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Er ist wahrhaft auferstanden Von Wol-enrav Aus der nur wenig geöffneten Tilr schlägt Stjepan An tonowitsch Kusnjezow ein warmer Rauch entgegen, der den von wildem Schneesturm Durchwtrbelten beim Eintreten wohlig umfängt. Rasch den Schnee aus Mähe und Pelz geschüttelt, das Jagdgewehr gesäubert und mit der Beute versorgt. Er mattet — manchmal machen ihm seine 68 Jahre doch etwas zu schaffen — läßt er sich auf den nächsten Holzklotz fallen, der als Sitzgelegenheit dient. Die ganze Hütte ist roh gezimmert, der schwere Tisch aus selbstgeschlagenen Bohlen erstellt. Den großen Kachelofen im Winkel hat Stjepan aus Mergeltrümmern mit rotem Ton ge mauert, die Lagerstatt auf dem festgestampften Boden aus ge trocknetem Moos und einigen schon recht schäbigen Fellen ge schichtet. Ein altertümlicher Vorderlader hängt in Gesellschaft von Pulverhorn und lederner Jagdtasche an Holzpslöcken über dem Bett im Winkel: zu dessen Häupten grüßt aus goldenem Grunde das bräunliche Antlitz der Mutter Gottes von Kasan mit dem Kinde. Leise knisternd brennt davor das Lämpchen, von selbstgewonnenem Tran gespeist. Ja, es ist so — hier tief, tief drinnen in Wildnis und Einsamkeit, tief und fern hinter den Abgründen einer gottlos materialistischen Umwelt — hier brennt noch die Lampe unterm Heiligenbild im Herrgottswinkel. In Eis erstarrt liegt das nordische Land. Weit und breit kein menschliches Wesen, nur unendliche Waldungen, schon krllp- pelhaft und niedrig. Zottige, sibirische Hunde, mehr Wölfen gleich, umkreisen die Hütte, und ab und zu, wenn sie die wilden Vettern des Waldes wittern, klingt ihr heiseres Heulen herein. Langsam, mit müden Bewegungen, hat Stjepan die Reste des einfachen Mahles weggeräumt. Nun sitzt er still mit gefalteten Händen und geht die Wege seiner großen Einsamkeit Ostern möchte werden auch in der Seele des alternden Mannes, aber die Glocken der Heimat sind lange schon verstummt und ihm ist, als wolle die Heimat sterben gehn, fett die klingenden Stimmen der Osternacht erloschen. Oder ist es nur die leere, weite, weiße Einsamkeit, die so bergeschwer auf ihm lastet? Viel Mühe hat es ihn gekostet, damals, als er von einer Kosakenpatrouille hierher gebracht und allein gelassen worden war, im Krilppelwald geeignete Stämme zum Bau einer Hütte zu finden. Bereitwillig halfen ihm dabei die Tschuktschen, die fischend und ihre großen Rcnnherden hütend, unstet die Gegend durchstreiften. lieber vier Jahrzehnte sind es nun her, seit er, der erst Drciundzwanzigjährige, als Politischer hier an gesiedelt wurde. Wären nicht die gutmütigen Eingeborenen Ihm mit Rat und Tat belgesprungen, ihn hätte die Oede des Ur waldes in ihrer düsteren Eintönigkeit erscklagen. Doch mit der Zeit wurde er ihr guter Freund, und erst jetzt, mit fortschrei tendem Alter, fühlte er von neuem die Trauer der Verlassenheit. Die nahe Cismeerkiiste ist fast ohne Schiffsverkehr. Jähr lich einmal hat er sich auf dem 200 Werst entfernten Militär posten zu melden. Dort erfuhr er auch von der groken Um wälzung; die Tschuktschen aber sind noch heute der Meinung, daß der weiße Zar nach wie vor ihr Schutzherr ist. So kommt es, daß das stille Lämpchen unterm Heiligenbild noch immer brennt. — Selten, sehr selten nur verirrten sich Vertreter der russi schen Regierung In seine Weltabgeschiedenheit, selten auch ein russischer Jäger oder Händler. Und es war doch jedesmal ein Fest für Ihn, wenn die Laute der Muttersprache an sein Ohr schlugen. Mochten die Gäste sein, wer immer sie wollten, mochte ein entsprungener Mörder an seiner Türe stehen — in diese» Breiten ist es nicht üblich, sich nach Woher und Wohin zu erkundigen. Es genügt, einen Gast zu beherbergen. Nie mand fragt, wie lange er zu bleiben gedenke, und bleibt er für Immer, so ists auch recht. Mit Stjepans weltferner Oede aller dings hatte niemals ein Gefährte es gewagt, und nun ist schon seit Jahren außer Eingeborenen überhaupt niemand mehr bet ihm gewesen. Einem Tschuktschen hatte er seinerzeit für ein Pud Salz, zwei Beile und zehn Nähnadeln die Tochter abgekauft, die er gelegentlich seines Meldgangs vom Ortspopen taufen und sich antrauen ließ. Sie war Ihm eine willige Sklavin geworden, sonst nichts; gar zu groß war der Unterschied In Rasse und Kultur Zwei Söhne raffte in jungen Jahren eine Seuche dahin, die Tochter Ist seit Ihrer Verheiratung nach Jakutsk für ihn ver schollen, und die Frau nun auch schon seit Jahren tot. So ist es gekommen, daß die große, schweigende Einsamkeit und jene wolfähnllch heulenden Wesen draußen seine einzigen Freunde sind. Aus dem Walde kommt der Abend und hängt silbergraue Schleier vor das Fenster. Stjepan entzündet die von der Decke von Vosenfteirr hängende Petroleumlampe. Dann starrt er lange in die Glut des versinkenden Feuers und erhebt sich schließlich, um sein La ger zu richten. Da schrickt er jäh empor. Wie irrsinnig lärmen draußen die Hunde und toben waldeinwärts. Einen Augenblick lauscht der Mann, dann wendet er sich achselzuckend — mögen die Köter mit ihrem Wüten doch die gierigen Wölfe verjagen! Plötzlich ist ihm, als vernehme er das Rufen einer Menschenstimme. Die Pelzjacke vom Nagel gerissen, die Kappe übergestiilpt, das Beil in den Gürtel gesteckt, die Bretter angeschnallt, einen Kienspan entzündet — und schon fegt er hinter seinen vierbeinigen Ge hilfen her. Da sieht er im rötlichen Schein der Fackel eine dunkle Gestalt, die mit einem Stock um sich schlagend sich mit Mühe die Hunde vom Halse hält. Er pfeift seine Tiere zu sich und leuchtet dem Fremden ins Gesicht. Entsetzt jedoch prallt er zurück vor der tiefen Blässe und dem Leidensnusdruck in die sem abgezehrten Antlitz. So mag Christus ausgesehen haben in der Nacht von Gethsemane... Mehr als er ihn führt, trägt er den Fremden, zu Tode Erschöpften nach seiner Behausung. Er stärkt und erquickt den Gast mit allem, was er hat, badet ihn im riesigen Bottich auf dem Ofen und salbt die frostvorbrannten Füße mit Bärensett. Dann sitzen die beiden und blicken einander in die Augen und wissen es, daß hier eine Seele heraus aus Not und Ein samkeit zur anderen fand. Ostern, das Anserstehungsfest, und die vorhergehenden Tage sind auch in unserm Sachsengau mit mannigfachen Sitten verankert. Schon zu Aschermittwoch nehmen diese Frühiings- bräuä-e ihren Anfang, wenn die Männer im Vogtland diesen Tag für den rechten halten, um Bier zu trinken, weil dann die Gerste gerät. Zur Abwehr böser Mächte, werden in katholische» Gegen den geweihte Palmwedel aus mehreren Palmkätzchen in Haus und Hof ausbcwahrt. Im Dresdner Oskar-Seysfert-Museum liegt neben einem solchen Wedel auch eine mit Papierblumen besteckte Lebensrute, die an einen früher auch in Sachsen geübten Brauch erinnert, an das „Frischgrünepeitschen". In der Weihnachtszeit stiegen die Burschen mit solcher Lebensrute. in der Frühlingszeit mit grünenden Zweigen, durch die Fenster, um die Mädchen aus den Betten zu hauen. Die standen dann auf und kochten für alle Kaffee. Der tiefere Sinn lag in der Anschauung, daß sich die keimende Lebenskraft der Natur auf die Mädchen übertragen sollte. Schon in ältester Zeit knüpfte sich an diesen Brauch der Glaube an Uebertragung frischer Pflänzenkrast aus Menschen und Tiere, die man auch mit sol chen Ruten schlug. Aus diesem Brauch erklärt sich der des Ascheabkeh- re ns am Aschermittwoch in der Leipziger Pflege. Die teil weise verkleideten Kinder ziehen hier von Haus zu Haus, schla gen die Leute mit grünen Zweigen und singen dabei: „Ascheabkehren ist Mode mit der grünen Knote, Ascheabkehren ist langes Leben, Mußt mir auch 'nen Dreier geben. Bin der kleine König, Gib mir nicht zu wenig. Laß mich nicht zu lange stehn. Muß ein Häuschen weitergehn." Allerdings ist den Kindern der tiefere Sinn verloren ge gangen, und nur durch das Heischen der Gabe hat sich der Brauch erhalten. In der Lausitz ziehen am Gründonnerstag die „Klav- perbuben" mit ihren Ratschen herum, die an die Fastnachts lärminstrumente erinnern, zur Abwehr gegen böse, winterliche, dämonische Mächte. Die Kinder tragen dabei meist eine Sam melbüchse ui«» einen Korb für Gaben. Denn diese Umzüge sind gleichzeitig Heischegänge. In der Reichenauer und Löbauer Gegend träog jedes Kind sogar einen kleinen Sack umgehängt. So ziehen sie von Haus zu Haus und sagen: Geistlicher ist der Junge gewesen drunten im Tulaschen, bis die Roten ihn als Fronarbeiter zum Waldroden nach Nord sibirien verschickten. Nach zweijährigen unsagbaren Leiden ist es ihm mit vier Gefährten gelungen, zu sliehen. In der Wild- nis hat er sie nacheinander begraben — und wäre nicht die Gastfreundschaft der Nomaden, er wäre gewiß auck nicht mehr am Leben. Gestern nun hat ihn der Schneesturm überrascht; die letzten getrockneten Fische waren verzehrt, und nun drohten Hunger und Kälte ihn zu fällen. Da hat er im Dämmern das Licht durch die Stämme blinken sehen und nun ist er hier. Pjotr Ivanowitsch Minjin ist sein Name, und wenn der Gastfreund ihn behalten will..- Die Geschichte des Alten ist ihm Antwort und heißes Ge währen. Nun also sitzen die beiden Männer, weißhaarig der eine, das rote Gesicht von Gesundheit strotzend, abgezehrt, mit fah lem Antlitz der andere, dessen langes Blondhaar, das wirr und schwarz von Schmutz gewesen ist, in der Wärme langsam trocknet, am bullernden Ofen, und die blauen Augen des Ge retteten blicken in noch immer fassungsloser Freude auf das Bild des Heils. Und beide denken das gleiche: morgen, ja, morgen ist Ostern! Da reden sie mit gedämpften Stimmen, in denen die Seligkeit der Gottesbotschaft zittert, und schweigen und reden wieder, ehrfürchtig vor dem, was sich erfüllen will. — Der Polarstern am schwarzblauen Himmel weist auf Mit ternacht. Still knien sie nieder vor dem Allerheiligsten des Hauses, leise singt der Priester die Osterbotschast der gemar terten Heimat, ebenso leise antwortet der Greis: „Christas woßkreß Wojist jeno woßkreß — Er ist wahrhaftig auf ¬ erstanden" jauchzt es im ersten Atemzug des Auferstehungstages. Da hörten sie beide den Jubel der Osterglocken herüber« kommen aus einer Zukunft, die immer Ewigkeit ist. „Guten Morgen, guten Morgen zum Grllndornsch, Gat mcr was an Bettelsack. Laßt mich ne zu lange stich». Ich muß a Häusel wettergiehn, Kimmt sie ne raus, Kimmt er ne raus, Do kimmt der klene Junge raus Und telt de ganzen Brazeln aus." Wie in der Weihnachisnacht, wohnen auch am OstermorgeN dem Wasser besondere Heilkräfte inne. Wer sich in ihm wäscht« gewinnt Schönheit. Wer möchte das nicht? So ziehen in aller Frühe die Mädchen zum Bach, zur Quelle, um bei Sonnenauf gang zu schöpfen. Freilich dürfen sie aus dem Hin- und Rück weg kein Wort reden, soll das Wasser seine Wunderkraft nicht verlieren und zum gewöhnlichen „Plapperwasser" werden. Da» gut heinigebrachte Ofterwasser aber hält sich jahrelang frisch. Mit feierlichem Singen begrüßt man in manchen Orten den Ostermorgcn. In Herrnhut versammelt sich bei Sonnenauf gang die Gemeinde auf dem Friedhof zu Gesang und Posau- ncnchoral. Im Grenzort Langburkcrsdorf bei Neustadt in Sachsen hat der Gesangverein den alten Brauch des Oster- singens jetzt wieder lebendig gemacht. Im Oberdorf sangen am Ostermorgcn die Sänger an, ziehen durch das Dorf, und immer nach hundert Metern geben sie drei Lieder oder auch nur ein Lied zum Besten. Türen und Fenster fliegen aus. Andäch tig lauscht groß und klein, und die Glocken läuten. Unsere Ahnen zogen im Frühjahr mit Feuer um die Flu ren, die sie bebauen wollten, um dadurch die Saat in ihrem Wachstum günstig zu beeinflussen und durch das reinigende Feuer alle bösen Geister zu verbannen. Diese Flurumzüge prägten sich zum Osterreitcn um, wie es sich in der Lau sitz lebendig erhalten hat. Am ersten Osterfeiertag klingt from mer Gesang durch die Landschaft. Bauern umreiten die Saaten, zwei zu zwei nebeneinander. Aus ihren schweren Ackergäulen sitzen sie, tragen Fahnen voran und singen feierliche Choräle. Festlich sind sie angetan, mit Zylinder und weißen Handschuhen. Feierlich die Pferde im altererbten Schmuck der mit Silber und Muscheln bestickten Schabracken und Zaumzcuge, mit Muscheln, Bändern und Blumen in Mähnen und Schweifen. Im Vogtland treten um diese Zeit die besten Kegler zum H am me l k e ge l n an, denn das Osterlamm gilt als rechte» Festbraten. Dem Sieger winkt cs als Preis. Für die Kinder ist der Hase das eigentliche Ostcrtier. Er bringt die begehrten Eier aus Marzipan, Schokolade und auch aus Holz, wie solche aus den staatlichen Spielwarenschulen in Grünhainichen und Seissen hcrvorgehen. Schön bemalt, schrift verziert und gebatikt kennt man die Ostereier in der Lau sitz, wo sich noch ein eigenartiger Brauch ganz vereinzelt er halten hat. Winterlich kahle Sträucher sind mit ausgeblasenen, zum Teil mit bemalten Eiern behängt. Ein Friihlingsscgens- spruch über den saftschwellenden Zweigen. — Das Oskar-Seyf« fert-Museum beivahrt eine reiche Sammlung sächsischer Oster eier. Den weitverbreiteten Eierspielen, bei denen die Eier von Berg zu Tal gerollt werden, liegt der Gedanke zugrunde, daß das Ei als Symbol des Lebens durch seine Berührung mit dem Erdboden die ihm innewohnende Kraft seiner Fruchtbarkeit abgeben soll. — In der Niederlausitz beiustigen sich Kinder mit Eierrollen, „waleien" oder „walen". Aus einer kleinen Rutsch bahn, der „Waleibahn" rosten sie die Eier hinab, damit sie das in der Vertiefung unten liegende Ei treffen. — Weit bekannt Ist das Eierschieben auf dem P r o i t sche n be r g bet Bautzen, wo sich die Jugend ihre Beute erkämpft oder unten aus der Spree herausfischt, Apfelsinen, kreisrunde Flachkuche«, sogenannte Osterfladen, die heute an die Stelle der Eier getre ten sind. So spiegelt sich die treibende Kraft des Frühlings überall ln Sitte und Brauch wider. Die ASirigin mag keine Hochzeitsgeschenke Die Verehrer der zukünftigen albanischen Königin, dsr ungarischen Gräfin Apponyt, erhielten vor kurzem merkwürdig« Dankesschreiben für ihr« großzügigen, der Gräfin nach Tirana übersandten Hochzeitsgeschenk«. Sie besagten nicht mehr u» nicht weniger, als daß dl« Gräfin für di« Zukunft jeglich« Hoch- zeitsgeschenke ablehnt. Wer aber doch di« Freundlichkeit habe» wolle, ihr »um Hochzeitstag »ine Freud« zu machen, den fordere sie auf — so besagen di« Dankesschreiben — durch Spenden zur Vergrößerung der Stiftung Veizutragen, di« unter ihrem Patro nat für ein Altersheim der albanischen Kriegsveteranen ln» Leben gerufen worden ist. Di« Gräfin HE zuverstchtlich, daß dl« Freund« und v«r«hr«r von ehemals evenso fleißig spend«» »«rden. »l« p« zu persönlich«« Hochziit^rschenken t«r«it war««. (Bittner, Aand«r-M.) Hiev rvav -e» Gstevhase Sächsisches Gsterbrauchtuiir Von Josef« Llstnev-Mevtel