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73 12. Mit diesen Gesprächen und Betrachtungen beschäftigten sich die Liebenden; bald weinten sie und versicherten sich, daß jedes mehr um des andern Willen leide und sich betrübe, bald gaben sie einander die letzten Aufträge und schwuren bei den Göttern und ihren gegenwär tigen Schicksalen in ihrer Liebe, einander bis znm Tode treu zu sein. Bagoas aber und seine fünfzig Reiter kommen, als noch tiefe Nacht Alles im Schlaf erhielt, nach Memphis, erlangen von den Thorwäch tern Einlaß, da sie sich zu erkennen gegeben und gesagt, wer sie wären, und ziehen schnell und alle zusammen in den Palast des Statthalters. Bagoas stellte seine Reiter rings um den Palast auf und ließ sie da zurück, um zur Vertheidigung gerüstet zu sein, falls eine Widersetzlich keit stattfinden sollte. Er selbst öffnet in einem Seitenpsörtchen, das Wenigen bekannt war, das schwache Schloß, gibt sich dem, der da wohnte, zu erkeuneu und gebietet ihm Schweigen und eilt, weil die Oertlichkeit ihm wohl bekannt war und der Mondschimmer ihn etwas unterstützte, zu Euphrates. Da er ihn im Bette fand, weckte er ihn auf und brachte ihn, der erschreckt rief: wer ist da? durch die Mitthei lung zur Ruhe: Ich bin es, Bagoas; laß Licht kommen. In Folge dessen rief er einen von den aufpassenden Dienern und gebot ihm, eine Leuchte anzuzünden, die andern aber schlafen zu lassen. Als der Die ner kam und, nachdem er die Kerze auf den Leuchter gestellt, sich ent fernt hatte, sagte Euphrates: Welch' ein neues Unglück meldet deine plötzliche unerwartete Ankunft? Es bedarf nicht vieler Worte, ent- gegnete Bagoas. Nimm diese Schrift und lies sie; zuvor jedoch nimm Kenntniß von dem Wappen des Siegels und thue in der Ueberzeu- gung, daß Oroondates es ist, der befiehlt, das Gebotene, indem du die Unterstützung der Macht und der Schnelligkeit gebrauchst, um verbor gen zu bleiben. Ob es aber auch nützlich ist die Aufträge an Arsace abzugeben, prüfe selbst zuvor. 13. Euphrates nahm die Briefe, las beide und sagte: Arsace wird so wie so Jammer haben, sie befindet sich jetzt in der äußersten Ge fahr, ein Fieber hat sie wie durch göttliche Sendung am Tage vorher befallen, eine heftige Hitze, die noch jetzt anhält, plagt sie und es bietet sich wenig Hoffnung dar, daß sie am Leben bleiben werde. Wäre sie auch gesund, so würde ich ihr diesen Brief doch nicht gegeben haben, sie wird eher sterben und uns mit zu Grunde richten, als freiwillig die