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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 13.12.1933
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1933-12-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19331213022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1933121302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1933121302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-12
- Tag 1933-12-13
-
Monat
1933-12
-
Jahr
1933
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vertliches un- Sächsisches Der neue Dresdner Kretshauptmann <8Ul.) Der Herr ReichSstatthalter hat a«s vorfchla» de» Gesa»t»t«tfteri«»S de« Mt«tftertalrat i« Mtntftert«« des Inner«, Dr. Heerklnst, z«m KreiShanptman« t« Dresden nnd de« StaatSkommtssar ». d. «. Erich Kn«, ,»» Mlni» Perialrat i« Ministert«« des Inner« lGemeindeabtrtlnngj ernannt. * »retShauptmann Dr. jur. Freimuth Karl Konrad Heer- klotz ist am 19. Juli 18«9 al» Sohn de» damaligen Bürger meister» Heerliotz in Bautzen gehören. Nach beendetem iurtsttschen Studium und BorbereltungSdienste wird er im Jahr« 1897 «stessor beim Amtsgericht in Kamenz, tritt 1898 zur Verwaltung itbee und ist zunächst al» Polizei-Assenor bet der Pollzeidtrektion Dresden, dann al» Hilfsarbeiter bei der Redaktion de» „Dresdner Journals" tätig. 1991 Beztrkdastesfor, dann RegierungSasfelfor bei den Amts- haupttnannschaften in Meisten und Leipzig, wirb «r dort lvn« Regierungsrat und Stellvertreter des AmtShauptmann». 1998 kommt er zur KretShaupttnannschaft Zwickau. Dort wird er 19>8 OberregierungSra« und siedelt in der gleichen Eigenschaft lvt8 zur «reiShauptmannschast Dresden über. 1932 wird er als Hilfsarbeiter in» Ministerium de» Innern berufen und rückt dort 1928 in bi« Stelle «Ine» Ministerialrat» in der Abteilung für Gemeinde sachen aus. An Auszeichnungen besitzt Dr. Heerklotz den I, da» sächsisch« «riegSverdieustkreuz und das preuhtsche Verdienstkreuz für «rtegvhilfe. * Ministerialrat Erich Kunz ist am 19. Dezember 1897 als Lohn «ine» Werkmeister» in Vielau bei Zwtckau geboren, ist ev.-luth. Religion und von Berus HandlungSgehtlsr. Seit >932 Mitglied der NSDAP., war er politisch zunächst im Stadtverordnetenkollegium in Zwickau tätig, wo er >929 Vorsteher wurde. Hm gleichen Jahre trat er al» Vertreter de» dritten Wahlkreises Ehemnttz-Zwickau in den sächsischen Landtag ein, dem er bis zu dessen vor kurzem erfolgten «ndgülttgen Auslösung angehörte. Hier war er u. a. im HauShaltauSschust zuletzt al» dessen Vorsitzender, tätig, war «in« Zeitlang -weiter stellvertretender Präsident, Mitglied des auster ordentlichen rheaterausschusse» und des AussichtSrates der ASW-, während de» kurzen Landtage» >989 Mitglied de» Aeltesteuraies, seit April >989 Mitglied der Gemeindekammer und seit Juli >98» Mitglied de» Ausschusses zur Verwaltung des LastenausgleichS- stolke». Seit mehreren Iahreu ist Kunz Relrrent sür Gemeinbe- poltttk im Gau Sachsen der NSDAP. In der Zett der Bildung der Deutschen ArbeitSsront war er eine Zeitlang auch Vorsitzender dr» Bezirk» Sachsen de» DHV. Vom sächsischen RcichSkommtssar v. Killinger Mitte Mär» 1988 mit der Führung der Geschäfte des sächsischen Arbeit«- und WohlfahrtSmtntstrrtums beauftragt, wurde er, nachdem Anfang Mai durch den Retch»ttatthaller Murschmann die neue sächsische Regierung ernannt worben war, al» Kommissar zur besonderen Verwendung de» Innenminister» berufen, al» welcher er sich hauptsächlich mit den Angelegenheiten der Gemeinden, insbesondere mit Frage» der Gemeindcresorm, zu besaiten hatte. Ministerialrat Kunz ist auch Mitglied de» neuen Reichstag». Den Krieg ha» er von Oktober >0N an als ln^säbriger Kriegs freiwilliger im sächsischen Infanterie-Regiment >88 bi» zum Ende mitgemacht. Er war zweimal verwundet und einmal versibüttet. An Kriegsauszeichnungen besitzt er da» E«. ff und di« JAM. Austcr- dem ist er Inhaber de» Ehrenzeichens der alte» Garde der NSDAP. Straßenbahn - Kurzfahrerstrecken ' für io V'enntve Die Direktio« der Dresdner Straßeubah«»A.«G. wird vom 17. Dezember an Kurzfahrerstrecke« z«m Preise vo« 10 Pf. etnsühre«. Vorläufig sind folgende Versuchs» strecken auSgewählt worden: 1. Postplatz—Altmarkt—PIrnaischer Platz sLinIe» 2, 18, 18, 10, 20, 22, 115, 118 und 110). 2. Bismarckdenkmal —Prager Straße —Hanptbahnhof iLInIen 1, 5, 11, 14, 16, >1, 7, k und 0). 8. Leipziger/Scke Kaiserstrabe—Marienbrücke —Ostra- Allee/Ecke Maxstraßc (Linien 6 und 10). 4. Leipziger/Scke Kaiserstraße—Marienbrücke—Könneritz- Ecke Maxstraßc (Linie 26). 5. Bautzner/Ecke Kursürstenstraße — Albertbrücke — Sachsenplah (Linien 5 und 14). 6. Tteck-/Ecke GlaciSstraße—Albertbrücke —Sachsenplah (Linien 8 und 26). 7. Neustädter Markt —AugustuSbrücke —Neumarkt — König-Johann-Straße (Linien 0, 11 und 18). 8. Neustädter Markt—AugustuSbrücke—Altmarkt (Linien ä und 4). 0. Nenstädter Markt—AugustuSbrücke—Postplah (Linien 7, 15, 107, 115 und k). Auf den neue» Knrzfahrerstrecken können sowohl die Straßenbahnen wie auch die städtischen Autobusse B« »em SsMlMlM Freiberg. Das Gonderarrtcht für das Land Sachsen be- faßte sich am Dienstag mit solgenben Strasfällen: Der Maler Hans Gatermann aus Kötzschen- broda hatte am 20. Oktober auf seiner Arbeitsstätte Arbeitskameraden gegenüber geäußert, daß der Warschauer Sender die Nachricht verbreitet habe, man brauche nur Göring und Goebbels zu verhaften, um beS RctchStags- brandsttsters habhaft zu werden. Der Angeklagte will diese Aeußcrung nicht als wahr haben hinstellen wollen. Er wurde zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Weiter hatte sich der Leiter des Mitteleuropa,Instituts i« Dreöde«, Karl Göttliug, wegen Ausstellung unwahrer Behauptungen zu verant worten. In der Person des Angeklagten stand ein viel- fettiger Mensch vor den Schranken des Sondergerichts. Er war eine Reihe von Jahren teils als Redakteur, teils als StzndikuS tätig. Er wechselte daun, da er angeblich auch ein Jnslationsgeschüdigter war, zum Sparerbund über und wurde, ilö dieser Bund Partei wurde, auch sächsischer Land- tagöabgeorduetcr. Hier will er sich nur für nationale Belange eingesetzt habe». Nachdem er dann während der Krankheit des Sozialdemokraten Bethke eine Zeitlang die „Sächsische S t a a t s z e i t u » g" geleitet hatte, wurde er Leiter des Mitteleuropa-Instituts in Dresden. Der Angeklagte, der vor dem »0. Ia««ar et« erklärter Gegner des Rational» sozialtsmus war, hatte am 11. August einem Zeugen gegenüber u. a. geäußert: „Haben Sie schon das Neueste gehört? Hitler hat dem Warenhaus Tietz 18 Mill. M. geschenkt. Wenn das die SA. erfährt, wird sie ibn schon herunter holen .. / Zwei griechischen Staatsangehörigen, die sich zum Kampfe gegen die Greuelpropaganda zur Verfügung stellen woll ten, hatte der Angeklagte weiter gesagt, das habe keine» Zweckundkünnenichtshelfen. ES marschierte eine Reihe von Zeugen aus, die sür und gegen die nationale Zu verlässigkeit des Angeklagten zeugen sollten. Interessant war die Aussage eines ungarischen Zeugen, der im stille« empört war, daß der Angeklagte seine Negierung und sein Vaterland immer herabgesetzt habe. Da ein Teil der Aeuße- rungcn, auch solche, die sich mit der Person des Reichskanzlers befassen, vor dem S1. März gesalle» ist, und da die Zeugen sich auch nicht an den genauen Zeit punkt erinnern konnten, mußte Freisprechung erfolgen. Die letzte Verhandlung richtete sich gegen den tschechi schen Staatsangehörigen Martin Hörster aus Fugau ^Tschechoslowakei) wegen Verbrechens nach dem Gesetz znr Gewährleistung des NechtsriedenS vom 18. Oktober 1083. Der Angeklagte, der bereits vom 1. März bis 8. August in Schutzhast gewesen ist und infolge sesner früheren kommu nistischen Tätigkeit aus Sachsen auögewiesen wurde, hatte in der Nacht zum 11. November kommnnistilche tschechische Zeitnnge« m,d etwa StB Flugblätter über die Grenze nach Neusalza-Spremberg geschmuggelt, um Ne dort an de» Mann zu bringen. Bei der Ankunst wurde er von SA.- Männern festgenommen. Da es sich um Flugblätter hoch- verräterischen Inhalts handelte und die Einführung nach dem 18. Oktober erfolgte, mußte die Verurteilung aus Grund des oben erwähnten Gesetzes ersolge». Der Angeklagte er hielt sechs Jahre Zuchthaus. benutzt werden. Der Fahrgast hat sür solche Strecken vom Schaffner einfach einen Kurzsahrschein zu verlangen. Aus der Strecke Neustädter Markt—Altmarkt—Haupt- bahnhos der Autobuslinien ä und 2 wird im Zu sammenhang mit der Einführung der Kurzfahrerstrecken am Donnerstag und Freitag dieser Woche eine VerkehrS- zählung durchgcführt. Die Fahrgäste werden gebeten, den Zählschaffnern die gewünschte Auskunft zu erteilen. Vollzug -es Retchseebhofgesetzes Das sächsische Justizministerium hat in einer Verordnung vom 0. Dezember 1033 folgendes verfügt: Die Anerbengerichte werden seht nach 8 87 Absatz 2 des ReichSerbhosgesetzcS über zahlreiche Gesuche um Geneh- mtguug der Veräußerung (Teilveräußerung) und der Nelastung von Erbhöfen in Fällen zu entschei den haben, in bene» die Verträge bereits vor dem 1. Ok tober 1033 abgeschlossen sind, aber infolge des unvermittelten Inkrafttretens des Gesches nicht mehr rechtSwirksam durch Eintragung in das Grundbuch vollzogen werden konnten. Bei der Entscheidung Uber diese Gesuche wird besonders daraus Bedacht zu »ehmcn sein, daß Härten für die Beteiligten nach Möglichkeit vermieden wer den. Härte» können sich für solche Käufer oder Gläubiger ergeben, die für die Veräußerung oder Belastung bereits den Gegenwert ganz oder zum erheblichen Teile bezahlt haben und ihn beim Unterbleiben der Genehmigung vom Bauer nicht wtedererhalten könnten. Anders würde z. B. bei einer Veräußerung der Fall liegen, in dem der Er werber leine Kauspretslchnld durch Verrechnung mit einer sonst nicht eindringlichen Forderung an den Bauer getilgt hat, und bei einer Belastung der Fall, in dem eine schon vorhandene Schuld des Bauers nur nachträglich sichcrgestellt werden sollte. Ein« beschleunigte Behandlung möchte ferner den Genehmigungsanträgen zuteil werden, die zugunsten von Siedl ungSunternehmungen gestellt sind, und solchen, die der Arbeitsbeschaffung dienen. Hier wird daraus Rücksicht zu nehmen sein, daß der artige gemeinnützige und wirtschaftlich bedeutungsvolle Maßnahmen nicht durch eine zu starre und ängstliche Ge setzesanwendung zu Schaden kommen. An -te Beamtenschaft Weihnachten steht vor der Tür. Der gewerbliche Mittelstand hat Tausenden von fleißige» Händen Arbeit gegeben und seine Läger ausgcsüllt, so daß er allen An sprüchen gerecht werben kann. Unter der marxisttsch- liberalistischcn Mißwirtschaft hat er gerade in Sachsen beson ders schwer gelitten: im nationalsozialistischen Staat ist seine Stärkung eine der vornehmsten Aufgaben der Regierung. Von den Beamten wird daher erwartet, daß sie sich von allen Bestrebungen nach Ausschluß des selbständigen Ge werbes sernhalten und ihre Weihnachtseinkäuse nach Möglichkeit beim mittel ständischen Ein zelhandel vornehmen. Auch in dieser Hinsicht soll der Beamte allen Volksgenossen ein Vorbild sein! Dresden, den 11. Dezember 1033. Der Minister d«S J«««r«. Der Wirtschastsmlnister. Helft ihnen Weihnachten feiern! Weihnachten ist das Fest der Liebe. Es wird am schönsten und innigsten im Familienkreise gefeiert. Aber viele treue Amtswalter haben keine An gehörigen, in deren Mitte sie Weihnachten verbringen könnten. Laßt sic den Heiligen Abend im Familien kreise feiern! Teilt eure WeihnachtSsreude mit einem dieser Männer. Geteilte Freud« ist doppelte Freude! Wer dazu bereit ist, schreibt eine Postkarte an di« zu ständige Ortsgruppe seines Wohnbezirks. Für die SA., SS. und andere Formationen sind seitens der vorgesetzten Dienststellen Sonderabmachungen getroffen. Landesftelle Sachsen des ReichsmiuifteriumS für Volks» ausklüruug «ud Propagaud«. gez. Salzman«. Der Gtnzelhan-el am Stkvefterlav Das sächsische W i r t scha st S m i n i st e ri u m hat auf Grund von 8 105 b Absatz 2 der ReichSgewerbeorbnung für Sonntag, den 81. Dezember, folgendes bestimmt: Die zulässige Verkaufszeit wird verlängert: kür den Handel mit Backwaren um eine Stund«: für den Handel mit Blumen bt» um 18 Uhr. Der Handel mit Papier, und SchrVibwaren, Jur» arttkeln, frischen Fische» und Tabakwaren wird in der Zett von 11 btS 17 Uhr gestattet. Sum Und eln»<j>l. Ne«Ict>Usunr«n NN» dUUasemen NR. «L0 dw»s»», SU»I« II l»K. o»td») rÄB tzkU L» - '"tt? n. SvittstN d V. 8,Z0-Ig,w Berit« und die Berliner Bon Reich-mlntsttr Dr. Goedbels Reichsminifter Dr. Goeddel» alt« in seinem soeben i« Verla« oon Franz Sher «richlenenen Buch „Das er wachet»»« Berlin" «ine Charakteristik brr ReichShanptftabt nnb seiner Bewohner, an» der zu ersehe« ist, daß er daS Wese« dieser Stad» ansterordentlich klar erkannt «n» g«. paltet ha«. An» de« uuü znr «ersügung gestellten Ab schnitt geben wir die tnteresianteften «edankengänge nach stehend wieder. Der Berliner ist wie keine Stadt. Das Grunbelemcnt der Bevölkerung wird vom Märker bzw. vom Urberliner gestellt. Dieses Grundelcment nährt sich durch ewigen Zu zug aus dem Reiche. Kein Volksstamm, kein Stand und kein Land, daS hier nicht vertreten wäre. Berlin versteht wie keine andere S'adt die Elemente zu mischen und daraus ein Neues zu forme». Wer hier drei Jahre gelebt hat, der fühlt sich als Bürger vieler Stadt. Uebcr den festen Unter grund vo» braven und arbeitsamen Menschen legte sich vor dem Kriege schon, mehr »och während des Krieges und vor allem »ach dem Kriege, die dünne, bcizige Tünche des Judentums und des Bolschewismus. Juden und Bolsche wisten sind es vor gsiem, die Berlin Im Lande und in der ganzen Welt diskreditier» haben. ES wurde nach Moskau die röteste Stadt Europas. Der Berliner selbst hat in seinem eigentlichen Wesen nur wenig damit zu tun Zwar ist er schnoddrig und kalt, sentimen'alitätSlnS und last graukam, aber im tiefsten Grunde seines Herzens wie ein Kind. Sein Witz ist von eln-r Eigenart, die man konstwo nirgends trikst. Mit einem selttam anmntenden. sgst barocken Humor gevaart, besten Pointen mehr durch knappe Schlagkraft als durch gemüt liche Brette wirken. Der Berliner ist fleißig und genügsam. Nirgendwo wird mehr gearbeitet al» in dieser Stadt, und nirgendwo mit mehr ^e^-inerung und mit mehr Hingabe an die Sache. Das Berlin de» lauten Amüsements wird vom Berliner se'hst nur zuweilen an Sonnabenden nnd Sonntagen in Ankvrnch genommen. Die Woche aber gehört der Arbeit und dem Kamnf um das tägliche Brot. Er ist hier härter als in andere» Städten. Viereinhalb Millionen wollen leben, woh nen und atme», viereinhalb Millionen suchen einen Platz an der Maschine oder tn den Konlorstuben. Ohne innere Solidarität märe ein Neheneinonderleben dieser viereinhalb Millionen nicht möglich. Der Alltag in seinem wilden Tempo erzieht den Berliner zu einer Art von Mastendtsziplin, die bewundernswert ist. Aber anderseits: Klamauk muß sein! Dieses Wort ist ganz aus der Seele dieser Stadt gesprochen. Etwas Beson deres glaubt der Berliner immer für sich tn Anspruch nehmen zu können. Langeweile ist bei hoch und niedrig verpönt, und selbst den ernstesten Dingen wird hierzulande ein Schuß Sensation betgemischt. Nicht umsonst bevölkert dieser Menschenschlag bas phan tastischste Stadtungeheucr, das cs in den Grenzen des Reiches gibt. Diese Stadt wird krank, wenn anderswo etwas Besseres, Größeres oder Berühmteres existiert als da« ihr Gegebene. Berlin voran, und uns kann kcencrl So denkt schon der kleine Junge auf der Straße und so denken sie alle, die Männer und die Frauen, die Arbeiter nnd die Bürger, die Intellektuellen und die Kinder des Volkes. Und trotzdem hat diese Ueberhebltchkcit auch wieder ihr Versöhnendes. Denn sic stammt nicht aus der Nichtkönncrei oder Trägheit. Der Berliner versucht sie durch Leistung we nigstens z» begründen, und dabei ist er aus der anderen Seite von einer Gutmütigkeit nnd Hilfsbereitschaft, die etwas ungemein Rührendes an sich hat Man kann nach dem Wege fragen im Westen oder im Osten, bet Arbeitern oder bei Kommerzienräten, man hat meistens Mühe, den freundlichen Mentor überhaupt losznwerde». Dem Frem den gegenüber fühlt scdcr Berliner sich als Gastgeber. So gerne er schenkt, so ungern läßt er sich beschenken. Sein Stabtstolz ist unbeschreiblich. Er pflegt ihn nicht nur zu Hause, er nimmt Ihn als wichtigstes Gepäckstück mit auf die Reise. Er mag alle Länder durchstreife» und alle Ozeane durchqueren: Berlin bleibt doch Berlin! Mit einer gewissen Herablassung würdigt er Sehenswürdigkeiten. Kunstwerke. Bauten ober Straße» anderer Städte und Länder. Aber gegen seinen Dom. gegen seine Linden, gegen seine Wilhclm- straße kommt in der ganzen Welt nichts an. Die Stabt Berlin ist von einem ErfindungSreichtum ohnegleichen. Die immer wechselnden Methoden ihres ge schäftlichen und politischen Lebens Nnb zeitweilig sür das ganze Reich richtunggebend gewesen. Hart stoßen hier die Gegensätze auseinander, und sie werden mit radikalem Fanatismus auSgesochten. Der Berliner läßt sich nicht leicht ober gerne über den Haufen werfen: man hat es hier schwer, ««was Neues durchzusctzen. Aber was er gesellen hat, daS will er auch verdauen, und wovon er überzeugt ist. dafür setzt er sich auch mit seiner ganzen frischen und mutigen Aktivität ein. Der Fremde merkt das nicht, aber trotzdem ist in Berlin «in kleinbürgerlicher Familiensinn zu Hause der kür manch« andere Stadt vorbildlich sein könnte. Mutter und Vater spielen im Leben eines leben Berliners die größte Roll«. Zwar ist die verwandtschaftliche Liebe derb und senttmentali- tälSloS. dabet aber keineswegs weniger herzlich und hilfs bereit. Der Berliner ist lern- und wißbegierig. Die Zeitung ist sein tägliches Brot. Selbst der kleine Man» von der Straße liest gern drei und fünf an einem Tage. Nicht etwa nur im Familienteil, nein: er wohnt doch nun einmal in der Reichshauptstadt, wo die große Politik gemacht wird, ohne ihn geht es doch nicht, er muß doch dabei sein, (ein Ur teil bctsteucrn und leinen Sens dazugeben. Ha» er sich ein mal in eine polit'sche Anschauung verbissen, bann «st er auch bereit, dafür zu kämpfen und sich ihr mit ganzer Leidenschaft hinzugcben. Der Typ des politischen Soldaten findet tn dieser Stadt immer bereiten Boten. M'n hat ko viel darüber geklagt, daß der Berliner auf lebe latsche Zettgröße hercingekallen sei. Er verdient dielen Vorwurf nicht, denn man kann ihn nicht für die Prelle-der Juden verantwortlich machen. Im Gegenteil, er selbst ist von einer erfrischenden Respektlosigkeit gegen das Getue um eine aufgeblasene Null. Nirgendwo Nnd so wie hier die fetten Bonze» der Novcmberrcpublik mit Hohn und Galle überschüttet worden. Sie haben es mit dem Berliner bei Gott nicht leicht gehabt, und nm er einem etwas am Zeuge flicke» konnte, da hat er es mit Lust und Vergnügen getan. Dafür hat er auch leine auserkorenen Lieblinge, auk die er nichts kommen läßt, die ibm gehören, und die er deshalb mit seiner ganzen Liebe und Sympathie überschüttet. ES gibt nichts Schöner:» und Herzerquickenderes, als beim Ber liner populär zu sein! Gerade das Volk ist hier so überreich im Geben von Wärme und Vertrauen, daß eS manchmal er greift und säst zu Tränen rührt. Setzt der Berliner bei einem Mensche» einmal das Attribut „uwer* vor den Namen, dann nimmt er ihn wie einen Bruder tn seine grobe Stadtfamtlie auf, dann interessiert ihn alle» und fedc» an ihm, und nicht» gibt c», was sich dann noch seiner Fürsorge entziehen könnte. Da» geht ko mit den Dingen wie mit den Menschen. Was der Berliner einmal mit Beschlag belegt hat, da» geht ihm nicht mehr au» Eifersüchtig wacht er dar über, baß e» sein Eigen bleibt, baß er höchsten» gelegentlich einmal für andere Städte oder andere Leute auSleiht. Im ganzen genommen: Der Berliner tst besser al» die schlechte Meinung, bt« man von ihm im Reich hat. Er hat feine Schwächen, aber auch seine Tugenden, wer wirft de« ersten Stet« auf ihn?
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