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Schöpferische Menschen Martin «nhn Deutsche in Griechenland vor einem Jahrhundert wurde die deutsche Aolonie Hrrakleisn bei Athen gegründet Ii» Werk des schöpferische» Menschen enthüllt sich das Ewige im Menschen. Kant nennt Genie: Talent der Er ¬ widere Spannungszustände der Seele, z. B. Freude, Leid, Sehnsucht vermögen die inneren Kräste in Bewegung zu setzen. „Freude heitzt die starke Feder in der ewigen Natur" (Schiller) — Freud« an ,Her Wahrheit Feuerspiegel" treibt den ForsciM und Entdecker an. Dao „Heiligtum des Schmerzes" (Goethe) ist ost Beiveggrnnd des Schassens gewesen. „Meine Arbeiten", schreibt Goethe am 13. März 187b an Auguste von Stolberg, sind „immer nur die aufbewahrten Leiden und Freuden meines Lebens". Das Sct-asfen dient also der Entspannung, Lösung eines gespannten Seclenzustandes. Ist diese Entspannung zu heftig, so kann sie von Unlust- und Schmerzempftndungen be gleitet sei». Nicht nur die Propheten wissen von den Schöpfer qualen schöpferischer Menschen. Meist ist die allmähliche Ent spannung wie eine Erlösung von innerem Druck. Sclmssens- sreude, die sich bis zum dionysischen Schaffensrausch steigern Kan», ist oft das Begleitgesühl beim schöpferischen Sci-afscn. Wenn wir von den Beweggründen sprechen, dürfen mir vor allein das S e n d u n g s b c w u tz t s e i n nicht übersehen. Der schöpferische Mensch weih von seiner Aufgabe, zu der er sich berufen fühlt. Die Ausgabe steht dem wahren schöpferischen Menschen höher als Wohlergehen und Leben. Das Wissen nm eine besondere Sendung ist die Erklärung für das starke Selbst- bewutztsein, das dem schöpferischen Menschen bei aller sonstigen Bescl-eidenheit und Zurückhaltung eigentümlich ist. „Die Genies sind eben auch nicht für sich selber da", sagt Eduard v. Hart mann, „sondern für die Menschheit, und für diese ist es ganz gleichgültig, ob dieselben nach Erfüllung ihrer Ausgabe sich eiend fühlen oder auch in Not verkommen." findung dessen, was nicht gelehrt oder gelernt werden kann. Aus dieser produktiven Krast entstehen — nach Goethe — Taten, „die vor Golt und der Natur sich zeigen können und die eben deswegen Folge haben und von Dauer sind". Ter schöpferische Mensch scl)asst oder entdeckt neue, neuartige, für de» Menschen bedeutsame, folgenreiche Werte. In der Sprache Schillers: „Du nur. Genius, mehrst in der Natur die Natur", — mit den Worten Gcibels: „Was die Epoche besitzt, das verkündigen hundert Talente, — aber der Genius bringt ahnend hervor, was ihr fehlt." Es leuchtet ein, -atz schöpferisches Menschentum sich aus den verschiedensten Gebieten des Geisteslebens betätigen und answirken kann. Der lebendige, schöpferische Lichtstrahl erleuch tet den Erfinder, Dichter, Staatsmann, Arzt oder Feldherrn, — es ist der gleiche Geist, der philosophische Systeme, Dramen und Eisenbahnen ins Dasein ruft. Wir matzen uns nicht an, die Probleme des schöpferischen Menschentums restlos zu lösen. Schiller weist in seinem Epigramm „Die Forscher" aus die Grenzen der Psychologie: „Alles will jetzt den Menschen von innen, von nutzen ergründen, Wahrheit, wo rettest du dich Pn vor der wütenden Jagd? Dich zu sangen, ziehen sie aus mit Netzen und Stangen, Aber mit Geistestritt schreitest du mitten hindurch." Damit ist auch das Nötige über die Bedingtheit unserer psycho logischen Untersuchung und Darlegung gesagt. Das Wesen des Schöpferischen entzieht sich jedem Versuch einer genauen Begriffsbestimmung. Wir können das schöpferische Menschentum nur in ehrwürdiger, stiller, beson nener Betrachtung aus uns wirken lassen und müssen uns zufrieden geben, wenn wir einen Hauch des schöpferischen Gei stes verspüren. Mehr als alle scharfsinnigen, geistreichen und ticsgrabenden Abhandlungen sagt Schillers Epigramm über die „Genialität". „Wodurch gibt sich der Genius kund? Wodurch sich der Schöpfer Kund gibt in der Natur, in dem unendlicl>en All. Klar ist der Aether und doch von unermetzlicher Tiefe: Offen dem Äug', dem Verstand bleibt er doch ewig geheim." Fortsetzung folg«. Vermögen scheute, wo immer es nur Not tat, ihren geliebten deutschen Landeskindern zu Helsen. Schon 1833 halte König Otto für seine Bayern einen eige« nen Schiotz- und Hoskaplan aus der Heimat mitgebracht, der für die seeliscl)en Bedürfnisse des Hoics und des Heeres sorgen sollte. In der neuen Siedlung predigte, beriet und tröstete ein eigener Pfarrherr, den der boyerijcke Regent aus Deutschland holte. Vor allem waren unsere qemütsreichen Leute unter der südlichen Sonne in der ansgeglühten Landschaft einem verzeh renden Heimweh ausgesetzt. Selbst Össiziere im Heere wurden davon stark crgrijsen. Ta galt es viel zu beruhigen und Hoff nung in Hinblick aus die Ewigkeit zu geben. An den Werktagen erteilte der Pfarrer den Kolonistenkindern Unterricht. Sonntags hielt er Gottesdienst mit deutschen Lieder» nno dentscher Pre digt. So war er dem bayerischen Völkchen in der Fremde ein Vater, der mit kundiger Hand alle Gefahren von den Familien seiner Landslcntc abhiclt und die Gemeinde in Frieden zn äusserem und innerem Glück führte. Als aber das öeulsch-griechiscl-e FreundschnNsverhällnis durch die inneren Umstürze des Landes, zuletzt 1882 durch Ab setzung des Königs sich immer mehr lockerte, mutzte auch der deutsche Seelsorger, der Einheit und Lebenswille Ser Kolonie war, wandern. Tein Nochsolqer war ei» griechischer Geistlicher, der weder deutsch predigen noch deutsch beichthörcn konnte. Tas deutsche Gebet und Lied verstummte allmählich in der Kirclie und im Hause. Als viele Deutsche iu Athen in die Heimat zu- rückwanderten, hörten neben dem Marktverdicnst üir die Frauen die frohen Sonntage in Herakleivn mit ihren Erträgnis fen für die Schenkenwiite auf. Glcicltgiilti-ikeil mochte sich br<Kt. Aecker und Gärten verwilderten. Tie Einheit uno Giiubigkeit der Kolonie war gebrochen. Im drUten Geschleckt ist sie bereits griechisch. Mit dem Verlust des Volkstums war der Glaube der Väter erschüttert worden und meinst ganz verloren gegangen. Bis in unsere Zeit aber haben sich in Alt Herakleion. dem längst «in vornehmes Nen-Herakleicn mit Villen und Bahn station zur Seite getreten ist. da und dort unter den zu wenigst übriggebliebcncn älteingcscssenen Familien Anklnnae an Tracht und Sitte der bayerischen Heimat bewahrt. Alles spricht zwar das Griechisch des platten Landes. Wenn man aber das Gesicht alter Leute ficht, glaubt man cine Grotzmulter aus dem deut« Als im Jahre 1832 -er bayerische Prinz Otto von Wittels bach aus den Thron des befreiten Griechenland erhoben wurde, sollten 3508 Mann bayerische Truppen unter dem General Freiherr von Hertling in Griechenland die Negcntscl-ast des jungen 17jährigcn Königs stützen. Neben diesen Truppen und einem stattlichen bayeriscl-en Ossiziersslab, der zur Umschulung des griechischen Heeres nötig mar, trascn eine Menge Beamte, Architekten, Acrzte, Geometer, Forstleute mtd auch viele Hand werker und Landwirte aus ganz Siiddcutschland in Athen ein. Im Jahre 1837 lietz der König nach einem Gründungs reskripte vom 11./12. Juni 1837 zivei Stunden nördlich von Athen mitten im oberen Teile der baumlosen, aber fruchtbaren Ebene von Attika die Siedlung Herakleion anlegen. In der Mitte eines weiten Häuservicrecks steht etwas erhoben und von dunklen Zypressen umgeben di« katholische bayerische Kirche, die ein Deutscher nach dem Muster der Heimat und dem Stil sener Tage erbaute. Mit ihrem gefälligen Innern und dem schmucken spitzen Türmchen an -er Nordseile ist sie cine Selten heit für Griechenland. Zu den kleinen gleick-gebauten Kolonisten mohnungen im Kreise mit ihrem niederen Stockwerk und ihren halbslacl)en Dächern gehören Ställe, Gärten, reichlich Getreide land und Weinäcker. Im Süden über das Häuser- und Ruinen meer von Athen grützt zu -er Hochebene das azurblaue helleniscl-e Meer herauf. Im Westen steigt geivaltig und hoch das zerklüf tete Parnesgebirge aus Olivenhügeln. Zum ersten Anfang stellte man den Siedlern Vieh, Wagen und Gerät. Es sollte für sie, die sich aus Soldaten, Handwerkern und Bauern milchten und di«, zum Teil aus der Heimat ihr« Frauen hatten nachkommen las ten, «in friedliches und arbeitsreiches Leben beginnen. Wirt schaftlich und kulturell strebte die Kolonie aus. Eine Bestimmung verbot die Veräutzernng des Besitztumcs. Besonders die baye rischen Kolonistcnsrauen verstanden sich mit Rührigkeit aus die Zubereitung von Butter, Schinken. Wurst und Käse. Aus dem Markt in Athen verkauften sic dann die deutschen Erzeugnisse der deutscl>en Grotzkolonie als gesuchte Leckerbissen. Zivei Drit tel der Kolonisten schenkten in Herakleion. das sich am Sonntag des starken Besuches der ftädtisciicn Deutschen erfreutes eigenen und fremden Wein. In der Nähe des Baycrndorfcs lag „Der Turm der Königin", das Landschlötzchen der hochherzigen Köni gin Amalie, die zwar evangelisch war, aber weder Zeit noch Vorau»s«tzuns«n, Kräfte rind Verveggründe ihre» Schaffen» / Von Prof.Gtto Urbach b. Fortsetzung. Man kann nicht von „Begegnungen" sprechen, ohne aus die Rolle Les Widersachers im Leben des schöpferischen Men schen einzugche». Denken wir an den Widersacher eines Richard Wagner und Anton Bruckner — den gefürchteten Wiener Zci- tungskritiker Eduard Hanslick. Kein Mittel lietz Hanslick un versucht, um die Dirigenten von der Ausführung Brucknerscher Werke abzubrtngen. Bel der Aufjührung der Dritten Sympho nie hatte dieser Widersacher tüchtig vorgearbettet: Das Publi kum zog lärmend aus dem Musiksaal, die Orchestermusiker ver lieben fluchtartig ihre Plätze. „Es scheint zu dem für uus nur so schwer durchschaubaren Erzieherplan Gottes zu gehören", schreibt Adolf Köberle, „datz jedem Menschenleben eine Gestalt zugesellt wird, die uns ivehtut und die unsere Tragkraft auf die äutzcrste Probe der Geduld und des Leidenvgehorsams stellt." Wie sagt Gott der Herr im „Jaust": „Des MensäM Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen, Er liebt sich bald die unbedingte Ruh; Drum geb' ich gern ihm den Gesellen zu, Der reizt und wirkt und muh als Teufel schaffen." Die Begegnung mit dem Widersacher zwingt den schöpferischen Menschen zur Entfaltung der letzten Möglichkeiten, zur Hergabe der höchsten Krast. Jede Begegnung hat etwas Schicksalhaftes; >ver sie erfährt, verhält sich zunächst erleidend. Es steht anscheinend in niemandes Macht, Begegnungen künstlich herbeizuzwingen. „Wohl aber", so hebt Th. Litt hervor, „ist es mir anheim gegeben, zwischen den in meinem Daseinshorizont ausiauchenden Möglichkeiten der Begegnungen eine Auswahl zu treffen." Die Freiheit bleibt bestehen in der Auswahl und in der Stärke der Hingabe. Schicksalhastes (Vorsehung) und Freiheit wirken zusammen. — Die Begegnung wird für den schöpfe rischen Menschen zum Beweggrund, d. h. sie bringt die schlummernden Energien in Gang; sie Hilst dem schöpferischen Menschen, das zu werden, was er werden soll. — Wachsen, reifer werden, sich zur Gestalt durcl)arbeiten aber kann der Mensch nur im Umgang mit dem, was „anders" ist als er selbst. Je grötzer, besser, bedeutender das „Andere" ist, desto mehr kann es den Menschen im tiessten verwandeln. Je „fremd- artiger" das „Andere" ist. desto erregender kann di« Begeg nung sein. Das „Andere" kann dann den Begegnungsparttier mit der ganzen Wucht des Eigenständigen, aus der Tiefe Wir kende» in Anspruch nehmen. Das Andersartige, liefe Gegen sätzliche, Fremde hat etwas ungemein Erregendes. Es rüst manchmal zunächst Erstaunen, Empörung, Verachtung, leiden- schastilche Ablehnung, manchmal aber auch Liebe auf den ersten Blick wach. Jedenfalls führt die Begegnung zu einer fruchtbaren Spannung, zu einer Bewegung aller inneren Kräfte und zu einer Bereicherung. Die Begegnung ist dann wie eine Anti these, die nach schöpferischer Synthese -rängt: Die Spannung verlangt nach Ausgleich, die Gegensätzlichkeit nach innerer An gleichung. Denken wir an das erste Zusammentreffen Schillers mit Goethe an jenem denkwürdigen 7. September 1788 im Heim der Familie von Beulwitz zu Rudolsstadt. Beide waren über den gegenseitigen Eindruck schmerzlich enttäuscht. „Wir werden uns immer fern bleiben", schrieb Schiller über den ersten Eindruck an seinen Freund Körner. Goethes Zurück haltung war noch entschiedener. Es hatte einer Selbstüber windung bedurft, damit er bei jener Zusammenkunft bei ge sprächiger Laune blieb, er hatte fast einen Groll gegen den Dichter der „Räuber". Die Begegnung führte aber doch zur Zu sammenarbeit und schlietzlich zur herrlichsten Freundschaft, Die Verschiedenheit zwang zur Auseinandersetzung; der Spannungs ausgleich erwies sich als schöpferisch. Schlietzlich konnten selbst die nächsten gemeinsamen Bekannten der beiden Freunde bei vielen Dichtungen und Xenien nicht mehr scststellcn, ob Goethe oder Schiller der Urheber ivar. Goethe nahm von Schiller, Schiller von Goethe an. Gerade weil sich beide zunächst durch aus nicht ähnlich oder geistesverwandt waren, wurde ihre Begegnung schöpferisch. Das Erlebnis der Begegnung ist einer der wichtigsten Beweggründe des Schassens. Selbstabschlietzung des schöpfe rischen Menschen würde zur Erstarrung, vielleicht sogar zum Rarzitzmus zur Selbstvcrliebtheit, und damit zur Unfruchtbar keit sichren Auch die Natur zeigt, datz kein fortzeugendes Leben denkbar ist ohne „Begegnung". Schon die Nahrnngs- aufnohme ist Anerzeugung von etwas Autzcnsciendcm, Frem dem, Anderem. Zeugung und Befruchtung ist undenkbar ohne Begegnung. Wenn das Insekt nicht der Blüte „begegnet", kann keine Frucht werden. — Begegnung erzeugt Spannung, Span nung drängt nach Lösung, Ausgleich und ruft eben dadurch Bewegung, Kraftentfaltuna I)ervor. Begegnung ist also eine Sonderform der schöpferischen Spannung. Auch Da »ft was dnn - und was dnn »ft, das gibt er her f Man hat feine liebe Not mit den Mannsleuten. Wenn dke nach Hause kommen und mit der Nase schnuppern, da muß dann auch schon was ganz Kräftiges in der Kanne fein, sonst lassen sie die Ohren hangen. Wie gut, daß eS gibt. DaS ist ein Kornkaffee, der Leib und Seele Zusammenhalt. Wenn der auf den Tisch kommt, freut ftch feder. ist was dnn, und was dnn ist, das gibt er her.'