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117 hofft sah und gesehen wurde, da brachen alle auf einmal in Klagen aus und fingen wie auf ein Zeichen oder mit einem Schlage zu schluch zen an. Eine lange Weile hörte man: „O mein Vater, o meine Tochter," und „also wirklich Charikleia und nicht Knemous Thisbe". Nausikles mar ganz betäubt: er sah den Kalasiris an, so lange er Charikleia unter Thränen in Armen Hielt, und befand sich in Zweifel und Verlegenheit, ums das für eine Erkennuugsscene sei, bis Kalasiris ihn mit heftigen Küssen an sich zog und sagte: O bester der Männer, hiefür mögen die Götter dir die Fülle geben, was du nur wünschest: du bist der Retter meiner schon aufgegebenen Tochter geworden und hast mir das zu sehen gegeben, was mir von allem das Angenehmste ist. Doch, meine Tochter, meine Charikleia, wo ließest du den Thea genes ? Bei der Frage sing sie zu schluchzen an und antwortete nach einer kleiner Weile: Derselbe, ich weiß nicht wer, der mich diesem überliefert hat, führte ihn als Gefangenen fort. Kalasiris bat nun den Nausikles, ihm zu eröffnen, was er von Theagenes wisse, wer sein jetziger Herr sei und wohin dieser ihn fort geführt habe. Nausikles, der merkte, daß dies die beiden seien, von denen der Alte oft mit ihm gesprochen hatte und zu deren Auffindung derselbe, wie er wußte, unter Wehklagen umherirrte, theilte ihm alles mit. Er fügte aber hinzu, daß es ihnen nichts nützen werde dieses zu wissen, da sie arm seien: er würde sich wundern, wenn Mitranes sich entschließen wollte, den Jüngling selbst für vieles Geld loszulassen. Wir haben Geld, flüsterte Charikleia dem Kalasiris zu; biete ihm so viel du willst: das Halsband, welches du kennst, bewahre ich und trage es bei mir. 12. Hierauf faßte Kalasiris Muth; da er jedoch fürchtete, Nausikles dürfte Verdacht über das, was Charikleia wirklich bei sich führte, schöpfen, so sagte er: Mein guter Nausikles, der Weise hat niemals Mangel; sein Wunsch ist sein Vermögen, er bekommt von den Göttern so viel, als er zu erbitten für geziemend hält. Deshalb zeige uns nur an, wo der Herr des Theagenes sich befindet und sei überzeugt, daß die Götter uns nicht vernachlässigen, sondern uns genug geben werden, um die persische Geldgier zu befriedigen. Nausikles lächelte hierüber und meinte: alsdann wirst du mich glauben machen, daß du plötzlich wie durch einen Zauberschlag reich werden könnest, wenn du mir zuvor das Lösegeld für dieses Mädchen gezahlt hast.