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Sonnabend/Sonntag, 18^17. April 1SS8 Sächsische Volkszeitung Nummer 90, Seite 8 mühevollen Fahrt nicht sich, sondern den Gral und setzt Selbst dabei jederzeit in ritterlichem todbereitcn Kamps Die mystische Tiefe der Parsisalsage besteht gerade darin, in ihr das Opfer des Selbst, das „Verlieren der Seele" unabdingbarer Preis gesetzt ist vor die Erringung des V«s zentrale Heilig tum der Lhvistenheit Gstermorgen im Schwarzwald (Weltbilü, Zander-M.) Geschäftliches. sObn« Verantwortung der Schriftleitung.) Nicht nur glänzen sollen Schuhe, wichtiger ist, datz das Leder gepflegt wird, dann halten die Schuhe länger und bleiben länger schön. Erdal hat sich in Jahrzehnten be» währt. Erdal ist jetzt billiger geworden. Erdal Hilst sparen und verlängert die Freude an schönen Schuhen. In jeder Dose Erdal-Bildergutscheine. hier Gatte . . ,, , einsambeit erzogen, damit er den Verlockungen und Gefahren des Rittertums ferngehalten und ihm das Schicksal des Vater» erspart werde. Vom Drang nach Heldentum und dem Gefühl der Sendung als Knabe schon unbewutzt erfüllt, verlätzt er die Mutter trotzdem eines Tages, was Herzeleiöe das Herz bricht; nicht lange nach Parsifals Aufbruch stirbt die Verlassene. Nach ritterlichen Kämpfen und Siegen, in denen der Knabe Par- sisal, nicht ohne sich mit Schuld zu beflecken, die ungestüme Kraft erprobt, gelangt er zum ersten Male unwissend zur Gralsburg. Hier sieht er die Leiden des siechen Gralskönigs Amsorlas, unierlützt aber, nach ihrem Grund zu fragen, obwohl er, nach dem Geheimnis und Spruch des Grals, durch solche Frage das Gralskönigtum selbst errungen hätte. Noch ivar Parsifals Herz in Härle und Mitleidlosigkeit verschlossen, wo durch er jenes Königtum als Unwürdiger verscherzte. Tor und Zugbrücke der Gralsburg schlichen sich hinter ihm. FUnsein- halb Jahre lang mutz Parsisal in die Irre gehen, härteste Kämpfe und Prüfungen zu seiner Läuterung bestehen, bis er an einen, Karfreitag zu dem frommen Einsiedler Trevrizent gelangt, unter dessen mildem Zuspruch der in der Tiefe seiner Leiden sich gegen Gott Auslchncnde innerlich gewandelt wird. Er erfährt, datz er durch Mangel an Mitgefühl den Gral ver scherzt hatte. Die Mitteilung des Todes seiner Mutter, den er durch seine Flucht verschuldet, vollendet gleichsam die Durch bohrung seines in den vorausgegangencn Prüfungen schon schmerzlich geläuterten Herzens. Parsisal bereut, sein Trotz gegen Gott schmilzt hin, sein vom Speer des tiesstcn, tödlichen Schmerzes durchbohrtes Herz wird im Grunde gewandelt und geöffnet für das Mitleid und die Liebe. Nach Kämpfen und Prüfungen, die über Parsisal zur Erprobung seiner Wandlung kommen, naht ihm die Gralsboti» Kundrie mit dem Bescheide, datz er zum Gralskönig ernannt sei. Er bricht zur Gralsburg Munsalvaeschc auf, gewinnt seine Gemahlin Kondwiramur — die er sich schon am Beginn seiner Fahrt errungen, dann aber in schmerzlicher Trennung entbehrt hatte — zurück, heilt und erlöst Amfortas durch die Frage des Mitleids und wird an seiner Stelle Gralskönig. — Nach einer geheimnisvollen Be» heitzung Kundries soll Parsisal durch den Gral nicht irdische» Königtum, sondern auch überirdische Herrschaft, soweit Laus und Schimmer der sieben Planeten erreichen, erringen: Was der Planeten Laus umkreist Und was ihr Schimmer überglänzt: So weit ist dir dein Ziel begrenzt, Das hast du Macht, dir zu erwerben. — sParsifal, 15. Buch, 1457 ff.) So wird der smit tief mystischer Bedeutung) über die siebe« Planetsphären herrschende Gralskönig noch einmal, in geheim nisvoller Entsprechung, „durchscheinend" sür das u. a. aus einem Blatt der DUrerschen Apokalypse mit der Siegesfahne aus dem Regenbogen — als dem Symbol der sieben Weltall sphären — stehende Lamm, aus dessen durchbohrtem Herzen ein Blutstrahl in den vorgehaltenen Kelch — den heiligen Gral springt; der Name des Lammes aber ist „Herr aller Herren und König aller Könige" sOsjbg. Ioh. 17, 14). Wie in der Durchbohrung, der Kreuzigung wird Parsisal so auch im österlichen Sieg und in der Ueberwindung chrislusähnlich; der Gralskönig wird geheimnisvolles Abbild des Christus- könig. Parsisal, der sein kleines ichsüchtiges Selbst mannhaft zum Opfer gebracht, seine Seele verloren, das harte Herz de» ersten Adam schmerzlicher, tödlicher Durchbohrung bot, ging mit ihm durch das Kreuz zur Auferstehung und gewann seine Seele, sein göttliches überirdisches Selbst zurück, gekrönt als ein Erwählter zu jenem „königlichen Priestertum", das dem unerschrockenen Ritter und Streiter Christi zuteil wird. tiefsinnigsten Gedicht der Edda überhaupt, das: Neun Tage hing ich Am windigen Baum, Vom Gere verwundet. Dem Odin geweiht: Ich selber mir selbst. An jenem Banin, Da jedem fremd, Aus welcher Wurzel er wächst. — Nack; Wolfram von Eschenbachs Epos, dessen Hauptinhalt kurz umrissen sei, wird Parsisal von Herzeleids, deren Gamuret im Kampf gefallen ist, in tiefster Waldes- Stätten hingeordnet. Alles andere: das ist u. a. die Stelle der Salbung vor der Grablegung, die Geitzeljäule, das geschichtlich mehr als zweifelhafte, aber schaurig-eindrucksvolle Gefängnis Christi, die Stelle, wo die drei Marien dem Todeskampf zu sahen, die letzten Stationen der Bia dolorosa überhaupt, also eine verschivendevische Fülle heiliger Orte, die, würden sie einzeln in der Welt zerstreut sein, brennende Ziele täglicher Wallfahrten ivären. Hier aber sind sie nur Vorbereitung und bescheidener Hintergrund. Lätzt man die Katholiken nach dem Eintritt links liegen, so führt eine Treppe auf den Kalvarienberg, in eine dunkle Kapelle, durch zwei schlvcre Pseiler in zwei Schiffe geteilt. Das sine Schiff enthält die Stätten der Kleiderberaubung, der Kreuzai-nagelung und den Platz, wo „stabat mater dolorosa". Ein Schritt zwischen die beiden Pseiler hindurch führt zu einem den Griechen gehörenden Altar. Unter der Altarplalte im Bo den eine runde Silberplatte mit einer Oesfnung. Hier stand das Kreuz. Stand es dort? Möglich, datz der engere Platten kreis willkürlich ist, aber gewitz, datz die Verehrung der Stelle schon sehr früh eingesetzt hat, und datz der Felsen als Ganzes historisch gesichert ist. Dies also ist Golgatha, der Schnittpunkt der Geschichte. Aber die Wucht und Tiefe des Geschehens lätzt sich am wenig sten hier erfassen, wo sich peinliche Flitterdekoration griechischen Geschmacks an eine allzu naive Form russischer und mitlel- meerischer Frömmigkeit wendet, und den Kalvarienberg ver niedlicht. Peinlich der Vergleich mit der Omarmoschee, in deren Mittelpunkt, von jeder Ornamentik frei und in natürlicher Majestät der grotze unbekannte Felsen ruht, auf dem der Brand opferaltar des salomonischen Tempels stand und von dem Mo hammed gen Himmel fuhr. Hier auf dem Kalvarienberge kann nur ein starkes Abstraktionsvermögen zu den Gedanken be fähigen. die dieser Ort verlangt. Nur der Anblick jener ivcllen- jörmig verlausenden Felsspalte wirkt unmittelbar erschütternd, die man rechts von der Kreuzesstelle unter einer Marmorplalte Ohne Karfreitag keine Ostern! — Auch die herrliche deutsche Sage von Parsisal und dem Gral lebt letztlich von dem grohen österlichen Mysterium des „Stirb und Werde"! Parsisal ist in seiner aus älteste Quellen zurückgchenden, u a. von Wolfram von Lschenbach und Richard Wagner bearbeiteten Sage, wie die für deutsches Wesen ost symbolisch genommene Gestalt des Faust, ein ruhlos Irrender und Suchender Wenn aber Faust immer nur sich selbst bewahren will, mit allen Mitteln und gar im Bund mit dem Bösen Befriedigung und Glück seines Selbst erstrebt, so sucht Parsisal aus seiner leid- und sein ein. datz als „ . „ . . . „ „ Grals, der ein Sinnbild der Auserstehung und Wiedergeburt ist! Die Erhebung Parsifals an Stelle Faustens zum Sinn- und Zielbild deutschen Wesens kann man als eine notwendige Forderung der Gegenwart bezeichnen. Der Gral nach der einen Fassung seines reichverzweigten Sagenkreises <so u. a. bei Wolfram) ein kostbarer wundertätiger Stein, ist nach der anderen auf Josef von Arimathäa sich beziehenden lleberliese- rung, wie Wagner sie übernommen, der Kelch, in dem jener Freund des Herrn unter dem Kreuz das Blut aus der Seiten wunde — dem von Longinus mit der Lanze durchbohrten Herzen Christi — ausgefangen und als heilige Reliquie be wahrt hat. Dieses dein Gralskelch seinen Sinn und seine heilige Weihe gebende Mysterium des durchbohrten Herzens aber stellt den eigentlichen Kern und die Seele der ganzen Gralssage dar, daraus allein sich Weg und Wesen ihres Helden Parsisal und selbst sein Name von der Tiefe her erhellt. Die Deutung dieses Namens in seiner altfranzösischen Form „Per- ceval" von percer --- durchbohren legt Wolfram in seinem Epos der Jungfrau Sigune in den Mund (drittes Buch, Vers 731 ss.): Du sprach ihr roter Mund zumal: Fürwahr, du heitzest Parsisal. Dies deutet mitten durch gewitz. Denn Furchen grotz tief Lieben ritz Durch Treu in deiner Mutter Herz: Dein Vater lieh ihr nichts als Schmerz." Wie das Herz des Gottmenschen von der Lanze des Longinus, so wurde das seiner „Schmerzhaften Mutter" von sieben Schwertern durchbohrt, welche der Sohn ihr in gehorsamer Erfüllung seiner göttlichen Sendung gleichsam selber ins Herz gestotzen. Wenn aber Parsisal, in Aehnlichkeit mit Christus, seinem Namen wie Wesen nach der „Durchbohrend-Durch- bohrte" ist, so empfängt seine Mutter ihren bedeutungsvollen Namen „Herzeleide" ebenfalls aus jenem der Gralssage zu grunde liegenden Mysterium des durchbohrten Herzens, womit auch dieses Mutter-und-Sohn-Paar geheimnisvolles Abbild des Herrn und Marias wird. — Wie jenes heiliger Schauer volle Mysterium der Durchbohrung durch deir Speer der Opferung, schon in uralter germanischer Ueberlicferung lebt, tut die be- Oarsifal und der Gral Ium Ideengehalt einer alten christlichen Sage rühmte Strophe aus „Odins Nuncngedicht" sNunatal), dem viel» leicht sehen kann, besser freilich noch in ihrer weiteren Fortsetzung in der Adamskapelle unterhalb Golgathas. Dort, wo vielleicht der Garten des reichen Joses von Arimathäa stand, lichtet sich heute die Grabeskirche zu der gro ben Rotunde, in deren Mitte sich ein ziemlich konfuser Bau — natürlich griechischen Ursprungs — über dem heiligen Grab er hebt. der völlig abgeschlossen ist und nur im Äodcn die Grabes- Kirche berührt. Die Rotunde ist gemeinsamer Besitz aller Riten, hier droht daher jede Ostern die Gefahr der gewaltsamen Explosion nachbarlicher Rivalität, hier spielen sich die unbe schreiblichen Szenen ab, wenn am Karsamstag der im Borraum der eigentlichen Grabeskammcr eingeschlossene griechische und armenische Bischof durch seitliche Ocssnungen das „vom Him mel herabgekommene" Feuer den fieberhaft erregten Massen der harrenden Gläubigen reichen. Die Kammer des Grabes selbst ist einfach, ohne den Ernst, der dieser Stätte eignet, durch Ueberornamenlik zu gefährden. Fast immer kniet vor dem Stein aus der rechten Seite der Kammer irgend jemand, mit den Lippen auf dem weitzen Marmor, ein Mädchen in der wun derschönen Tracht von Bethlehem, oder eine europäisierte Ara berin in rosasteiscm Kleid, mit ungeschickt und Ubergangslos geschminktem Gesicht und roten Fingernägeln, aber in Fassungs losigkeit vor dem Geheimnis. Die Tatsache, datz die kleine Kammer höchstens drei Personen satzt, bewahrt sie vor der Un ruhe der meisten anderen Stätten und gibt ihr jene vollendete Beschaulichkeit, die wir in der Vorstellung mit der Heiligkeit des Ortes verbinden, und die man sonst in der überlegenen Grabeskirche so ost vermitzt. Ist die Stelle echt? Wahrsck-ein- lich ja. Aber das merkwürdige ist, datz einen, wenn man nicht vollendeter Tourist mit Tempo, Programm und Bädecker im Herzen ist, die Frage der historischen Identität der zahllosen Erinnerungsstätten in Palästina so wenig berührt. Die Phra- senlosigkeit palästinischer Landschast, das eindringliche, prophe tische Pathos der judäischen Berge, die kraftvolle, autzerzcitlick)e Würde und Höhe Jerusalems, das blockfeste Pertrauen der Menschen lassen eine rationalistische Haltung so schnell und leicht als stil- und sinnlos empfinden. Dieses kleine Land mit seiner, vor allem von der Idee her bestimmten Geschichte, hat eine ge heimnisvolle Souveränität, an der die heiligen Stätten teil haben. Sucht man sich ihr zu entziehen, läuft man Gefahr, einen entscheidenden Teil der Weltgeschichte nicht zu verstehe«. Die Grabeskirche Obwohl die grotze Kuppel der Grabeskirche neben der schil lernden der Omarmoschee aus der Ferne das Stadtbild Jeru salems beherrscht, findet man das zentrale Heiligtum der Chri stenheit in der Welt selbst doch nur mit einiger Schwierigkeit. In dieser Stadt, der Hauptstadt der Religion schlechthin, die in jedem Stein Geschichte trägt, und in der sich unzählige Kreise der Verehrung überschneiden, ist die Grabeskirche doch nur Paris inter pares. Sie ist nicht in der glücklichen Lage des Felsendomes, den der ehrwürdige Berg Ndoria aus dem unver gleichlichen Tempelplatz wle aus einem gewaltigen Tablett aus jeder irdischen Bindung heraus in den Himmel hebt. Sie ist ganz und gar in die aus Geschichte und Gegenwart, aus Erinne rung und Leben, aus leidensck-aftlichen Antagonismen und kraftvoller Harmonie seltsam gemischten Welt der Jerusalemer Altstadt hineingcwoben, keine architektonischen Auffälligkeiten oder auch nur ein Zwischenraum verhelfen ihr zu einer Di- stance von der Umgebung, die vor allem aus kleinen Läden besteht. Betritt man die Altstadt vom Iaffator her und ist man eine Zeitlang, von unzähligen Eseln, Kiepen und unverständ lichen horizontalen Lasten gestotzen, auf den Stufen die Davidstratze im wahrsten Sinne des Wortes hinuntergcgangen, die in ihrer dunklen Länge etwas von einem horizontalen Ab grund hat, so mutz man irgendwo nach links in das christlick-e Aiertel abbiegen. Die «vachsende Häufung von Läden mit De votionalien und oft wenig rühmlichen religiösen „Kunst", drucken, zeigen die Nähe der Grabeskirche an. Dann rechts noch die deutsch-evangelische Erlöserkirche, ein kleiner Vorposten des Protestantismus vor der Grabeskirche. Nach einigem Su chen findet man ein kleines, müdes Türchen, das von der Seite her den Vorhof der Grabeskirck)e öffnet, dessen frühere Abgren zung durch die noch vorhandenen Säulenbasen deutlich mar kiert ist und den ein Dutzend jener unvermeidlichen Fremden führer als eine Art Spinnennetz benutzt, in dem sie naive Tou risten fangen, um ihnen in schamloser Hast gegen viel Piaster abgeschmackte Torheiten über diese Stätten geballter Geschicht lichkeit zu verkaufen. Die Fassade der Kirck)e — seit etiva ein einhalb Jahren durch ein riesiges, mit Stacheldraht umwickeltes Eisengerüst gleichzeitig geschützt und verdeckt — i« besck-eiden und unauffällig. Architektur ist hier nichts, der Ort ist alles! Gleich nach dem Eintritt in das Dunkel der Kirche zur Linken der grotze, couchartige Diwan der mohammedanischen Wächter, eine eindrucksvolle Einführung in die einzigartige Struktur dieser merkwürdigen Welt, deren profane Ordnung vor allem auf dem Status quo beruht. Der Status quo, das ist der tyrannische Götze der Grabeskirche, den schon der Berliner Kongretz statuierte, und zu dem sich der Artikel 14 des Palä- stinamandats und daher auch die britische Verwaltungspraxis von heute bekennt. Er setzt Recht zwischen den Rivalitäten der vielen Konfessionen, unter denen der Besitz an der Kirche aus geteilt ist, verhindert bauliche und andere Notwendigkeiten, konserviert sorgfältig Anachronismen, wie die mohammedani sche Wache, in die sich ivahrscheinlich schon seit Saladins Zei ten dieselben beiden Familien teilen — eine sonderbare Dyna stie! Das Portal der Kirche bildet gleichzeitig -en einzigen Zu gang zu den Konventen der lateinischen, griechischen und arme nischen Grabeswächter: die Mohammedaner ösfnen ihnen täg lich die Tür nur nach Zahlung einer relativ hohen Taxe, so datz, wenn unter den eingcschlossenen Mönchen Meinungsverschieden heiten übe: den Zahlturnus bestehen, die Oessnung der Kirche für einen Augenblick« überhaupt in Frage steht. Status quol Line weitere Illustration hierzu wie auch zu der merkwürdigen Bauart der Kirche liefert das Beispiel der St.-Helena-Kapelle, zu der am Hinteren Ende der Grabeskirche 29 Stufen hinab- sühren. Während diese den Armeniern gehört, gehört die wei tere i3 Stufen tiefer liegende Grotte der Kreuzausfindung den Lateinern. Da der Zustand der 29 Stufen bereits mehrere Un- glückssälle verursacht hatte, wurden sie von den Franziskanern mi« einem Eisengerüst umkleidet. Aber erst nach einem lan«zen und erbitterten Streit mit den Armeniern durste die eiserne Umkleidung bleiben Die Kuppel der Helenakapclle ragt in den Hof des abessinischen Klosters hinein, wo die schwarzen Mönche des goldenen Löwen in armseligen kleinen Löchern Hausen. Diese Kuppel, die den Abessiniern gehört, ist dringend ausbcsse- rungsbedürftig. Aber zu diesem Zweck« «nützte in die armenische Helenalrapelle eine Leiter gestellt werden. Das gab es früher nicht: so berufen sich die Armenier auf den Status quo und verhindern die Reparatur der Kuppel, die zivar ihre Kapelle krönt, aber den Abessiniern gehört. E>ne Uebersicht über, die in sich verschlungene und ver winkelte Grabeskirche ist selbst an Hand eines Planes — ein kleiner Stadtplan! — autzcrordentlich schwierig, und die Rat losigkeit gegenüber diesen in düsteres Dunkel gehüllte«« Win dungen ihrer unbegreiflichen Architektur beginnt sofort nach dein Eintritt. Diese Unübersichtlichkeit ist vor allem Schuld oer Griechen, die nach dem Brande von 1808 sich das Recht des Wiederaufbaues zu sichern «vutzten. Sie haben dieses Recht vor allen« dazu mitzbrauchl, die Pfeiler des ihnen gehörenden Ka- tholikons, des alten Hauptschiffes des Kreuzfahrerbaues, durch Mauern zu verbinden, so datz der Chor heute, wie eine Festung eifersüchtig abgeschlossen, die Funktion eines riesigen Fremd körpers ersüllt, der sofort nach dem Eintritt den Weg versperrt und die Seitenschiffe zu verstohlenen Gängen degradiert. Fatzt man die Grabeskirche als religiöses Kraftfeld auf, so ist sie als Ellipse zu denken, in deren beiden Brennpunkten Golgatha und das Grab, Karfreitag und Ostern, tiefste Nie derlage und höchster Triumph, stehen. Alles andere emvsängt nur seinen Sinn hierdurch, ist auf diese beiden Geschehnisse und