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28 trachtete, da führte vielleicht ein Gott, oder ein besonderes Glück, welches die Zufälle der Menschen ordnet, gleichsam zu einer Episode der Haupthandlnng und ihr eine neue tragische Begebenheit einzuflech- ten, eben diesen Tag und eben diese Stunde, wie durch ein Wunder werk, den Kalasiris herbei, damit er der unglückliche Zuschauer des tödtlichen Kampfes seiner Söhne sein sollte; nachdem er einen so grau samen Anblick zu vermeiden so viel ausgestanden, so viel unternom men, sich selbst aus seinem Vaterlande verbannt lind ein irrendes Leben unter Fremden geführt hatte, nunmehr aber doch endlich von dem Verhängnisse besiegt und wie mit Gewalt hierher getrieben wurde, dasjenige zu sehen, was die Götter ihm geweissagt hatten. Da er schon von fern die Streitenden gewahr wurde, den einen fliehend, den andern verfolgend, und das Orakel, das er so oft gehört hatte, ihn sogleich vermuthen liest, dast es seine Söhne sein müstten, zwang er sich, über die Kräfte seines Alters, zu einem heftigen Laufe, holte sie ein. 7. Indem er ihnen fast schon zur Seite lief, schrie er unaufhör lich: O Thyamis, o Petosiris, was thut ihr? meine Kinder, was thut ihr? Sie, die das Antlitz ihres Vaters nicht erkannten, theils weil er in die elende Kleidung eines Bettlers gehüllt war, theils weil sie an nichts dachten, als an ihren Kampf, achteten nicht auf ihn, den sie für einen Landstreicher oder einen Unsinnigen hielten. Von den auf der Mauer Stehendeil bewunderten ihn einige, wie er, ohne sich zu schonen, sich zwischen gezückte Schwerter warf; andere verlachten ihn als einen Thoren, der sich aus Unsinn unter Streitende mengte. Da er merkte, dast er wegen seiner schlechten Kleidung nicht erkannt wurde, nahm er die Lumpen sich ab, die er um seine Kleidung gehüllt hatte, liest sein priesterliches, langes Haar lose hinabfallen, warf das Bündel von seiner Schulter und den Stock aus seiner Hand und stand plötzlich in seiner eigenen Gestalt, ehrwürdig und mit priesterlichem Ansehen, vor ihren Augen. Zugleich sank er ohnmächtig auf die Kniee, streckte die Hände flehend empor und rief seufzend und mit Lhränen: O meine Kinder, ich bin Kalasiris, ich bin euer Vater! Haltet hier ein, haltet diese Wuth ein, die ein Verhängniß in euch erregt! Seht hier und habet Scheu vor dem Vater, der euch gezeugt hat! Durch diese Worte wurden sie so sehr gerührt, daß sie fast ohn mächtig zu des Alten Füßen hinfielen. Sie schlossen sich an seine