, da war ich außerstande, einen vernünftigen Gedanken zu fasten; da hatte ich nur den einen Wunsch, meine Kinder wiederzusehen! — Und vielleicht, wenn es geschehen wäre, daß ich die Kleinen angetrosscn hätte — ich weiß nicht, wie ich euch das erklären soll — ihr habt selbst keine Kinder, ihr wißt vielleicht nicht, wie es einer Mutter zumute ist, dle das Liebste und Beste, was sie besitzt, hergeben soll —, vielleicht hätte ich eine Dummheit gemacht! — Ich sage es euch ganz offen, daß ich dazu entschlossen war!" ,Fortsetzung sotzm Er sieht Jenny wieder vor sich, fühlt ihre tränenvollen Blick« auf sich gerichtet, hört mit eindringlicher Deutlichkeit ihre bittende, bettelnde Stimme, mit der sie ihn um Verzeihung ansleht. Er möchte sich gern von dieser Erinnerung freimachen — kann es aber nicht. Zu gewaltig war das Erlebnis, es hat ihn ln seinen tiefsten Tiefen aufgewühlt und läßt ihn nun nicht schlafen. Nie hat er Jenny so vor sich gesehen, wie gestern Nach mittag. Ja, er vermag sich nicht einmal daran zu erinnern, daß er Jenny jemals hat weinen sehen. Immer war sie froh gewesen, immer hatte sie ein lächelndes Gesicht gezeigt. Verbittert lachte er vor sich hin. Da er nicht länger das Opfer seiner quälenden Gedanken sein will, erhebt er sich und beginnt sich anzukleiben. Um sich von dem schmerzhaften Druck, der seine Stirne wie ein eisernes Band umschließt, freizumachen, um möglichst rasch frisch zu werden und jede Müdigkeit zu bannen, steckt er den Kopf In eiskaltes Master. Während er eine Zeitlang eifrig im Master pantscht, kommt Frau Theres Geisheimer wieder zu ihrer Schwester in die Küche und ruft dieser zu: „Schnell, Agnes, setze das Knöbelwaster auf das Gas. Ullmer ist schon wieder aufgestanden." Frau Agnes Winter lacht schadenfroh. „Na ja, den lasten die Sorgen nicht schlafen." „Um so zugänglicher wird er für unseren Trost fein, Agnes." Wiederum lacht Frau Agnes Winter. „Du bist eine richtige Kupplerin, Theres!" Frau Gersheimer eilt wieder in den Flur hinaus, um ja nicht- zu verpassen, wenn Ullmer sein Zimmer verläßt. Das ist auch schon nach kurzer Zeit der Fall, Ullmer hat den Wunsch, möglichst rasch unter Menschen zu kommen. „Da schau her, der Herr Ullmer!" sagt die Geisheimer scheinheilig, als er in den Flur kommt. „Das schöne Frühlings wetter läßt Sie wohl heute nicht schlafen? — Aber schön ist es, Herr Ullmer, daß Sie zeitig aufgestanden sind; da können Sie gleich meine Schwester Agnes — Sie erinnern sich doch noch an Agnes —?" Ullmer lächelt verlegen. „Freilich erinnere ich mich noch an Frau Winter." „Sie ist heute gerade zu vejuch bet mir, Herr Ullmer. Ich habe aus diesem Grunde eine saure Kalbshaxe und Knödel zu bereitet. Machen Eie uns doch die Freude, Ullmer, und essen Sie mit uns." Als sie sieht, daß Ullmer unschlüssig ist, faßt sie ihn am Arme und zieht ihn mit sanfter Gewalt in die Küche. Ehe Ullmer noch weiß, was geschieht, steht er Agnes Winter gegenüber, die nun ebenso listig Komödie spielt, wie ihre Schwe ster. Sie hat sich sehr hausfraulich zurechtgemacht und über das dunkelblaue Kleid, das sie aus der Reise anhatte, eine Wirtschafts schürze ihrer Schwester gebunden; und ha ihr derbes, Voiles Gesicht vom Kochen gerötet ist, macht sie einen sehr netten Eindruck. Ohne jede Verlegenheit begrüßt sie Ullmer. „Das ist ja ein Zufall, daß wir uns wieder einmal treffen!" sagt sie. „Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Herr Ullmer! Meine Schwester hat mir schon erzählt, wie gut es Ihnen in den letzten Jahren gegangen ist!" Mt heimlicher Genugtuung stellt sie fest, daß Ullmer bei ' ! das General Tentulus will Friedrich II. fangen Geschichtliche Erzählung von Franz Heinrich Pohl Feldmarschalleutnant Cäsar Joseph von Lentnlus. ein General Maria Theresias, erklärte den ihn umgclumden Reitcr- ossizierrn die Lage: „König Friedrich befand sich bisher hier", cr wies auf di« Karte, „in Silberberg, dessen Befestigungen er ungemein verstärkt hat. Jetzt ist er ausgebrochen und will an dem wichtigen Paß zwischen Eulen- und Reiclumsteiner Gebirge Verhaue anlegen lassen. Wie ich aus völlig sick)erer Quelle erfah ren habe, hat der König nur geringe Begleitung. Meine Herren, Sie müssen ihn gefangcnnehmcn!" Große Ueberraschung malte sich in den Zügen der Offiziere. „Herr Oberst", Lentnlus wandte sich an einen vierschrötigen Offizier mit mächtigem grauen Schnauzbart, „Sie lassen sofort vier Eskadrons Husaren aufsitzcn und reiten mit größter Eile nach Wartha. Es müßte doch mit dem Teufel zugehcn, wenn mir den König nicht erwischten!" Ein paar Minuten später trabten einige hundert österrei chische Husaren mit verhängten Zügeln die nach Wartha füh rende Straße hinunter. Es war ein schöner Vorsrühlingstag. Zwar trugen die Gcbirgskämme noch Schnee, aber aus den Wie. son leuchtet« es gelb und weiß in saftigem Grün, und viele Rinnsale führten emsig murmelnd und glucksend das Schmelz wasser zu Tal. Doch die österreichisclxm Husaren hatten keinen Blick für die Schönheit der envack-enden Natur, sie dachten nur an das edle Wild, das sie erjagen sollten. Rittmeister von Zieserwitz, einer der Schwadronsführer, ein noch junger, aber wegen feines Mutes und seiner Tapfer keit bekannter Offizier, wünschte seinem Pferde Flügel. Er wollte <s sein, der mit seinen Husaren -en Preußenkönig fing! Hier wahr Ruhm zu erringen, winkten Beförderung und Be lohnung! Der Rittmeister war arm. er hatte der Braut, mit der er schon jahrelang verlobt war, bei Beginn des Feldzuges voller Zuversicht versprochen, daß sie nun mcht mehr lange zu warten brauchte, denn im Kriege gäbe es für einen tüchtigen Offizier ganz andere Möglichkeiten, sich auszuzeichncn. Jetzt war die er- fehntc große Gelegenheit gekommen! Die Hoffnung der Oestcrreick)er, ln schnellem, ungehinder tem Spazierritt nach Wartha z» gelangen, wurde getäuscht. Als sie den Wald erreicht hatten, der sich fast ununterbrochen bis Wartha erstreckt, stürzten sich preußische Reiter auf sie. Aber es war nur eine schwache Schwadron Schulenburg-Dragoner, die trotz tapferer Gegenwehr bald der großen Uebermacht weichen mußten. Der österrelchiscye Oberst befahl, die fliehenden Preu- ßen zu verfolgen und recht viele gefangenzunehmen. Rittmeister von Zieserwitz. der kostbare Zeit ungenützt verstreichen sah, drängte sein Pferd an das des Kommandeurs. „Halten zu Gnaden, Herr Oberst", sagte er aufgeregt, „bei der Verfolgung verspäten wir uns nur, womöglich wird der König geivarnt, und unsere Unternehmung Ist vergebens!" „Hat Er hier das Kommaicho oder ich?" donnerte der Oberst. Aber die Richtigkeit des Einwandes erkennend, be ruhigt« er sich sogleich und setzte brummend hinzu: „Meinet, wegen reite Er schon nach Wartha und sehe Er, was Er tun kann. Wir folgen nach." „Zu Befehl. Herr Oberst!" Zieserwitz war überglücklich, seine Augen glänzten vor Freude: jetzt wär -er Preußenkönig in seine Hand gegeben! Er hob den Arm, gab seinem Pferde die Li-, -t -
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