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43 Schlummer. So mußte der denkende Theil der Seele dem angegriffe nen Körper sich bequemen. 16. Als sie ein wenig Schlaf, so viel, um ihre Augenlider etwas zu erquicken, genossen hatten, kam der Charikleia ein Traum. Ein Mann mit struppigem Haar, tückischem Blick und blutbefleckter Hand schlug ihr mit seinem Schwert das rechte Auge aus. Sie schrie sogleich auf, rief den Theageues und sagte, sie sei ihres Auges beraubt worden. Er war auf ihren Ruf sogleich zur Hand und empfand ihr Leiden eben so tief, als wenn er die Traumerscheiuuug zugleich mit gehabt hätte. Sie griff nach ihrem Gesicht und betastete von allen Seiten den Theil, den sie im Traum verloren zu haben glaubte, und sagte, wie es nur ein Traum war: Es war ein Traum! ich habe mein Auge. Beunruhige dich nicht, mein Theageues. Theagenes athmete auf, als er das hörte, und sagte: O das ist schön, daß du deine Sonnenstrahlen unversehrt hast. Was war dir aber widerfahren und welche Angst befiel dich? Ein übermüthiger, frevelhafter Mensch, antwortete sie, der sich auch gar nicht einmal vor deiner unbezwinglichen Stärke fürchtete, stürzte, als ich aus deinem Schooße lag, mit dem Schwerte auf mich los und ich glaubte, daß er mir das rechte Auge ausschlage. Ach möchte doch, Theageues, was ich gesehen, wirklich und nicht ein Traum sein. Als er sie bat, doch nicht so etwas zu sagen und fragte, weshalb sie das sage, erwiderte sie: Weil es für mich besser ist, um das eine Auge ge kürzt zu werden, als um dich in Sorge zu sein. Ich fürchte sehr, daß der Traum sich auf dich bezieht, der mein Auge ist, meine Seele, mein Alles. Beruhige dich, sagte Kuemon, der alles anhörte, weil er bei dem ersten Schrei der Charikleia aus dem Schlafe aufgewacht war. Mir ist es klar, daß der Traum etwas Anderes bedeutet. Antworte mir, ob du Eltern hast. Auf ihre Bejahung und ihren Wunsch: „Möchten sie nur am Leben sein" fuhr er fort: Dann glaube, daß dein Vater gestorben sei. Ich schließe das also: Unsere Eltern sind die Ur sache, daß wir in dies Leben gekommen sind und an diesem Lichte Theil haben, demnach deuten die Träume durch das Augenpaar, welche das Werkzeug sind, mit dem wir sehen und das Licht wahrnehmen, auf Va ter und Mutter hin. Hart ist auch das, sagte Charikleia; ich wünsche aber doch, daß es lieber wahr sei, als das Andere, und daß deine Deu tung die richtige sei und daß die weinige sich als falsch erweise. Das