94 schlecht im Gedächtniß, ehre die Keuschheit, die allein das Kennzeichen weiblicher Tugend ist, und befleißige dich eines königlichen und deiner Eltern würdigen Stolzes. Unter allen mit dir ausgesetzten Kostbar keiten erinnere dich vor Allem nach einem Ringe zu suchen und ihn dir zu erhalten, den dein Vater mir während seiner Bewerbung schenkte; er trägt das königliche Siegel und in seine Kapsel ist ein Pantarbes- Stein Z von geheimnißvoller Kraft eingeschlosseu. Dies hatte ich durch die Vermittlung und den Mund des Briefes mit dir zu sprechen, da die Gottheit mir den Verkehr mit den Gegen wärtigen und Lebenden versagt hat; vielleicht ist es nutzlos und ent geht deinem Ohr, vielleicht wird es dir etwas helfen. Die Ungewißheit des Schicksals ist für den Menschen unerforschlich. Bleibst du am Le ben, o du umsonst Schöne, deren Schönheit mir eine Anklage brachte, so wird dir diese Schrift deine Eltern melden, geht es dir aber, wie mein Ohr nicht vernehmen möge, den Kummer und die Thränen einer Mutter an deinem Grabe. 9. Wie ich dies gelesen, lieber Knemon, bewunderte ich zwar die Fügung der Götter, mich erfüllte aber Freude und Betrübniß zugleich. Eine sonderbare Stimmung bemächtigte sich meiner, ich weinte und war froh in demselben Augenblick: die Auffindung des Unbekannten und die nun erfolgte Lösung der Orakelsprüche stimmte mein Gemüth heiter, doch war ich über den Ausgang der Zukunft in Sorge und beklagte das Unsichere, Ungewisse und Wandelbare des menschlichen Lebens, welches die Schicksale der Charikleia damals in so eklatantem Grade erkennen ließen. Mir fiel Vieles ein, von welchen Eltern sie stammte und für wessen Kind sie gehalten wurde, und wie weit sie von ihrem Vaterlande verschlagen wäre; sie hatte den Namen einer unehelichen Tochter bekommen und ihre wirkliche Abstammung aus der äthiopischen Königsfamilie verloren. Lange Zeit stand ich unschlüssig da, wegen der Vergangenheit mußte ich sie bemitleiden, in Bezug auf die Zukunft hatte ich nicht den Muth, sie glücklich zu preisen, bis ich meine Urtheils- kraft zur Besonnenheit zurückrief und nicht weiter zu zögern beschloß, sondern frisch darauf zu handeln. Von dem Pantarbes erzählen Ktesias in seinen Jndika, Photius und Phi- lostratus in dem Leben des Apollonius B, III. wunderbare Dinge.