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15 leichter unfern täglichen Unterhalt finden, denn Fremde, die keine Ge legenheit wisfen, finden kaum das Nöthige für Geld, das man Bettlern gern aus Erbarmen reicht. 11. Kalasiris billigte diesen Anschlag und beschloß, die Reife so bald als möglich vorzunehmen. Sie begegneten darauf dem Nausikles und Knemon, entdeckten diesen ihr Vorhaben und bestimmten den drit ten Tag nach dem gegenwärtigen zu ihrer Abreise. Sobald dieser erschien, verließen sie das Haus des Nausikles, ohne von ihm einen Wegweiser oder ein Pferd anzunehmen, die er ihnen anbot. Nausikles selbst aber mit Knemon und dem ganzen Gesinde des Hauses begleitete sie einen Theil des Weges. Auch Nausikleia bat sich inständig von ihrem Vater die Erlaubniß aus ihnen zu folgen, da ihre Liebe für Charikleia ihre noch jungfräuliche Schamhaftigkeit überwand. Nachdem sie ungefähr fünf Stadien zusammengegangen waren, nahmen sie end lich den letzten zärtlichen Abschied von einander mit Küssen und Um armungen , unter Vergießung vieler Thränen und mit eifrigen Wün schen, daß künftig das Glück Charikleia mehr begünstigen möge. Nau sikles ging darauf mit den Seinigen nach Chemmis zurück: Kalasiris aber und Charikleia zogen jetzt zuerst ihre Bettlerkleider an, die sie von Chemmis mitgenommen hatten. Außerdem entstellte Charikleia ihr Gesicht noch durch Ruß und Staub, den sie sich einrieb, und ließ sich das Ende eines schmutzigen Schleiers über ein Auge unordentlich hin abhängen. Unter dem einen Arm hing sie einen Sack sich an, dem Scheine nach als Gewahrsam der erbettelten Speisen, in dem sie aber ihre priesterliche Kleidung aus Delphi mit den Binden und die Klei node, die ihre Mutter mit ihr ausgesetzt hatte, verborgen hielt. Kala siris hing sich den Köcher als ein anderes Bündel in altes abgenutztes Leder eingewickelt über die Schultern und trug den Bogen, der sofort gerade wurde, da er die Sehne davon abnahm, als einen Stock in der Hand, auf den er sich mit dem ganzen Körper stützte, indem er den Rücken, sobald er Jemand von fern kommen sah, noch mehr krümmte, als ihn sein Alter nöthigte, das eine Bein wie lahm nachschleifte und zuweilen von Charikleia sich führen ließ. 12. Sie spielten beide ihre Rolle bald vollkommen und scherzten über sich selbst mit höhnischen Lobsprüchen, die sie einander darüber ertheil- ten. Zugleich aber flehten sie den Gott an, der über ihren Schicksalen