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42 sei verwundet an das Land geschwommen und komme jetzt nach der Höhle, um Thisbe zu suchen. Sie fragten, was ihn Thisbe, die er suche, angehe, und woher er sie bekommen habe. Auch das beantwor- tete Thermuthis und erzählte, daß er sie Kaufleuten geraubt und sich rasend in sie verliebt hätte; die übrige Zeit habe er sie heimlich ge habt, bei dem Heranrücken der Feinde habe er sie in die Höhle her unter gelassen und nun finde er sie der Himmel weiß von wem ge- tödtet; wer es sei, könne er nicht ahnen, er möchte es aber gern er fahren, um die Ursache zu wissen. Knemon, der sich von Verdacht zu befreien wünschte, versetzte gar eifrig: „Thyamis ist der Mörder", und zeigte zum Belege das Schwert, welches sie neben der Leiche gefunden hatten. Wie Thermuthis dasselbe von Blut triefen und den Stahl von der eben verübten That beinahe noch warm sah und wie er es als das des Thyamis erkannte, stieß er einen tiefen, schweren Seufzer aus; rathlos, sich den Vorfall zn erklären, ging er schweigend und betäubten Sinnes zu der Mündung der Höhle und legte, bei dem Körper der Todten angelangt, den Kopf auf ihre Brust und sagte oftmals und immer nur „o Thisbe", bis er, den Namen mehr und mehr verkürzend, so daß zuletzt nichts mehr davon übrig blieb, unvermerkt in Schlaf versank. 15. Theagenes aber, Charikleia und Knemon verfielen alle drei zu sammen in Betrachtungen über ihre Lage, sie schienen einen Plan fassen zu wollen, allein die Masse des überstandenen Kummers, die Rath- losigkeit ihres gegenwärtigen Unglücks und die Ungewißheit der Dinge, die sie erwarteten, verdunkelte die Denkkraft ihrer Seele. Sie sahen einander lange an und Jeder erwartete, daß der Andere etwas sagen werde; in dieser Hoffnung getäuscht schlug er den Blick zur Erde nie der und holte ihn dann wieder erhebend tief Athem, um seinem Schmerz durch einen Seufzer Erleichterung zu verschaffen. Endlich wirft sich Knemon auf die Erde, Theagenes kauert sich auf einen Stein und Cha rikleia legt sich auf seinen Schooß. Lange erwehrten sie sich des sie überfallenden Schlafes, weil sie einen Plan über ihre gegenwärtige Lage zu fassen wünschten, von geistiger Ermattung aber und den bestandenen Anstrengungen übermannt gehorchten sie wider Willen dem Gesetz der Natur und versanken durch das Uebermaß der Betrübniß in süßen