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540 Hauptschriftletter: Dr. Sverlh, Leipzig DikNStag, dkN 22. Ddtobkk Verlag: Dr. Reinhold L Co., Leipzig 1918 Der erste Eindruck in Paris und London Der deutsche Heeresbericht (Amtlich.) Grotzes Hauptquartier, 22. Oktober. Wefrltcher Kriegsschauplatz Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht An der Lys und Schelde Infankcriegefechte. Mehrfach suchte der Feind mit kleineren und stärkeren Abteilungen die Flüsse zu überschreiten. Nordöstlich von Kortrik drang er mit Panzerwagen, südöstlich von Kortrik mit starken Kräsien gegen nsere Linien vor. Er wurde überall verlustreich abgewiesen. Vizewachtmeister Müller der 9. Batterie Feld.-Ärt.-Aegimcnts Nr. 223 vernichtete hierbei sechs Panzerwagen des Gegners. Eng länder besetzten die von uns geschonten Kirchtürme von St. Amand mit Maschinengewehren. Beiderseits von Soles- mcs und Le Cateau hat der Feind seine Angriffe nicht er neuert. In nächtlichen Teilkämpfen blieben die Gehöfte von Amervatin feiner Hand. Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Französisch« Angriffe, die am Morgen nördlich der Ser re, am Nachmittage auf breiterer Front zwischen Oise und Serre §?gen unsere Linien vorbrachen, wurden abgewiesen. Nordwestlich von Mesbreout führten schlesische Truppen einen erfolg reichen Gegenangriff durch. Auf den Aisne-Höhen östlich von Bouziers dauern heftige Kämpfe an. Württembergische Regimenter haben im Verein mit preußischen und bayerischen Bataillonen dem Feinde in erfolgreichem Gegenangriff die Höhen östlich von Bandy zwischen Ballay und Lhestres und nördlich von Fataise wieder entrissen und gegen starke Gegenangriffe des Gegners de- yauptek. Seitlich von Olizy scheiterte «in Teilangriff des Feindest Heeresgruppe Gallwih. Rach heftiger Artillerievorbereitung griff der Amerikaner nördlich von Sommerane« und in breiterer Front beiderseits von Banthevltte an. 3m Feuer und im Gegenstoß sind die Angriffe des Gegners gescheitert. Vornehmlich im Feuer unserer Maschinengewehre und Infanteriegeschütze erlitt der Amerikaner wiederum hohe Verluste. Aus einem Geschwader von etwa acht feindlichen Flugzeugen, das Ortschaften im Lohnt al angrlff, wurden vier Flugzeuge abgeschofsen. Leutnant Deltjens errang seinen 35. Luftsieg. Südöstlicher Kriegsschauplatz. Nördlich von Kruseoac und am Bukow le scheiterten feindliche Angriffe. Erfolgreiche eigene Unternehmungen bei Trubarevo an der südlichen Morawa. Der Erste Generalqnartiermeister. Ludendorff. (M. T.-B.) Dathyani ungarischer Kabinettschef? Wien, 22. Oktober. (Drahtbericht unseres Wiener Mitarbeiters.) Aus Budapest wird gemeldet: Wie .Az Ess' er fahren haben will, wird in politischen Kreisen di« Möglichkeit der Bildnn» eines Kabinetts unter dem Vorsitz des Mitgliedes der Karolyiparle! Grasen Theodor Bathyan i in Erwägung gezogen. Angeblich so . G e o r g P a ll a vi ci n i, der vor kurzem in der Schweiz weilte und vom Kaiser nach seiner Rückkehr in Audienz empfangen wurde, dem Monarchen die Mitteilung gemacht haben, daß die Entente nurmitder Karolyipartei verhandeln wolle. Kriegsminifter Scheuch über die Kriegsanleihe: Wer nicht Kriegsanleihe zeichnet, handelt falsch, denn die Kriegsanleihe wird immer mindestens so gut sein wie bares Geld. Unsere Antwort und England Sondersitzung des englischen Kabinetts. Haag, 22. Oktober. (Eig. Drahtbericht.) Holl. RieuwS Burcttrr meldet aus London: Sofort nach Eintreffen der deutschen Ant- rwrt in London trat das Kabinett zu einer Sondersitzung zu sammen. Da die Antwort formell an die Vereinigten Staaten ge richtet ist, haben die Ansichten des britischen Kabinetts selbstredend einen privaten Charakter. DaS Sensalionsblatt .Central News' will wissen, datz im Kabinett die Verfügung der Kriegserklärungen von der Zustimmung des Reichstages abhängig macht, wird man eine allgemeine Form geben, so daß auch die Einleitung eines Verteidigungskrieges in diesen Rahmen fallen wird. Es wird sodann mit der allgemeinen Aussprache über die innere und äußere Politik begonnen werden. Hierzu werden die Abg. Herold für das Zentrum, Ebert für die Sozialdemokratie, Dr. Naumann für di« Fortschr. Vp. und Dr. 6 tres emann für die Nationalliberalen das Wort nehmen. die Ansicht vorherrschte, die Antwort sei absichtlich ungeschickt abgefatzt, und zwar zu dem Zwecke, die Alliierte« in r-es Netz eines langen Gedankenaustausches zu verwickeln, aus dem sie sich nur schwer wieder befreien könnten- Die Antwort habe Deutschlands Niederlage nicht anerkannt. He gründe sich auf dis Nennung aller wesentlichen FriedenSbedingungcn. Da die Antwort weniger versöhnlich laute als die vorhergehende Role, so sei kaum zu bezweifeln, datz sie entschieden abgelehnl werd«. . * . * Pariser Auffassungen Genf, 22. Oktober. (Eig. Drahtbericht.) HavaS meldet au§ PnriS: Die deutschen Auslastungen der Anlwort an Wilson werden kom. < mcnticrt, und es wird auf die Verschlagenheit hingcwiesen. 3n , Wirklichkeit suche die Regierung das unvermeidliche Geständnis ihrer Nieder.age zu umgehen durch den Versuch, unter den Bevölkerungen der Entente eine Friedensbewegung hervorzurufen. Sie saht ihr« Wünsche schon als Wirklichkeit auf und verbreitet ein Radio- telegramm, wonach in Marseille, Lyon und allen Großstädten Friedens kundgebungen stattfinden und grotze Streiks zur Beschleunigung des Abschlusses des Weltfriedens unmittelbar bevorständen. Aber gerade gestern hak Parts patriotische Kundgebungen gesehen, die in Deutschland Schrecken erregen würden, da sie unsere unbesiegbare Ausdauer be weise«. Andererseits glaubt Hindenburg die Leerheit der Vorwürfe über die llnmenschlichkeit seiner Armeen zu beweisen, indem er den Kämpfenden vorschreibt, weiter unnötige Verwüstungen zu ver meiden. Die Presse Höft dafür, bah diese Instruktion gerade für die Vornahme systematischer Verwüstungen ein Beweis ist. — lieber diese Sache bemerkt der .Petit Paristen', datz Hindenburg der Schule ange- hörk, die all« Zerstörungen als militärisch notwendig betrachte. AuS d'.rscm Grunde wurden die Provinzen Frankreichs geplündert und.zahl reiche Opfer mißhandelt. Das «Petit Journal' macht auf die Fälle aufmerksam, die im Vorschlag derErsetzung General F ockS durch Pershing liegt. Es betont, daß Wilson ein eifriger An hänger deS Einheikskommandos ist und erklärt, daß es nur dem Genera lissimus zustehe, die Bedingungen des Waffenstillstandes festzulegen. Das angebliche Zugeständnis angesichts des Unterseebootkrieges sei ebenfalls eine Falle. Nach der Einnahme von Ost ende und Zee- brügge fei das Schicksal d«S Unterseebootkrieges b: 'cgelk. Dor der Reichstagsfitzung In der heutigen Re chstagssihung wird zunächst der Kanz ler das Wort ergreifen, um zur Lage zu sprechen. Er wird die auf der Tagesordnung stehenden Verfassungsänderungen ver treten und weitere Gesetzentwürfe ankünden, die sich in der Rich tung der Durchführung der Parlamcntarisierung und Demokrati- sierung bewegen. Die auf der Tagesordnung stehenden Ver- foffungsän-erun-eo sind der Annahme sicher. Dem Artikel, der Die Kümpfe an der hollündischen Grenze sct) Haag, 22. Oktober. (EigenerDrahtbericht.) Aus den Berichten der holländischen Grenzkorrespondenten ergibt sich, datz dieLageinderNähederholländischenGrenze jetzt folgende ist: Die deutsche Nachhut, die zurückblieb, hat be schlossen zu Kämpfen, bis die Munition ausgcht, dann will sie sich internieren lassen. Diese Abteilung des deutschen Heeres kann daher an der Grenze noch längere Zeit standhalten und kann sich dann in Ruhe zurückziehen. Deshalb hat die deutsche Heeres- führung den elektrischen Draht an der Grenze wieder Herstellen lassen, und zwar von Eede ab nach Osten zu. Die Deutschen haben sich in der Nähe des Leopoldkanals eingcgraben und scheinen dort eine Bedrohung gegen den linken Flügel der Alliierten treffen zu wollen. Anfänglich hatten die Alliierten in diesem Abschnitt noch keine Artillerie, währen- die Deutschen die ganze Nacht hindurch geschossen haben. Man bekommt von der holländischen Grenze den Eindruck, datz die Deutschen gestern morgen die Ab sicht hatten zurückzugehen. Gegen Mittag kam aber anscheinend ein Gegenbefehl. Es wurden sogar neue Telephonlinien gebaut, um 9 Uhr entbrannte der Kampf aufs neue. Jetzt hatten die Alliierten ebenfalls Artillerie. Ilm 2^ Uhr fiel der erste Gewehr schutz. Bald darauf begannen auch die Maschinengewehre. Viele Kugeln und Granaten sind aus holländisches Gebiet gefallen. Einige deutsche Verwundete haben sich auf holländisches Gebiet begeben. Allgemein läuft das Gerücht, daß die deutsche Nachhut aus einer ganzen Division besteht, die bis jetzt nur die Wahl zwischen Uebergabe oder Internierung hat. Der Korrespondent des .Nieuwe Courant' bestreitet dies, denn die deutschen Truppen hätten die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. In einer späteren Meldung aus AarLenburg heißt es: Um 5^r Uhr wurde alarmiert, da in der Nähe der belgischen Grenze grotze Gefahr im Gange sind. Die holländischen Grenzwachen wurden verstärkt. Das Rote Kreuz ist zur Stelle. * Haag, 22. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) .Nieuwe Rottcrdamschc Courant* meldet aus Rocrmcmb: An der nieder- ländischen Grenze find am Sonntag nachmittag die ersten -00 Flüchtlinge über die Grenze gekommen. Sie stammen beinahe alle auS Douai und Umgebung. Sie erklären, daß Douai von der eng- l scheu Artillerie in Brand geschossen ist. Auch in der Frühe deS 21. Oktobers kamen zahlreiche Flüchtlinge über die niederländische Grenze. In Holland ist besonders mit Hilfe des niederländischen Roten Kreuzes sofort ein umfangreicher Hilfsdienst einge- leitet. Di: Zahl der Flüchtlinge dürste bis jetzt ungesähr 2000 betrogen. Es dürfte als ein Beweis der glänzend durchgeführten Räu mung gelten, datz bis heute nur 55 deutsche Soldaten über die Grenze gedrängt und in Holland interniert wurden. - - Deutsch-Oesterreich Uns wird geschrieben: Die Ereignisse, die uns selbst beschäftigen und bewegen, dürfen unsere Aufmerksamkeit nicht völlig von den Dingen ablenken, die sich jetzt in Oesterreich vollziehen. Die Erklärung des Selbst- beslimmungsrechtes der Nationen mutzte auf das Völkergemisch dieses Staates besonders lies einwirken und die feit langer Zett latente innere Krise zum Ausbruch bringen. Es wäre nun zu er warten gewesen, datz die Regierung die Neugestaltung selbst in die Hand nehmen und einen Ausgleich betreiben würde, der vor allem die Interessen des Gesamtstaaies und seine Widerstandskraft nach .mtzen hin wahrt und sichert. Aus diesem Wege hätte sie auch -.in wirksamsten ihre aus dem Bundesverhältnis zum Deutschen Reich erwachsende Pflicht erfüllen können. Statt dessen ist die Führung in dieser ganzen Frage sehr bald den Händen der Re gierung entglitten; sie und die staakstreuen Parteien sind in eine ^efensiostellung gedrängt, in der es sich eigentlich nur noch darum andelt, für den Staat zu retten, was zu retten ist. Wie stets n solchen Dingen, hat die größere Energie und das tatkräftig« Vorgehen die Oberhand gewonnen, die national-radikalen Par teien geben den Ton an. Wofür sie vor noch nicht langer Zeit als Entgegenkommen der Regierung dankbar gewesen wären, das ehncn sie heute als durch die Ereignisse längst überholtes Zuge ständnis höhnend ab. Dies gilt besonders für die Tschechen, die die Anerkennung des tschechifchen Stantsrechtes fordern und da mit Böhmen, Mähren und Schlesien ganz für sich in Anspruch nehmen. Als stille Anhänger der Entente, bei -er sie durch Masaryk und Benesch diplomatisch vertreten sind, haben sie ge schwiegen und nur im geheimen geschürt, solange ihre Führer im Gefängnis satzen und die Aktien der Entente, besonders Rußlands, unter pari standen. Die Amnestie und später der Umschwung in der Gesanrtlage rief sie ganz offen auf den Plan. Uns könnte das alles gleichgültig sein, wenn ihr Verhaften nicht eine Herabminderung der Wehrkraft unseres Verbündeten und ein« schwere Bedrohung des deutschen Elements in Böhme«, Mähren und Schlesien bedeutete; erstere schädigt unsere militärische Lage, letztere unser deutsches Volkstum. Wir sind also im Recht, wenn wir zu den Dingen Stellung nehmen. Wir müssen leider die UcberzAügung haben, datz die österreichische Regierung mit zweierlei Matze nutzt. Die Deutschen haben bisher stets zum Hause Habsburg gehalten und auch in diesem Kriege Widerspruchs- los die schwersten Opfer an Gut und Blut gebracht; man nimmt diese Opfer als etwas Selbstverständliches an, der Dank bleibt aus. Die Tschechen sind übergelaufen, haben ihr Geld und ihre reichen Lebensmittel dem Grsamtstaat nicht zur Verfügung gestellt und die Leistungen der Kohlen- und Rüstungsindustrie durch absichtlich Nachlassen-« Arbeit des einzenen herabgemindert; sie machen überall Schwierigkeiten, drohen mit der Republik und mit der völligen Absage an den Staat. Dafür lauscht man ängstlich auf jeden ihrer Wünsche. Es mutz in aller Ruhe und Freundschaft betont werden, datz hinter den Deutschen in den bedrohten Ge bieten das deutsche Volk steht und nicht gewillt ist, dieser Ent wicklung teilnahmslos zuzusehen. Wenn nichts anderes hilft, werden wir die Tore, die in unser Land führen, weit öffnen müssen, um diejenigen hereinzulassen, denen völkischer Hatz die Lebensbedingungen weigert. Der Ruf, der schon heule aus ver- schiedcnen Gebieten Oesterreichs zu uns herüberschallt, wird bei uns gehört und verstanden; die Antwort lautet: wehrt euch so gut ihr könnt, wir sind bereit, euch zu helfen, wenn es nicht an ders geht. Die Tschechen aber möchten wir darauf verweisen, datz die Dinge sich unter dem Einfluß eines durch Eitelkeit überhitzten nationalen Ehrgeizes anders anfehen, als sie tatsächlich liegen. Sie möchten nicht vergessen, datz die Welt auch nach dem Kriege weiter besteht, und datz dem Rausch eines national-politiscl-en Erfolges die wirtschaftliche Ernüchterung, um cs ganz milde auszudrücken, und der Parkeistreit im Innern folgt. So hoch steht das tschechische Volk wahrlich nicht über den anderen, daß es uns überhaupt.nicht mehr braucht. Wir werden Nachbarn sein und dann sehr wohl zu unterscheiden wissen zwischen Gästen, die uns angenehm und. willkommen und solchen, die uns lästig sind. Die Proklamation der Deutsch-Oesterreicher In der Proklamation der deutsch-österreichischen Nationalver sammlung heißt es: « «Das deutsche Volk in Oesterreich ist entschlossen, seine zu künftige staatliche Ordnung selbst zu bestimmen, einen selb ständigen deutsch-österreichischen Staat zu bilden und seine Beziehungen zu anderen Nationen durch freie Verein» barungen mit ihnen zu regeln. Der deutsch-österreichische Staat beansprucht die Gebietsgewalt über das ganze deutsch« Siedclungsgebiet, insbesondere auch in den Sudeten ländern. Jeder Annexion von Gebieten, die von den deutschen Bauern, Arbeitern und Bürgern bewohnt sind, durch andere Na tionen, wird sich der deutsch-österreichische Staat widersetzen. Den Zugang des deutschen Volkes zum Adriatischen Meere werden wir uns durch Vereinbarungen mit den anderen Nationen sicher- zustellcn suchen. Das deutsche Volk in Oesterreich wird eine kon stituierende Nationalversammlung wählen. Diese konstituierende Nationalversammlung aus Grund des allge meinen und gleicyen Wahlrechts gewählt, wird die Verfassung des deutsch-österreichischen Staates festsehen. Die pro visorische Nationalversammlung beansprucht das Recht, bis zum Zusammentritt der konstituierenden Nationalversammlung das deutsche Volk in Oesterreich bet den Friedensverhandlungen vertreten, De.rHandlyngen mit den anderen Narwnen dtz