VI Mann er im Scherzspiel geworden, von ihm begehrte, daß er aus dem Abenteuer ein Drama mache, und wie er im Jugendübermuth die Auf gabe binnen acht Tagen zu lösen versprochen und wirklich gelöst hat, ist aus „Dichtung nnd Wahrheit" bekannt. So ist sein wirksamstes Theater stück gleichsam unwillkürlich und aus dem Stegreif entstanden. Der Me phistopheles-Vorläufer Carlos ist sein Eigenthum, ein scharf ausgeprägter Charakter, der dem Virtuosen der Schauspielkunst eine dankbare Aufgabe bleibt und für Goethe's Geistesentwicklung das Bezeichnende hat, daß er die Spannungen und Kämpfe verkörpert, unter welchen der Dichter sich die Brust lüftet und aus siadtbürgerlicher Befangenheit, aus den Maßen der Alltagsmaximen nach höheren Zielen hinausstrebt. Am 1. Juni 1774 berichtete Goethe an den Consul Schönborn in Algier, einen Freund seines Hauses „. . . . dann Hab' ich ein Trauer spiel gearbeitet: Clavigo, moderne Anekdote dramatisirt, mit möglichster Simplizität und Herzens.oahrheit; mein Held ein unbestimmter, halb groß halb kleiner Mensch, der Pendant zum Weißlingen im Götz, viel mehr Weißlingen selbst in der ganzen Rundheit einer Hauptperson; auch finden sich hier Scenen, die ich im Götz, um das Hauptinteresse nicht zu schwächen, nur andeuten konnte." — Und damit ist der Charakter dieses Stücks aus des Dichters eigenem Munde bezeichnet. Seine Quelle hatte so viel dramatisches Leben, daß er sie zum Theil wörtlich benützen konnte. Für den fünften Akt hat er aus einer englischen Ballade ge- schöpft. Ein deutscher Reisender fand Clavijo später in Madrid als liebens würdigen Greis, Aufseher des Naturalienkabinets, berühmten Uebersetzer von Buffon's Naturgeschichte, der es wußte, daß er auf der deutschen Bühne im Trauerspiel figurirte. Beaumarchais selbst hatte dieses Erleb- niß schon 1767 in sein erstes Drama LuZsnia geheimnißvoll verwoben, und nachdem das Memoire veröffentlicht worden war, benützte es der Dichter Marsollier zu einem Theaterstück, das Beaumarchais einmal in Lyon spielen sah.