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Sonnabend Sonntag, SO. April/1. Mal 1988 Sächsische Volkszeitung Nummer 101, Seite 10 „Mein Geschlecht kam aus der Ewigkeit und geht In di» Ewig- keit: es ist älter als alle Königreichri" Blieb stehen und gab damlr zu erkennen, datz jede weiter« Frage unnütz sei. Der Oberpräsident war mit seinem Bauer und der Lehr stunde wohl zufrieden. Er griff nach seinem Eichenstock. — Der Bauer geleitet« seine Gäste bis an das Hoftor; da ent- lieh er sie dann mit einem kräftigen Händedruck: „Duot gohnl" sagte er und nicht» weiter. Der baltische Eraf schritt still und besinnlich dahin. Der Freiherr störte ihn nicht in feiner Nachdenklichkeit. An der nächsten Wegebiegung blieb der hochadeltge Herr stehen, wandt« sich und sah noch einmal über den Hof hin. Da« Wunder dieses westfälischen Bauern begann langsam in ihm auszublühen. Er sah dann seinen Begleiter an, verschluckte einen vielleicht ärger lichen Vordersatz seiner Meinung und sagte nur: „ , , , aber «I» ganzer Kerl ist'» dochl" „Nicht wahr", freute sich der Oberprästdent, „eln Bauer ist'» und könnt« eia König feini" Oer ttundslott Oändel Es mar in Dublin vor der Hauptprobe de» schwierigsten Werte» Georg Fri«drlch Händel», dessen Ausführung Gegner und Freunde de» großen Deutschen mit beinah» fieber hafter Spannung erwarteten. Händel selbst war in unbschreib« kicher Aufregung, mehr als einmal mutzte er schon die Perücken wechseln, weil sie von Schweitz durchnäßt waren. Jetzt stand er vor dem Orchester und musterte jeden einzelnen mit prüfendem Blick. Dann klopfte er mit dem Stab energisch auf den Rand de» Notenpultes. Tiefe» Schweigen lag über dem Saal, selbst di« kleine» Hofdamen, die in keinem Konzert den Mund halten konnten, wagten kaum zu atmen. Händel richtete sich aus, scharf schnitt feine Stimm« in di« Stille: „Meine HerrenI Ein Hundsfott, der «inen Fehler macht I l I" Er hob den Stab. Eine Weile lang ging alles gut, denir die Musiker waren selbst in einer seelischen Hochspannung und so „faßt von der Komposition, dah feder einzelne alle seine Kräfte »usammennahm, um nicht schuld an einem „Umschmitz" zu sein. Da geschah da» Unglaubliche. Händel selbst verpatzte einen Einsatz. Hingerissen von der Schönheit der Wiedergabe seines Werke», war er vom Dirigenten zum Zuhörer geworden. Der Konzertmatz gab ihm ein Zeichen, er merkte es nicht. Da be rührt« er ihn mit dem Bogen. Händel schrak zusammen und übernahm wieder da» Kommando. Leichenblaß allerding« und mit tränenüberströmten Augen steigerte er sich selbst, so datz keiner mehr an den Fehler dachte. Rur Händel selbst hatte ihn nicht vergessen. Noch in den Bei- fall der wenigen Zuhörer und des Orchesters hinein hallte, Ruhe gebietend, sein Stab. Alle» schwieg erschrocken. Wa» war ge- schehrn? Da Nang Händels Stimme zitternd vor innerer Er- regung durch den Raum: „Meine Herren, ich bin der Hund»« sltllt" Oer öoxer und 6er Atkokol Ein Policeman in London nahm dieser Tage einen Mann fest, der aus einem Schuhladen heraustorkeite. In der einen Hand hielt er einen braunen, in der anderen Hand einen schivarzen Schuh. Unter den Arm geklemmt trug er dazu noch eine Portion gebackenen Fisch und geröstete Kartoffeln. Der Mann hatte offenbar in der Trunkenheit die Schuhe und die Lebensmittel gestohlen Er wurde als Dieb verhaftet und mutzte sich vor Gericht verantworten. Bor dem Richtertisch entstand aber bald die Frage: „Ist der Verhaftete ein Dieb oder nicht?" Der Fcstgenommene ent puppte sich nämlich als der britische Federgewichtschampion Harrn Corbett, dessen eigentiici)er Name Colenmn ist. Kein Zweifel, er war im Augenblick, da er den Streich lieferte, in einem Zustand völliger Trunkenheit. Welcher vernünftige Mann stiehlt sonst zwei Schuhe verschiedener Farbe und Größe? Aber darf ein Baumeister UberhauiN so viel trinken? Und darf er dann die peinlick-e Angelegenheit vor Gericht noch ins Lächer liche ziehen? Der Richter beschloß, dem englisck-en Meister wenigstens einen kleinen Denkzettel zu erteilen. Er sprach ihn von dem Vorwurf des Diebstahls frei. Aber er bezeichnete ihn als einen Mann, der sich einen „Gehörigen" angetrunken hatte und nicht mehr wußte, was er tat. Dafür legte er ihm eine Buhe von 2b englischen Pfund aus. Da Eorbett diese Summ« nicht bezahlen konnte, forderte ihn der Richter auf. einen Bürgen für diese 26 Pfund auszu treiben. Dieser sollte die Verpflichtung dasiir übernehmen, daß Eorbett binnen einem halben Jahr keinen Tropfen Alkohol mehr trink». Der Federaewichtsmcistcr ivar einverstanden, aber seit die sem Urteil läuft er nun in London herum und sucht einen Bürgen. Für die 26 Pfund hat er schon einen gefunden, aber — wo ist der gute Freund, der dafür einstcht, datz der Boxer ein IH (161^ / /inekklotensammlune Don Anekdoten gilt oft da».gleich« wie von den berühmte» letzten Worten großer Männer: sie sind nicht wahr. Und doch gibt es eine ganz« Anzahl, di« zunächst wie erfundene Witze an muten, sich aber erweislich zugetragen haben. Besonders di« Welt der Mediziner hat ihrer nicht wenige hrroorgebracht. Hier einige dieser echten Histörchen: Gute Antworte». Der Pariser THIrurg Malgaigne hatte eines Tages wieder einmal einen Kandidaten im Examen, der sich mit wenig Ruhm bedeckte. „Geben Sie mir, mein Herr, endlich eine gut« Antwort!" schrie Malgaigne, der durch seine Ironie nicht wenig gefürchtet war, schließlich. „Können Sie mir sagen, wa» man unter dem Begriff Schöpfung, Erschaffung versteht?" „Schaffen . . . erschaffen . . .", stammelte der Kandidat verwirrt, ,Heißt aus nicht, etwas machen." „Gut, mein Herr", erwiderte Malgaigne erlöst, „wir werden Sie zum Doktor erschaffen." Di« brieflich« Behandlung. Bei der Berliner Haut« und Haar-Kapazität L. befand sich ein auswärtiger Patient wegen feine» Haarschwunde» tn Be handlung. »Hamit Sie die Reise nicht ständig zu machen brauchen", sagte zu diesem L. bei der zweiten Visite, „schicken St« mir alle vier Wochen ein« Probe Ihrer Haare zwecks mikroskopisch« Untersuchung ein. Ich werde Ihnen dann g. F. weitere Kur anweisungen geben." Der Patient verfuhr demgemäß. Nach einiger Zeit aber kam «in Brief, der lautete: „Ein liegend erlaube ich mir, wieder einige Haar« zu senden. Leider aber kann ich die» jetzt nicht mehr fortsetzen. Es find di« letzten." Ein zweideutig«, Triumvirat. König Friedrich Wilhelm IV. von Preutzen lag auf seinem Sterbebett. Er wurde behandelt von dem nicht nur al» Mediziner, sondern auch als Original berühmten Schönletn, der in Würzburg und Zürich wirkte, und dem Geheimrat Weiß. Die Königin war sehr besorgt und wollte noch «Inen weiteren Arzt zugezogen wissen, und zwar den Münchener Pro fessor Nix. Schönletn aber sträubte sich rntschieden dagegen. „Es geht doch nicht gut", sagte er, „daß die Krankheitsbulletins unter schrieb«» werden mit: Schönletn Weitz Nix." Ein« mefierscharfe Antwort. Der Münchener Anatom Rüdtnger betraf einst einen Studenten in der Anatomie mit stumpfen Messern und erteilte ihm dieserhalb eine Rüge. Dieser fühlte sich beleidigt. „Ich verstehe das Schärfen und Schleifen nicht", sagte er in anzüglicher Manier. „Ich bin doch nicht Barbier gewesen!" „Das glaub« ich Ihnen gern", entgegnet« Rüdtnger, der, be vor er studieren konnte, Barbier war. ,Menn Sie es gewesen wären, wären Sie es auch geblieben." Vorsicht! Der bekannte Berliner Arzt H. hatte einen Patienten, drr dauernd in medizinischen Büchern las und sich nebenbei immer selbst zu kurieren suchte. Als er eines Tages wieder einmal seine nicht recht verdauten medizinischen Kenntnisse an den Mann, d h an N.. bringen wollte, sagte dieser: .Flehmen Sie sich tn acht! Sir sterben noch einmal an einem Druckfehler!" Der Unglücksrabe. Der berühmte Wiener Anatom Hyrtl fragte etnst beim Examen einen Kandidaten: ,HLa» wissen Sie über die Funktion der Mitz?" „Heute morgen", antwortete der bereits etwas verdattert« junge Mann, „habe ich es noch gewußt, aber jetzt leider wieder vergessen." — „Sir Unglücksrabe!" rief Hyrtl heiter. „Eie sind der einzig« Mensch tn der Welt, der es gewußt hat, und gerat« Eie muhten e» vergessen!" Ein Widerruf. In München kam eines Tages der Internist Ringet» zu dem Chirurgen Etromeyer und bat ihn, einen seiner Patienten, der an Bauchwassersucht litt, zu punktieren. Stromeyer aber lehnte den Eingriff ab. da Ihm kein Anlaß dazu gegeben schien, und Ringeis machte nunmehr die Operation selber. Eie ver lief gut, aber der Patient starb. „Das nennt man den trockenen Stich!" rief Etromeyer empört, als er davon hörte. „So sticht man die Leute ab!" Die Aeutzerung wurde natürlich Ringeis wieder über mittelt und dieser beschwerte sich bei der Fakultät, di« dem Chirurgen einen Widerruf vor den Studenten nahclegte. Etromeyer kam dem nach. „Ich widerrufe hiermit", sagt« «r, „was ich gesagt habe. So sticht man die Leute nicht ab." halbes Jahr lang Kränen Tropfen Alkohol zu sich nimmt? Das ist eine sehr heikle Angelegenheit, rmd es ist noch eine große Frage, ob dieser zweite Punkt der „Bewährungsfrist" erfüllt werden kann. Die englischen Richter find manchmal nicht nur weise, sie haben auch Humor. , 03)kdn 8ckIIt keetkoven Bekanntlich war Beethoven zuerst bei Haydn als Schüler «Ingetreten, ihm aber sehr bald wieder au» der Lehre gelaufen. Da» wurmte den alten Herrn, und al» ihm noch zum Uebersluh ziemlich respektlose Aeutzerungen de» jungen Feuerkopfes be richtet wurden, steigerte er sich in einen seiner Herzensgute sonst fremden Aergcr hinein. Besonders als es hieß, Beethoven habe ihn «inen alten „Parruckcnstock" genannt. Darüber sehr er grimmt, rief Haydn aus: „Der junge Mensch, was untersteht der sich, mich zu tadeln? Was hat er denn bis jetzt gemacht, datz er sich so ausspielt? Die paar Sonaten, na, sie sind soweit nicht Übel, wenn auch nichts Besonderes dran ist. Die Quartet ten ... ja, dir sind gut! Wirklich gut! Und das Septett? Ach, da« ist wunderschön!" Sein Angesicht leuchtete verklärt von edelster Mitsreude, und den Anfang feiner Rede hatte er ganz vergessen. In 6er IrnnLÖsIsclien Abgeordneten-- Kammer erlausebt ,„ . . Das Herz unter der Bluse eines Arbeiters schlagt ebenso feurig wie das Herz unter dem Zylinder «ine» Bourgeois . . ." „. . . Der Wein unserer fleißigen Winzer besteht zur Hälfte au» Schweiß. . ." „Es war eine schwere, «ine tödliche Krise, die zum Glück keine ernsthaften Folgen hatte .. ." „Uns umhüllt eine finstere Nacht, aber sie ist von den grellen Strahlen der ausgehenden Sonne durchbohrt . . ." „Er will uns mit seinem Stabe ansühren und komman dieren, aber sein Stab ist aus einem irrsinnigen, einem ehr geizigen Holze gemacht..." Oetrter 1>o8t Ehe Gottfried Keller von München fortging, mutzte er grausam Hunger leiden. Von Hause konnte ihm die Mutter nichts mehr schicken, und die Freunde, die er besah, waren auch nicht vermögend genug, ihn zu unterstützen. So mutzte er nach und nach alle» verkaufen, was er besaß und irgend entbehren konnte. Da war schließlich noch feine geliebte Flöte, die ihn über viel« dunkle Stunden hinweggetröstet hatte. Auch dieser letzt» Wertgegenstand wanderte «ine» Tages zum Trödler. Der Händler wollte aber, ehe er da» Instrument lauste, auch die Ge wißheit haben, dah es tn Ordnung sei, und so setzte Keller di« Flöt« an die Lippen, um noch eln einziges Mal ihre Stimm« zu hören. Nach kurzem Nachdenken wählte er Agathes Arie aus dem „Freischütz" zum Vortrag. „Und ob die Wolke sie verhülle — die Sonne bleibt am Himmelszelt!" klang es tröstlich durch den Trödelladen, und diese hoffnungsvolle Weltanschauung Keller» sollte sich dann später auch für ihn wieder einmal bewahrheiten. Oer Ooldkl8ek sm Osl8e Schon mancher exzentrisch veranlagten Dame ist irgendein lebendes Tier ,^um Halse herausgckommen". Di« eine schlang fich «tn lebende» Wiesel um den Nacken und trug es so spazieren, die ander« trat gar zusammen mit einer Eidechse, di« sich um ihren Hals schmiegte, aus der Straße aus, uno jede hatte gewiß Bewunderer. Den Höhepunkt stellte jedoch kürzlich der höchst seltsame Schmuck einer ungarischen Schauspielerin dar, die ihn auf einer Cocktail-Partie vorsührte. An ihrer Halskette hing «in kleines — Aquarium, so groß wie eine Taschenuhr, darin tummelten sich zwei Eoldstschchen, es war wirklich «in« herzig« Angelegenheit, und jedermann war einsach stumm vor Staun«». Wie die Fischchen selbst, die gar nicht mutzten, datz sie da auf dem Bufen einer berühmten Dame schwammen. Noch mehr erstaunt aber war die Dame, als sie nämlich bemerken mutzt«, daß st« mit ihrem merkwürdigen Halsschmuck zwar auf-, aber »licht gefiel. Kehlen der Vögel erklingt. Blütenduft umschmeichelt uns. Und auf dem freundlich gedeckten, mit Blumen geschmückten Tisch prangen die ersten Salate und Gemüse, in ihrer Mitte der hochgepriesene Spargel. Alle unsere Sinne haben an der Freude des Maien Anteil . . . Glück der Gemeinschaft Aber was wäre die Freude, wenn wir sie in selb stischer Enge nur allein auskosteten! Die großen Schwin gen der Lebensfreude entfalten ivir nur in der Gemein schaft. Das ist das unvergleichliche Glück der Familie, dah hier eine Gemeinschaft von Menschen, die durch Bande des Bluts eine höhere Einheit bildet, gemeinsam die großen Augenbkicke des Lebens durchkosten darf. Und daß in diese Freude ein Hauch der Einigkeit hinein weht: Was die Eltern beglückte, ivird noch die Kinder erfreun. Das Lächeln der Großmutter kehrt in den Zü gen der Enkelin wieder. Selbst die kleinen Freuden des Alltags gewinnen hier eine höhere Weihe. Denn durch die schicksalhafte Kette der Generationen erhalten sie den zauberhaften Glanz eines eivig sich erneuernden, unvernichlbaren Glücks. Freundschaft? Häufig wird das Wort gebraucht, aber die darin beschlossene Gabe des Schicksals ist im Grunde recht selten. Die Harmonie von Seelen, die sich geistig ergänzen und einander fruchtbare Anregung be deuten, die wechselseitige Hilfe, die Menschen aus der Kraft tiefempfundener Wesensverwandtschaft einander leisten — wie Gröhes ist aus dieser hoben Beglückung entstanden! Wie viele Fortschritte der Wissenschaft, wie- viele Werke der Kunst, welch schicksalhafte Wendungen selbst in Politik und Wirtschaft sind durch das Zusam menwirken befreundeter Menschen erwachsen? Alles Glück, alle Freude und Seligkeit, die Familie und Freundschaft uns schenken können, klingen wie eine gewaltige Orgelfuge auf, wenn wir an einem Feiertage des ganzen Volkes uns der Gröhe und Herr lichkeit der Volksgemeinschaft bemüht werden. Schillers „Seid umschlungen, Millionen!" erhält hier seinen großen Sinn. Mit uns in geistiger Gemeinschaft stehen an einem solchen Tage nicht nur die Millionen der Mitlebenden unserer Nation, sondern auch die unübersehbare Folge der Generationen, die vor uns dieses deutsche Volk bildeten. Freude am Dasein, Wille zum Dasein hat dies Volk über die Stürme der Jahrhunderte hinweg erhal ten und ist Bürgschaft glückhafter Zukunft. Di« ewige Freude Von den Sinnen her ersaht uns die Welle der Freude. Durch die Kraft der Gemeinschaft wächst sie über uns empor und durchdringt nun unsere Seele mit übermächtiger Gewalt. Und wir ahnen ehrfürchtig die tiefste Quelle, aus der dieser heilige Strom der Freude flieht. Steigerung des Lebensgefühls bedeuten all die kleinen Freuden, die uns durch den einfachen Genuh der Sinne vermittelt werden, durch Gaumen und Zunge, durch Auge und Ohr. Sinnbilder erhöhten Lebens stellen Kunst und Dichtung vor unser Auge. Gemeinschaft in Glück und Leid steigert dieses Lebensgefühl zu höchster Kraft und reinster Bejahung: „Du nasse Stirn des so Mühseligen, Schweihttbertropftes edles Elfenbein. Kniekehlen ihr, der Schönheit Evangelien, Ihr Strahlenaugen, ganz unwiderstehlichen, O göttlich Los: Mitlebender zu sein!" In der Gemeinschaft fühlen wir die Ewigkeit der Freude, die von Geschlecht zu Geschlecht in Familie und » Volk weitergetragen wird. Aber auch die Sehnsucht nach immer tieferer Läuterung, nach immer reinerer Klar heit, nach immer vollkommenerer Schönheit dieser Freude. In solchen Stunden empfinden wir die Aufgabe des Menschen, aufzusteigen von der Nähe der Tierwelt zu immer höherer Aehnlichkeit mit dem Beweger aller Dinge als einer beglückenden Wirklichkeit. Dann gewinnen wir in dieser letzten Läuterung der Freude auch den grohen Abstand vom eigenen Ich, das in diesem seligen Aufstieg nur Glied in der Kette, nur Baustein und Stufe ist. Wir verstehen Sokrates, der lächelnd von seinen Richtern scheidet: „Es ist Zett zu gehen — Ihr geht zum Leben, ich zum Tode; wer aber das bessere Teil erwählt hat, weih keiner auher Gott." Das letzte Lied, das Nietzsches leuchtender Geist formte, ehe er in ewige Nacht versank, klingt uns nun ver traut: „Heiterkeit, güldene, komm! Du, des Todes heimlichster, süßester Vorgenutzl" O tiefste Freude, der das eigene kleine Leben gering gilt, weil sie das Leben im letzten Sinne besaht: das ewige Leben, das von Generation zu Generation emporwächst wie ein blühender Baum, dessen Wurzeln im Herzen des Schöpfers ruhen! Du läßt uns ahnen, was lenes Wort bedeutet, das man nur in solch tiefen Stunden aussprechen sollte: Seligkeit. Die letzte Liiu- terung,der Freude, die in diesen irdischen Bezirken möglich" ist, erfahren wir erst bei der Betrachtung der grohen Wirklichkeiten, die Uber unser kleines Ich Hin ausweisen, der großen Ideen, in denen wir den Sinn unseres Seins zu ahnen vermögen. Der Schritt von dieser Ahnung zur Erkenntnis würde die Wandlung der Freude tn Seligkeit bedeuten, das ewige Glück: diß Anschauung Gottes.