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^Veiknaekiskrippen / Wie ein trautes Lied aus unserer Kindheit Tagen weht es uns entgegen, wenn mir wie derum vor der liebevoll aus gebauten Weihnachtskrippe mit der Muttergottes und ihrem neugeborenen Kindlein stehen, mit dem Nährvater Joseph und den beiden symbolischen Tieren Ochs und Esel, mit den Hirten auf dem Felde, die uns die wundersamen Vorgänge aus Bethlehems Fluren nun bildhasl vor unseren Augen erstehen lasse». Manche alte sinnige Bräuche weisen aus die erst im 13. Jahr hundert entstandene Weihnachts krippe hin. So besteht in der Ostmark und im südlichen Bay ern heute noch die sinnige Ue- düng des Herbergsuchens. Ein Kästchen, in dem sich die aus Holz oder Wolle hcrgestellten Figuren von Maria und Joseph befinden, wird herum in die Hauser getragen. Beim Herein tragen des Kästchens sagt die Hausfrau folgende Worte als Gruß: „Sei geglüht, Jungfrau rein. / Mit Freuden lad' ich dich in meine Wohnung ein; / ver ehren will ich dich von ganzem Herzen, / vcrlatz auch du mich nicht In meinen Todesschmcr- zen." Vor dem alsdann lm Herrgottswinkel der Stube nic- oergeftellten und mit Zweigen und brennenden Kerzen ge schmückten Kästchen singen und beten die sämtlichen Haus bewohner, bis das Kästchen am folgenden Tage in das nächste Haus gelangt. Das geht so fort, bis am Heiligen Abend die Gottesmutter in dem Kästchen das neugeborene Kindsein im Arme hält. Dieser Brauch hat, wie Stonner ausfiihrt, „zur Weihnachtskrippe hingeleitet und hat. durch das Dorf wan dernd, Herberge- und heim suchend, die Hättser, die wie zu seiner anderen Zeit heimbereit und helmfähig sind, zu wirk lichen religiösen Helmen, Hei maten Gottes und der Menschen gemacht". Es war Im Jahre 1223, als Franz v. Assisi, der Künder ein facher Menschlichkeit, der Bru der der Armen und der kleinen Or cr/or/um Usnniien U. Leute, der warmherzige Freund der Tiere, am Heiligen Abend im Walde von Greccio eine grotzc bald von Legenden umsponnene Krippe aufstellte, wo Ochs und Esel gefüttert wurden und wo er feine schönen Weihnachts predigten hielt. Im Gegensatz zur damals üblichen Darstellung hat St. Franziskus uns den Gottessohn als einfaches, beschei denes Kindlein in der Wiege gegeben. So wurde Italien das Heimat- und Ursprungsland der Weihnachtskrippe, die zunächst hier ihren Ausbau und ihre Verbreitung fand. Eine Berühmtheit haben vor allem die nea politanischen und sizilianischen Krippen erlangt, die besonders um 1700 von hervorragend künstlerischer Schönheit waren. Auch in Rom bekam jedes Gotteshaus seine Weihnachtskrippe, die grösste befindet sich in der Kirche S. Andrea della »alle, vor der alljährlich während der Epiphanieoktav das Fest der Riten stattsindet. In der Basilika S. Maria Maggiore finden sich die Ucberreste der Krippe, die einst als Zeichen tiesstcr Armut den neugeborenen Gottessohn ausgenommen haben, in kostbarem Schrein geborgen. Wenn sich nun die heilige Nacht über die ewige Stadt herabsenkt, dann wird dieser Schrein gehoben und durch die singende und betende Schar der Gläu bigen hindnrchgctragcn. Die Weihnachtskrippe sand alsbald auch in Deutschland Eingang, auf deren Ausgestaltung die mittelalterlichen Weih nachts- und Krtppenspielc von besonderem Einslnh waren. Des Krippenbaues nahm sich das Knnstgewerbe an und wutztc vor allem zur Zeit des Barock grossartige und ost recht prunkvolle Krippenausbauten zu schassen. Aber daneben entwickelte sich der Krippenbau als Volkskunst, als christlicher Brauch. Denn die Fertigkeit der Weihnachtskrippe war Jahrhunderte lang fast nusschlietzlich das Vorrecht einfacher Bauern »nd Hirten. Auch heute noch sind die oft recht bescheidenen Krippen, die die vielen Bastler und Kinder hcrzustellen wissen, meist viel herzerfreuender, weil sie vor allem zu denen zu sprechen wissen, für die sie in erster Linie bestimmt sind, zu den Herzen der Kinder. Mit wie viel Mühe und Liebe wird ost schon viele Monate vorher alles Material zur Herstellung der Krippe zu sammengetragen: so wird aus dem Wald Moos, Baumrinde und Gestein geholt, so hebt man im Hause schon im Lause des Jahres alles auf, was irgendwie Verwendung finden könnte wie Papier- und Glasstücke, Staniolpapier und man cherlei Stoffreste. Mit bedächtiger Sorgfalt wird dann kurz vor dem Feste mit dem Ausbau und der Ausschmückung des Krip penbaus begonnen. Die Figuren, die man mangels eigener Schnitzkunst käuflich erwerben kann, werden bekleidet und schließlich in der bereits aufgebanten Landschaft nm die Krippe gruppiert. Der Stern von Bethlehem oder ein Transparent mit dem Lobgesang der Engel bildet den Abschlnh der ganzen Szenerie. Es gehört natürlich ein kindlich frommer Sinn dazu, um ganz in einer solchen Arbeit auf,zugehen. In der Heimat der Schnitzer, im Erzgebirge, werden in oft jahrelanger Arbeit die sogenannten Weihnochtsberge auf gebaut und in der Zeit von Weihnachten bis Eviphanie auf gestellt. Während die kleinen die Zimmerecke nnssüllen. können die groszen ..Vereinsberge", die als Gemeinschastserzenonisse von Schnitzervereinigungen zu gelten haben, bei ihren gewal tigen Ausmatzen nur in Sälen Unterkunft finden. Diese ..Weih« nachtsberge" stellen nicht immer nur Weihnachtskrippen dar, sondern sind häufig umfangreiche Wiedergaben der heimatlichen Gegend, In denen aber doch meist der religiösen Einstellung des leweiligen Schöpfers entsprechend eine Krinnenszene an irgende »er Stelle eingesiigt ist Zu ermähnen sind weiter noch die bayerischen, rheinischen und westkäl'scken Holzschnitzer. — Zu den berühmtesten deutschen Krivvenscknißern gehören di« Münchner Partain. Nicklas rind Renwr Hoch In der Finsternis schnrebet ein Licht. Wie von der Hand eines Engels oetraaeu sinkt cs hernieder, iver sähe wohl nicht, wie cs die Mauern der Nacht durchbricht, datz cs im Umkreis plötzlich will tagen. Brüder, wacht auf! Sekt dort die Gestalt fürchterlich leuchten in Wolken von Feuer' Seht Ihr den Sckweifstcrn über dem Wald, gleich einem klaffenden Hinnnelsspalt niedergeslotzen aufs Stadtgemäuer? Doch aus dem Lichtmeer tröstet sie »reich himmlischer Frohbotschaft singende Lippe: Freut euch ihr Hirten, nicht fürchtet euch, Christ ist geboren, den Menschen gleich liegt er als kleines Kind in der Krippe! Wie da die Hirten gelaufen sind mit ihren Stäben, Schalmeien und Schafen. Und als sie fanden das Gotteskind. friedlich im Stall zwischen Esel und Rind, Hal es zu lächeln begonnen im Schlafen. ' Hoch in den Lüsten klang Engelschor: Ehre sei Gott und Friede auf Erden! Sternbilder sanken, Tag stieg empor, Hirten schritten durch Bethlehems Tor singend und flötend heim zu den Herden. Hermann I. Theitzcn. Deutsche ^eikrisektZdiläer Die deutsche Weihnacht, wohl die edelste Schöpfung der Gotik, ist zum volkstümlichen Fest der deutschen Familie ge worden, in dem sich die deutsche Volksseele in ihrer ganzen Gemütstiefe ausgewirkt hat. Das zeigt sich nicht nur in den alten Volksliedern und Kirchenliedern und in den mannig fachen sinnigen Bräuchen, sondern auch in den Schöpfungen der zahlreichen Weihnachtsbilder, die auf deutschem Boden ihre besondere Note empfangen haben. DI« Darstellung der Geburt Christi hat die damals noch ln ihren Anfängen steckende christliclrc Kunst vor ganz neue Aufgaben gestellt. Denn im Mittelpunkt des Kunstwerkes muhte ja — ein ganz neues Motiv — ein Kind stehen und noch dazu ein in Armut und Niedrigkeit geborenes, das aber trotzdem vom Hauch der Göttlichkeit umstrahlt war. Auch muht« für die Wiedergabe der Mutter in ihrer Unschuld und Hehre die geeignete Ausdruckssorm gefunden werden. Das früheste Wcihnachtsbild, allerdings von recht pri mitiver Form, findet sich auf römischen Sarkophagen ln den ältesten christlichen Kultstätten, den Katakomben. Bei der Wei terentwicklung hat die byzantinische Ausdruckssorm auch die Schöpfungen des Abendlandes becinflutzt: die Geburt Christi wird als eine einfache W o ch e n st u b e n s ze n e daraestellt, bei der die Gottesmutter als Wöchnerin auf einem Polster ruht, während der Nährvater Joseph ganz unbeteiligt beiseite st-ht. Auch in der deutschen Kunsi ist das Weihnachisbild bis ins 14. Jahrhundert eine Wocln-nstubeszene. jedoch fast nur in den Werken der Kleinkunst. Auch in den Portalskulpturen, so am Münster zu Freiburg, an der Loren,zerkirche zu Nürnberg und am Münster zu Ulm aus dem 14. Jahrhun dert Ist die Gottesmutter Immer noch als Wöchnerin dargestellt. Auch das älteste deutsche Weihnachtsblld. die aus dem 14. Jahr hundert stammende Miniatur aus dem Kloster Altomün ster ist in der damals üblichen starren Form aufgezogen. Erst die italienische Kunst weitz die bislang angewandte Form der Wochenstubenszene mehr und mehr zurück.zndränaen und Leben und Bewegung in die ganze Darstellung zu brinaeu. Dies« neue Ausdrucksform, die ihre Wurzel in der mnstisckcn Geistesrichtung der Zeit hat. beeinflutzt nun auch die deutsclie Kunst. Im Innern einer malerischen Ruine oder in einer verfallenen Halle offenbart sich hier die Geburt Christi In feier lich-lieblichem Ernst, das Kindlein liegt auf einem Gipfel des Mantels der Gottesmutter oder auf einem Bündel Stroh und wird von der Gottesmutter, von Engeln und Gläubigen In tie fer Ehrfurcht angebetet: metzr und mehr wird auch der Nähr vater Joseph in die ganze Szene einbezonen: in der Höhe er scheinen die Engelckör«. Wenn auch die nun entstehenden deutschen Weihnachtsbilder nicht die glänzende Formvollendung der italienischen erreichen, aber was „Tiefe des Gemütes und religiöse Innigkeit oder Auffassung anlangt, sind unser« schlich ten mittelalterlichen Meister den Italienern überlegen. Ja ich möchte sagen", schreibt Iah. Damrlch, „wag wir beim Klange des Wortes „Weihnachten" fühlen, das hat von allen italie- niscl-cn Malern kaum einer, das haben so recht eigentlich blotz die deutsche» Meister ausgesprochen". Wenn auch auf dem Klarenaltar. der 200 Jahre nach dem ersten Werke in Altomünster entstanden ist, noch manchcs auf den byzantinischen Typus hinweist, so ist doch schon ein grö ßerer innerer und stilistischer Fortschritt unverkennbar. Die drei Darstellungen aus dem Meihnachtsfestkreis dieses Kunst- ivcrkes, das nach dem Abbruch der Klarenkirche zu Köln heute den Hochaltar des Kölner Domes ziert, sind aus der älteren Kölner Malerschule hervorgcgangen. Diese lebenswahren Bil der atmen in ihrer Lieblichkeit und Kindiichkeit echt deutscizen Geist, den dieser Maler in sein Werk zu legen verstanden hat. Bahnbrechend kür die Fortentwicklung der nordischen Kunst wurde Rogier van der Leyden. Sein Wcih nachtsbild, das sich jetzt im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin befindet, zeigt uns in einer Ruine die anbetende Mutter vor dem auf dem Mantel liegenden nackten Kinde: Joseph sucht besorgt das in der Hand tragende Licht vor der Zugluft zu schützen. Stephan Lochner hat uns unter seinen zartnervigen Gemälden auch ein Weihnachtsblld geschenkt. Die Gottesmut ter. ein Bild der Holdseligkeit und Reinheit, kniet in ihrem langwallcnden blauen Mantel vor dem am Boden ruhenden Kindlein. Daneben der Stall mit den beiden symbolischen Tie ren Ochs «nd Esel. Im Hintergrund sind die Hirten auf dem Felde zu sehen. Der schwäbische Künstler Hans Multscher lätzt auf seinem Meihnachtsbilde die armen schwäbischen Bauern mit ihren graben »nd verarbeiteten Gesichtern dem göttliclxm Hei land, einem schwäbischen Bancrnkind. anbetend nahetreten und so durch den Gegensak der Armseligkeit das wundersame Ge schehen besonders deutlich werden. Das deutsche Gemüt mutz sich unwiderstehlich zu dem Bilde Schongauers bingezogen fühlen, der in einer romantischen von Evheu umwachsenen Ruine die Weihnachtsszene einaebaut hat. Da sehen mir die Mutter in ihrer holdseligen Schönheit in einem wundersam fliehenden Gewände, dessen Falten den ganzen Reichtum der gotischen Linie aufweisen, vor dem nack ten Kinde knien. Daneben steht die autberzige Gestalt des Nährvaters Joseph: darüber schweben die singenden Engel In flatternden Gewändern. In ganz eigenartiger aelstiger Weise hat Matthias Grünewald auf seinem Weihnachtsblld des Isenbelmer Al tars. diesem gewaltigsten Werk deutschen mittelalterlichen Kunstschaffens, dos geln>imnisvalle Wunder der bochheiliaen Nacht erschaut. Er weicht von der üblichen Darstellung der Geburt Christi vollkommen ab und hat in kühner und gran dioser Weise etwas ganz Neues geschaffen Die sonst bei der Darstellung der Geburt Christi gebrauchten Personen und Smn- bole schien hier, so Joseph, die beiden symboliscl>en Tiere, der Stern. Datz es sich bei der Darstellung nm ein ganz autzcr- gewöhnliches Geschehen handeln mutz, das deutet schon die Engclschar, die im Hintergrund den Hirten die frohe Botschaft erzählt, während andere himmlische Geister mit den Lichtstrah len, die von Gottvater ausgehcn. hcrabkommen. Ganz im Vordergrund der von Lichtglanz übergossenen Landschaft sitzt die Mutter mit dem Kinde auf dem Arme. Dis zerrissenen Windeln, die einfacl-e Badewanne zeugen von der Armut, in der der Herr der Welt geboren worden ist. Auf der linken Seite des Gemäldes sehen wir neben der Muster Gottes eine gotisch« Halle von phantastisclrer Pracht, in der singende und musizie rende Engel sitzen. Am Eingang der Halle sitzt eine jugendliä)« Frauengestalt, mit einer Krone und einer vielfachen Lichtaureole ausgezeichnet: eine zweite Krone halten Engel darüber. Was diese geheimnisvolle Frauengestast cigcnllicl, darstellen soll, darüber ist man sich nicht einig. Des Rätsels Lösung hat wohl H. F« urstein <Beiträge zur Geschichte der deutschen Kunst, 1024) in den Mystischei' Schriften der hl. Brigitte von Schweden, die gerade in der Zeit, als Grünewald in Nürnberg sich mit den Skizzen zum Isenheiiner Altar beschäftigte, viel gelesen wurden, gefunden. Aus dem „sernio anaelicns" stammt die verklärte Mädchcngestast. als die vorzeitliche Maria im Ratschluß der Erlösung, das Kristallgefätz. die von zwei Engeln gchattene Krone, der Feigenbaum, der Engelchor ns»' ..* ss. Künstle). Holbein d I. sucht auf seinem Gemälde „die heilstze Nacht" das Problem zu löse«, und zwar durch zwei Licht quellen: oben das wundersame stille Mondlicht, unten der ge heimnisvolle himmlische Glanz, der von dem göttlichen Kindlcin ausstrahlt, und die ganze Figurengruppe sowie die einzelnen Gebäudeteile mit himmlischem Leuchten umspielt Aber von einer nach größeren Gemütstiese nnd unver gleichlich in echt deutscher Art ist Albrecht Dürers Weih nacht. der Holzschnitt aus dem Marienleben. Er hat ein« deutsche Familicnszene dargestellt. Sprühendes Leben durch pulst die Geburtssrcne In dem von verwitterter Romantik um wobenen Stall Da sinkt die Mutter der Mütter auf die Knie vor dem göttlichen Kinde, in gemessenem Schritte nähert sich Joseph mit einer Laterne In der Hand; neugierig und staunend scharen sich lieblicire Engel um das Kind, mährend hack oben in den Lüsten pausbackige Engel das Gloria anstimmen. In den Bahnen Albrecht Dürers ist die deutsche Kunst der folgenden Jahrhunderte leider nicht »»eiter geschritten. Unter der Führung von Peter Cornelius und Friedrich Over beck entstanden die schönen Andachtsbildcr der Nazarener. Echt deutsch und tiesfromm ist der Holzschnitt von Joseph v. Füh rich. Ludwig Richter, der Darsteller deutsch» Familienleben» und deutscher Gemütlichkeit, lätzt auf seiner „Christnacht", mäh rend sich die heilige Nacht auf das kleine malerische Städtchen herabsenkt und die Glocken zum Gottesdienst rufen in einer Vision, die der Pfarrer gerade bei seinem Hinabsteigen zur Kirche hat. den ganzen Seaen der Weihnacht herniederkommen zur Erde: das himmlische Kind, von Engeln getragen, umgeben von den lichterstrahlenden Zweigen des Christbaumes, gekrönt vom Stern von Bethlehem. Es ist die Darstellung der Welh- nachtsseligkcit, ein echt deutsches Weihnachtsbild, das ausströmt Wcihnachtvsreude und Weihnachtssrieden ' Dr. W. Rosenhauer.