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21 Gefangenen zu verdolmetschen, (denn er verstand schon egyptisch, Thya- mis aber nicht fertig hellenisch) und sprach: Kameraden, wie ich stets gegen euch gesinnt gewesen bin. wißt ihr. Es ist euch bekannt, daß ich ein Sohn des Oberpriesters in Memphis bin, da ich aber nach dem Hintritt meines Vaters das Priesteramt nicht erhielt, weil mein jüngerer Bruder gesetzvergessen genug war, es zu stehlen, so nahm ich zu euch meine Zuflucht, um Rache zu erlangen und die Würde wieder an mich zu bringen. Von euch würdig befunden, euch zu beherrschen, habe ich bisher mir nicht mehr angeeignet, als jeder bekommt, sondern bin bei einer Vertheikung der Schätze mit dem glei chen Antheil zufrieden gewesen, oder wenn Gefangene verkauft wurden, machte ich den Erlös zum Gemeingut, in der Ueberzeugung, daß ein guter Führer an den Thaten den größten, an dem Gewinne den glei chen Antheil haben müsse. Gefangen genommene Männer reihte ich uns selbst ein, wenn sie uns durch ihre Körperkraft nützen konnten, die Schwächeren verkaufte ich. Gegen Weiber habe ich mir nie einen Fre vel zu Schulden kommen lassen, die von guter Herkunft gab ich entwe der für Geld los oder aus bloßem Mitleid mit ihrem Schicksal, die geringeren aber, die nicht mehr die Gefangenschaft, als die Gewohnheit zu dienen zwang, vertheilte ich an Jegliche von euch als Dienerinnen. Für jetzt verlange ich von euch nur eins von der Beute, dieses fremde Mädchen hier, die ich mir zwar selbst geben könnte, doch halte ich es für besser, sie aus den Händen und mit der Zustimmung Aller zu neh men; denn es ist thöricht, der Gefangenen Gewalt anzuthun und dabei dem Willen der Frennde ersichtlich zuwider zu handeln. Allein auch diese Gunst fordere ich von euch nicht umsonst, dafür will ich nichts von der Beute der Andern haben. Weil der Priesterstand die gemeine Liebe verschmäht, habe ich mir dieses Mädchen nicht zur Befriedigung der Wollust, sondern zur Fortpflanzung meines Geschlechts erlesen. 20. Ich will euch auch die Gründe, die mich dabei leiteten, anführen. Erstlich scheint sie mir von edler Geburt zu sein. Ich schließe es aus dem Reich- thum, den wir an ihr gesunden haben, und weil sie ungebrochen durch das gegenwärtige Unglück das Selbstgefühl ihrer früheren Lage be wahrte. Ferner halte ich sie für gut und sittsam. Denn wenn sie, an Wohlgestalt alle übertreffend, durch ihren Ehrfurcht gebietenden Blick die Beschauer in die Schranken des Anstandes weist, wie sollte sie nicht