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theilig ist; eine Mutter, eine Frau kann nicht ohne Nachsicht für die Schwachheit ihres Kindes und ihres Geschlechtes sein. Charikleia weinte hierauf lange Zeit ohne zu sprechen. End lich sagte sie: Auch dies ist noch mein Unglück, daß ich von Verstän digen nicht verstanden werde, und nichts zu sagen scheine, wenn ich mein Unglück klage. Ich sehe wohl, ich muß endlich grad heraus und nnverhüllt sprechen. Nach diesen Worten wollte sie eben ansangen, ihre Liebe zu offenbaren, als ein lautes Geschrei , welches das Volk erhob, sie davon abhielt. 30. Theagenes hatte jetzt sein Pferd im schnellsten Laufe dem Stier so weit zuvorgetrieben, daß es ihm mit der Brust neben dem Kopfe stand, war darauf von ihm gesprungen und hatte sich dem Stier auf den Nacken geworfen, indem er sich mit dem Gesichte zwischen die Hör ner legte, den Kopf mit den Armen fest umschlang und die Finger vorn über der Stirn wie einen Knoten in einander schlang; hierauf ließ er den ganzen übrigen Körper von der rechten Schulter des Stiers herabfallen, hing fest an ihm und ließ sich anfangs von seinen Sprün gen erschüttern. Da er ihn aber von der an ihm hängenden Last er mattet sah und merkte, daß von der äußersten Anstrengung seine Sch nell schlaff wurden, schwang er sich, als er eben dem Könige vorbeilief, vorwärts nach der Brust, mit den Beinen gegen die Schenkel des Thie- res hängend, an die er ihn beständig mit seinen Füßen stieß und es dadurch im Lauf hinderte. Der Stier, der jetzt im Sturz seines Laufs ausgehalten und von den starken Armen des Jünglings zu Boden ge drückt wurde, sank endlich auf die Kniee, stürzte plötzlich auf den Kopf, uberschlug sich und lag lange Zeit ausgestreckt auf dem Rücken und auf den Schultern, indem die Hörner in den Boden drangen und gleichsam sestwurzelten, so daß er den Kopf nicht bewegen konnte, son dern nur mit den Füßen vergebens in die Luft schlug und gegen seine unvermeidliche Niederlage ankämpfte. Theagenes lag auf ihm und hielt ihn nur mit der linken Hand, die rechte hob er gen Himmel und bewegte sie beständig hin und her, indem er mit einer fröhlichen und lächelnden Miene aus den Hydaspes und das Volk umher sah und sie gleichsam einlud, sich mit ihm zu freuen, und der Stier mit seinem Gebrülle statt der Trompete den Sieg verkündete. Diesem Gebrülle schallte das Geschrei des Volkes entgegen, das zwar keine deutlich aus- Heliobor. II, 9