Volltext Seite (XML)
91 und von seiner Heilung zugleich mit ein Besserbefinden erlangt. Das Mädchen hat eine Krankheit, aber keine körperliche. Sie leidet an keinem Ueberfluß der Säfte, kein Kopfschmerz belästigt sie, kein Fieber macht ihr Hitze, nichts sonst von ihrem Körper, weder ein Theil, noch der ganze, ist krank. So steht die Sache, nicht anders, daraus kannst du dich verlassen. Als ich in ihn drang und ihn bat, es mir zu er öffnen, wenn er etwas gemerkt hätte, erwiderte er: Ist das nicht einem Kinde erkennbar, daß das Leiden in der Seele sitze und daß die Krank heit nichts Anderes sei als baare Liebe? Bemerkst du nicht, wie angc- laufen ihre Augen sind, wie unstät der Blick, wie bleich ihr Gesicht ist, ohne daß ein inneres Organ die Schuld trägt, wie ihr Geist um- herschmeist und wie sie spricht, was ihr in den Sinn kommt, an einer grundlosen Schlaflosigkeit leidet und gänzlich den Stolz verloren hat? Du mußt den aufsuchen, Charikles, der sie heilen wird; das kann aber nur ihr Ersehnter sein. Mit diesen Worten ging er fort; nun bin ich zu dir gelaufen gekommen, meinem Retter und meinem Gott, von dem auch das Mädchen weiß, daß du allein ihr die Wohlthat der Genesung gewähren könnest. Auf meine vielen Bitten und Aufforde rungen, auszusprechen, was ihr fehle, gab sie nur die eine Antwort, sie wisse nicht, was ihr geschehen sei, aber das wisse sie, daß Kalasiris allein sie heilen könnte, und sie bat mich flehentlich, dich zu ihr zu ru fen, woraus ich auch vornehmlich schloß, daß sie von deiner Weisheit gefangen sei. Wie du mir sagst, daß sie liebt, kannst du mir auch sagen, wen sie liebt? fragte ich. Nein, beim Apollo, versetzte er; wie oder woher sollte ich das wissen? Zwar wäre es mir lieber, als alles Geld, wenn sie den Alkamenes, den Sohn meiner Schwester liebte, den ich ihr längst als Bräutigam verlobt habe, so weit dabei mein Wille in Betracht kommt. Darüber kannst du dir Gewißheit verschaffen, bemerkte ich, wenn du den Jüngling hineinführst und ihn ihr zeigst; er pflichtete mir bei und ging fort. Um die Zeit, wann der Markt sich füllt, suchte er mich wieder auf. Du wirst etwas Be trübendes hören, redete er mich an; das Mädchen scheint von einem bösen Geist besessen zu sein, so seltsam geberdet sie sich. Ich führte, wie du befahlst, den Alkamenes zu ihr und zeigte ihn ihr in zierlicherer Kleidung. Sie aber, gleich als hätte sie den Kops der Gorgo oder poch etwas Aergeres gesehn, so gell und laut schrie sie auf, wandte dis