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Sächsische Volkszeitung : 24.05.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193905247
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19390524
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19390524
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-05
- Tag 1939-05-24
-
Monat
1939-05
-
Jahr
1939
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 24.05.1939
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Der Aufstieg des deutschen Sanitätskorps Ein Lund empfängt seinen «Snig dog und Ka- 123 300 erlagen der im 1014'18 seit 50 Vsn unseeein Verichtevstattev morden ivoren. Noch 1817 hat die Cholera in Indien ein gan zes englisci)es Heer vernichtet, und auf der Krim verloren die Engländer ganze Regimenter durch Flcckfiebcr. Die Typhus verluste des sriderizianischen Heeres waren ost größer als die blutiger Schlachten. Noch 1870'71 wurden im deutschen Heere 74 205 Typhuserliranlnmgen gezählt, von denen 8004 tödlich ansgingen. Wenn 1870/71, so sagt v. Drigalski, „von den 14 004 an Krankheit zugrunde Gegangenen nicht weniger als 11660 an Seuchen starben — und im Weltkriege von an Krankheiten Verstorbenen nur 46 044 den Seuchen trotz viel stärkerer Gefährdung —, wenn sich die Zahl Lazarett behandelten Seuchenopfer 1870'71 gegenüber also verhält wie 77,8:37,3 — die Seuchengefährdung Jahren also um mehr als das Doppelte znrückgegangen ist gegen über einem schon damals als recht günstig bezeichneten Verhält nis —, wenn endlich auch di« Verluste bei den Verwundeten 1014/18 um fast ein Viertel zuriickgegangen sind gegenüber den Jahren 187071 —, so mus; in der Anwendung gewonnener Er kenntnis ein Fortschritt erreicht worden sein, der — man darf das aus solche Zahlen gestützt ruhig sagen — so schlagend auf keinem anderen Gebiet der Kriegsführung zu verzeichnen iü." sS. 4O.s Der bahnbrechenden Forschungsarbeit eines Dr. Ro bert Koch wird in diesem Zusammenhänge besonders gedacht. Aus dem lehrreichen Zahlenmaterial, das v. Dri- galski beibringt, sei noch folgendes wicdergcgeben: In unserem Weltkriegsheere zählte man 6082 Flecksiebererkrankungen, da von 1345 Todesfälle: an Pocken erkrankten 450 und starben 21 Mann: die Pest kam nicht vor Typhusfälle wurden 116 481 behandelt, 11723 verliefen tödlich. 155376 Ruhrkranke kamen in die Lazarette, 8646 davon starben. Von 3303 Fäl len asiatischer Cholera endeten 1603 tödlich. 120 781 Fälle von Malaria zeitigten dagegen nur 432 Todesfolgen. Die 1018 über all unabhängig von Klima. Wetter, Gegend sich ausbre'iende Grippe („spanische Krankheit") hat trotz ihrer 303 544 in Laza retten behandelten Fälle nur 000 Todesopfer gefordert. Fälle von Wundstarrkrampf, der durch die Tetanusspritzc bekämpft wurde, führt v. Drigolski insgesamt 2044 an. All« diese Zahlen beweisen, das; die Kriegsseuchen zwar da waren, aber keinerlei entscheidende Bedeutung mehr hatten. Während des Krieges ist nämlich auch neralgouverneur nicht gleichzeitig Kanada ist. Inzwischen . , ... .. . _ „ . ... , die schöne weite kanadische Landschaft, cs finden Empfänge statt und werden Reden gehalten Welche sortwirkende Bedeu tung der Besuch aber haben wird, das wird sich erst zeigen, wenn lange die „Emvretz os Britain", das stolze Flaggschiff der Cana- dian Pansic Railways, den König wieder nach England ge bracht hat. überall der Union Jack anlätzlich des Königsbesuches, obwohl selbstbewusste Kanadier immer wieder hervorgehoben haben, das; der Union Jack nur die Flagge Großbritanniens und der Kolonien sei. Gerade jetzt untersucht man. ob das kanadische Parlament berechtigt sei, Berufungen an den Privy Council in London, die immer noch möglich sind, abzuschafsen, ein Recht, das kaum angezweifelt iverdcn Kan». Das; Premierminister King (und nicht der Generalgouverneur) den König auf der Reise durch das Land als Minister in Atlendance begleitet, wäh rend Gencralgouverneur Lord Twcedsmuir die Roulinegescl)äfte im Auftrage des Königs weitersührt. wird stark beachtet. Damit äutzerlich klargestellt, das; der sogenannte Ge- nur noch ein Stellvertreter des Königs und ein Beaustragter der britischen Regierung in fährt der königliche Zng Tage und Tage durch wurden zur Seuchenbekämpfung verausgabt 10 050 000 Schutz gaben Tetanusserum, 200 000 Fläschchen Diphlherieserum, 12 615 000 Gaben Pockenlymphe. 103 360 Liter Typhusschutzimps- stoss, sowie 70 821 Liter Impsstosf zur Choleraschutzimpsung. Auch die Zahlen, die v. Drigalsln aus der Verwunde te n st a I i st i k des Weltkrieges anführt, sind teilweise in die ser Vollständigkeit noch unveröffentlicht. Allerdings reicht auch diese Zählung nur bis zum 31. Juli 1018, umfaßt atso volle vier Kriegsjahre. Danach wurden behandelt a) bei der Truppe: 11054105 Kranke und Verwundete: von diesen wurden wieder dienstfähig 08,7 Prozent: b) in den Lazaretten im Felde: 4 071004, davon wieder dienstfähig 02,7 Prozent; c) in der Hei mat: 8 638 010, davon wieder dienstfähig 00 Prozent. Von ins gesamt 12 700 023 Zugängen bei den Lazaretten des Feld- und Besatzungsheeres wurden wieder dienstfähig und kehrten zur Truppe zurück 1914'15: 88.94, 1915 16: 90,9», 1916 17: 91,04, 1917/18: 92,0 Prozent. Behandelt wurden überhaupt über 27 185 000 Verwundete und Kranke, von denen 95.8 Prozent wieder dienstfähig wurden. Das bedeutet, wie v. Drigalsln mit Recht sagt, das; fast die Hälfte des Ersatzes für die im Kriege Ausgefallenen aus ärztlich Behandelten und Geheilten bestand, und über 67 000 Menschen durchschnittlich in jedem Monat wie der tauglich zur Front kamen. Tas Sanitätskorps war also die Truppe, die mit in erster Linie für de» Ersatz an den Freu ten sorgte. Am Schlus; seines äutzerst lesenswerten Buches geht von Trigalski noch kurz auf die Organisation des Sanitätskorps nach dem grosse» Kriege ein. Seit 1920 — so stellt er mit Genug tuung fest — ist es eine Truppe wie jede andere, der Sanitäts offizier gehört zu den Offizieren der Armee, steht nicht mehr „neben" ihnen. Die Sanitätsabteilung, die es bei jeder Divi sion gibt Hal als Kommandeur einen Oberstarzt und ist ein selb ständiger in Sanitätsstasfeln eingeteilter Verband. Aerztlicher Be rater des Kommandierenden Generals eines Armeekorps ist der im Range eines Obersten oder Generalarztes stehende Korps arzt. An der Spitze des Heeressanitätswesens steht der Gene raloberstabsarzt ais Hceressanitätsinspekteur mit seinem Stabe, der Hecres-Sanitätsinspektion. Taneben gibt es wieder einen wissenschaftlichen Senat für das Heeressanitälswesen, dem die hervorragendsten Gelehrten angehören. Alle künftigen Sani- tälsossiziere treten als Fahnenjunker oder Marinc-Tanitäts- kadetten in die „Militärärztliche Akademie" ein. Abschliessend Kan» v. Drigalski mit einem berechtigten Stolz sagen, das; die Weiterentwicklung »nd Förderung des Sanitätskorps nie eine Angelegenheit des Wohlwollens gewesen ist. sondern stets eine Kriegssolge und -auszeicknung. „Ter Weltkrieg, dessen Aus gang uns alle heute noch erschüttert, hat der Truppe das ge bracht, wofür wir lange Jahre gekämpft haben " Max Domschke. Die Mnflinge werden fünf Jahre alt Das englische Königspaar besucht sie. — Kein Ausstellungsobsekt mehr. — Aber immer noch Besichtigungen gegen Entgelt. Zwei Ereignisse werden in den nächsten Tagen im Leben der weltberühmten kanadischen Fünflinge eine gewisse Rolle spielen. Erstens einmal werden sie, natürlich alle fünf gleich zeitig. am 28. Mai fünf Jahre alt. und zweitens werden sie vom englischen König, der eben eine Besuchsreise durch kanadische Dominion unternimmt, und der Königin besucht bcgrützt werden. Denn im ganzen grossen und gewaltigen nada stellen sie heute die grösste Sehenswürdigkeit dar. Das kanadische Dominion hat aber auch dasür gesorgt, dass cs diese Fünflinge nicht nur so gut wie nur möglich haben, sondern das; sic auch davor bewahrt bleiben, wehrlose Opfer der allgemeinen Neugier zu sein. Man weif;, dass cs erhebliche Kämpfe gekostet hat, bis man die unverständigen Eltern der Fünflinge davon überzeugt hatte, dass die Kleinen nicht dazu da sind, um die Attraktion von Varietövorstellungcn zu bilden. Der Staat hat die Patenschaft übernommen, er gewährleistet den Eltern ein sorgloses Leben, lässt aber die Kinder unter sorgfältiger ärztlicher Aufsicht aufwachsen und erziehen. Der Arzt, dem das Leben und die Gesundheit der Fünflinge an vertraut sind, ist noch immer derselbe, einst völlig unbekannte Dr. Dasoc. der sie vor fünf Jahren bei der Geburt und un mittelbar nachher betreute, und dem es in allererster Linie zu danken ist. das; alle fünf — es sind bekanntlich Siebcnmonats- kinder — mit dem Leben davonkamen. Ein solcher Fall hatte sich bisher noch nie ereignet. Wohl gibt es hin und wieder in der Welt Fünflingsgeburten, aber es kommt nie vor, dass alle fünf Kinder am Leben bleiben. Hier war cs geglückt. Aber ohne das Eingreifen der staatlichen Behörden hätten die Fünflinge wohl doch nickt lange gelebt. Denn aus aller Welt kamen Angebote, die Fünflinge gegen Riesenhonorare zu zei gen. Die grotzcn amerikanischen Zeitungen schickten ihre besten Reporter, um die Fünflinge zu sehen und wenn möglich, die Eltern und den geplagten Dr. Dafoe zu interviewen. Heute kann mit den Fünflingen in dem kleinen Städtchen Callender In der kanadischen Provinz Ontario nichts mehr passieren. Sie haben ein eigenes Hans, das sorgsam bewacht ist. Jede Woche einmal können die Fremden — ihr Zustrom hat dem Städtchen einen erheblichen Auftrieb verliehen — die Fünflinge besichtigen. Aber es geschieht durch Drahtfenster, und die Fünflinge merken meistens gar nichts davon. Niemand kann sie berühren, niemand mit ihnen sprechen, niemand gut gemeinte Leckerbissen zustecken, mit deren Folgen dann wieder der gute alte Dr. Dasoe zu Kämpfen hätte. Zu dem Stab der fünf kleinen Schwestern gehören noch eine Krankenschwester, ein Hausmeister, ein Koch und ein „Geschäftsführer'. Denn die Unkosten, die ihre Erziehung verursacht, verdienen die Montreal, 10. Mai In den ersten Maitagen haben die Bewohner der Fiinf- viertclmillionenstadt Montreal di« letzten unschönen Neste des Winterschnees beseitigt. In einigen viclbesahrenen Strotzen war eine 20 bis 30 und mehr Zentimeter dicke Eisschicht, oder besser ein Stratzenbelag aus Schmutz und Eis entstanden, weil aus den gerade festgefahrcnen Schn« immer wieder neuer ausgeschneit war. Es erschien zuerst fast unwahrscheinlich, das; die Antosahr bahn plötzlich um Meter breiter geworden sein sollte, das; die Il-L bis 2 Meter hohen Schneehaufen, die seit vielen Wochen zum Stadtbild gehörten, nun wirklich verschwanden, kurzum, das; Sommer werden würde in der grötztcn Stadt von Kanada, In der weitaus der grötzte Teil der Sckneeabfuhr immer noch — wie zu Indiancrzeiten — von der Sonne besorgt wird. In- zwisci)«» ist es sogar wirklich Mai geworden, ohne viele schüch terne Friihlingsversuche scheint das Land gleich in den Sommer zu starten, und während der König von Kanada zum erstenmal sein Land besucht, schießt überall das Grün aus den überwinter ten Zweigen. Wenn man sich die Einzigartigkeit des Ereignisses dieses Besuches vor Augen führt, dann wird einem erst voll bewutzt, daß es doch nach dem ersten Sturm der Ueberraschung und Freude bei Bekanntwerden des Rciseplancs im Oktober vorigen Jahres ziemlich ruhig geworden mar um den Besuch. Nur die Frauen haben ihre Toiletten unentwegt weiter vorbereitet, die hübsche kleine Hauptstadt Ottawa hat das National Memorial errichtet und hat sich auch sonst sehr schön hergerichtet, überall haben die Empsangsausschiifse alles bis ins kleinste vorbereitet, iver dem König vorgestellt wird. n»er dies, wer das. Einen Präzedenzfall für das Verlassen des europäischen Mutterlandes hat erst der Vater des jetzigen Königs geschaffen, als er sich zum .Kaiser von Indien krönen lies;. Die Kanadier nennen ihr Land manchmal gern mit berechtigtem Stolz das oder wenigstens ein Land des 20. Jahrhunderts. Sic sind sich darüber klar, das; dieses Gebiet nicht nur noch ungeheure uner schlossene Reichtümer birgt, sondern, das; anch der vielleicht sicherste Weg von Grotzbritaniricn nach dem Fernen Osten über Kanada führt. Sie legen deshalb anch Wert darauf fcstzustelle», das Georg Vl. als Kanadas König gekommen ist. als ihr Sou verän, der allerdings gleichzeitig Souverän der übrigen Staa ten des Commomvealth britische Nationen ist. Kanada ist eine der selbständig gewordenen Töchter Britanniens, cs hat seine eigenen Sorgen und Probleme. Probleme, die es manches Mal einen eigenen Weg gehen heißen, aber es hat denselben König, den auch England hat. Der König ist somit wieder zu einer zntralcn Figur im britischen Weltreich geworden, nachdem der Einfluß der englischen Könige seit langem immer mehr zurück gegangen ist. Es gibt in Kanada dnrclmns den Typ des Kolonialenglän- ders, für den der Begriff König nur auf den König von England paßt, aber Millionen Kanadier nichtbritischer Abkunft finden zum König nur ein Verhältnis, weil er ihr König, der König von Kanada Ist. Selbstverständlich gilt das besonders für die hauptsächlich In dem Provinzstaat Quebec wohnende französisch stämmige Bevölkerung, deren Führer überhaupt erst ein kana disches Volks- und Staatsbewusstsein entwickelt haben, da diese Menscl-en, die Franzosen der Abkunft und Sprache nach sind, sich notwendigenveise nie als Briten gefühlt haben, sondern schicksalhaft Kanadier sind. Sie sind es auch, die immer wieder warnen: Hände weg von Europa!, wenn immer die Hyperbriten, die es in Kanada immer noch in starker Zahl gibt, das Land in Dinge verwickeln wollen, an denen cs nicht interessiert ist. Den König von Kanada werden sic ebenso freudig mit ihrem „Dieu sauve le Roi" begrüßen wie die Anglokanadier. Immer wieder laufen Frankokanadier Sturm gegen die Unterstellung der Politik ihres Landes unter London, iveil sich immer wieder heransstcllt. daß tausend traditionelle Fäden und Gewohnheiten das Land manchmal noch zu dem zu machen dro hen, was es in Wirklichkeit schon lange nicht mehr ist: zu einer Kolonie, während selbst die beste Bersassnng das Land nicht selbständig machen könnte, wenn dieser Wille zur absoluten Selbständigkeit nicht so entwickelt wird, wie das Statut von Westminster aus dem Jahre 1931 das ermöglicht, insofern cs Kanada als souveränen Staat im britisclren Commonwealth of Nations anerkennt. Schon bei der Flagge fängt es an. Kanada hat immer noch keine eigene Nationalflagge, sondern er weht Noch vor dem Weltkriege wurde der Sanitätsdienst und der Angehörige des Sanitätskorps vielfach geringschätzig und etwas Uber die Schulter angesehen. Die Kriegsersahrung hat mit dieser Verkennung der Tatsachen gründlich und restlos auf geräumt. Draußen auf den Schlachtfeldern des Weltkrieges hat auch der letzte Soldat die volle Ebenbürtigkeit der Kameraden verstehen gelernt, die in Ehren den Aeskulapstab trugen. Der Ruf „Sanitäter!", der sich oft markerschütternd den Lippen Schwerverwundcter entrang, und den kein Frontsoldat vergißt, hat abertauscndmal den Respekt vor jener Truppe bestätigt, die selbst keine Wunden schlug, aber sich dafür aufopserte, die Wun- ocn anderer zu verbinden und zu heilen. Vielleicht liegt gerade darin eine Anerkennung sür die Selbstverständlichkeit dieses stillen Heldentums, daß man über die Leistungen des Sanitäts- Korps im Weltkriege in der sonst überreichen Wcltkriegslitera- tur außer einzelnen medizinischen Fachschriften wenig findet. Um so größerem Intereste dürfte daher eine literarische Neu erscheinung aus der Feder von Professor Dr. Wilhelm von D igalski ') finden, di« in einem kulturgeschichtlici)«» Rück blick das Werden und die Organisation des deutschen Sanitäts korps beim Heer und bei der Kriegsmarine schildert, und die vom ärztlichen Standpunkt aus auch zu den Leistungen auf medizinischem Gebiete Stellung nimmt, die für die Wehrkraft unseres Volkes im letzten Kriege von nicht zu unterschätzender Bedeutung waren. Denkt man an die glorreiche Geschichte unseres Heeres, di« sich viele Jahrhunderte zurückverfolgcn läßt, so scheint es ver wunderlich, das; man von einem festgefügten deutschen Sani tätskorps — wie Drigalski feststem — erst seit dem Jahre 1868 sprechen kann. Erst die Erfahrungen der Kriege der sechziger Jahre haben dazu geführt, daß man die Angehörigen des Sani- tätsKorps als Personen des Soldatcnstandcs anerkannte und dem Militärarzt die Achselstücke verlieh, die ihn im Range in etwa den Offizieren gleichstcllten. Erst nach dem 70er Kriege (1873) kam die Verordnung über die Organisation des Sani- lätsoffizierskorps heraus, das künftig gleichberechtigt neben dem übrigen Offizierskorps stehen sollte. Trofchem hat es noch bis zum Jahre 1901 gedauert, eh« die Ehrengerichte für den Sani tätsoffizier kamen, und erst 1911 wurden diesem die militäri schen Ehren bei der Beerdigung zugestanden. Sogar bis 1914 hat es auf diesem Gebiete noch gewisse Halbheiten gegeben. Aber v. Drigalski betont nicht zu Unrecht, es sei für den Sanitätsoffi zier sehr bekömmlich gewesen, daß er sich — trotz der ihm im Patent von Seiner Majestät zugesichertcn Wahrung aller seiner „Prärogativen" — immer aufs neue durchsetzen mußte; und v. Drigalski sährt fort: „Das friedlicher Tätigkeit im Kriege ge widmete Korps war so zu einer rechten Kampftruppe geworden, und als solche erkämpfte es sich im elgentlicl-en Sinne des War- les im Weltkrieg die ihm noch fehlende Kommandogewalt. Der Soldat hatte den Vorteil davon; noch nie zuvor war er so gut gefahren." (S. 84 f.) Um diese Fortschritte richtig zu werten, mus; man zum Vergleich die früheren Zeiten heranzichen. Vom „Feldscher" seligen Angedenkens bis zum heutigen angesehenen Stand des Militärarztes ist ein weiter Weg. Die erste Spur eines Mili- tärsanitätswescns taucht mit den Landsknechtsheeren des Kai sers Maximilian auf,' und in einem Erlaß Karls V. begegnet uns erstmals der Begriff des „Obrist-Feldartzet", der sich bei einem „Haufen" (etwa einem Armeekorps) befand. Als ersten Reformator des Militärmedizinalwescns nennt v. Drigalski einen Herrn Janus Abraham a Gehcma, «inen Edelmann. Rittmeister und Doctor medicinae, der im Jahre 1690 eine Schrift heraus gab: „Ter kranke Soldat". Er führt bittere Klage darüber, daß bei einer Armee von 20 000 bis 30 000 Mann nur ein Medi kus wäre. Als 1726 das 1710 errichtete Pesthaus in Berlin, die „ Charitö ", Krankenhaus wurde, begann man hier Mili tärärzte auszubildcn. Später ist die Charitö die klassiscl)« Aus- und Fortbildungsstütte sür Militärärzte geworden. Drigalski weist darauf hin, daß noch im Siebenfährigen Kriege der Unter arzt, der sogenannte „Feldscher", nur im Range des Tambours stand, und daß für ihn erst 1787 das berüchtigte „Fuchteln" ab geschafft wurde. 1795 l)at sodann der Gcneralchirurgus Johann Goercke mit Friedrich Wilhelm 71. den Grund zur ersten mili- tärärztllcl)«» Bildungsanstalt, -er „Chirurgischen Pe- pinicre " gelegt, deren Direktor er wurde. Schon vorher frei lich hatte Oesterreich mit der Medizinischen Akademie für Mili tärärzte, die 1785 Joseph 77. selbst unterstellt wurde, einen An fang gemacht, »nd auch Sachsen mar dem damaligen preußi schen Staate im Militärsanitätswescn voran. Nachdem aller dings in Berlin im Jahre 1811 als Lehrkörper für die „Eleven" die „Medizinisch-Chirurgiscl)e Akademie" unter der Leitung von Hufeland und Goercke gegründet worden war, sei — wie v. Drigalski betont — vieles an der ständig verbesserten Aus bildung der Militärärzte richtunggebend für das Hochschulstu dium der Mediziner überhaupt geworden. Aus der eben genann. tcn Akademie wurde 1818 das „Medizinisch-Chirurgische Fricd- rich-Wilhelm-Instltut" und 1895 die „Kaiser-Wilhelm-Akademie ür das militärärztliche Bildungswescn". Diese Institute l>abcn n hundert Jahren 4300 Aerzte zum Heer entsandt. Unter ihnen ind berühmte Namen wie Helmholtz, Virchow. Nothnagel, von Winkel, von Leyden. Gaertner, Kirchner, Löffler, von Behring. Pastow und andere. Nach Jena und Auerstedt bekam Goercke — zum ersten Mal in der Geschichte des Heeres — den Rang als Oberst und das Osfizicrsportcpee Kurz darauf erhielten auch die Aerzte bis zum Bataillonschirurgus als Anerkennung für Verhalten im Kriege Ofsiziersrang und Portepee. Gesell schaftlich mußten sie freilich weiter hinter dem jüngsten Se- nondeleutnant rangieren, so daß nach 1859 ein Mann wie Bilk rath bitter vorimirfsvoll schreiben konnte: „Diese Anschauungen (nämlich einer absoluten Suprematie des Offizierskorps) stecken immer noch sehr tief in den Köpfen des preußisären Offiziers korps, und die Stellung der Aerzte Ist daher in der preußiscknm Armee eine unwürdige; ein gehöriger Krieg, eine blutige Schlacht, wo Hunderte von hochadligen Offizieren jammervoll daliegen und sehnsuchtsvoll jeden Morgen den Arzt erwarten, wird das schon ändern." Ein Spötter hat einst von den Aerzten das zynische Wort geprägt: Ihre Erfolge bescheint die Sonne, ihr« Mißerfolge deckt die Erde! Für den ernsten Beobachter ist es gerade umgekehrt: Ihre Erfolge deckt das Vergessen, ihre Mißerfolge werden an die veffentlichkeit gezerrt. Nach dem. was die ärztlicl-e Kunst und Wissenschaft an Unheil verhütet hat, fragen die wenigsten. So ist cs auch beim Sanitätskvrps. Seine Leistungen im Kriege können nicht allein an den Riesenzahlen der behandelten Ver wundungen und Erkrunkungon abgelesen werden. Nicht min der wichtig ist es. daran zu denken, wieviel größeres Unglück durch die vorbeugende Tätigkeit der Aerzte gerade im Weltkrieg hintangehalten worden ist. Von Drigalski bringt dafür um fassendes Tatsachen- und Zahlenmaterial. Er spricht einmal von den Infektionskrankheiten, die in früheren Kriegen ein« verheerende Rolle gespielt k>aben. Wenn der Weltkrieg der erste und bisher einzige war. In dem diese Regel ihre Geltung ver lor, dann ist das ein ungeheurer Erfolg, zumal noch nie zuvor In einem Kriege solcl-e Millionenmassen von Menschen bewegt *) Wilhelm von Drigalski: „Der Aufstieg des Sanitäts korps", Gerhard Stalling Verlag, Oldenburg i. O./Berlin. (Ganzleinen 4,80 RM.)
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