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Wilhelm und Laroline Herschel Vsn Professor Fortsetzung. Die Familie wuchs von Jahr zu Jahr. Das älteste Kind, ein Mädchen, nannte er aus Verehrung filr die edle Gönnerin des grotzen Leibniz Sophie. Das zweite, etnen Sohn. Jakob. Dabet spielte wohl der pietätvolle Gedanke mit, die mit Abra ham begonnene biblische Namenskette der Familie nicht ab- reitzen zu lassen. — Isaak Herschel fühlte sich, obwohl zuge wandert. bald als echter Hannoveraner. Er hatte einen na türlichen Sinn für alle Gröhe, wo immer sie ihm entgegentrat. Daher verehrte er den tatkräftigen Bürgermeister Grup.en, der alles tat, um das Selbstvertrauen und die Unternehmungs lust der Bürgerschaft zu heben, und der noch als Siebzigjähriger mit Recht von sich sagen konnte: „Ich habe die Tage meines Lebens nicht viel mehr denn fünf Stunden geschlafen, und noch jetzo gehe ich nimmer vor Mitternacht zu Bette". Isaak Herschel bewunderte das unermüdliche Stadtoberhaupt. Nicht nur zog Grupen immer neue tüchtige Handwerker, namentlich aus dem Gewerbe der Tuchmacher, in die Stadt — er errichtete ein Krankenhaus für Mittellose, lieh die überflüssig und hinderlich gewordenen Befestigungen am Aegidientor niederlegen und die Aegidien-Neustadt bauen s1747), erbaute der aufblühenden Ge meinde zwischen den Acckern und Gärten vor dem Aegidientor ein Gotteshaus und durchforschte unablässig die Urkunden der Stadt, um ihre Rechte und Besitzungen festzustcllen. Es war für Isaak Herschel nicht Immer leicht, seine zahl reiche Familie zu ernähren, sauber zu kleiden und den Kindern eine möglichst sorgenfreie Jugend zu bieten. Die Lasten wurden von Jahr zu Jahr drückender Der Vater hatte nur noch wenig freie Zeit: Sein Beruf, dazu die vielen Privatstunden und die freiwillige Leitung oder Mitwirkung bei Konzerten hätten für sich allein schon genügt, um ein Tagewerk auszufüllc». Doch nicht genug, — der Vater nützte jede Gelegenheit, um seine Heranwachsenden Kinder aus zubilden, insbesondere auch in der Musik. Zwar schickte er sic, sobald es an der Zeit war, auf die Garnisonschule, die im alten Heiligen-Geist-Hospital In der Knochenhauerstrabe eingericktct war. aber er half ihnen, so gut er konnte, bei den Aufgaben In Englisch, Französisch, Latein, Mathematik. Physik. Und da man bekanntlich durch Lehren lernt und durch Lernen Ge schmack am Weiterlcrnen bekommt, so betrieb der Vater immer umfangreichere und gründlichere Studien. Er las außer Leib niz die Ihm zugänglichen Werke eines Newton, Euler und vieler anderer bedeutender Denker und Forscher. — Allerdings war Isaak Herschel infolge seiner militärischen Verpflichtungen häu fig auf Wochen abivesend. Die Mutter hatte dann ihre liebe Not, die Kinderschar im Zaum zu halten. Ein harter Schlag für das Land und damit auch für die Familie Herschel war der Ocsterreichische Erbfolgekricg, in den Hannover durch die Politik Georgs II., Kurfürsten von Han nover und Königs von England. HInclngezogen wurde. Der König und Kurfürst befehligte selbst die „Pragmatische Armee", die auf selten der Kaiserin Maria Theresia focht, und zeichnete sich durch seine bewundernswerte Tapferkeit gegen die Fran zosen aus. Er besiegte die Feinde der Kaiserin am 37. Juli 1743 in der Schalcht bei Dettingen am Main Der fran zösische Marschall Noaillcs mnktc die Waffen strecken und das Kampffeld räumen. Endloser Regen strömte vom Himmel. Die siegreichen Truppen hatten keine Zeit zur Siegesfeier. Sie mutzten die ganze Nacht über auf vom Reaen völlig durch weichten Felde stehen. Todmüde von der Anstrengung bettete sich mancher so gut es möglich war. Der Hoboist .Herschel lag erschöpft in einer nassen Ackerfurche. — Eine schwere Er krankung. die zu monatelanaer Lähmung aller Giiedmatzen führte, war die Folge. Der Musiker erholte sich zwar Im Laufe der Jahre, aber seine Gesundheit blieb fortan dauernd ge schwächt, und hartnäckiges Asthma beschwerte ihn bis zum Le bensende. Düstre Schatten fielen auf die Familie, deren ältestes Kind etwa elf und deren jünastes, Wilhelm, etwa fünf Jahre zählte Die Fürsorge kür die Kriegsopfer war In jenen Zeiten äußerst mangelhaft. Der Vater konnte seinen Berns zunächst nicht mehr ausübcn, und selbst mit den privaten Musikstundcn und Konzerten war es für lange Zeit vorbei. In dieser Zelt harter Heimsuchung tröstete sich Isaak Herschel mit seinen Büchern und mit dem Blick zum Sternen himmel. Die Liebe zur Himmelskunde war längst In Nun ge weckt worden durch di-- Schriften der Philosophen und Mathe matiker. die er mit Vorliebe las. Immer wieder, besonders auch bei den nächtlichen Hebungen des Garderegiments und auf den Feldzügen schaute er zum nächtlichen Sternenhimmel em por. Er kannte die Sternenbilder, Fixsterne und Pianeten fast alle mit Namen. Nun. In seiner Krankheit, tat er es mehr als je, um über die erbärmliche Winzigkeit des Menschen lebens Hinwegzukommen und nm Abstand zu gewinnen von der Erde, ihrem Leid und ihrem Alltag. Wenn er hinaus blickte In die Unendlichkeit, die sich über ihm wölbte, schrumpfte diese kleine Erde und mit ihr sein Leid zusammen zum Nichts. Still und leuchtend ziehen die ewigen Gestirne Ihre Bahn. Bei ihrem erhabenen Anblick, erlebte er die innere Stille und Lösung, ein Schaudern und Ahnen ging durch seine Seele, er fühlte sich dem Geheimnis des Lebens näher und den Urgrün den des Seins. Und nun ging er mit den größeren Kindern daran. Erd karten und Himmelskarten zu zeichnen, physikalische Instru mente zu verfertigen, besonders solche, die eine bessere Beobach tung des Sternenhimmels ermöglichen. Namentlich der kleine Wilhelm machte dabei dem Vater viel Freude. Schon als Vierjähriger, der kaum imstande war. mit den kleinen Händ chen die Geige zu halten, erlernte Wilhelm das Violinspiel. Je grötzer er wurde, desto mehr war seine aukergewöhnlickie Begabung zu erkennen. Als Achtjähriger überflügelte er, na mentlich in den Sprachen, seinen durchaus fleißiacn und be gabten. um vier Iakre älteren Bruder Jakob. — Als Wilhelm etwa elf. Jakob fünfzehn Jahre alt war. ging es abends mun ter zu in der Familie Herschel. Der Vater nahm seine Kinder, wenn nur der Sternenhimmel elniaermahen sichtbar war, mit hinaus vor die Tore der Stadt. Auf den Feldern der Garten vorstadt am Aegidientor, in der Leincmasch oder gar auf dem Lindener Berge stand er oU mit seinen Kindern und erklärte ihnen soweit er es vermochte, den Sternenhimmel. Er zeigte Ihnen die damals bekannten sechs Gestirne, die mit der Erde zusammen die Sonne umkreisen: Merkur, Venus Mars, Mond. Jupiter und Saturn, „die heilige Sieben,ahl der Planeten", sagte der Vater voll Ehrfurcht. „Sieben ist die Zahl der Voll kommenheit". Er nannie und deutete Ihnen den Tierkreis: Midder. Stier, Zwillinge, Krebs. Löwe. Jungfrau. Waaoe, Skorpion. Schütze. Steinbock, Wassermann „Die heiliae Zwölf zahl der Sternbilder", fügte er dann wohl hinzu Er zeigte den Kindern, wie man seicht und sicher den Polarstern aufsucht: „Denkt euch die beiden letzten Sterne des Grotzen Magen, wir wollen sie einmal die Hinterräder nennen, durch «tue Gerade verbunden und diese Gerade nach oben hinaus versängert — so begegnet ihr dem Stern, der euch die Nord richtung weist, dem Polarstern." Die Kinder lauschten wie ge bannt, wenn der Vater ihnen die uralten Sagen erzählte und deutete, welche die Namen der Sterne und Sternbilder zu er klären suchten. „Warum heitzt dieser Stern Kastor, jener Pollux?" fragte der kleine witzbegierige Wilhelm, als sie in einer klaren Dezembcrnacht vom Lindener Berge aus die Sterne beobachteten. „Kastor und Pollux waren unzertrennliche Freunde. Kastor war unübertrefflicher Läufer, Pollux unbc- Otto Urbach fiegbarer Faustkämpfer. Aber Kastor war Sohn eines sterb lichen Menschen und daher selbst sterblich, Pollux Sohn des unsterblichen Gottes Zeus und daher unsterblich. Da geschah es, datz Kastor in einem Streite getötet wurde. Pollux war tiefbetrübt, er bat den Vater, ihn doch auch sterben zu jassen, damit er im Totenreiche wieder vereinigt würde mit dem Freunde. Diese Bitte konnte der Göttervater zwar nicht er füllen, denn Pollux war unsterblich. Aber er versetzte die beiden Unzertrennlichen als Sterne in den Himmel, dort sollten sie leuchten immer und ewiglich!" — „Vater", erwiderte Wil helm, „nicht wahr, die Geschichte hat etwas zu bedeuten?" — „Was meinst du. Wilhelm?" — „Ich meine, die Geschichte will uns lehren, datz treue Freuude immer ein Vorbild sind!" — Der Vater erklärte seinen Kindern nicht nur die Sterne. Er erzählte ihnen auch manches ans der Geschichte ihrer Hei matstadt. Oft blieb er mit ihnen vor irgendeinem alten Hanse, z. B. der Klickmühle, stehen. Die Kinder, besonders aber Wilhelm, fragten unablässig: „Vater, wann wurde dieses Haus gebaut? Wem hat es ursprünglich gehört? Erzäbl' uns eine Geschichte von diesem Hanse!" Und Isaak Herschel war so recht glücklich, wenn die Kinder möglichst viele Fragen stellten. Und wenn es bisweilen geschah, datz er selbst keine Antwort mutzte, dann rastete er nicht eher, bis er sich durch Erkundi gungen bei einem befreundeten Ratsherrn oder Gelehrten oder aus Büchern und Urkunden Aufschluß geholt hatte. Auch der greise Bürgermeister Grupen, der selbst die Stadtgeschichte ge nau kannte, freute sich von Herzen, wenn Isaak Herschel in seinem Amtszimmer im Alten Rathaus an der Köbclinaer Stratzc erschien, um sich eine solche Auskunft zu holen. — Ein beliebter Sanntagsspaziergana der Familie Herschel an dem oft auch die Mutter teilnahm und das am 1». März 1750 geborene Töchterchen Caroline mitgenommen wurde, war der durch Weidenallecn und weite Wiesenflächen immer der Leine ent lang führende Weg nach Döhren. Der von Bürgermeister Grupen 1737 bis 1747 neugcbaute „Schnelle Graben", der die niedrig gelegene Kalenberaer Neustadt bei Hochwasser vor lle- berschwemmunaen zu schützen hatte, war für die Kinder stets ein Erlebnis. Bei Döhren. Hemmingen oder Wilkcnburo in der fruchtbaren Leinemarsch wurde dann gemeinsam gefrühstückt. Wilhelm und der sieben Jahre jüngere Alexander kannten bald den Namen jedes Pferdes und jeder Kuh auf den eingefriedig- ten Weiden. Sie gingen ganz In der Natur ihrer Heimat aus. Aus dem Stiftsgymnasium von Kremsmünster war der junge Adalbert Stifter aus Oberplan im Böhmerwald einer der Besten: als Primus seines Jahrganges erhielt er durchweg die Note „Erste Klasse mit Vorzug" und warf so gründlich alle düsteren Prophezeiungen des Oberplaner Kaplans über seine schlechte Begabung zum Studium über den Hausen. Sein Lehrer P. Placidus Hall fand besonderen Gefallen an ihm und neigte sich ihm in väterlicher Freundschaft zu. Des Dichters Herz hat vieles von diesem prächtigen Menschen und Erzieher ausgenom men und durch sein ganzes Leben bewahrt ivie z B. jenes piato- nisierende Wort, datz „das Schöne das Göttliche im Gewände des Reizes" sei. Nun hat sich für diese Freundschaft noch ein schönes Zeugnis gesunden in Form eines vierseitigen Brieses, den der 17jährige Stistsschüler zu Beginn der Ferien des Jahres 1822 an seinen Lehrer P. Placidus Hall schrieb. Dieser Brief, der sich überraschenderweise in der Stistsbibjiolhek Kremsmün ster gefunden hat, ist der einzige bisher bekannte aus der Schulzeit des Dichte rs und vermehrt die recht spärlich erhaltenen Iugendbric.se um ein bedeutsames Stück. Gustav Wilhelm, der Herausgeber des Briefivechsels des Dich ters in der grotzen kritisck-en Ausgabe von „Adalbert Stifters Sämtlichen Werken" als großartige Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in Prag sSudclendcut- sck>cr Verlag Franz Kraus zu Reichcnberg), veröffentlicht jetzt im 8. Band des Briefwechsels sdcm 24. Band der Gesamtausgabe) erstmals diesen Fund. Der Brief ist ganz in lateinischer Sprache geschrieben, in einem gewandten und flüssigen Stil, der Lehrer wie Schüler alle Ehre macht. Die Veranlassung des Briefes dürfte wohl eine als Belohnung gedacht« Einladung des Lehrers an Adalbert Stifter sein, einen Teil der Ferien in Kremsmünster zuzubrin gen. Und in launiger Weise wird er die Eingeladensn — es wurde wohl noch der oder jener so ausgezeichnet — aufgcfordert haben, ihm in «mein lateinisch geschriebenen Briefe Nachricht zu geben. Stifter sagt nun in einem längeren Schreiben ab und gibt dabei einen Einblick in die häuslichen Verhältnisse, der recht interessant ist. So hebt der Brief an: „Ich bin recht traurig darüber, daß nicht ich zu Dir komme, sondern ein Bries. Was ich befürchtet hatte, ist eingetrelen, denn ich habe mir von dem Neide, das Ich mir im vergangenen Jahre erworben halte, einen Anzug mack-cm lassen, daher fehlt mir das für die Reise nölige Geld. Und nicht nur das hindert mich, zu Dir zu kommen, sondern auch der Mille, vielmehr die Bitten der Mutter haben mich be stimmt. Der Vater zwar ließ mir di« Freiheit, nach meinem Aleine medizinische Rundschau Gesundheitliche Bedeutung der Artischocke Die Artischocke, die den meisten Menschen nur als ein Nahrungsmittel bekannt ist. besitzt überraschenderweise auch eine Reihe von Heilwirkuiyzen. So steigert sie die Absonderung der Galle, erhöht die Sekretion der Niere bei gleichzeitiger Mehrausscheidung von Harnsäure und Stickstoff und vermin dert umgekehrt den sogenannten Reststickstosf im Blute, der vor allem bei manchen krankhaften Nierenprozessen erhöht ist. Außerdem bewirkt sie auch eine vermehrte Ausschüttung ge wisser fettähniichcr Stosse, die für die Entstehung der Arterien verkalkung eine gewisse Rolle spielt. Alle diese Beobachtungen lassen eine Mitverwendung der Artisckwck« als Heilmittel bei Leber- und Nierenleiden wie auch bei manchen Gefäßerkran kungen als durchaus aiigezeigt erscheinen. Nagenkreid« al» Heilmittel In zunehmendem Umfange ist es gelungen, in den letzten Jahren die den Kreidestoffen innewohnenden Heilkräfte für die Behandlung einer Reihe von menschlichen Leiden dienstbar zu machen, wie die wiederholten Mitteilungen Rügener Acrzte erkennen lassen. Die Kreide, die vorwiegend aus dein Kalk gerüst abgestorbener Foraminiferen besteht, vermag sehr viel Wasser und gleichzeitig auch Wärm« aufzunehmen, und zwar sogar für längere Zeit als der Fango und das Moor. Alle diese Eigenschaften, verbunden mit der schönen weißen Farbe Der Heimweg führte meist am ehrwürdigen Döhrenec Turm vorbei, ivo der Vater jedesmal die Geschichte von dem Ueber- fall Herzog Heinrichs des Aeltercn von Braunschweig-Wolfen« büttel, am 24. Novenzber 1490, erzählen mußte. „Schon ein« mal, nämlich vier Jahre zuvor, hatte. Herzog Heinrich versucht, die Stadt zu überrumpeln. Die städtischen Wächter auf dem Turme sielen im verzweifelten Kampfe gegen die hundertfack)« Ucbermacht. Einem von ihnen gelang es, den Ring der Feinde zu durchbrechen, sich aus ein Pferd zu schwingen und trotz wilder Verfolgung durch die Feinde das Aegidientor zu erreichen. Rechtzeitig konnte das starke Tor geschlossen und verteidigt werden. Die anderen Wächter des Döhrcncr Turms verbrann ten In dem Feuer, das der Herzog um den uneinnehmbaren Turm anlegen ließ. Wir rühmen die Heldentaten der Spar taner unter König Leonidas. Sollten wir nicht stolz sein auf Hannovers Spartaner?" — Die Kinder stimmten begeistert zu. Als der Vater nun weitererzählte, wie Herzog Heinrich nm 24. November 1490 einen zweiten Uebersall auf die Stadt vor bereitete. indem er ohne Kriegserklärung ein großes Heer im Schutze der Nacht bis in die Eilenriedc vorrücken, die Wächter des Döhrener Turms feig überfallen und niedermachcn. eine Anzahl von Kriegsknechten in bäuerliche Frachtwagen verstecken ließ, die dann im Morgengrauen in die ahnungslose Stadt hineingefahren werde» sollten, als er weitererzählte, wie der hannoversche Bürger Kurd Borgenstrick, der am frühen Morgen vor die Stadt ging, zu seinem tödlichen Schrecken entdeckte, daß der Kirchhof an der Marienkirche beim Aegidiendamm mit bewaffneten Leuten besetzt war, und nun ungeachtet der ihm drohenden Gefahr den Torwächtern zurief: „Schließt sofort die Tore! der Feind steht vor der Stadt!", als er erzählte, wie der Heldenmut dieses Bürgers die Stadt vor der Plünderung und Einäscherung bewahrt hatte, da leuchteten die Augen der Kin der. Sie sahen im Geiste die Lanzen. Helme und Schilde der herzoglichen Söldner im Schein der Morgensonne blitzen, fahen die endlose Reihe der mit Leinentuch bedeckten Frachtwagen, in denen die Kriegsknechtc steckten, und die Kolonnen der Rei ter und Fußsoldaten Herzog Heinrichs vor der bereits ver schlossenen und von wehrhaften Bürgern verteidigten Stadt. „Kurd Vorgenstrick fiel dem Zorn des Herzogs zum Opfer; die Ziegeleien vor dem Aegidientor gingen in Flammen auf, — aber der Herzog mutzie, als auch die Belagerung der Stadt und ein Angriff von der Seite des Leinctors sehlschlug, nach mehr als sieben Wochen unverrichteter Dinge abziehe»". „Erzähl doch den Kindern nicht immer lo grausige Ge schichten". bat die besorgte Mutter Herschel. „Sie träumen nur davon und schlafen schlecht!" — „Mutter", ries Wilhelm, „wenn jene Helden, die unsere Stadt aerettet haben, nicht gewesen wären, dann hätte wohl mancher Bürger — schlecht geschlafen"« Fortsetzung folgt. eigenen Willen zu handeln, riet mir aber mehr dazu, zu Haukt zu bleiben. Tenn Du hast, sagte er, eine lange mühsame Reis« zu machen und ruinierst Dir bei dem schlechten Wetter durch die beschiverliche Wanderung Deine Kleider: denke auch daran, daß ich nicht allein für Dich, sondern auch für Deine Brüder zu sorgen habe, und mein« Arbeit bürste mir nicht viel «intrage». Wenn Du aber reisen willst, steuere ich sehr gern das Meinige dazu bei; shier zitierte er folgenden Vers! .Behaart ist an der Stirn« die Gelegenheit, doch an dem Hinterhaupte ist sie kahl". Die kleine Sck-elmerei des Briesschreibers, seinem Stief vater und biederen Obcrplancr Bäckermeister Friedrich Mayer dieses Zitat aus der Spruchsammlung des älteren M. Porcius Cato in den Mund zu legen — es ist vielleicht des älteren im Unterricht gefallen — wird dem Lehrer wohl ein heiteres Lächeln abgcnötigt haben. Im zweite» Teil seines Briefes führt der Schüler dann einen anderen gewichtigen Grund für seine Absage an: di« ihm zum Nachhilfeunterricht überwiesenen Knaben habe er „als große Ignoranten erkannt. Sie können nämlich nur deklinieren; da her hielt ich es für meine Pflicht, ihnen di« Anjangsgriinüe der lateinischen Sprache klarzumachen, damit ick nicht in Krems münster wegen der .Böhmen' vor Tck-am erröten muß." sWir folgen immer der Uebersetzung des Briefes von Gustav Wilhelm-) Dieser Satz von den .Böhmen' zeigt recht schön den landsmann- schastlichen Stolz Stifters. Die Böhmen sind in Schule» von Schülern aus anderen Gauen wahrsckn.iniich öfters wegen ihrer Mundart gehänselt worden, woraus der Dichter fa auch später in seiner Erzählung der Waldgänger anspielt: ..Als wir dann in der lateinischen Schule waren, wohin so viele Mitschüler aus allerlei Tl)eilen des Landes zusammenkamen, di« unser« Sprache sehr verschieden redeten, sich gegenseitig auszogen, und uns über manck»« unserer Eigenlhiimlichkeilen höhnten, bekamen wir sel ber Mißtrauen in die Sprache, die wir redeten." Diese schön« Bries erhöht mit öl anderen Briesen. Wid mung»- und Albumblältern l23 davon sind bisher noch nicht ver öffentlicht). di« der neue Band bringt, die Zahl der Stifter- Briese auf 967 Nummern. Das ist ein Bestand, den sich Aprent, Stifters Freund, bei seiner ersten dreibändigen Briefausgabe, die 366 Stücke vorlegte, sicherlich nicht hatte träumen lassen. Richtig ist aber sein« Begründung zu der geringen vorhandenen Zahl von Iugendbricfcn Stifters geblieben: „So lange er noch keinen Namen halte, dacht« man auch nicht dran, sein« Brief« zu bewahren, zudem waren die Empsänger meist junge Leute, noch ohne festen Wohnsitz." Um so kostbarer ist uns der neue Fund! Hubert Buttcrw»ggc. der Kreide und ihrer Geruchlosigkeit, haben den Gedanken nahelcgen müssen, diese Erde, am besten mit Secwasser ver rührt, zu Heilbädern bei chronischen Frauenleiden, bei rheuma tischen Erkrankungen der Weichteile und Knochen, wie auch bei den verschiedensten Gcienkerkrankungcn zu verwenden. Die bisher erziehltcn Erfolge sind durchaus erfreulich, was um so höher zu bewerten ist, als es sich bei dieser Kreide um ein rein deutsches Erzeugnis handelt und die Behandlung auch al» Hauskur durchgeführt werden kann. Krankenhäuser al» Arzneipslanzer Die Einfuhr von Arzneipflanzen hatte in Deutschland von jeher einen recht hohen Einsatz von Devisen erfordert. Man war deshalb In den letzten Jahren bestrebt, in Deutschland selbst Boden sür den Anbau notwendiger Heilkräuter zur Ver fügung zu stellen. Im Rahmen dieser Aktion ist es erfreu licherweise gelungen, allein In den Gärten der Berliner Kran kenanstalten tm Jahre 1938 mit Kamille nicht weniger al» 4440 Quadratmeter, mit Pfefferminze 4015, mit Salbei 1540, mit Baldrian 7984, mit Primel 2300 und mit Maiglöckchen 500 Quadratmeter zu bepflanzen. Es dürste daher eine ganz erheb liche Entlastung unseres Devisenmarktes zu erwarten sein, wenn in Zukunft sämtliche deutschen Krankenanstalten aus ihren oft ungenutzten Grünflächen Heilkräuter anpslanzen. Gleichzeitig hätte dies den Vorteil, daß auch das Kranken- pfiezzepersonal und schließlich auch die Kranken selbst mit der Natur unserer Heilkräuter wieder besser vertraut würden. Lin Brief des Schülers Adalbert Stifter Einzigartiger Fund in der Stiftrbibliothek Avenrrnriinstev