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60 wollten. Nun aber, da sie zwar aus einem angesehenen Geschlechts stammen, sonst aber mit mannigfaltigen Widerwärtigkeiten des Schick sals zu kämpfen gehabt haben, und gegenwärtig in der Fremde um- herirrcn, so setzten sie es über alles, ihre Familien wiederzuerlangen, und in das Vaterland zurückzukehren. Die Erbschaft, sie darin zu un terstützen, hat mir mein Vater hinterlassen, obwohl noch andere Rechts gründe obwalten, die mir die Freundschaft für die Fremdlinge zur Pflicht machen. Es ist recht von dir, sagte ihm Arsace, daß du mit Uebergehung von Zank und Einschüchterung dich in das Gewand der Gerechtigkeit hüllst, die offenbar mehr auf unserer Seite ist, in wiefern die Macht zum Besitz mehr verhilst, als eitle Voraussicht. Wie hast du über sie Macht? fragte Thyamis verwundert. Durch das Kriegs recht, antwortete sie ihm, das die Gefangenen zu Sklaven macht. 4. Als nun Thyamis sah, daß sie von Mitranes reden wollte, sagte er: Nein, Gebieterin Arsace, jetzt ist nicht Krieg, sondern Frie den ; jener bringt in Sklaverei, dieser in Freiheit seiner Natur nach; dort gilt der Wille des Tyrannen, hier der Beschluß des Königs. Krieg und Frieden unterscheidet wahrheitsgemäßer nicht die Bedeutung der Worte, sondern die Gesinnung derer, die sie gebrauchen. Deshalb wirst du die Billigkeit besser zu erklären scheinen, wenn du diesem bei stimmst; übrigens kommt das Moralische und das Nützliche auch gar nicht in Frage. Denn wie ist es rechtschaffen oder dir nützlich, junge Fremdlinge so wahnsinnig festzuhalten, und es nicht nur zu wollen, sondern es zu gestehn? 5. Bei diesen Worten hielt sich Arsace nicht mehr, sondern es ging ihr wie meistentheils allen Liebenden: glauben sie verborgen zu sein, so erröthen sie, werden sie ertappt, so sind sie unverschämt. Der Un erkannte ist zögernder, der auf der That Ergriffene wird frecher. So überführte auch sie das Bewußtsein ihrer Seele, und da sie argwöhnte, daß Thyamis Verdacht von ihren Verhältnissen geschöpft habe, sagte sie, ohne sich etwas aus dem Priester und seiner Würde zu machen, und mit Beseitigung jeglicher weiblichen Schamhaftigkeit: Ihr sollt euch auch über das, was ihr au Mitranes verübt habt, nicht freun, es wird eine Zeit kommen, in der Oroondates seine Mörder und ihre Helfershelfer zur Strafe ziehu wird. Die Fremdlinge werde ich nicht loslassen, die für jetzt in meinem Dienste sind, kurz nachher sollen sie