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18 angenehm, witzig! — Wer wird darum eine Frau nehmen? Das vergeht so in den ersten Zeiten de« Ehestands. Ach! sagt einer, sie soll schön sein, reizend, ausnehmend schön. — Da ist'« zu be- greifen, sagt ein anderer — Ela Vigo (wird verwirrt, ihm entfährt ein tiefer Seufzer). Ach! Carlos. Schön? O! sagt die eine, es geht an! Ich Hab' sie in sechs Iah. ren nicht gesehn. Da kann sich schon was verändern, sagt eine andere. Man muß doch Acht geben, er wird sie bald produziren, sagt die dritte. Man fragt, man guckt, man geht zu Gefallen, man wartet, man ist ungeduldig, erinnert sich immer des stolzen Clavigo, der sich nie öffentlich sehen ließ, ohne eine herrliche, hochäugige Spanierin im Triumph auf» zuführcn, deren volle Brust, ihre glühen den Wangen, ihre heißen Augen die Welt rings umher zu fragen schienen: Bin ich nicht meines Begleiters werth? und die in ihrem Uebermuth den seidnen Schlepprock so weit hinten aus im Winde segeln ließ, als möglich, um ihre Erschei nung ansehnlicher und würdiger zu ma- chen- — Und nun erscheint der Herr — und allen Leuten versagt das Wort im Munde — kommt angezogcn mit seiner trippelnden, kleinen, hohläugigen Fran zösin , der die Auszehrung aus allen Gliedern spricht, wenn sie gleich ihre Todtenfarbe mit Weiß und Roth über pinselt hat. O Bruder, ich werde rasend, ich laufe davon, wenn mich nun die Leute zu packen kriegen und fragen und quä- stioniren und nicht begreifen können — Clavigo (ihn bei der Hand sagend). Mein Freund, mein Bruder, ich bin in einer schrecklichen Lage. Ich sage dir, ich gestehe dir, ich erschrak, als ich Ma- rien wieder sah! Wie entstellt sie ist, - wie bleich, abgezehrt! O das ist meine Schuld, meiner Verrätherei! — Carlos. Possen! Grillen! Sie hatte die Schwindsucht, da dein Roman noch sehr im Gange war. Ich sagte dir's tausendmal, und — Aber ihr Liebhaber habt keine Augen, keine Nasen. Clavigo, es ist schändlich! So alles, alles zu ver gessen, eine kranke Frau, die die Pest unter deine Nachkommenschaft bringen wird, daß alle deine Kinder und Enkel so in gewissen Jahren höflich ausgehen, wie Bettlerslämpchen. — Ein Mann, der Stammvater einerFamilie sein könnte, die vielleicht künftig — Ich werde noch närrisch, der Kopf vergeht mir. Clavigo. Carlos, was soll ich dir sagen! Als ich sie wieder sah, im ersten Taumel flog ihr mein Herz entgegen — und ach! — da der vorüber war — Mit- leiden — innige tiefe Erbarmnng flößte sie mir ein: aber Liebe — sieh! es war, als wenn mir in der Fülle der Freuden die kalte Hand des Todes über'» Nacken führe. Ich strebte munter zu sein, wie der vor denen Menschen, die mich um gaben, den Glücklichen zu spielen: es war alles vorbei, alles so steif, so ängst lich. Wären sie weniger außer sich ge wesen, sie müßten's gemerkt haben. Carlos. Hölle! Tod nnd Teufel! und du willst sie hcirathen? — Clavigo ssteht ganz in sich selbst ver sunken, ohne zu antworten). Carlos. Du bist hin! verloren auf ewig! Leb' wohl, Bruder, und laß mich alles vergessen, laß mich mein einsames Leben noch so ausknirschen über das Schicksal deiner Verblendung! Ha! das alles! sich in den Angcn der Welt ver ächtlich zu machen, und nicht einmal da durch eine Leidenschaft, eine Begierde be friedigen! dir muthwillig eine Krankheit zuziehcn, die, indem sie deine innern Kräfte untergräbt, dich zugleich dem An blick der Menschen abscheulich macht. Clavigo. Carlos! Carlos! Carlos. Wärst du nie gestiegen, um nie zu fallen! Mit welchen Augen wer den sie das ansehn! Da ist der Bruder, werden sie sagen! das muß ein braver Kerl sein, der hat ihn in's Bockshorn gejagt; er hat sich nicht getraut, ihm die Spitze zu bieten. Ha! werden unsre schwadronirenden Hofjnnker sagen, man sieht immer, daß er kein Cavalier ist. Pah! rust einer, und rückt den Hut in