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Freitag, 17. MSrz 19SS Sächsische Volkszeitung Nummer 88, Seite S Rleine Reise durch einen Äops Die „Denkwürdigkeiten" eine» geheilten Tunror.Aranken / Von Franz wennerbevg Wir leben in einer Zeit, die zum Memoiren-Schreiben versührt. Die gesittete Menschheit ist — allgemein betrachtet — lang- und schnellebiger geworden. Glücklicherweise entspricht nicht immer der Schnelligkeit ihres Erlebens die Kürze ihres Gedächtnisses, es scheint vielmehr so zu sein, daß mit der Zu nahme äußerlich schnell zu verarbeitender Eindrücke, mit der Hastigkeit beruflicher Tätigkeiten der Hang zur Muhe, das Auskosten der Feiertagsstimmung sich mehr und mehr ver allgemeinert. Was liegt dem von harter Tagesarbeit befreiten Menschen näher, als in stiller Mußestunde zu einem Buche zu greisen, das ihn erhebt und unterhält zugleich? Je älter, geistig anspruchsvoller er wird, desto lieber und bewußter vertieft er sich in die Wunder einer geruhsameren Vergangenheit, in die Denkwürdigkeiten bedeutender Männer, kluger, liebreizen der Frauen. Gehört nun zum Memoirenschreiben unbedingt die Feder einer weltbewegenden Persönlichkeit? Mit anderen Worten: Dürfen nur Staatsmänner, Feldherren, große Entdecker und Forscher, ruhmgekrönte Künstler ihre Denkwürdigkeiten,Papier und Druckerschwärze anvertrauen? Denken mir doch an die Eckermann und Fredersdorf, an Privatsekretäre und Kammer diener, an vielgereiste Kellner und langjährige Logenschließer, an duldsame Frauen im Schatten von Titanen — sie alle muß- ten durch die Lebendigkeit und Unmittelbarkeit ihrer Memoiren die Mit- und Nachwelt gleichermaßen zu fesseln, ja, zu begei stern. Und schließlich: Wenn ein bedeutender Arzt, eine Kapa zität auf seinem Fachgebiet, einmal die Summe seiner lang jährigen Erfahrungen und Beobachtungen, seine Erlebnisse mit unzähligen Kranken niederschretbt — ja, warum soll nicht auch einmal ein medizinisch interessierter Kranker etliche Zeit nach seiner Genesung die „Denkwürdigkeiten eines Patienten" zum Besten seiner Mitmenschen veröffentlichen? Ein ungarischer Schriftsteller namens Frigges Karlnthy hat dieses literarische Wagnis unternommen, und cs ist ihm geglückt. „Eine Reise durch meinen Kopf" nennt er seine Denk würdigkeiten, die kürzlich nach seinem Ableben erschienen. Sie sind nicht nur von medizinischem, sondern auch von allgemein menschlichem Interesse. Die Borgeschichte zu diesem Dokument eines Menschenletdens ist kurz und bald erzählt. Einem fachärztlichen Rate folgend, fuhr Karinthy von seiner ungarischen Heimat nach Stockholm zu einem berühmten Hirnspczialisten, Professor Herbert Olivecrona, der sclxm man chen hoffnungslosen Kranken dem sicheren Tode entrissen hatte. Eile tat not, denn der Patient hatte einen Tumor, eine Ge schwulst Im Kopfe, die rasch anwuchs und das Leben des Mannes stark gefährdete. Binnen zehn Tagen mußte der Tumor ope rativ entfernt werden, denn Karlnthy drohte zu erblinden. Wie bereits ermähnt, war der Kranke selbst als Gatte einer Nervcnärztin in medizinischen Fragen nicht ganz un bewandert. Er selbst glaubte einen Gehirntumor zu haben, bevor ihm die ärztliche Diagnose dies bestätigte. Rathausglocken klangen . .. Als sei er selbst ein Arzt, so beobachtete der Kranke sein Leiden. Es begann mit seltsamen Geräuschen in den Ohren. Ihm war, als donnere unaufhörlich ein Schnellzug in nächster Nähe an ihm vorüber. Dann wurde ihm schwindelig. Alles drehte sich um ihn, er sank in tiefe Ohnmacht. Die Anfälle wiederholten sich immer häufiger, und schließlich verlor sich sein Sehvermögen mehr und mehr. Seine Handschrift wurde zitterig, unleserlich, er selbst konnte keine Buchstaben richtig lesen, und als er In Stockholm eintraf, lebte er bereits in einem ständigen Halbdunkel. Er wurde in die Klinik Professor Olivecronas eingeilefert. Jedes Empfinden für Zeit und Raum schien der Kranke fast eingebüßt zu haben. Nur das Glocken spiel vom Rathausturm -er schwedischen Hauptstadt hörte er dann und wann als einzigen Laut dieser Welt. Obwohl er nicht mehr fähig war, Licht und Dunkel, geschweige denn Far ben voneinander zu unterscheiden, glaubte er dennoch im wech selnden Gesichtsausdruck der wenigen Menschen, die sich um ihn bemühten, vorübergehend Empfindungen des Mitleids und der bangen Sorge zu erkennen. Bis er sich dann eines Tages zu /einem Schrecken eingestehen mußte, daß er sich dies alles nur eingebildet hatte und gar nichts mehr sah . . . Ein junges Mädchen wird gerettet Der Kranke hatte unbedingtes Vertrauen zur ärztlichen Kunst des schwedischen Professors. Er bat seine Frau, die Aerztin, einer Hirnoperation, die an einem jungen Mädchen ausgefiihrt werden mußte, beizuwohnen und ihm Len Verlauf genau zu berichten. Der Zufall wollte es, daß es auch hier um einen Tumor ging, um Tod oder Leben. An -er zuerst durch Röntgenaufnahme ermittelten Stelle wurde das Hirn freigelegt — der Befund >var negativ. Unverdrossen arbeiteten Olive- crona und seine Assistenten weiter. Man lüste schließlich eine runde Knochenplatte an der linken Hirnseite und stieß nun auf die Geschwulst, die tief eingebettet im Hirn stak. Nach vier stündiger angestrengtester Arbeit war der Tumor herausgelöst, ein junges Leben dem Sensenmann entrissen. Ein Mühlrad geht im Kopf herum Dann schlug die Stunde der Entscheidung für Karlnthy. In der festen Ueberzeugung, daß ihm von Olivecrona Hilfe kommen werde, ließ er sich zum Operationszimmer fahren. Eine Allgemeinbetäubung kam nicht in Frage. Sie wird für gewöhnlich nicht in solchen Fällen angewandt. Es ist erwiesen, daß Tumor-Operationen in 88 v. H. Fällen besser gelingen, wenn der Patient bei einigem Bewußtsein und nur örtlich betäubt bleibt. Der Kranke wußte dies und tat sein mögliches, um die Besinnung nicht zu verlieren. Man legte ihn auf den Operationstisch und bettete den Kopf so bequem, daß der Kranke längere Zeit in dieser Lage verharren konnte, der Arzt und seine Helfer beste Sicht- und Schnittmöglichkeiten hatten. Karlnthy merkte, wie man ihm mit einer elektrischen Maschine die Haare des Hinterkopses abrasierte. Er spürte einen Stich, der von einer Einspritzung herzurühren schien. Als er Stahl am Kopfe fühlte, glaubte er, daß die Trepanierung der Schädeldecke bereits begonnen habe. In seinem Kopfe war ein Brausen und Rauschen, als ginge dort ein schwerer Mühlstein herum. Es verstärkte sich zu dröhnenden motorischen Geräuschen. Und doch handelte es sich nur um die erste Perforierung zur Abzapfung von Flüssigkeit und um eine letzte Röntgenaufnahme. Als die Trepanierung wirklich einsetzte, empfand er sie nur noch als Stiche eines Zirkels. Sie schmerzte ihn nicht. In seinem leicht traumhaften Zustand litt er überhaupt keine subjektiven Beschwerden. Nur als — infolge des Versehens Den Landesbauernschaften des Reichsnährstandes i>nd Tiergesundhcitsämter ungegliedert. Uebcr deren Aus gaben berichtet der Beitrag unseres Mitarbeiters, der das Tiergesundheitsamt der Landesbauernschast Kurmark besuchte. „Tiergesundhcitsamt der Landesbauernschaft Kurmark." Dieses Schild mit dem Zeichen des Reichsnährstandes, an einem der stillen Häuser des Kronprinzenufers zu Berlin, sagt dem flüchtig Voriibereilenden wenig. Auf jeden Fall wird er glau ben, daß die Ausgaben eines kurmärkischen Tiergcsundheits- amtes nicht in die städtischen Bezirke fallen. Weit gefehlt! Denn dieses Amt übt eine sehr wichtige Kontrolle über eine der wichtigste» Grundlagen der menschlichen Gesundheit: näm lich über die Nahrung aus. Nicht nur in vielfacher Form be ratend und prüfend über die .Endprodukte", wie sie auf unser» Tisch kommen — so werden zum Beispiel jährlich 80 000 Milch proben eingehend „unter die Lupe" genommen —, sondern das Tiergesundheitsamt überwacht auch unsere künftigen Koteletts. Steaks und Schmorstücke schon in lebendigem Zustand, wenn sie noch auf den Weiden grasen. Auf der Spur der Krankheit Das Tiergcsundheitsamt wurde, wie uns dessen Leiter im Laufe einer Unterredung erklärte, vor 85 Jahren als Bak teriologisches Institut gegründet. Hauptaufgabe ivar die Be kämpfung der Rindertuberkulose In der Provinz Brandenburg. Die Wissenschaft unterscheidet verschiedene Arten von Tuber keln, zum Beispiel von Mensch, Rind und Geflügel, die aber alle die gleichen Krankheitserscheinungen Hervorrufen. Man rechnet, daß jedes fünfte Rind tuberkulöse Herde hat. Hierbei wird man allerdings zwischen „offener" und „geschlossener" Tuberkulose unterscheiden mästen. Und genau wie bei den Menschen ist es auch bei den Rindern. Denn viele Menschen tragen verkapselte Tnberkelherde in ihrem Körper herum, ohne es zu ahnen und ohne dadurch gesundheitlich beeinträch tigt zu sein. Ungefähr 200 000 Rinderuntersuchungen auf Tuberkulose wurden im letzten Jahr in der Kurmark durch das Institut durchgeführt. Die Tiere werden dazu nicht etwa an das Institut gesandt, sondern durch die örtlichen Tierärzte oder auch durch besondere Außendienstassistenten des Amtes werde» Bronchial schleimproben von den Tieren entnommen, oder bei toten Tieren werden auch Kadaverteile an das Institut cingeschickt. Die Arbeit des Amtes ist rein diagnostisch. Vorbeugende Maß nahmen sowie die Ergebnisse der Untersuchung werden dem Einsender brieflich migeteilt. Die Behandlung bleibt dem Land wirt selber oder dem Tierarzt vorbehalten. Wenn ein Menschenarzt für eine bakteriologische Unter suchung etwas Sputum vom Menschen flaienhast gesprochen: etivas Spucke) benötigt, dann braucht er an den Patienten einer Operationsschwester — ein Instrument mit metallischem Klang gegen eine Glasplatte fiel, war ihm dies unangenehm. Und zuletzt verlor er trotz all seiner Bemühungen, wach zu bleiben, doch die Besinnung . . . Halluzinationen und ein gutes Ende Seltsame Tage folgten. Tage zwilchen bleiernem Schlaf und kurzen Bewußtseinsperioden. Wahnvorstellungen peinigten das Hirn des Patienten. Er versuchte in solchen lickten Augen blicken, den Wechsel von Licht und Dunkel zu ermitteln, um überhaupt zeitliche Vorstellungen zu gewinnen. Am ersten Tage nach dem Eingriff glaukte er, es feien bereits zwölf vergangen. Als er am Morgen des siebenten Tages erwachte, glaubte er, soeben vom Operationstisch z» kommen. Vorsichtig machte man ihn darauf aufmerksam, daß er damit rechnen müsse, fein Augenlicht nicht wicderzuerlangen. Als er selbst davon sprach, daß er bereits Umrisse erkennen könne, wagte man nicht, dies für wahr zu nehmen, glaubte vielmehr an Halluzina tionen des Kranken. Schließlich wurde der Patient selbst irre an sich und seinen Empfindungen. Bis er eines Tages den Titel eines Buches zu lesen vermochte, das achtlos auf dem Nachttisch lag. Da wußte Karlnthy, daß die Krise überstanden mar. Eine Welle von Dankbarkeit durchflutete ihn. Hier hatte ein tüch tiger, verstehender Arzt in zwölfter Stunde geholfen, hatte ihn dem Leben wicdergegebeu. An wen aber erinnerte ihn der schwedische Professor? Erst später, als der Geheilte in Budapest an seinem Schreibtisch saß, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Vor zwanzig Jahren hatte er ein Scl>auspiel verfaßt, in -em ein nordischer Arzt namens Olson dem Hauptheldcn ein Hirnzentrum fortoperierte, in dem der Tod seinen furcht baren Sitz hatte. Olivecrona — Olson! Wahrheit und Dichtung reichten sich hier in beglückender Eintracht die Hand. Ein Genesender sah zukunstssreudig in die wärmende Sonne eine» neuen Frühlings. nur die Aufforderung zu richten: „Ville, spucken Sie aus!" Bei Tieren ist das schwieriger. Tas Rindvieh — um bei diesem Kapitel zu bleiben — kann nämlich nicht ausspucken. Früher halsen sich die Tierärzte mit einem langen Stab, an dem ein Becher befestigt war und der in de» Atmungsweg des Tieres elngcführt wurde. Diese unvollkommene Methode ist heute durch ein Verfahren ersetzt worden, das im Tiergesundheilsamt der Landesbauernschaft Kurmark zuerst entwickelt worden ist. Die Tierärzte bekomme» kleine Tüten zur Verfügung gestellt, in der sich eine desinfizierte Kanüle und ei» Seidenpinfel nebst einem Klavicrdraht befinden. Der Kuh wird nun am Hals ein winziger Hautschnitt beigebracht, durch diesen Schnitt wird die Kanüle in die Luströhre und ebenso der kleine Seiden pinsel an dem Klavicrdraht eingeführt. Um den Pinsel, der als Fremdkörper wirkt, sammelt sich dann der Hustenschleim. Von dem Tierarzt wird dann der gebrauchte Seidenpinsel an das Tiergcsundheitsamt zurückgcschickt. das nun feststcllt, ob der Tuberkuloscvcrdacht begründet war od-r nicht. Neben dem „Tuberkulosetilgungsversahren", das in der Hauptsache darin besteht, daß eine regelrechte Untersuchung der dem Verfahren a>,geschlossenen Rindbeständc stattsindet, sind von dem Tiergcsundheitsamt noch verschiedene andere Verfahren zur Bekämpfung besonders ausgcbreiteter Krank hellen eingefiihrt und ansgebaut worden. Dos Lazarett der Tiere Aus allen Teilen der Kurmark wird dem Amt Material übersandt zur Feststellung der Krankhcits- und Todesursachen. Auch lebende Tiere werden gelegentlich dem Ticrgesundheits- amt zur Untersuchung übergeben. Schafe. Kälber und Hühner werden als Patienten eingeliesert. Aber während man in einem gewöhnlichen Krankenhaus den größten Ehrgeiz darein setzt, den Patienten möglichst bald wieder geheilt zu entlasten, ist hier das Gegenteil der Fall. Die Patienten nämlich -dürfen in lebendem Zustand das Institut nie wieder verlassen. Die Gefahr, daß die Tiere Krankheiten übertragen, wäre zu groß. Neben diesen Patienten werden die Stallungen von allen möglichen Versuchstieren bevölkert, an denen neue Serumartcn und Medikamente ausprobicrt werden. Neben Geflügel sind es vor allem Meerschweinchen, die ihr Leben unfreiwistig in den Dienst der Wissenschaft stellen müsfen. Rund .8000 bis 4000 Meerschweinchen werden im Laufe eines Jahres behandelt. Da gibt es zum Beispiel die Lcbcregel, Parasiten, die zur Abmagerung der Tiere und schließlich bei nicht rechtzeitiger Behandlung zum Tod führen. Varstadien der Lcbcregel befin den sich an kleinen Schnecken, die von den Tieren aus der Weide ausgenommen werden. In einer Abteilung des Ticrgesundheitsamtes sahen wir. wie die Doktoren im weißen Kittel des Chemikers über Rea genzgläser und Retorten gebeugt, pharmazeutische Präparate auf ihre Bestandteile und auf ihre Wirksamkeit prüfen. Als» Wenn Rühe Willen schlucken... Va» Tiergesundheitsamt der Reichehauptstadt untersucht jährlich 200 000 Kinder Von Dietrich K. Kuhle Durch Schn««- und Si»stüeme fuhren dl« deutschen Panzer, wagen nach Frag . sScherl-Bil-ekdienst, M.) Die deutsche Bevölkerung Krag» grüßt di« deutschen Truppen tScherl-Bilderdienst, M.)