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66 Sechs und zwanzigste Tafel. .Den Mann, welcher mir jetzt zuerst aufstiefs, können wir freylich nicht zu den Hausirern rechnen, indefs mag er es sich schon einmal gefallen laßen, unter ihnen zu stehen, und Sie, mein Lieber/ werden es nicht un gern sehen, wenn Sie eine Merkwürdigkeit mehr finden, die Sie nicht erwar tet hatten. 1 l Ein Betteljunge küfst einem Pope oder russischem Weltpriester, der hier in seiner gewöhnlichen Kleidung ist, die Hand, was nicht etwa aus Dankbarkeit für eine erhaltene Gabe, sondern aus Ehrerbietung für seinen Stand geschieht. Dies ist hier Sitte, und nicht blofs gemeine Leute küssen auf öffentlicher Strafse diesen Geistlichen die Hand, sondern auch die vornehmsten Herren und Damen, zu denen ein Geistlicher kommt, erzeigen ihm diese Ehre. Alle jedoch nehmen sie nicht an, und es ist hier wie bei uns, der stolzere Theil dieses Standes bläht sich desto mehr auf. Geläugnet aber kann es nicht werden, dafs es unter den hiesigen Popen dergleichen stolze Leute giebt. Indefs behauptet die russische Geist lichkeit einen Vorzug, den man nicht an der Geistlichkeit aller Länder rühmen kann, — Toleranz, und es würde ein schönes erfreuliches Schau spiel für Sie gewesen sein, wenn Sie einen Prediger hätten zu. Grabe tragen sehen von zwei Popen, einem katholischen, einem reformirten, einem lutherischen Prediger und einem Rabbiner. Dieses Schauspiel zu sehen, hat mir mein Glück vergönnt. Der Privat-Gottesdienst der Russen besteht in Fasten und Beten. Mittwoche und Freitag sind ihre Fasttage. Die Gebete werden vor ihren in der Stube befindlichen Bildern der Heiligen (Obrosi) verrichtet, meist Christus, die heilige Jungfrau, und St. Nikolas’, der Schutzpatron der griechischen Kirche. Vor diesen bücken sie sich, bezeichnen ein Kreuz durch Berührung der Stirn, Schultern und Brust, sprechen das Vaterunser und sehr oft die Worte Gliospodi pomilui d. i. Herr erbarme dich!