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38 aus Griechenland kommt, ist ihr willkommen, und sie liebt nichts so sehr, als die Sitten und den Umgang der Griechen. Seid also voll guter Hoffnung; du wirst bei unserer Frau all das Gluck und die Ehre genießen, die einem Manne widerfahren kann ; und deine Schwe ster hier wird ihre Gespielin und ihre Vertraute sein. Aber unter welchen Namen soll ich euch anmelden? Da ihr darauf geantwortet wurde: „Theagcnes und Chari- kleia", so sagte sie, erwartet mich hier so lange, und lief sogleich zur Arsace, nachdem sie vorher ihrer Thnrhnterin, die auch ein altes Weib war, geboten hatte, keinen Menschen einznlassen, wenn etwa Jemand in ihr Zimmer gehen wollte, aber auch die beiden Fremden nicht heranszulassen. Darf ich auch deinen Sohn Achämenes nicht einlassen, wenn er znrückkomnen sollte? fragte die Alte hierauf; denn er ist nur erst, da du in dem Tempel warst, ausgegangen, sich sein Auge verbinden zu lassen, an dem er, wie du weißt, einen kleinen Schaden hat. Auch ihn nicht, versetzte Cybele; sondern schließ du die Thür ab, stecke den Schlüssel zu dir und sage, wenn er kömmt, daß ich ihn mit mir genommen habe. Dies geschah alles, wie sie es befahl. Sobald sie sich entfernt hatte, gab die Einsamkeit den Liebenden Raum, sich wieder all ihr Elend vorzustellen und darüber zu jammern. Sie hatten Beide fast dieselben Gedanken und brachten sie fast mit denselben Worten vor. Ach mein Theagenes! ach meine Charkleia! seufzten sie beständig Beide zusammen. Welches Schicksal waltet wieder über uns! sagte jener. Welche Begebenheiten erwarten uns! sagte sie. Und bei jedem Ausruf umarmten sie einander weinend und küßten sich. Dar auf dachten sie wieder an Kalasiris, und ihre ganze Betrübniß heftete sich aus ihn. Am meisten trauerte Charikleia um ihn, die länger mit ihm zusammen gewesen war und mehr Gütigkeit und Liebe von ihm genossen hatte. Bester Kalasiris ! rief sie ans, denn mit dem liebreichen Namen eines Vaters darf ich dich nicht nennen, und die Götter schei nen mir von allen Seiten das Glück entreißen zu wollen, einen Men schen Vater zu nennen. Den, der es mir durch die Natur ist, habe ich nie gekannt. Dem, der durch freie Wahl mich zu seiner Tochter gemacht hatte, o Himmel, dem bin ich untreu geworden. Den, der in feiner Vaterliebe für mich ihm nachgesolgt ist, der bisher mich erhalten hat, den raubt mir der Tod; und diese Priester hier erlauben mir