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88 Das Mädchen gab mir durch mehrmaliges Kopffchütteln und ein spät- telndes Lächeln zu verstehen, daß ich auf einem falschen Wege sei und die Krankheit verkenne. Ich setzte mich neben sie und sagte: Sei ge trost, meine Tochter, die Krankheit ist unbedeutend und leicht zu heilen. Ein neidisches Auge hat dir etwas angethan, vielleicht bei dem Auf zuge, eher aber wohl, als du die Kampfpreise verthciltest. Ich arg wöhne den Thäter, es ist Theagenes, der den Wettlauf in der Rüstung machte: ich habe wohl bemerkt, daß er dich oftmals beobachtete und einen dreisternen Blick auf dich warf. Mag er es gethan haben oder nicht, versetzte sie, ich wünsche ihm viel Glück und Freude. Wer sind seine Eltern und woher ist er? ich sah viele, die von ihm entzückt wa ren. Daß er ein Thessalier ist, antwortete ich, hast du früher gehört, als der Herold ihn ausrief; er führt sich auf Achilles als Ahnherrn zurück, und wie mir scheint, der Wahrheit gemäß, wenn man es aus der Größe und Schönheit des Jünglings schließen darf, die seine edle Herkunft von Achilles beglaubigt. Nur ist er nicht so übermüthig und hofsährtig wie jener, Anmuth mildert den Stolz seines Sinnes. Trotz dem wünsche ich ihm Herberes zu leiden, als er zusügte, da er dir durch seinen neidischen Blick etwas angethan hat. Ich danke dir zwar, mein Vater, entgegnete das Mädchen, daß du ein solches Interesse für mich empfindest. Weshalb aber wünschest du ihm, der mir vielleicht keinen Schaden that, ohne Grund Böses? Ich leide nicht, weil mir der Neid etwas angethan hat, sondern meine Krankheit ist, wie ich glaube, eine andere. Du verbirgst sie mir also, mein Kind, warf ich ein, und sagst sie mir nicht, damit wir eine Hülfe verschaffen? Bin ich nicht meinem Alter und mehr noch meinem Wohlwollen nach dein Va ter? Bin ich nicht ein Bekannter deines Vaters und mit ihm ein Herz und eine Seele? Erkläre, was dir fehlt. Du kannst dich auf meine Treue verlassen, und ich will dich, falls du es wünschest, derselben noch mit einem Eide versichern. Sprich mit Zuversicht zu mir und ver größere deinen Kummer nicht durch Schweigen. Jedem schnell erkann ten Leiden kann man leicht abhelfen, nur dasjenige, was man lange bei sich trägt, ist nahezu unheilbar. Verschweigen nährt die Krankheit, was man sagt, läßt sich leicht Herstellen. 6. Auf diese meine Worte hielt sie ein wenig inue und verrieth durch ihre Augen unzählige Wand lungen ihrer Gedanken und Entschlüsse. Endlich sagte sie: bewillige