Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.02.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191802033
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19180203
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19180203
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-02
- Tag 1918-02-03
-
Monat
1918-02
-
Jahr
1918
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
112. Jahrgang Sonntags-Ausgabe -»c Sterot Leipzis B«,ugsor«l,: L L« »t«kt«!,4»kU<d M. 4L0 sr,<ildd»l»k «»„»ich M. 1.7S: »ULch Mllrre AUlaki» In« -«»« ,«dr«cht nwnatll» M. 7^L »l«rl«! Ittrtt» M.DLt>: »nrch dln Pnst InnnrhaldD««l!chland< Vilnml-Bntant« »»nnt i» dlt. 7ZV. »««riillädkllch M. L7^: M»l««n 4i»««ot« M. At«»d-L»1^d« M. V.SV, Sonningl-Antß-d« M. (IL0 innnntUch <«,»Ichll«bUch V»I«d«ftrUnrtz^hr>. -aoptschrtstleiter: Dr. Erich Everth, Leipzig. Aajelg«npr«ls: LLLÄ'L »n»»t»»n ». Bntzsr»«» i» »nUl. Leu dt, U,l»»«!i«U, SU Vk, ». an«» U> Vf.: kl«ln« »t« So Vf. «»«will« Vt. V,fch4s»««»u<>t«» »« Vlatz»»kl«riiie» I» Prell« ,kh»di. B«U«-«n: Silnnünnfl»«« flli. 7.— da« lanlin» o»«!chl. vostgeddhr. U »)» »««« II Pk. — Vann- »»d Arftla«« I > P>. I««»Iffk»<h.aiiIchI»,'N».l4E >««« aad l« — V»stich«ckkont» 72M vchriNl»!!»«« «ad E.!ch4N«I,I<: 3»ha»,t«,-S< «k. I. Verlag: Dr. Reinhold L Co., Leipzig. Nr. 62 1A18 Sonntaq. den S. Februar Regierung und Arbeiter Der Reichskanzler und die Streikenden vtd. Berlin, 2. Februar. (Amtlich.) Die Abgeordneten Ebert, Haase, Lcdebour und Scheidemann sind heute vormittag vom Reichskanzler zu einer Besprechung empfangen worden, an der auch dessen Stellvertreter v. Payer, der Staatssekretär Wallraf und der Minister des Innern Dreros teilnahmen. D.e Abgeordneten unterbreiteten dein Kanzler den Wunsch, bei den Militärbehörden darauf hinzuwirken, datz Vertrauens männern der streikenden Arbeitergruppen erlaubt werden nröchle, in einer geschlossenen Versammlung über die durch den Streik geschaffene Lage zu beraten. Dec Reichskanzler stellte sich dem gegenüber auf den Standpunkt, datz die Regierung das Zustande kommen einer Versammlung, deren Beschlüsse darauf hinauS- laufen, gesetzwidrige Handlungen gutzuhcitzen oder gar für ihre Fortsetzung einzutreken, nicht befürworten könne. Auch wenn die Versammlung zu dem Ergebnis fahren sollte, datz die Streiken den aufs neue den Antrag stellten, mit der Regierung zu verhan deln, würde sie die Lage nur weiter verschärfen, da die Regie rung auf einen solchen Antrag nur ablehnend antworten könne Solange deshalb keine Gewähr dafür vorllcge, datz die Besprechung lediglich dahin wirken werde, den Streik zu beenden und alle allgemein politischen Wünsche der Arbeiter künftig auf dem ge setzmäßigen Wege über die Volksvertreter an die Regierung ge langen zu lassen, könne diese den Vorschlag der Abgeordneten nicht in Erwägung ziehen. Der erste Fall vor dem Standgericht D Berlin, 2. Februar. (Drahlbericht unserer Berliner K ch r t f k l e i t u n g.) Heute »st in Berlin d:r erste Fall vor dem c> tzerordentlichen Kriegsgericht verhandelt worden. Es handelt sich um >. 30 jährigen Dreher Schultze, ein M.tglled der Unabhängigen M isten, der wegen versuchten Landesverrates zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt wuide, da er durch Verteilung von Aufrufen di« Arbeiter zum Streik aufgehetzt halte. * * * Die .Deutsche Tageszeitung' erhielt eine Zuschrift, wonach der Abgeordnete Schcidemann bei den Unruhen in Moabit anwesend gewesen sein soll. Die Zuschrift gibt von dem Vorgang folgende Darstellung: Ein von einem Polizeioffizier geführter Schuhn-.anNstrupp Metz in Alk-Moabit auf einen demonstrierenden Haufen von etwa 50 Mann. Die Pol'zel mutzte den Zug von der Gohkowskybrücke aczudrängen ver suchen, wobei es nicht ohne Püffe abging. Damit wurde euch ein sich durch körperlich« Länge auszeichncnoer Herr bedacht, der mit den Worten protestierte: .Erlauben Sie, ich bin der ReichStagsabgeordnele Schelde mann und verb tte mir diese Behandlung durch Schutz leute.' Der Polizeioffizler machte ihm hierauf klar, daß er hier nicht ReichstagSabaeoidneler, sondern Teilnehmer eines DemonstrationSzuges sei, der die öffentliche Ordnung störe, und datz er, wenn er nicht frei willig welterginge, die Folgen tragen müsse. Herr Scheide mann ent fernte sich dann, sonst wäre cs wohl zu seiner Verhaftung gekommen. Der sächsische Staatsminister über den Sire k Drahlbericht unserer Dresdner Schrlftleltang. -- DreSdea, 2. Februar. Die Streikbewegung lm Dresdner Gebiet hat seit gestern nachmittag nur eine geringe Erweiterung erfahren. Wie der sozialdemokratische« .Dresdner Voütszcllung" milgelcill wurde, wurden noch zwei wettere Betriebe, die Metallwerke in HainSberg und die Metallgießerei in Mügeln, von der Bewegung erfaßt. Bei der Firma Rockflroh and Schneider in Haidenau sand unler Leitung eines Vertreters der KrlegS- amlstelle «ine Verhandlung statt, auf Grund deren sich die Streikenden bereit erklärten, am Montag di« Arbeit wieder aufzuneh. men. 2m Ministerium des Innern fand gestern nachmittag eine Erör- rung der Forderungen der streikenden RüsiungSarbeiler in Sachsen statt. An der Konferenz nahmen keil der Minister des Innern Graf Vitz thum von EchstSdt, Ministerialdirektor Wirklicher Geheimer Rat Dr. Roscher und Geheimer Rat Dr. Koch. Vertreter der sozialdemo- kratifchcu Fraktion der Zweiten Kammer nnd des LandeSvorfiandeS der sozialdemokratischen Partei Sachsens. SS handelte sich «eben den be kannten Forderungen der Berliner Streikenden auch um die Frage der politischen Reunrdnung in Sachsen und um bester« Ernährnngsbedingun- gen für dl« Arbeiter. Eiue Verständigung wurd« nicht erzielt. Gras Vitzthum von Lärflädt l«hnte sedeS Entgegenkommen mit großer Ent schiedenheit ab, so daß di« Konferenz ergebnis o« verlies. Auch in Ar- bc'.lerkreisen hofft man sedoch, daß die Einficht der Streikenden siegt und am Montag bi« Arbeit überall w eder ausgenommen wird. Der Minister des Innern sagte nach der .Leipziger Zeitung': Er fei ihnen dankbar, daß sie ihm Gelegenheit gaben, sich ihnen gegenüber auszusprcchen. Der Vorstand der sozialdemokratischen Partei habe die Regierung während des Krieges bisher in dankenswerter Weise unterstützt, indem er die Arbeiterschaft darüber aufgeklärt habe, iah t!c. Regierung gewillt sei der Bevölkerung zu h'lfen, die un vermeidlichen Leiden des Krieges zu kragen und den Krieg nicht länger zu führen, als zur Verteidigung unseres Vaterlandes notwendig sei. Di« Regierung sei fich über den Ernst der Situation voklkommea lm klaren, aber gerade wegen des Ernstes der Situation könne fle sich in der gegenwärtigen Lage auf irgendwelche Zugeständnisse nicht ei «lassen. Der Reichskanzler habe wiederholt klar und bestimmt zum Ausdruck gebracht, daß Deutschland zu einem Verständigungs frieden bcre't ist. Jede Bewegung, die trotzdem unserer Reichslcttung 'n den Rück en falle und unsere auswärtigen Verhandlungen erschwere, verengere den Krieg and vermehre dir blutigen Opfer, die unser Heer an der Front zu bringen habe. Das ganze Vo'k wisse sehr wohl, daß die gegenwärtig« Bewegung in der Arb:iterschast von unseren Feinden ausgrhr, die durch bezahlte Agenten die in Rußland ousaebrochene Revolut'on mit allen ihren Schrecken auf unser Vakerkind überkragen wollen, um di« Widerstandskraft unseres tz:eres zu schwächen. Wer diese Bewegung unterstütz«, begeh« Verrat am Vaterland«, und sedeS Entgegenkommen der Negierung in pvtz.kischen Fragen, di« mit dieser Bewegung Zusammengehen, würde 'rlbst dann, wenn «in solches Entgegenkommen unter anderen Um ständen möglich wäie, nach autzen nur als Schwäche wirken und von unseren Feinden als der Beginn deS inneren Zusammenbruches auSgebeulet werden, wie o'eS von dem englischen Minister Lloyd George den englischen Gewerkschaften gegenüber kürzlich angckündigt worben sei. Zu einer solchen Politik der Nachgiebigkeit habe die Regierung keine Veranlassung. Sie wisse, was ihr» Pflicht sei, sie habe die Kraft und den Willen, d'e Ordnung ausrcchtzuerhallen. und erwarte non ihnen, ebenso wie von der Einsicht aller anderen vaterländischen Staats bürger, daß sie die Regierung in diesem Bestreben unterstützten. Die Münchner Verhaftungen (Drohtberlcht nuferes Münchener Mitarbeiter ss MSache«, 2. Februar. Der Polizeipräsident keilt« heule vormittag der Kommission der Streikenden mit, daß KL<n die Verhafteten, den Schristficlier Kun ElSner, geboren in Berlin, die Privaldozcntcnsgattin Sarah Sonsa Lerch, geborene Rebinowitsch aus Warscl-au fihr Calle, der bekannte Münchener Priooibozenl Dr. Eugen Lcrch Hal schon vor mehreren Wochen Scheidungsklage eingereicht. D. Schriflüg) und den Schlosser I. B. Unierleitner, geboren in Freising, Anklage wegen Landesverrats erhoben wird. Die Genannten sind Haupt agitatoren in der Münchener Slreikangelegenheit. Ob auch die anderen Verhafteten la Hast bleiben, ist noch nicht entschieden. — Die Streiken den haben daraufhin eine Massenversammlung auf der Thcrefien- wiese einberusen. Der christliche Metallarbeiterverband gegen den Streik Duisburg, 2. Februar. (Drahlber cht.) Der Vorstand des christ lichen Mekallardeiterverdandes Deuiscylands hat einen Aufruf an sein« Mitglieder ertasten, in dem es u. a. heißt: Revolutionäre Elemente versuchen durch Flugblätter und Agitation von Mund zu Mund die Arbeiter zu verhetzen und für politische Be strebungen durch ÄrbLUsniedeilegung M veranlassen. Leider sind in Berlin und anderen Großstädten Arbeiter gefolgt und in den Streck «in- getreten. Mit Befriedigung kann sedoch fesigestellt werden, daß im Verhä tniS zur Gesamtzahl der Ardrtter im Reiche nur ein kleiner Bruch teil psi chtvergessen die Arbeit niederlegre. Durch frivole Streiks wird der Krieg nicht abgekürzt, wie diese Hetzer angeben, sondern verlängerk und den Feinden in die Hände gearbeitet. Mit arbeiter, Kollegen und Koll.ginnen! Wjp .fordern euch, hiermit auf, n'cht bloß jetzt, sondern auch später, wenn vt>n'genannter Seite Putsche und Streiks versucht worden sollten, diesen mit aller Energie mannhaft eakgrgenzukreten. Tut wie seither so auch in Zukunft eure Pjtjchk, dann werdet ,ihr am best:n euren Interessen dienen. Der Vorstand, i. A. Wiebert, Verbandsvorsihender. Streiks in Kopenhagen Kopenhagen, 2. Februar. (Eigener Drahlbericht.) Mittels Flugblatts kalten die Syndikalisten die ^lrbeiler von Kopenhagen vorgestern aufgefordert, die Arbeit einzusiellen und die Schulkinder von Len Schulen fernzuhallcn. Zn einigen Betrieben haben die Arbeiter dieser Aufforderung Folge ge leistet. Ilm 12 Uhr zogen sie nach dem Gemüsemarkt, wo von ver schiedenen Rednern Ansprachen gehalten wurden, worin Reichstag und Regierung oufgefordert wurden, die Forderungen der Arbeits losen zu bewilligen. Die Demonstranken zogen daraufhin zum Reichstagsgebäude. Hollands Sozialdemokraten gegen den Streik Amsterdam, 1. Februar. (Drahlbericht.) Der für Montag angesetzte Streik geht nur von der revolutionären sozialdemo kratischen Minderheit aus. DaS offiziöse Organ der sozialdemo kratischen Arbeiterpartei, .tzet Volk, verurteilt in einem Leit artikel diese Bewegung, die, wie das Blatt sagt, in der Hoffnung unternommen werde, eine Schreckensherrschaft herbci- zuführen, die jede geordnete zielsichere demokratische Aktion un möglich machen würde. Den Mitgliedern der großen sozial demokratischen Gewerkschaften wurde von ihren Führern abgeraten, an dem Streik teilzunehmen. Verstärkung der Schweizer Grenz chnge; Der Blick nach dem westlichen Kriegsschauplatz. Bern, 1. Februar. (Meldung der Schweizerisch«« Depeschen- Agentur.) Die allgemein« äußere und innere Lage läßt «S dem BandeSrat als notwendig erscheinen, die zurzeit für den Grenz schutz ausgestellten Truppen durch Bildung einer Reserve zu ver stärken. Der BundeSrat hat deshalb beschlossen, auf den 8. Februar eine IntoitteriebrigaLe, zwei Guidenabteilungen und einen Zug einer Telegraphenkompanie weiter einzuderusea. Der .Bund' schreibt zu dem neuen Truppenaufgrbol: DaS Aufgebot ist, wie aus der Begründung hervorgeht, eine Vorbeugungsmaßnahme. Unser Grenzschutz muß angesichts der fich vorbereltendengroßen Aktiva«« auf dem wefllicheu Kriegsschauplatz verstärkt werden. Die Meldung zeigt, daß der BundeSrat wie im August 1914 fest entschlossen ist, die Reulralltäl d«r Schweiz unler ollen Umständen und mit allen Mitteln zu wahren und gegen jede Gefahr, die ihr drohen könnte, nötigenfalls mit bewaffneter Macht oufzutreten. Moskau—Berlin Hamburg, 2. Februar. (Eigener Drahlbericht.) Das .Hamburger Frcmdenblatt' berichtet auS Rotterdam: Die russische Regierung hat, wie aus London gemeldet wird, die unmittel bare telegraphische Verbindung zwischen Moskau und Berlin angeordnet. Der Abendber'cht Berlin, 2. Febrvar, abends. (Amtlich.) Don de« Kriegsschauplätzen nich!s Neues. OesterreichNch.unqarischer Heeresbericht Wie«, 2. Februar. Amtlich wird gemeldet: Auf der Hochfläche von Asiagu und östlich der Brenta blieb bie ArlillerietKigketl lebboft. Der Ehef des Generolfiabes. (W. TB) Znnerpolitische Umschau L. L. Wir haben bereits erwähnt, daß gegenüber den inner- pollkischcn Forderungen, die der Zcnkralausschuß der soziaidcmo- kratischen Partei in dem Bestreben, den Streik beizuicgen, an die Regierung gerichtet hat und die unter anderen!, aber vornehm lich, die Durchführung der preußischen Mahlreform betreffen, Eegenbesirebungcn eingesetzt haben unter der Losung: .Run ge rade nicht'.' In konservativen Blättern macht man geltend, jede besondere Nachgiebigkeit würde in diesem Falle nur dazu führen, daß sich das Spiel über kurz oder lang um neuer Forderungen willen wiederholte. Das läßt sich hören, immerhin läßt sich aber auch die Gegenfrage stellen, ob nicht die Ablehnung jedes Ent gegenkommens erst recht dazu führen könnte, daß sich das Spiel wiederholte. W:r für unser Teil haben bereits gestern keinen Zweifel daran gelassen, daß der Streik nach unserer Meinung die Fortführung der Rcsormpolitik erschwert statt fördert, daß er das Tempo ihrer Durchführung verzögert statt beschleunigt, und daß die Streikenden seiber Hütten soviel Ucberlegung haben können, dieses voraus zu sehen. Damit ist der Punkt für uns erledigt. Allein die Bemühungen, aus dem Streik Kapital für jede Art von Gegnerschaft zur Sozialdemokratie zu schlagen, zielen weiter als nur auf eine Verschleppung der Wahlreform, nämlich vor allem auf eine Sprengung der bisherigen Mehrheit des Reichs tages. Die in solchen Dingen immer führende .Deutsche Zeitung' fragte in ihren letzten Nummern wiederholt, wie lange denn die Sozialdemokratie noch .Regierungsparkei' bleiben solle. Dabei hätte selbst dieses Blatt immerhin wissen können, daß die Sozial demokratie keineswegs Regierungspartei ist, sondern der Herl- lingschen Regierung von Anfang an nur abwartend und sozu sagen neutral gegenüber steht. Die anderen Parteien der Aeichs- kagsmehrheit aber, Rakionalliberale, Fortschrittler und Zentrum, haben zwar natürlich sämtlich unverhohlen und entschieden ihre M.hbiliigung des Streii.es und damit auch der sozialdemokratischen Parteileitung ausgesprochen, die oben leider nicht gegen den Streik protestiert hat; sie haben aber die Führer der sozialdemo kratischen Partei nicht in dem Tone der .Deutschen Zeitung' und ähnlicher Blätter angegriffen, da sie sich bewußt waren, die Motive jener Politiker, so zweideutig diese auch wirken, nicht gänzlich zu durchschauen, und da sie die Möglichkeit immerhin gellen lassen mußten, daß jene in die Leitung des Streikes ein- getrelcn seien, um ihn zu dämpfen, und nicht um ihn zu schüren. Zn der Tat kann ja die sozialdemokratische Parteileitung viel leicht mit einigem Recht für sich anführen, daß andernfalls die Bewegung leicht in die Hände von anarchistischen Treibern ge raten wäre, und daß sie selber also durch ihr Eingreifen wenigstens noch Schlimmeres verhütet hätten, als sich leider ohnehin be geben hat. Daß dennoch ihre Beurteilung des Streikes bei wei tem nicht die unsere ist, haben wir wiederholt mit aller Bestimmt heit dargciegt. Zn jenen rechtsstehenden Kreisen aber ist die Parole ausgegeben worden: .LoS von der Sozialdemokratie!' Das soll heißen: Die Parteien, die bis jetzt mit ihr politisch zu- sammengearbeiket haben, sollen diese Verbindung zerschneiden, ganz gleich, welche Rolle die Führer der sozialdemokratischen Par tei jetzt spielen und welchen Anteil sie etwa an der baldigen Bei legung nehmen; allein die Tatsache, daß sie nicht von dem Streik obgeralen oder davor gewarnt haben — eine sehr bedauerliche Tatsache unzweifelhaft —, soll nun genügen, um die gesamte Sozialdemokratie überhaupt wieder politisch auszuschaiten und zu stöberen, d. h. also eine der wichtigsten Errungenschaften des Krie ges mit einer stolzen Geste aufzugeben. Dabei ist ohne weiteres zuzugeben, daß die Sozialdemokraten die ersten gewesen sind, die die bisherige Reichstapsmehrheit einer schweren Erschütterung ausgesetzt haben, und daß sie in hohem Maße die Solidarität haben vermissen lassen, die sie als Glieder jener parlamentarischen Mehrheit hätten beobachten müssen! Allein wenn man ihnen so mit Recht vorwirft, daß sie mit einem wichtiaen innerpolilischcn Werke mindestens unvorsichtig oder leichtfertig umgegangen seien, so sollte man auf bürgerlicher Seile nun nicht in denselben Fehler verfallen, sondern eben mehr Verständnis, als die Sozialdemo kraten leider gezeigt haben, für die staatliche Notwendiakeit be tätigen, daß die Regierung Hertling nicht neuen Schwankungen ausgesetzt werde, und daß die Stetigkeit ihrer Politik nicht ge fährdet werde. Die .Germania' hat denn auch erklärt. Laß für die Zentrums partei die Vorfälle der letzten Tage keinen Anlaß bieten, ihre Stellung zur Sozialdemokratie zu ändern und die Gemeinschaft der bisherigen Retchstagsmehrhett zu lösen. Das Blatt glaubt, daß man auch in den anderen bürgerlichen Parteien der Mehrheit nicht anders denke. Auch die Sozialdemokraten, so meint die .Ger mania', würden keineswegs geneigt sein, cs aus einen Bruch an- kommen zu lasten. Er liege auch nicht in ihrem Zntercsse, denn er würde sa ihre seit dreieinhalb Zähren befolgte Politik um so mehr Lügen strafen, je richtiger es sei, was Auer lm bayerischen Landtag gesagt hat: .Laß die Forderungen der Streikenden der bis herigen MehrhcikS- und Regierungspolitik entsprechen.' Wohl- gemerkt, der Znhalk der Forderungen: daß die Art, wie diese Forderungen jetzt erneut gestellt wurden und unter dem Druck des Streikes durchgeschr werden sollten, scharf abrulehnen ist, darüber herrsckt sa Einigkeit unter den bürgerlichen Parteien. Die .Germania' glaubt aber, in einem ähnlichen Sinne auch für die Regierung sprechen zu können. Und in der Tat gibt eine Auslastung der .Norddeutschen Allgemeinen Zeitung' ihr Reckt, di- in ihren wesentlichen Teilen besagt, daß man, wenn das Progr des Parkeiansschustes sich aus innerpolilische Forde rungen c.nränkke und die Wünsche außerpolitischer Art fort fielen, schon ein Stück vorwärts gekommen wäre. Dann führt das Blatt fort: .Wenn die Streikenden mit ihren innerpolitischen Wünschen auch vielfach offene Türen einrennen und ihre an sich durchaus verständlichen Klagen über unzulängliche Nahrungs- mNtelversorgung in einer Zelt vorbringen, die sich gegen dieselbe Zelt des Vorsohres doch auf das Wohltuendste abhebt, so sind die
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite