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60 hat viele Städte und den Sinn und die Sitten vieler Menschen kennen gelernt. Daher hat er wie natürlich andere und auch mich, als ich vor wenigen Tagen hier umherirrte, unter sein Dach ausgenommen. Wel ches war der Grund deines Umherschweifens, lieber Vater? fragte Knemon. Räuber haben mir meine Kinder geraubt, entgegnete der Alte; die Thüter kenne ich und vermag ihnen doch nicht beizustehen; so drehe ich mich um diesen Ort umher und begleite meinen Schmerz mit Thränen, gleich einem Vogel, der, wann eine Schlange vor seinen Augen sein Nest zerstört und seine Brut verzehrt, sich fürchtet heranzu- tommen, und es doch nicht über sich gewinnt zu fliehen. Liebe und Schmerz kämpfen in ihm. Zwitschernd umflattert er die Bedrängten und läßt vergebens seine Mutterklagen vor dem Ohr des harten Fein des ertönen, dem die Natur kein Gefühl des Erbarmens verliehen hat. Möchtest du mir nicht mittheilen, sagte Knemon, wie und wann du diesen schweren Kampf bestandst? Ein ander Mal, versetzte der Alte; jetzt ist es Zeit auch für den Magen zu sorgen, den Homer im Hinblick darauf, daß er alles seinem eigenen Willen nachsetzt, mit dem wunder bar treffenden Beiwort des „verderblichen" belegt. Zuerst aber laß uns, wie es Sitte der Weisen in Egypten ist, den Göttern spenden; denn mein Leiden wird mich nicht bereden, dieses Gesetz zu übertreten, und möge nie eins so mächtig sein in mir den Gedanken an die Götter zu vernichten. 23. Mit diesen Worten goß er unversetztes Wasser (solches trank er nur) aus der Schale und sagte: Wir wollen den einheimischen und den hellenischen Göttern spenden, dem pythischen Apollo selber und außerdem noch dem Theageues und der Charikleia, den Schönen und Trefflichen, da ich auch diese unter die Zahl der Götter rechne. Und zugleich weinte er, wie wenn er durch seine Thränen ihnen eine zweite Spende darbrächte. Knemon erstarrte, als er diese Namen hörte; er betrachtete den Greis von oben bis unten und sprach: Was sagst du? sind Theagenes und Charikleia wirklich deine Kinder? Ja, meine Kin der, o Freund, entgegnete der Alte, die mir keine Mutter geboren. Durch einen Zufall haben die Götter sie mir gegeben, die Schmerzen meiner Seele gebaren sie mir und meine Neigung zu ihnen galt für l°) Hom. Odyss. LV. 348.