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Sächsische Volkszeitung : 06.03.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193903062
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19390306
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19390306
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-03
- Tag 1939-03-06
-
Monat
1939-03
-
Jahr
1939
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 06.03.1939
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Volksbrärrche in der Fastenzeit , vsn Otto U baeh es ivohlschmeäiend, delikat, aber es widerstand dem Magen." Nur einige Feinschmecker finden den Wey zu dieser Kost. Mit köstlicher Ironie spricht Hauff über die Büchcrfabri- ken, die — für die Zeit vor 110 Iabren etwas Auftergewöhn liches! — sechzigtausend Exemplare der Bücher von Walter Scott in Icchreosrist ans den Markt werfen. „Der Professor Lux ist sogar gegenwärtig beschäftigt, eine Dampfmaschine zu erfinden, die französisch, Englisch und Deutsch versteht, dann braucht man gar keine Menschen mehr." Als aber Hauff mit — damals (1820 27) grotesk anmutender — Phantasie das Bild einer gigantischen Bücherfabrik erfindet, gelingt ihm buch' stäblich eine technische Zukunslsvision der modernen Rotations presse. „Hinten im Hof ist die Papiermühle, welche unendliches Papier macht, das schon getrocknet wie ein Lavastrom in das Erügeschoft des Hauptgebändcs herüberrollt, dort wird cs durch einen Mechanismus in Bogen zerschnitten nnd in die Drucke rei bis unter die Presse geschoben, fünfzehn Pressen sind im Gang, wovon jede täglich zwanzigtausond Abdrücke macht..." Die Schilderung wird dann immer phantastischer . . . und doch ist Hauff, der damals nur geistreich über die Massenfabrika tion der Scott-Romane spötteln wollte, unversehens zu einem Seher geworden. Seine Schilderung — man möge sie ganz nachlesen! — ist die haargenaue Beschreibung einer neuzeit lichen Groftbnä)druckerei! Allerdings würde Hauff wohl von dieser Tatsache wenig erbaut sein. Als echtem Dichter war ihm die Massenherstellung zuwider. Was ist die folge solcher Massenfabrikation? Die Schriftsteller „sind jetzt sparsam mit Gedanken nnd verschwen derisch mit Worten. Gedanken. Szenen, Gemälde, die man sonst in den engen Rahmen eines Bändchens fügte, werden anscinandergezogen in zehn, zwölf Bände, damit man mehr Geld verdiene, nnd was früher vier, fünf hübsche Verse gege ben hätte, wächst jetzt in holperiger Prosa zn ebenso vielen Seiten an." „Die Schriststeller zersplittern ihr Talent in Alma nache und Zeitschriften, weil sie dort gut bezahlt werden; das Publikum zersplittert sein Geld für diese Luxnswarcn, weil sie Mode geworden sind . . ." Hausf sicht eine Zeit kommen, wo dem Schriftsteller die fähigkeit abhanden kommt, ernsthafte Bücher in sorgfältiger Arbeit zu schreiben. Das Aeuszerliche herrscht. Im Bilde gespro chen: Nicht nach der Natur, sondern nach Gemälden wird ab gezeichnet, für den historischen Roman gestalten sich dann die Dinge etiva so: Genaue Betrachtung der geschichtlichen Cha raktcre und Zeiten wird für den Künstler oder Schriftsteller Nebensache aber „Kleider, Schuhe. Stühle. Häuser usw. wird man in allen fünfundsiebenzig Bänden niemals unwahr finden." Spöttisch fügt er hinzu: „Verletzet ekcr die Wabrheit der Ge schichte. verzeichnet lieber einen historischen Charakter, nur sündigt nie-gegen die Mode der Zeit und den herrschenden Geschmack des Publikums!" Manches, was Hausf vor 110 Jahren schrieb ist heute glücklicherweise überholt. Aber ob wir nicht auch heu«e noch manches daraus lernen können. — diese frage möge üch jeder Bücherfreund selbst gewissenhaft beantworten! „Funken" und di« „Hexen" „angezunden", bis schliesslich ein helloderndes Feuer den ganzen Berge in einen zauberischen Feuerschein zu taucl-en wühle. Ein anderer Volksbrauch ist das Sch ei be n w e r s e n, Scheibenschlagen oder Radlaufen, der auch heute noch in man chen Gegenden Schwabens und Frankens geübt wird. Der älteste Nachweis für diesen Brauch findet sich in der Chronik des Klo sters Lorsch, wonach die Kirche und ein Teil der angrenzenden Klosterbaulichkeiten durch ein unvorsichtiges Emporschleudern einer brennenden Scheibe an einem frühjahrsabcnd in Brand geraten fei. Der uralte Brauch vollzieht sich gewöhnlich so, doft man eine brennende Scheibe um einen Stecken dreht und sie dann in weitem Bogen einen Tlbl-ang hinuntersausen läht. In Guttenbach fMoosbachf pflegte man ein grohes mit Stroh um wickeltes Wagenrad anzrizünden und über die Getreidefelder dahinrollen zu lassen ff. Naumann). Denn nach der Volksmei- nung gedieh die Frucht und das Vieh, soweit das Feuer und der Rauch des Feuers hinreichte ss. Stonncr). Durch das Feuer näm lich sollen die bösen Geister vertrieben und die guten Geister der Fruchtbarkeit und des Gedeihens herangezogen werden. Durch das Rad und die Scheibe soll in diesen Bräuchen die Sonne ver sinnbildlicht werden, der durch das Feuer gleichsam neue Krafr zugeführt wird. Je weiter nun die Fastenzeit vorrückt, desto mehr kommt der Sieg des Lichtes und des Frühlings über Winter und Tod in den Volksbräuchen zum Ausdruck, die Ueberreste des altger- manisä-en Frühlingsfestes sind. Sommertag, Sommer singen, bei Worms Stab aus snach einem Vers des cnt- sprcclrenden Liedes) genannt, sind alte Volksbräuche, die meist am Sonntag Lätare in verschiedenen Gegenden, besonders in Schlesien, Thüringen, in der Pfalz begangen werden. Dieser Brauch äuhert sich in einem Umzug, dem Sommerlagszug, der die Vertreibung des Winters und die Begrüssung des Som mers dokumentieren will Berühmt ist der seit dem Jahre 189Z wieder eingerichtete Sommerlagsumzug in Heidelberg: Sä>aren von Kindern ziehen mit ihren S o m m e r t a g s st e ck e n, Stä ben mit einer Brezel an der Spitze, durch die Straften. sDer Sommertagsstecken ist wohl eine Art fruchtbarkeitsfetisch, der Lebenskraft und Fruchtbarkeit bringen soll.) Die Hauptgestalten in dein Sommertagszug sind der Strohmann als die Verkörpe rung des Winters und der in Grün gehüllte Frühling. Die Bre zel an der Spitze des Sommcrtagssteckcns mag wohl an das Sonnenrad erinnern. Ein ähnlicher alter Brauch, in dem der Kampf zwischen Winter und Frühling zum Ausdruck kommt, ist das Todaus tragen am Sonntag Lätare; dieser Tag heiftt daher auch der Schmerzen- oder Rosensonntag, der Sommersonntag, früher auch der Totensonntag. Heute ist das Todaustragen ein Kinder umzug, in dem der Winter durch eine mitgesiihrt« Strohpuppe und der Sammer durch ein mitgeführtes mit Brezeln, bunten Bändern und ausgeblasenen Eiern geschmücktes Bäumchen oder einen Stab dargestellt wird ss. Walterscheid). In den oben angeführten Bräuchen spielt auch die Brezel eine besondere Rolle. Denn die alte kirchliche fastenordnung, die die Berwendung von Laktizinien während der Fastenzeit verbot, hatte ein eigenes fastcnbrot, und zwar die sogenannte fastcnbrezel, deren Bezeichnung von brizilla, bracellum, brachiolnm hcrrührt. So begleiten die fasten uralte Volksbräuche, bis schliesslich am Mittwoch der Karwoche das Ausläuten der fasten stattftndct Wie nun die Fastenzeit uns würdig auf die Vsterzeit vor bereiten soll so soll das ganze Leben des Christen eine Vor bereitungszeit sein aus das Ende der Zeiten, auf den Tag de» Gerichts... Dr. W. R. Sir James Jean» über Vie Zukunft öev elektsrs-ven Musik Auf der Sitzung des „Musicians Benevolent Fund" ln London wurde ein Bortrag des berühmten englischen Astro- phnsikers Sir James Jeans verlesen, der die Entwicklnngsmög- lichkeiten der elektrischen Musik behandelte. Die elektrische Musik bildet heute noch ein Gebiet, das so gut wie ganz un erforscht geblieben ist Die Erklärung, daft die meiste» Men schen elektrische Musik nicht liebe», ist nicht stichhaltig, und man darf die Augen nicht vor den groften Möglichkeiten vcr- schlieften, die zukünftig durch die elektrische Musik erschlossen werde» kömie». Ma» darf vielleicht sagen, daft augenblicklich die elek trische Musik mi< einem »euqeborciie» Kinde zu vergleiche» Ist. aber Kinder werde» gröftcr und schlieftlich sind sie erwachsen. Die Abneigung des Engländers gegen elektrische Musik ist vor allem in seinem angeborenen Konservatismus begründet, der ihn daran hindert, die Möglichkeiten dieser neuen Entdeckung zu erschlichen Die Wissenschaftler, die Elektriker, die Her steller musikalischer Instrumente und die Musiker sollten sich zu- fammcnsetzcn und darüber Nachdenken, was ans dieser Ersin- dung zu machen sei. Im Jahre 1ü:A> wurden in den Vereinigten Staaten elek trische Musikinstrumente im Werte von annähernd 2 Millionen Pfund verkauft, eine Summe, die In den letzten Jahre» noch gestiegen ist, während England so gut wie keinen Umsatz auf diesem Gebiete zeigt Die elektrische Musik ist ein uncrscblossc- nes Gebiet, das aber einmal notwendig erschlossen werden wird. Es ist an der Zett, sich mit den Möglichkeiten dieser Musik zu beschäftigen. Geschäftliches. (Ohne Verantwortung der Schristleilung.) Achten Sie auf S Dinge beim Schuhcreme-Einkauf, wenn Sie das echte altbewährte Erdal bekommen wollen, nämlich aus den Namen und auf den roten Frosch. Die Beiden bürgen für die gute, ost erprobte Erdal-Qualität! Erdal pflegt die Schuhe und gibt ihnen mühelos Hochglanz! Die Schuhe halten länger und bleiben länger schönt W. Hauff über Schriftsteller, Leser und Bücher, Der mit kaum 2b Jahren, in der Blüte des Lebens ver storbene Dichter Will). Hausf gehört trotz seiner so kurzen Vorbereitung»- und Sä)afsenszeit nicht nur zu unseren besten Voikslieddichtcrn, sondern auch — besonders in seinen Märchen nnd Erzählungen, zu -en Meistern deutscher Prosa. Nur wenige Jahre standen ihm zur Verfügung, um zur höchsten Meister schaft emporzuwachsen. Die ersten Werke, mit denen er vor die Oesfentlichkeit trat, erschienen 1V20 nno bereits gegen Ende -es folgenden Jahres hatte Hauff sein Erdcnwallen vollendet. Das Lied „Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod" sollte sich an ihm selbst nur zu bald erfüllen. Sehen wir von einigen seiner einst über Gebühr geprie senen Werke ab. z. B. vom „Mann im Mond" und den „Memoi ren des Satans", so sind seine Prosawerke fast durchweg Mei sterleistungen. Die frage liegt nahe, wie sich Will). Hausf für seinen selbsterwählten schriftstellerischen Beruf geschult habe. Nicht als ob mir sein Schossen durch irgendeine Schulung erkläre möchten: Das Sä-assen des Genies ist kein Ergebnis von Ausbildung und Ucbnng. Aber auch bei einem Maler und Bildhauer gehen wir -er Meisterlchre nach, die der Künstler -urchgemacht hat. In den „Skizzen" gibt uns der Dichter dar über lehrreiche Ausschlüsse. Man hat heute hier und da gefordert, der Schriftsteller sollte iveniger in die Bibliothek und häufiger aus -en Sport platz gehen. Soweit diese Forderung als geistreich übertriebene „Spitze" gewertet wird, wollen wir sie ohne weiteres gellen lassen. Grundsätzlich aber müssen wir an der Tatsache sest- halten, daft die Bibliothek weit mehr als -er Sportplatz die Wcrkstätte -es Schriftstellers ist. Auch W. Hauff sand sich ost in der Leihbibliothek ein. allerdings „nicht um Bücher aus zuwählen. denn die Sammlung bestand aus vier- bis siins- tausend Bänden, die ich grösstenteils zwei Jahre zuvor in einer langen Krankheit durchblättert hatte, sondern um zu sehen, wie dieBücher ausgcmählt werden . . . Vox popnli vox Dei, dachte ich, gilt auch hier. So saft ich denn manchen Vor mittag in der Bibliothek, um die Leser und ihre Neigungen zu studieren." Der Gedanke ist nicht übel: Wo kann ein Schriststeller den Biichergeschmack seiner Zeit besser kennen lernen als in einer Buchhandlung und Volksbücherei! Der Lesergcschmack ist im einzelnen so verschieden wie der Geschmack an Speisen. „Der eine will stifte, der andere gesalzene ... in einem Punkte stimmen sie aber alle überein: sie wollen gut speisen. Sie wolle» unterhalten sein; natürlich jeder auf seine Weise." lind wenn nun Hauff auch mit leichter Ironie nur die gcschmackstch- ästhetischc Seite des Bllcherlesens behandelt und auf die volks erzieherische und nationalpolitische Bildungsausgabe -cs deut schen Buches nicht eingeht. — hat er so ganz unrecht, wenn er von -en Lesern sagt; „Sie stnd nicht so verwöhnt, als man glaubt; die Mode tut viel, und wenn nur die Schriftsteller fletftlger die Leihbibliotheken besuchten, mancher würde finden, was ihm noch abgeht, oder was er zuviel hat." „Die Leih bibliotheken smir möchten allgemein hinzusetzen: Die Buchhand lungen) studiere, wer den Geist des Volkes kennen lernen will." Hauff legt dem Bibliothekar einige bedeutsame Aeufterungen darüber in den Mund, tvarum Jean Paul, trotzdem dieser „alles in sich vereinigt, was anzicht und unterhält, tiefen Ernst und Humor, Wehmut und Satire. Empfindlichkeit und leichten Scherz", nie recht volkstümlich wurde. Jean Paul gleicht einem Koch, -er ein treffliches Essen zusammenmlscht und bereitet, doch „als es fertig war und das Publikum kostete, fand man Vie Lestfitzun- -ev Deutschen Akade mie der Luftfahrt« fo-schung Zur Erinnerung an den Tag der Freiheit der deutschen Luftfahrt hielt die Deutsche Akademie der Luftjahrlfor- schung im Haus der Flieger in Berlin eine Festsitzung ab. — Auf unserem Bilde von der Festsitzung sieht man in der ersten Reihe von rechts die Wchrwirtschastsführer Pros. Dr. Messerschmitt und Pros. Dr. Heinkel Prof Ga- brielle (Turin), Reichsmini- ster Rust, Generalmajor Bodenschah Generallustzeug meister Acneralleutn. Uder, den Chef der Luftivchr General d. Flieger Stumpfs, und Prof. Dr. Prandtl, den Direktor des Kaiser-Wil helm-Instituts für Strd- mungssorschung Göttingen, der mit der Hermann-Gö> ring-Denkmünze ausgezeiä). net wurde. fScherl Bilderdienst, M- Wenn das Himmelolicht der Weihnacht vor dem mehr und mehr aufhellenden Feuer des Osterlicht«s langsam verblüht, dann »veist zuerst der Kerzenschiminer der Lichterprozession von Mariä Lichtmeft an der Scheide zwischen Weihnachts- und Osterfest, kreis hin auf den groften Tag, an dem Jesus Christus die Gra- beskammer gesprengt und die Welt siegreich überwunden hat... Jedoch erst eine Vorbereitungszeit führt uns an das Oster- grab wie an die Weihnachtskrippe l)«ran; denn wie der Advent aus die Ankunft des Herrn in dieser Zeitlichkeit vorbereiten will, so führt uns auch in den Osterkreis erst die lange, schwer« inütig^rnste Fastenzeit hinein. Das Vorbild hat der Hei- land selbst gegeben, der nicht nur in dreitzigjährigem Schweigen in der heiligen Familie von Nazareth gelebt hat, sondern der sich mich stir vierzig Tage In die Einsamkeit der Wüste begeben hat, um sich abseits von dem Getriebe der Welt durch Fasten und Beten zu stärken und oorzubereiten. Als er dann wieder zu den Menschen zurückgekehrt war, da eröffnete er seine erste Predigt mit dem Mahnruf: „Tuet Butze; denn das Himmelreich ist nahe!"... Wie der Auferstehung Jesu Christi sein Leiden und Sterben, so ging dem Osterfest von jeher das österliche Fasten voraus. Die österliche Fastenzeit, die so alt wie das Osterfest selbst ist, hat anfangs ein oder zwei Tage oder auch vierzig Stunden gedauert und ist i-m das Jahr 250 aus die Karwoche ausgedehnt worden. Seit dem Konzil von Nizäa wird die Fastenzeit als vierzigtägig erwähnt. In der Klrcl)« des Westens fastete man zunächst sechs Wochen, begann aber nach Gregor dem Grotzen die Fasten zeit mit dem Aschermittwoch, um so die vierzig Tage voll zu machen. Die Fastenzeit ist von jeher mit Gebräuchen umrankt. Den Ernst der Tage zeigt scl-on das Innere der Gotteshäuser: An die Stelle der lichten Farben ist das schwermütige Äiolett getreten. Die strengen Vorschriften während der Fastenzeit spie geln die Gefühle der Reue und Butze wider, die die Gläubigen beseelen. In manchen Gegenden, besonders in Westfalen, ist es Im Mittelalter Sitte gewesen, am Aschermittwoch oder am ersten Fastensonntag das sogenannt« Fastentuch, Fastenvelum, im Volksmund Hungertuch genannt, in den Kircl-en aufzu hängen. Dieses schon um das Jahr 1000 nachweisbare Fastentuch war meist ein weitzlinnener schmuckloser Vorhang, der manchmal mit einem Kreuz versehen und nur in seltenen Fällen mit auf- gesticktem oder aufgemaltem Bildschmuck, meist aus der Leidens geschichte des Herrn, geziert ivar. Es wurde in den Pfarrkir chen am Eingang zum Chor, in den Kloster- und Stiftskirchen zwischen Hochaltar und Chorgestühl angebracht. Das Fastentuch will den Vorhang des Tempels versinnbildlichen, der den Blicken des Volkes das Allerheiligste verbirgt und auf diese Weise die Unwiirdigkcit des Volkes zum Ausdruck bringen und zur Butze mahnen. Dieses Gewebe, das durchsichtig ivar nnd so doch einen, wenn auch nur schwachen, Durchblick zum Altar gestattete, hielt so die Hoffnung der Gläubigen während der dunklen Tage der Fastenzeit aufrecht. Weil das fastentuch am Mittwoch der Kar woche bei den Worten „Velum scissum cst" wieder entfernt wurde, nannte man es auch „Velum templi". In der ernsten Fastenzeit sollen geräuschvolle Festlichkeiten und auch Hocl>zeiten nicht stattfinden. Im Mittelalter waren nicht nur öffentliche Lustbarkeiten und Schauspiele von Staats wegen untersagt, sondern auch dieGerichte feierten, um nicht den Frieden der Fastenzeit zu beeinträchtigen, die dem Sünder so günstig ist um die Vergebung von Gott zu erflehen. Lange Zeit war auch die Ausübung der Jagd wegen der damit ver bundenen lärmenden Zerstreuung untersagt. Sogar Kriege- rische Feindseligkeiten sollten während dieser Zeit rüsten. Schon im 4. Jahrhundert bestand eine Bestimmung des Kaisers Konstantin, wonach militärische Ueb » » gen am Freitag als dem Todestage Christi und am Sonntag als dem Slnserstehungstaye nicht stattsinden durften. Im S. Jahrhundert verlangte die kirchliche Disziplin für die österliche Zeit Waf fenruhe. abgesehen von den Fällen dringendster Notivendig- kcit. Der sogenannte Gottcsfriede im Mittelalter war schlieftlich weiter nichts als eine Ausdehnung der fastenzeitlichen Waffenruhe auf das ganze Jahr: Vier Tage in der Woche, von Mittwoch abend bis Montag morgen muftten alle Fehden ruhen. Von der bereits für die Fastenzeit bestehenden Waffenruhe aus gehend, verbot Urban 17. von Aschermittwoch bis zum Montag noch der Oktav von Pfingsten sowie an den Vigilien und Festen der Muttergottes und Aposteltage alle kriegerischen Feindseligkeiten ungeachtet aller bisherigen Bestimmun gen der Waffenruhe. Alte sinnige Bräuche, die sich als ein Stück der deut schen Volksseele und der Hcimatliebe in die heutige Zeit gerettet haben, umgeben die Fastenzeit. In diesen Sitten unserer Vor fahren spiegelt sich der uralte Kampf zwischen Winter und Som mer. zwischen Finsternis und Licht wider. So suchte man in diesen Bräuchen die im Februar »och obwaltende Kälte und das Dämonische des Winters anszutreiben und der Sonne bei ihrem mählichen Aufstieg durch Anzünden von Feuer, durch Scheiben werfen, Scheikenschlagcn. Radlause» zu helfen. In verschiedenen Gegenden lrestand die Sitte, am ersten fastensonntag auf einer Anhöhe ein grosses Feuer anzustecken. Dieser Sonntag bat daher die Bezeichnung Funke nsonntag, im Schwäbisch-Alemannisclnm Fufnetsonntag, in der Eifel Sckof- sanntag, d. h. Strohwischfonntag. So wurde zum Beispiel in Un terlenzkirche, wie Stonner in seinen interessanten Ausführungen erzählt, auf einer Anhöhe der .Funke" aufaebaut: eine grosse mit Reisig umwickelte Tanne wurde ausgestellt und daneben noch einige kleinere auf die gleiche Weise umwickelte Tannen bäume, die „Hexen". Wenn dann beim Hereinstrechen des Abends zum Gebet geläutet wurde, stellten sich alle im Kreis herum und beteten den englischen Gruft. Danach wurden der
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