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96 11. Bei diesen meinen Worten brach ihr der Angstschweiß aus, Knemon, und man sah ihr sowohl die Freude über das Vernommene, als auch die Besorgniß wegen ihrer Hoffnungen und die Scham über ihr Erliegen an. Eine ziemlich lange Zeit schwieg sie und sagte dann: du sprichst von Vermählung, Vater, und forderst mich auf für sie mich zu entscheiden, als wenn es gewiß wäre, daß entweder mein Vater dazu seine Einwilligung geben, oder daß mein Widersacher sich darum be- mühn wird. Wegen des Jünglings sei ohne Sorgen, entgegnete ich, der ist uns fest: eine ganz ähnliche Bewegung hat ihn ergriffen, und er ist vielleicht in noch höherem Grade gefangen, als du. Gleich bei der ersten Begegnung, wie es scheint, erkannten eure Seelen ihren gegen- seitigen Werth und fielen derselben Leidenschaft anheim. Aus Gefällig keit gegen dich habe ich sein Verlangen durch Klugheit noch gesteigert. Dein vorgeblicher Vater aber besorgt dir einen andern Bräutigam, den Alkamenes, der dir nicht unbekannt ist. Dem Alkamenes mag er lieber ein Grab, als die Vermählung mit mir besorgen, versetzte sie; mich wird entweder Theagenes heimführen, oder der Tod in seine Arme nehmen. Sage mir aber, ich bitte dich, woher erfuhrst du, daß Chari- kles nicht mein Vater ist, sondern nur dafür gilt? Durch dieses Tuch, versetzte ich, indem ich es ihr zeigte. Woher oder wie gelangtest du zu demselben? seitdem Eharikles mich in Egypten aus der Hand des Man nes, der mich aufzog, empfing und mich, ich weiß nicht wie, hierher brachte, nahm er es und hielt es in einem Kästchen verwahrt, damit die Zeit es nicht beschädige. Wie ich dazu gelangte, sollst du ein ander Mal hören, entgegnete ich; für jetzt sage mir, ob du weißt, was darauf geschrieben steht. Auf ihre Erklärung „Nein! wie sollte ich es?" fuhr ich fort: Es zeigt dein Geschlecht, dein Volk und deine Schicksale an. Sie bat mich inständig, ihr zu eröffnen, was ich wüßte; ich sagte ihr alles und las ihr die Schrift der Reihe nach in wortgetreuer Ueber- setzung vor. Wie sie erkannte, wer sie sei, und durch ihr Geschlecht zu größe rem Stolze erhoben auf mich zulief und fragte, was sie thun sollte, da begann ich ihr schon einen deutlicheren Rath zu geben und entdeckte ihr, wie sich alles verhielt. Aus dem Verlangen nach der dortigen Weisheit kam ich auch nach Aethiopien, liebe Tochter; ich wurde mit deiner Mut ter Persina bekannt, da der königliche Hof stets die Weisen an sich zieht,