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12 will ich ihm Klagelieder anstimmen und meine Seufzer sollen sie be gleiten. Das Düster soll das Echo ihnen geben und diese Leuchte will ich zur Erde werfen, damit nur Nacht und Finsterniß die Zeugen mei ner Leiden seien. Dies ist der Hochzeitssaal und dies das Ehebett, das mir bereitet war, wo ich allein, meines Gatten beraubt, der nur noch erst dem Namen nach mein Gatte war, in meinem Kummer um ihn mich verzehre. Knemou feiert seine Hochzeit und Theagenes irrt unter Fremden umher, als ein Gefangener vielleicht gar in Ketten. Aber dies sei noch ein Glück für mich, ihr Götter! Laßt ihn nur leben! Nausikleia eilt in die Arme ihres Gatten und trennt sich von mir, sie die bisher das Bett mit mir theilte, wo ich jetzt verlassen und einsam liege. Und o Glück! o Götter! ich zürne nicht auf euch wegen ihrer Freuden. Möchten sie vielmehr jede genießen, die sie wünschen können. Ich jammere nur, daß ihr uns nicht eben so günstig seid als ihnen. So unendlich verlängert ihr das traurige Schauspiel unserer Wider wärtigkeiten, daß kein Schauplatz es mehr faßt. Aber warum bin ich mit vergebneu Klagen wider die Götter beschäftigt? Ihr Wille mag auch künftig geschehen! Du, mein Theagenes, mein einziger, mein ge liebter Gedanke, bist du todt und ich bekomme die verhaßte Kunde, die ich nie bekommen möge, dann wollen wir bald beisammen sein. Jetzt empfange dieses Leichenopfer (zugleich riß sie die Haare sich aus und streute sie auf ihr Bett) und diese Thränen aus diesen von dir geliebten Augen (und bald war ihr Bett mit ihren Thränen benetzt). Lebst du aber noch, wie ich es wünsche, o so komm, mein Freund, wenigstens im Traum zu mir und ruhe mit mir auf diesem Lager. Aber auch im Traume, mein Bester, schone deine Jungfrau und erhalte sie deiner gesetzmäßigen Ehe! Ja, ich sehe dich schon, ich umarme dich! 9. Indem sie dies sagte, warf sie sich plötzlich mit dem Gesicht aus das Bett und hielt es mit nusgestreckten Armen umfaßt, indem sie dabei ächzte und laut stöhnte, bis endlich die äußerste Betrübniß ihr einen Schwindel und eine Dunkelheit in der Seele verursachte, die allmälig ihren Ver stand verfinsterten und sie unvermerkt in einen tiefen Schlaf zogen, der sie nicht eher verließ, als bis es Heller Tag war. Kalasiris, der sich wunderte, daß sie wider ihre Gewohnheit sich noch nirgend zeigte, ging endlich nach ihrem Schlafzimmer und klopfte so lange an die Thür und rief sie bei ihrem Namen bis sie er-