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62 Wundere dich darüber nicht, meinte Knemon: auch mich verdrießt es, dies nicht zu hören; vielleicht werde ich es dennoch hören. Das wirst du, sagte Kalasiris. Jetzt will ich dir erst erzählen, was Chari- kles weiter berichtete. 33. Als ich in das Haus trat, sagte er, kommt mir das Mädchen entgegen und sprach zwar nichts, weil sie noch nicht hellenisch verstand, sie begrüßte mich aber mit ihrer Hand und stimmte mich blos durchs ihren Anblick heiterer. Und ich wunderte mich, daß, wie edle, treffliche Hunde jeden anwedeln, den sie auch nur kurze Zeit kennen, auch sie so schnell das Wohlwollen merkte, welches ich für sie em pfand, und mich als Vater liebkoste. Ich beschloß nun, bei den Katarrhakten nicht länger zu verweilen, damit der Neid der Gottheit mich nicht auch der zweiten Tochter beraube; ich fuhr den Nil herab zum Meere und begab mich an Bord eines Schiffes, welches ich antraf, nach Hause. Jetzt ist das Mädchen hier bei mir, sie gilt als meine Tochter und trägt meinen Namen; auf ihr beruht alle Hoffnung meines Lebens. Sonst ist sie besser, als ich es nur wünschen kann : so sehr schnell hat sie die hellenische Sprache sich zu eigen gemacht, so schnell entwickelte sie sich gleich einem stark schossenden Bäumchen zur Blüthe. An körperlicher Schönheit übertrifft sie alle so sehr, daß das Auge eines jeden Hellenen und Fremdlings auf sie sich richtet; wo sie sich auch zeigt, in Tempeln, auf Laufplätzen oder Märkten, zieht sie, wie das Urbild der Schönheit, alle Blicke und Gedanken auf sich. Allein bei allen diesen Eigenschaften erfüllt sie mich mit untröstlichem Kummer. Von einer Heirath will sie nichts wissen und besteht darauf, ihr ganzes Leben hindurch Jungfrau zu bleiben: sie hat sich der Arte mis als Priesterin gewidmet und beschäftigt sich meistcntheils mit Jagd und übt sich im Bogen. Mir ist das Leben unerträglich, ich hoffte, sie dem Sohne meiner Schwester, einem artigen Jünglinge von einneh mender Unterhaltung und Sitte, zu gebe», es gelingt mir aber nicht, wegen ihres harten Entschlusses. Weder durch Liebkosungen, noch durch Versprechungen, noch durch Anführung von Gründen habe ich sie überreden können; sie gebraucht, was das Schlimmste ist, meine eige nen Waffen gegen mich, wie man zu sagen pflegt, und strengt ihre mannigfache Erfahrung und Gewandtheit in der Rede, die ich ihr bei brachte, um sie zur Auswahl des bestens Lebens zu befähigen, zur