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bis Sie, einer solchen Gesellschaft über drüssig, hinter Buenretiro meiner los zu werden gesucht haben. Bin ich glück licher als Sie: ohne den Gesandten zu sehn, ohne mit einem Menschen hier ge sprochen zu haben, fass' ich meine ster- bende Schwester in meine Arme, hebe sie in den Wagen und kehre mit ihr nach Frankreich zurück. Begünstigt Sie das Schicksal, so habe ich das Meine ge- than, und so lachen Sie denn auf unsere Kosten. Unterdessen das Frühstück! (Beaumarchais zieht die Schelle. Ei» Be dienter bringt die Chokolade. Beaumarchais nimmt seine Taste und geht in der anstoßen den Galerie spazieren, die Gemälde betrachtend.) Clavigo. Luft! Luft! — Das hat dich überrascht, angepackt wie einen Kna ben — Wo bist dn, Clavigo? Wie willst du das enden? — Wie kannst du das enden? — Ein schrecklicher Zustand, in den dich deine Thorheit, deine Verrä- therei gestürzt hat! (Sr greift nach dem Degen aus dem Tische). Ha! Kurz und gut! — (Läßt ihn liegen.) — Und da wäre kein Weg, kein Mittel, als Tod — oder Mord? abscheulicher Mord! — Das unglückliche Mädchen ihres letzten Trostes, ihres einzigen Beistandes zu be rauben, ihres Bruders! — Des edlen, braven Menschen Blut zu sehen! — Und so den doppelten, unerträglichen Fluch einer vernichteten Familie auf dich zu laden! — O das war die Aussicht nicht, als das liebenswürdige Geschöpf dich die ersten Stunden ihrer Bekanntschaft mit so viel Reizen anzog I Und da du sie verließest, sahst du nicht die gräßlichen Folgen deiner Schandthat! — Welche Seligkeit wartete dein in ihren Armen! in der Freundschaft solch eines Bruders! — Marie! Marie! O daß du vergeben könntest! daß ich zu deinen Füßen alles abweinen dürfte! — Und warum nicht? — Mein Herz geht mir über; meine Seele geht mir auf in Hoffnung! — Mein Herr! Beaumarchais. Wasbeschließcn Sie? Clavigo. Hören Sic mich! Mein Betragen gegen Ihre Schwester ist nicht Goethe, Slovlgo. — Geschwister, zu entschuldigen. Die Eitelkeit hat mich verführt. Ich fürchtete, meine Plane, meine Aussichten auf ein ruhmvolles Le ben durch diese Heirath zu Grunde zu richten. Hätte ich wissen können, daß sie so einen Bruder habe, sie würde in meinen Augen keine unbedeutende Fremde gewesen sein; ich würde die ansehnlich sten Vorthcile von dieser Verbindung gehofft haben. Sie erfüllen mich, mein Herr, mit der größesten Hochachtung für Sie; und indem Sie mich ans diese Weise mein Unrecht lebhaft empfinden machen, flößen Sie mir eine Begierde ein, eine Kraft, alles wieder gut zu machen. Ich werfe mich zn Ihren Füßen! Helfen Sie! Helfen Sie, wenn's möglich ist, meine Schuld austilgen und das Un glück endigen. Geben Sie mir Ihre Schwester wieder, mein Herr, geben Sie mich ihr! Wie glücklich war' ich, von Ihrer Hand eine Gattin und die Ver gebung aller meiner Fehler zu erhalten! Beaumarchais. Es ist zn spät! Meine Schwester liebt Sie nicht mehr, und ich verabscheue Sie. Schreiben Sie die verlangte Erklärung, das ist alles, was ich von Ihnen fordere, und über lassen Sie mir die Sorgfalt einer aus gesuchten Rache. Clavigo. Ihre Hartnäckigkeit ist weder gerecht noch klug. Ich gebe Ihnen zu, daß es hier nicht ans mich ankommt, ob ich eine so verschlimmerte Sache wieder gut machen will. - Ob ich sie gut machen kann? das hängt von dem Her zen Ihrer vortrefflichen Schwester ab, ob'sie einen Elenden wieder ansehen mag, der nicht verdient, das Tageslicht zu sehen. Allein Ihre Pflicht ist'S, mein Herr, das zn Prüfen und darnach sich zu betragen, wenn Ihr Schritt nicht einerjugendlichen unbesonnenen Hitze ähn lich sehen soll. Wenn Donna Maria unbeweglich ist — o ich kenne das Herz! o ihre Güte, ihre himmlische Seele schwebt mir ganz lebhaft vor! Wenn sic uner bittlich ist, dann ist eS Zeit, mein Herr. Beaumarchais. Ich bestehe aus der Erklärung. 2